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des Straftäters (bspw. Verlust des Arbeitsplatzes oder existenzielle Bedrohung).
Dieser Umstand dürfte ein langfristiges Fahrverbot jedoch in der Regel ausschlie-
ßen.
Mithin ist es gerade die empfindliche Strafwirkung des Fahrverbotes, die einer Aufwertung zur Hauptstrafe als auch einer Erhöhung der Verbotsdauer entgegensteht.
3. Regelsanktion für sog. „Zusammenhangstaten“
Nach dem Gesetzesentwurf soll das Fahrverbot in der Regel angeordnet werden,
wenn der Täter
„1. wegen einer Straftat nach § 315c Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a, Abs. 3 oder § 316 [StGB]
verurteilt wird oder
2. wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, zu deren Begehung oder Vorbereitung er ein
Kraftfahrzeug als Mittel der Tat geführt hat,
und die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 [StGB] unterbleibt.“
Ziffer 1 entspricht der bisherigen Regelvermutung in § 44 Abs. 1 Satz 2 StGB. Auf
die in diesem Zusammenhang bereits geäußerten Bedenken kann insofern verwiesen
werden819.
In Ziffer 2 widerspiegelt sich die derzeitige Begriffsbestimmung für die Zusammenhangstat, wonach es genügt, wenn die Ausführung der Tat durch das Führen eines
Kraftfahrzeuges ermöglicht oder gefördert wurde. Mithin würde jede wie auch immer geartete Rolle des Kraftfahrzeuges für das Tatgeschehen die Anordnung eines
Regelfahrverbotes auslösen.
Damit wäre also die Bestrafung einer straflosen Vorbereitungshandlung über das
Fahrverbot gesetzlich legitimiert – welch ein Widerspruch in sich!
Offensichtlich getragen von einem Bedürfnis nach Sanktionsverschärfung lässt Ziffer 2 völlig außer Acht, dass die Verhängung des Fahrverbotes als strafrechtliche
Sanktion dem subsidiären Rechtsgüterschutz dient820. Soll durch das Fahrverbot der
Missbrauch des Fahrzeuges zur Begehung einer Straftat geahndet werden, so setzt
dies zumindest die Förderung einer Gefährdung geschützter Rechtsgüter voraus. Eine solche ist aber gerade nicht gegeben, wenn der Täter ein Kraftfahrzeug zur Vorbereitung der Tat führt.821 Und sie lässt sich auch nicht darüber begründen, dass der
Täter das Fahrzeug in deliktischer Absicht genutzt hat. Vielmehr gilt es hier die
notwendige Abgrenzung zwischen strafloser Vorbereitungshandlung und strafbaren
Versuch zu wahren.
819 Siehe hierzu die Ausführungen unter B. V. 2. b) und c).
820 Vgl. Roxin, Strafrecht – AT, Bd. I, 4. Aufl. 2006, § 2 Rn. 1, die Subsidiarität bezieht sich hier
auf das „ultima ratio“- Prinzip der Strafe.
821 Siehe hierzu die Ausführungen unter B. III. 2. a).
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Davon unabhängig spricht gegen die geplante Regelanordnung auch grundsätzlich
der Umstand, dass sich bei Zusammenhangstaten die Notwendigkeit der Ahndung
des Missbrauchs eines Kraftfahrzeuges aus Gründen einer „Hebung der Verkehrssicherheit“822 – wenn überhaupt – nur mittelbar herleiten lässt823. Als entsprechendes
Indiz hierfür ist auch die vom Bundesgerichtshof vorgenommene Einschränkung des
Anwendungsbereichs der Entziehung der Fahrerlaubnis bei sog. Zusammenhangstaten zu werten824. Ist jedoch bereits das übergeordnete Interesse für die Verhängung
des Fahrverbotes anzuzweifeln, so liegt seine Normierung als Regelsanktion in diesen Fällen erst recht neben der Sache. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund,
dass das Strafgesetzbuch bereits mit der in § 74 Abs. 1 StGB geregelten Einziehung
der sog. instrumentum sceleris eine Möglichkeit eröffnet, auf die Benutzung des
Fahrzeugs zur Begehung einer Straftat zu reagieren.
4. Fazit
Im Ergebnis lassen sich keine der vom Gesetzesentwurf vorgesehenen Änderungen
befürworten:
Es ist gerade die empfindliche Strafwirkung des Fahrverbotes, die den Gesetzgeber
davon abhalten sollte, das Fahrverbot zur Hauptstrafe aufzuwerten und seine Verbotsdauer zu erhöhen.
Daneben spricht gegen die Aufwertung des Fahrverbotes zur Hauptstrafe auch der
Umstand, dass es kaum gelingen wird, den mit dem Fahrverbot speziell verbundenen Ausschluss von der Teilnahme am Straßenverkehr in ein ausgewogenes Verhältnis zum Schuldvorwurf zu setzen, um im Ergebnis eine schuldangemessene und
vor allem rechtsmittelresistente Strafe zu verhängen.
Eine Erhöhung der Verbotsdauer würde in der Regel zu besonders nachteiligen
Auswirkungen führen und folglich einer Verhängung des Fahrverbotes als Hauptstrafe entgegenstehen.
Gegen die geplante Normierung des Fahrverbotes als Regelsanktion bei sog. Zusammenhangstaten spricht bereits die notwendige Trennung zwischen straflose Vorbereitungshandlungen und strafbaren Versuchs, die andernfalls verwischen würde.
Die Bedenken gegen eine Erhöhung der Verbotsdauer und einer Normierung als Regelsanktion in
Fällen sog. Zusammenhangstaten bestehen selbstverständlich auch unabhängig von der Aufwertung
des Fahrverbotes zu einer Hauptstrafe. Von diesen Änderungen sollte folglich selbst dann abgesehen werden, wenn das Fahrverbot als (Neben)Strafe beibehalten wird.
822 BT-Drucks. IV/651, S. 12.
823 Siehe hierzu die Ausführungen unter B. III. 2.
824 Siehe hierzu die Ausführungen unter B. III. 2. f).
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References
Zusammenfassung
Im Mittelpunkt der Untersuchung steht die rechtsdogmatisch relevante Frage, inwieweit die Kriminalrechtsfolge Fahrverbot (§ 44 StGB) gleichzeitig als Rechtsfolge einer typischen Jugendverfehlung (§ 44 StGB i.V.m. § 8 Abs. 3 JGG) und einer Verkehrsordnungswidrigkeit (§ 25 StVG) fungieren kann.
Unter diesem Blickwinkel werden zunächst das Wesen und die Funktion des Fahrverbotes als sog. „Denkzettel“ herausgearbeitet. Anschließend wird das Fahrverbot in das jeweilige Sanktionssystem eingeordnet und die Voraussetzungen für seine Anordnung und Vollstreckung kritisch hinterfragt. Im Ergebnis ist festzustellen, dass das Fahrverbot im Strafrecht noch nicht den Platz einnimmt, der ihm ursprünglich vom Gesetzgeber zugedacht war. Dazu bedarf es in erster Linie einer zurückhaltenden Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 69 StGB. Im Jugendstrafrecht verstößt die Verhängung des Fahrverbotes nach derzeitiger Rechtslage gegen das Analogieverbot gemäß Art. 103 Abs. 2 GG. Neben der Verhängung einer Geldbuße für eine begangene Verkehrsordnungswidrigkeit vermag das Fahrverbot als sog. „Denkzettel“ nicht zu fungieren, es entfaltet für den Betroffenen vielmehr Strafwirkung.