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B. Die Gewährleistungen des Art. 8 EMRK
Allein Art. 8 EMRK, der vier Garantiebereiche normiert, die voneinander verschieden sind, sich aber überlagern und deren Leitmotiv stets der Schutz der Privatsphäre
ist, bietet eine Grundlage für die Annahme eines solchen Schutzes auch nach Maßgabe der Konvention.
I. Schutzbereich/Begriff des Privatlebens
Die EMRK selbst definiert den Begriff des Privatlebens nicht. Als unbestimmter
Rechtsbegriff ist er mit den Mitteln der Auslegung inhaltlich auszufüllen. Nach dem
Wortlaut lässt sich „Privatleben“ als Rechtsbegriff sowohl eng, im Sinne einer auf
den häuslichen Bereich beschränkten Lebenssphäre, als auch weit, im Sinne einer
Sphäre, in der eine Person ihr Leben nach ihrer Wahl lebt und ihre Persönlichkeit
entwickeln und Beziehungen jeglicher Art zu anderen Menschen aufnehmen
kann,172 verstehen. Die Entstehungsgeschichte zu Art. 8 EMRK gibt zum Begriffsverständnis nichts her.
Eine detaillierte Kennzeichnung des Schutzbereiches kann schon wegen der Vielzahl verschiedenster Lebenssachverhalte nicht vorgenommen werden. Folgerichtig
decken dann auch sämtliche Versuche einer allgemeinen Bestimmung des Schutzbereichs das gesamte mögliche Deutungsspektrum ab.
So wird der Begriff zum Teil sehr eng als Schutz gegen willkürliche polizeiliche
Übergriffe interpretiert.173 Diese Beschränkung auf willkürliche staatliche Übergriffe kollidiert indes erheblich mit dem Wortlaut, der durch eine solche Auslegung sicher überdehnt würde und der Entstehungsgeschichte. Der ursprünglich vorhandene
Bezug zu „willkürlichen Eingriffen („arbitrary interference“) wurde ausdrücklich
fallen gelassen.174
Gleiches gilt für den ähnlich engen Ansatz der Deutung hinsichtlich eines Schutzes vor unerwünschter Kommunikationsteilhabe.175
Wollte man demgegenüber Privatsphäre definieren als „Recht in Ruhe gelassen
zu werden“, liefe dies auf einen umfassenden negativen Abwehranspruch hinaus,
wobei der Wortlaut zumindest der Einbeziehung solcher Lebensbereiche entgegenstehen würde, die keinen Ausfluss des Privatlebens mehr darstellen.
Versucht wird schließlich auch eine Deutung als Anspruch auf räumliche Isolation vor jeglicher Öffentlichkeit.176
172 Meyer-Ladewig, EMRK, Art. 8 EMRK Rn. 3.
173 Vgl. EGMR, Marckx u.a. gegen Belgien, EuGRZ 1979, S. 454, 462, abweichende Meinung
Richter Gerald Fitzmaurice.
174 Vgl. Wildhaber, Internationaler Kommentar zur EMRK, Art. 8 EMRK Rn. 34.
175 Gusy, Datenverarbeitung im Recht 1984, S. 289 ff., 291, 310.
176 Gusy, Datenverarbeitung im Recht 1984, S. 289, 290 ff.; Doswald-Beck, HRLJ (Human
Rights Law Journal) 1983, S. 283, 294.
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Nicht zu sichern ist auf dieser Grundlage eines bloß räumlichen Schutzes vor Öffentlichkeit eine Achtung des Privatlebens in Bezug auf soziale Beziehungen. Zum
Privatleben gehört aber nicht nur der Lebensbereich, der andere Personen nicht betrifft, sondern als Ausdruck der Persönlichkeitsentfaltung auch der Anspruch, bis zu
einem gewissen Grade Beziehungen zu anderen Menschen aufzunehmen und zu
entwickeln.177
1. Die Interpretation durch den EGMR
In Konsequenz der genannten Bedenken wurde keiner dieser allgemeinen Bestimmungsversuche vom EGMR übernommen. Um die Gewährleistungen der Konvention den sich laufend ändernden sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Bedingungen, den ethischen Auffassungen und auch dem wissenschaftlich-technischen Fortschritt anpassen zu können, legt der EGMR die Schutzbereiche offen und großzügig
aus und macht sie damit einer evolutiv-dynamischen - im Gegensatz zu einer statisch-historischen - Interpretation zugänglich.178
Die Schutzbereiche der einzelnen Konventionsgrundrechte sind immer im Hinblick darauf auszulegen, einen wirksamen Menschenrechtsschutz sicherzustellen.
Können die Konventionsgarantien auch inhaltlich nicht modifiziert werden, so ist
der Rechtsprechung des EGMR deshalb doch eine rechtsschöpfende Komponente
immanent.179
Davon ausgehend ist auch der Begriff des Privatlebens konventionskonform nur
im Sinne eines grundsätzlich weiten Schutzbereichsverständnisses zu interpretieren,
wobei die Entscheidungen der Konventionsorgane allgemeingültige Definitionsversuche vermeiden. Die Unmöglichkeit einer allgemeinen Begriffsdefinition des Privatlebens hat der EGMR jüngst selbst ausdrücklich bestätigt,180 und festgestellt, dass
der Begriff des Privatlebens einer abschließenden Definition nicht zugänglich ist.181
So hat er den Begriff letztlich kasuistisch ausgefüllt, wobei die einzelnen allgemeinen Bestimmungsversuche einen gewissen Einfluss ausüben. Diese Kasuistik
geht aus vom allgemeinen Kriterium der beschränkten Zugänglichkeit. Dies meint
sowohl den klassischen Fall der beschränkten räumlichen Zugänglichkeit zum Lebensbereich einer Person, als auch den beschränkten Zugang zu Informationen über
eine Person und deren Anspruch auf weitestgehende Anonymität im öffentlichen
Bereich.
177 EKMR, Brüggemann und Scheuten gegen BRD, EuGRZ 1978, S. 199; EGMR, Niemitz gegen
BRD, EuGRZ 1993, S. 65.
178 Wildhaber, in: Internationaler Kommentar zur EMRK, Art. 8 EMRK Rn. 17; Vgl. Stieglitz,
Allgemeine Lehren, S. 100; Meyer-Ladewig, EMRK, Einl. Rn. 32.
179 Wildhaber, in: Internationaler Kommentar zur EMRK, Art. 8 EMRK Rn. 18.
180 EGMR, Peck gegen Vereinigtes Königreich, 28. Januar 2003, Ziffer 57: „Private life is a
broad term not susceptible to exhaustive definition“, www.echr.coe.int.
181 EGMR, Pretty gegen Vereinigtes Königreich, NJW 2002, S. 2851, 2853.
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Zusammenfassend lässt diese Kasuistik erkennen, dass die geschützte Privatsphäre die Entwicklung und Verwirklichung der Persönlichkeit des Individuums gewährleisten soll182 und immer dann betroffen ist, wenn der Betroffene – objektiv - Achtung seiner Privatsphäre erwarten kann. Wann dies jeweils der Fall ist, wird unter
Beachtung der konkret drohenden Gefährdungen pragmatisch gelöst.
2. Einzelne für die Untersuchung relevante Schutzgegenstände
a) Persönlichkeitsrecht
Die Europäische Kommission für Menschenrechte (EKMR)183 lehnte in einer früheren Entscheidung einen dem Grundgesetz vergleichbaren Schutz der freien Entfaltung der Persönlichkeit aus Art. 8 EMRK ab.184 Sie ging davon aus, dass kein dem
deutschen Recht entsprechendes allgemeines Persönlichkeitsrecht existiere. Art. 8
EGMR besitze keine so große Reichweite, um daraus ein allgemeines Recht zum
Schutz der Persönlichkeit abzuleiten.185
Doch schon aus der Präambel der EMRK, die auf die Allgemeine Erklärung der
Menschenrechte186 verweist, lässt sich auf einen Schutz der Persönlichkeitsrechte
schließen. Die Art. 22, 26 und 29187 der Erklärung nennen ausdrücklich das Recht
auf freie Entwicklung der Persönlichkeit.
182 Marauhn/Meljnik, in: Grote/Marauhn, EGMR/GG, Kap. 16 Rn. 25.
183 Im Zuge der umfassenden Neuregelung und Vereinfachung des Rechtsschutzsystems der
EMRK durch das 11. Zusatzprotokoll, BGBl. 1995 II, S. 578, in Kraft getreten am 1.11.1998,
wurde die Europäische Kommission für Menschenrechte abgeschafft und die Rechtsprechung
beim EGMR konzentriert. Bis dahin hatte die EKMR in einem ersten Verfahrensgang die Zulässigkeit einer Beschwerde zu prüfen. Wurde die Zulässigkeit bejaht, erstellte die Kommission zur Frage der Konventionsverletzung einen Bericht (Art. 31 a.F. EMRK). Erst dann konnte
der EGMR angerufen werden. Dieses notwendige Zusammenwirken von EKMR und EGMR
erwies sich als uneffektiv, weil zu langwierig und war zudem wenig transparent. Zu den Neuregelungen vgl. Meyer-Ladewig/Petzold, NJW 1999, S. 1165 ff.
184 EKMR, Roger Vanden Berghe gegen Belgien, 16. 12. 1968, YB (Yearbook of the European
Convention On Human Rights) 11, S. 412.
185 EKMR, Roger Vanden Berghe gegen Belgien, 16. 12. 1968, YB 11, S. 412; EKMR, Lucie
Hagmann-Hüsler gegen die Schweiz, 15.12.1977, DR (Decisions and Reports of the European
Commission of Human Rights) 12, S. 203.
186 Allgemeine Erklärung der Menschenrechte in der von der Generalversammlung der Vereinten
Nationen am 10. Dezember 1948 beschlossenen Fassung.
187 Art. 22-Soziale Sicherheit-lautet: „Jeder Mensch hat als Mitglied der Gesellschaft das Recht
auf soziale Sicherheit; er hat Anspruch darauf (...) in den Genuss der für seine Würde und die
freie Entwicklung seiner Persönlichkeit unentbehrlichen (...) Rechte zu gelangen.“
In Art. 26-Kulturelle Betreuung und Elternrecht-heißt es: „Die Ausbildung soll die volle Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit (...) zum Ziel haben.“
Art. 29-Grundpflichten-lautet: „Jeder Mensch hat Pflichten gegenüber der Gemeinschaft, in
der allein die freie und volle Entwicklung seiner Persönlichkeit möglich ist.“
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Der Verweis in der Präambel der EMRK ist nicht anders zu verstehen, als dass
die EMRK, der Verwirklichung der Ziele der Erklärung dienend188, auch die dort
genannten Werte schützen will.
Später äußerte sich die Kommission dann auch dahingehend, dass das Recht auf
Achtung des Privatlebens auch gewährleistet, „Beziehungen zu anderen menschlichen Wesen herzustellen und zu unterhalten, (...), und dies zur Entwicklung und Erfüllung der eigenen Persönlichkeit.“189
Konsequenterweise erkennt auch der EGMR an, dass Art. 8 EMRK Bereiche der
menschlichen Persönlichkeit schützt, in welchem der Einzelne seine Persönlichkeit
entwickeln und entfalten kann.190 Dazu gehört neben einem vor Zugriffen Dritter
geschützten Rückzugsbereich im Grunde auch die Selbstbestimmung im Sinne einer
Verfügungsbefugnis über die eigene Person und die Gestaltung des eigenen Lebens.191 Allerdings kommt in der Rechtsprechung des EGMR auch deutlich zum
Ausdruck, dass die Gewährleistungen von Art. 8 EMRK nicht die Weite von Art. 2
GG haben, soweit es um die Entfaltung der Persönlichkeit geht. Denn das Gericht
betont, dass Art. 8 EMRK nur „wesentliche Ausdrucksmöglichkeiten der menschlichen Persönlichkeit“ gewährleistet.192
b) Recht am eigenen Bild
In diesen Bereich der Persönlichkeitsentwicklung gehört als spezielle Ausprägung
des Persönlichkeitsschutzes grundsätzlich auch das Recht am eigenen Bild. Dennoch
ist zweifelhaft, ob Art. 8 EMRK tatsächlich das Recht am eigenen Bild als solches
schützt. In der Literatur wird vertreten, dass das Recht am eigenen Bild, ähnlich wie
es im deutschen Recht eine besondere Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts darstellt (vgl. oben, Erster Teil, § 1 C I 4, S. 38), ein Teil des Rechts auf Achtung des Privatlebens nach Art. 8 EMRK sei.193
Nach anderer Ansicht ist das Recht am eigenen Bild nicht explizit geschützt.
Schutz wird nur dann gewährt, wenn durch das Fotografieren in die Privatsphäre
eingedrungen wird.194
188 Frowein/Peukert, EMRK, Präambel Rn. 1.
189 EKMR, 6825/74, 18. Mai 1976, YB 19, S. 342.
190 EGMR, Dudgeon gegen Vereinigtes Königreich, EuGRZ 1983, S. 488, 492; Vgl. EKMR,
Brüggemann und Scheuten gegen BRD, EuGRZ 1978, S. 199; Frowein/Peukert, Europäische
Menschenrechtskonvention, Art. 8 EMRK Rn. 3.
191 Vgl. Villiger, Handbuch der europäischen Menschenrechtskonvention, Rn. 556; Marauhn/Meljnik, in: Grote/Marauhn, EGMR/GG, Kap. 16 Rn. 25.
192 EGMR, Dudgeon gegen Vereinigtes Königreich, EuGRZ 1983, S. 488, 492.
193 Velu, The European Convention on Human Rights and the Right to Respect for Private Life,
the Home and Communications, in: Robertson, Privacy and Human Rights, S. 47.
194 Velu, in: Robertson, Privacy and Human Rights, S. 52.
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So wird die Norm auch in der Praxis verstanden. Entscheidend ist die Verletzung
der Privatsphäre durch das Fotografieren und/oder Veröffentlichen. In einer jüngeren Entscheidung195 äußert sich der EGMR zwar dahingehend, dass Art. 8 EMRK
auch das Recht am eigenen Bild umfasst, was er im Caroline-Urteil bestätigt.196
Dass dies aber als selbständige Ausprägung verstanden werden soll, ist nicht anzunehmen, stellt das Gericht im weiteren doch darauf ab, ob die Fotoaufnahmen wegen ihres Inhalts in den Bereich des Privatlebens fallen.
II. Beschränkungsmöglichkeiten
Genau wie das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Grundgesetzes ist auch das
Recht auf Privatleben nach der Konvention nicht vorbehaltlos gewährleistet. Die
Notwendigkeit einer Einschränkung gebietet schon der ebenfalls weite Schutzbereich.
Der Eingriff in das Recht auf Privatleben verstößt gegen die EMRK, es sei denn,
er ist gesetzlich zugelassen, verfolgt eines oder mehrere der in Abs. 2 genannten Ziele und ist in einer demokratischen Gesellschaft notwendig, um diese Ziele zu erreichen.197 Die Besonderheit dieser Schranke besteht in einer Verknüpfung formeller
und materieller Elemente. Vordergründig betrachtet setzen die geforderten materiellen Kriterien dem Gesetzgeber inhaltlich deutlich wahrnehmbare Grenzen. Doch
zeigt sich die Schrankenbestimmung bei näherer Betrachtung trotz der Zweckbestimmung als sehr weit gefasst. Die in Art. 8 Abs. 2 als legitime Ziele verwendeten
Begriffe sind von einer außerordentlichen tatbestandlichen Weite, womit es letztlich
als möglich erscheint, jeden Eingriff einem dieser Ziele zuordnen zu können.198
Ein Korrektiv liefert dann aber das Erfordernis der Notwendigkeit in einer demokratischen Gesellschaft. Nach ständiger Rechtsprechung des EGMR muss ein
„zwingendes/dringendes soziales Bedürfnis“ bestehen, das die Einschränkung des
Grundrechts erforderlich macht.199
195 EGMR, Schüssel gegen Österreich, 21.02.2002, www.echr.coe.int.
196 EGMR NJW 2004, S. 2647, 2648-Caroline von Hannover, Ziffer 50.
197 Vgl. EGMR NJW 2000, S. 1015-Bladet Tromso gegen Norwegen; EGMR LKV 2001, S. 69-
Noack gegen Deutschland; Meyer-Ladewig, EMRK, Art. 8 EMRK Rn. 37.
198 Klein, AfP 1994, S. 9, 13; Stieglitz, Allgemeine Lehren, S. 66, 67.
199 EGMR, Dudgeon gegenVereinigtes Königreich, EuGRZ 1983, S. 488, 492; EGMR, Silver
u.a. gegen Vereinigtes Königreich, EuGRZ 1984, S. 147, 152; EGMR, Müller u.a. gegen
Schweiz, EuGRZ 1988, S. 543, 545.
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§ 3: Zusammenfassender Systemvergleich
A. Dogmatischer Ausgangspunkt
Für den grundrechtlichen Persönlichkeitsschutz wurde die Verbindung mit dem
Selbstbestimmungsrecht des Menschen anhand der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nachvollzogen. Offen geblieben ist dabei bislang der dem Selbstbestimmungsrecht beizumessende Stellenwert im Rahmen der Abwägung mit kollidierenden Rechten, worauf im Laufe dieser Untersuchung aber noch zurückzukommen
sein wird.
Für den Privatsphärenschutz nach der EMRK wird diese Verbindung mit dem
Selbstbestimmungsrecht teilweise bestritten,200 doch dürfte diese Auffassung nicht
zutreffend sein. Das Selbstbestimmungsrecht des Menschen ist Ausdruck und
Grundlage persönlicher Freiheit. Diese Freiheit als Urelement menschlicher Selbstbestimmung ist dem Menschen aus dem Grunde seiner Würde gegeben.201 Ist daher
die Verknüpfung mit dem Selbstbestimmungsrecht für das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Grundgesetzes schon wegen dessen normativer Verknüpfung mit Art.
1 Abs. 1 GG zwingend, so gilt dies unabhängig davon auch für Art. 8 EMRK. Zwar
wird der Begriff der Menschenwürde im gesamten Konventionstext nicht verwendet,
doch ist sie in Art. 3 EMRK (Folterverbot) verankert,202 und wird vom EGMR als
Fundament aller Menschenrechtsgarantien der EMRK betrachtet.203
Bedarf es für die Anerkennung des Privatsphärenschutzes nach der EMRK auch
keiner normativen Verknüpfung mit der Menschenwürdegarantie, so ist das Recht
auf Achtung der Privatsphäre nach Art. 8 EMRK doch Ausfluss dieses elementaren
Rechts204 und unterliegt damit genauso dessen Einfluss, mag auch die inhaltliche
Ausgestaltung nicht deckungsgleich mit dem verfassungsrechtlichen Würdebegriff
sein.
200 Schweßinger, Der Einfluss der EMRK auf den zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutz in
Deutschland, Frankreich und England, S. 67.
201 Coing, Die obersten Grundsätze des Rechts, S. 64, 70; Dürig, AöR 81 (1956), S. 125 ff; Kübler, Über Wesen und Begriff der Grundrechte, S. 91.
202 Ermacora/Nowak/Tretter, Die Europäische Menschenrechtskonvention in der Rechtsprechung
der österreichischen Höchstgerichte, Art. 3 EMRK Rn. 6.1. Schließlich nimmt die Präambel
der EMRK auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte Bezug, die wiederum in ihrer
Präambel und in Art.1 die Menschenwürde ausdrücklich erwähnt.
203 Vgl. EGMR, Pretty gegen Vereinigtes Königreich, NJW 2002, S. 2851: “The very essence of
the Convention is respect for human dignity and human freedom.“
204 Vgl. EGMR, Pretty gegen Vereinigtes Königreich, NJW 2002, S. 2851; Weber, Menschenrechte, S. 150; Bergmann, Das Menschenbild der Europäischen Menschenrechtskonvention,
S. 120.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Der Autor wendet sich der viel diskutierten Frage zu, wie Persönlichkeitsschutz einerseits, Meinungs- und Pressefreiheit andererseits in einer freiheitlichen Rechtsordnung zueinander stehen. Neu dimensionierte Verletzungsmodalitäten in der Medien- und Informationsgesellschaft verlangen eine Überprüfung der bisher nach deutschem Recht vor allem von der Rechtsprechung zum Verhältnis Persönlichkeitsrecht – Meinungs-/Pressefreiheit entwickelten Rechtsgrundsätze.
Ausgehend vom Schutzgut des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, dem fundamentalen und mit der Menschenwürde in Verbindung stehenden Recht auf Selbstbestimmung, misst der Verfasser die Grundsätze der Konfliktlösung nach deutschem Recht an europäischen Standards und rekonstruiert davon ausgehend den Problemzugang zum nationalen Recht.
Das Werk weist einen Weg, wie der Achtungsanspruch des Einzelnen in verfassungsrechtlich gebotener Weise aufgewertet werden kann, ohne die konstitutive Funktion der Meinungs- und Pressefreiheit für das europäische Modell der pluralistischen Demokratie zu vernachlässigen.