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in Wien214. Auch der deutsche Bundestag arbeitet inzwischen weitgehend mit Open
Source-basierter Serversoftware.215 Sogar jenseits von „IT“ und Programmentwicklung spielt Open Source mittlerweile eine nicht zu unterschätzende Rolle. Projekte
wie Creative Commons für urheberrechtlich geschützte Inhalte, Open Access für
wissenschaftliche Veröffentlichungen, YouTube, Flickr und Google Books beweisen, dass das Prinzip des freien Zugangs zur Information Schule gemacht hat.216
III. Freeware und Shareware
Von Open Source-Software abzugrenzen sind wiederum so genannte Free- und Sharewareprodukte, d. h. Programme, deren Hauptmerkmal die unentgeltliche Überlassung ist, die aber nicht als Open Source bezeichnet werden können.
1. Freeware
Wichtigstes Kriterium der Überlassung so genannter Freeware ist die Tatsache, dass
die Programme vollkommen unentgeltlich weitergegeben werden.217 Der Quellcode
wird dem Nutzer aber anders als bei Open Source Software nicht zur Verfügung gestellt. Der Verwender bekommt auch keine besonderen Nutzungsbefugnisse in Form
von Bearbeitungs- und Weitergabemöglichkeiten. Freeware ist also mit „freier
Software“ nicht zu vergleichen. Sie kann auch aus normalerweise proprietär vertriebenen Programme bestehen, die lediglich ausnahmsweise, etwa zu Werbezwecken,
unentgeltlich weitergegeben werden. Tatsächlich wird diese Vertriebsform in der
Regel als Marketinginstrument verwendet,218 beispielsweise um ein Programm am
Markt einzuführen oder es bekannter zu machen. Der massive Einsatz von Freeware
kann als „Marktverstopfung“ unter Umständen ein unlauteres Verhalten im Sinne
der §§ 3, 4 UWG darstellen.
214 http://www.wien.gv.at/ma14/wienux.html.
215 http://www.bundestux.de/.
216 www.creativecommons.org; http://www.open-access.net/; http://de.youtube.com/; http://flickr
.com/; http://books.google.de/.
217 www.freewarepage.de/freeware.shtml.
218 Vgl. den so genannten Browser-Krieg zwischen Microsoft und Netscape, dazu unter
www.heise.de/tp/deutsch/kolumnen/rus/2185/1.html.
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2. Shareware
Shareware219 ist normale, kommerziell vertriebene Software, die nur für eine bestimmte Zeit kostenlos oder gegen ein geringes Entgelt dem Empfänger zur Nutzung
überlassen wird.220 In der Regel darf die Programmkopie hierbei auch weitergegeben
werden, soweit dies nicht zu kommerziellen Zwecken geschieht.221 Im Anschluss an
die Testzeit kann der Nutzer eine Vollversion gegen Entgelt erwerben,222 seine Nutzungsbefugnis an der unentgeltlichen Version erlischt dann. Der Einsatz von Shareware zu Testzwecken ist recht verbreitet. So ist es beispielsweise mittlerweile üblich, dass Sony auf seinen Rechnern lediglich eine dreimonatige Testversion eines
Officepakets und einer Virensoftware installiert. Nach Ablauf der drei Monate bekommt der Nutzer die Möglichkeit, eine Vollversion des Programms zu erwerben.
IV. Public Domain
Im europäischen Rechtsraum nur in Abwandlungen anzutreffen ist die so genannte
Public Domain.223 Sie hat ihren Ursprung im US-amerikanischen Universitätswesen.224 Die Hochschulen erhielten dort staatliche Zuschüsse für die Entwicklung von
Computerprogrammen, verpflichteten sich im Gegenzug aber dazu, vollständig auf
Ausschließlichkeitsrechte zu verzichten.225 Die Software stand also im Gemeineigentum. Zivilrechtlich ist die Freigabe im deutschen Recht als Dereliktion zu betrachten. Eine Reihe privater Entwickler folgte dieser Vorgehensweise und so entstand die Public Domain.
Im kontinentaleuropäischen Urheberrecht ist eine derartige vollständige Aufgabe
des geistigen Eigentums wegen dessen –unter anderem in § 29 Abs. 1 UrhG verankerter- persönlichkeitsrechtlicher Komponente nicht möglich.226 Um das gleiche Ergebnis zu erlangen, muss man deshalb von einer Selbstverpflichtung zur Nichtwahrnehmung der Verbotsrechte227 oder von der Einräumung eines einfachen, umfassenden Nutzungsrechts an jedermann ausgehen, wenn ein Programm in die Public Do-
219 Früher auch User Supported-Software, vgl. dazu Marly, Softwareüberlassungsverträge, 2004,
RdNr. 367 ff.
220 So wie beispielsweise die kostenlosen dreimonatigen Testversionen von Windowsprogrammen.
221 Schiffner, Open Source Software, 2003, S. 23.
222 Vgl. dazu Werner, CR 1996, 727.
223 Deutsch: „Öffentliche Domäne“, d. h. es handelt sich um Allgemeingut.
224 Jaeger/Metzger, Open Source Software, 2. Aufl. 2006, S. 5.
225 Siepmann, jur-PC Web-Dok. 163/1999, Abs. 13.
226 Vgl. Jaeger/Metzger, Open Source Software, 2. Aufl. 2006, S. 5.
227 Jedenfalls für ein uneingeschränktes Verwertungsrecht Spindler, in: ders., Rechtsfragen bei
Open Source, 2004, S. 17.
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References
Zusammenfassung
Die vorliegende Arbeit will langjährige Missverständnisse und Schwierigkeiten des immaterialgüterrechtlichen Schutzes von Computerprogrammen endgültig ausräumen. Die Betrachtung aus wettbewerbsorientiertem Blickwinkel auf der Grundlage der technischen und ökonomischen Besonderheiten ist – soweit ersichtlich – die erste Untersuchung, die sowohl das Urheber- als auch das Patentrecht einbezieht und dabei eine umfassende Neuregelung vorschlägt.
Dr. Lina Barbara Böcker befasst sich im Rahmen ihrer Tätigkeit am Institut für Wirtschafts-, Wettbewerbs- und Regulierungsrecht an der Freien Universität Berlin in erster Linie mit wettbewerbsrechtlichen Problemen des Immaterialgüterrechtsschutzes und allgemeinem Zivilrecht.