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Besonders relevant für die Praxis ist der Kapitalisierungszinssatz gemäß § 5 FVerlV.
Seine Höhe bestimmt letztlich den Wert der verlagerten Funktion. Gemäß § 5 S. 1
FVerlV ist vom Zins für eine risikolose Investition auszugehen und ein funktionsund risikoadäquater Zuschlag vorzunehmen. In der Dokumentation ist zunächst darzulegen, an welchen Wert sich der Zins für eine risikolose Investition anlehnt. Insbesondere ist sodann aber aufzuzeichnen, wie der Zuschlag ermittelt worden ist. Da
es sich um einen funktions- und risikoadäquaten Zuschlag handeln muss, ist im Einzelnen darzulegen, wie diese Faktoren Berücksichtigung gefunden haben. Es ist also
im Einzelnen darzustellen, wie die bereits im Rahmen der Sachverhaltsdokumentation dargestellten Beiträge zur Wertschöpfungskette sich auf den Kapitalisierungszinssatz ausgewirkt haben.
Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass im Rahmen der Dokumentation
des Ertragswertes alle Faktoren zu berücksichtigen sind, die in Abschnitt II der
FVerlV, also in den §§ 3 bis 8 FVerlV niedergelegt sind.
III. Sonstige Auswirkungen der §§ 90 III, 162 III u. IV AO auf die Dokumentation
von Funktionsverlagerungen
Es ist bereits oben dargestellt worden, wie sich der neue § 90 III 9 AO und der § 162
III 3 AO auch auf Funktionsverlagerungen auswirken können.1068 Auf diese Ausführungen wird verwiesen.
Für die Praxis ist noch ein weiterer Gesichtspunkt relevant. Es gibt Vorgänge, die
sich erst im Nachhinein als Funktionsverlagerung herausstellen können. Dies gilt
insbesondere für die Fälle der Funktionsverdoppelung, für die gemäß § 1 VI FVerlV
erst dann eine Funktionsverlagerung gemäß § 1 III 9 AStG anzunehmen ist, wenn
eine Auswirkung bei abgebenden Unternehmen innerhalb der ersten fünf Jahre stattgefunden hat. Damit ist eine Funktionsverdoppelung latent geeignet, als Funktionsverlagerung angesehen zu werden. Für solche Vorgänge wird empfohlen, von vornherein ausführliche Dokumentationen vorzunehmen.1069 Dieser Hinweis ist auch vor
dem Hintergrund der §§ 1 III 11 und 12 AStG in Bezug auf vorhandene oder nicht
vorhandene Preisanpassungsklauseln relevant. Wenn Preisanpassungsklauseln vereinbart wurden, sind diese zu dokumentieren. Sind solche Klauseln nicht vereinbart
worden, besteht latent die Gefahr, dass die genannten Regelungen eingreifen. Daher
sollte gerade dann, wenn auf solche Klauseln verzichtet wird, besonderes Augenmerk darauf gelegt werden, die Grundlagen der Verrechnungspreisfindung zu do-
1068 Siehe oben 1. Teil D.II. und III.
1069 Hruschka, Unterlagen zum Vortrag zum Thema „Dokumentation von Funktionsverlagerungen“ beim Düsseldorfer Forum der internationalen Besteuerung am 27.02.2007; siehe auch
Tagungsbericht dazu in der IStR, Heft 7/2007, S. III; Bodefeld/Kuntschik, in: Blumenberg/Benz, Unternehmenssteuerreform 2008, 240 (285).
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kumentieren, um für spätere, sich auswirkende, abweichende Wertentwicklungen
gewappnet zu sein.
Die Finanzverwaltung hat sich bisher zum Thema Dokumentation von Funktionsverlagerungen nicht geäußert. Es ist zu erwarten, dass sie dies im Rahmen der zu
erwartenden VWG-FV vornehmen wird. Es ist allerdings nicht zu erwarten, dass sie
von den Regelungen der GAufzV abweichen wird, weil sie dies sonst im Rahmen
des Prozesses der Unternehmenssteuerreform 2008 sonst schon gemacht hätte. Im
Übrigen dürfte die Auffassung von Hruschka und des Verfassers der Auffassung der
Finanzverwaltung zu diesem Thema entsprechen. Bisher ist keine Literaturäußerung
ersichtlich, die von Seiten der Industrie oder der Steuerberatung eine andere Position
einnimmt.
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E. Konformität der steuerlichen Behandlung mit Verfassungsrecht
In der Literatur ist die Verfassungskonformität der neuen steuerlichen Regelungen
zur Funktionsverlagerung ebenso in Frage gestellt worden wie die oben bereits geschilderten allgemeinen Neuregelungen zur steuerlichen Behandlung von Verrechnungspreisen.1070 Im Folgenden sollen die gesetzlichen Regelungen in § 1 AStG
(vgl. unter I.) und die neuen Vorschriften in der FVerlV (unten II.) auf ihre Verfassungskonformität hin untersucht werden.
I. Gesetzliche Regelungen
Bei den gesetzlichen Regelungen sind zwei Themenbereiche zu analysieren. Zunächst ist zu fragen, ob die Besteuerungen von Funktionsverlagerungen als fiktive
Veräußerungsvorgänge dem Grunde nach verfassungskonform sind (sogleich unter
1.). Sodann ist zu fragen, ob die Ausgestaltung des § 1 III 9 AStG den verfassungsrechtlichen Anforderungen entspricht (unten 2.).
1. Verfassungskonformität der Besteuerung von Funktionsverlagerungen dem
Grunde nach
Bei der steuerlichen Behandlung von Funktionsverlagerungen handelt es sich um die
steuerliche Erfassung von Verlagerungsvorgängen, die unter Umständen unentgeltlich oder teilentgeltlich erfolgt sind. Diese werden durch die Korrektur auf einen
Wert, der dem Fremdvergleichswert entspricht, letztendlich wie eine fiktive Veräu-
ßerung behandelt. Wenn jetzt zivilrechtlich keine Gegenleistung seitens des aufnehmenden Unternehmens vereinbart worden ist, muss das abgebende Unternehmen
einen fiktiven Ertrag versteuern. Es kommt letztendlich zu einer Schlussbesteuerung
im Inland, obwohl kein entsprechender Cash-flow geflossen ist. Es stellt sich die
Frage, ob darin ein Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip1071 zu sehen ist.
Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 I GG beinhaltet u.a. auch den Grundsatz
der Steuergerechtigkeit, der verlangt, dass die Steuerlasten auf die Steuerpflichtigen
1070 Bödefeld/Kuntschik, in: Blumenberg/Benz, Unternehmenssteuerreform 2008, 240 (288 f.).
1071 Zum Leistungsfähigkeitsprinzip siehe ausführlich Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als
Maßstab der Steuernormen.
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References
Zusammenfassung
Das Thema Funktionsverlagerung ist das Thema des Jahres im Internationalen Steuerrecht. Der deutsche Gesetzgeber hat als erstes Gesetzgebungsorgan weltweit ausdrückliche Regelungen in § 1 Abs. 3 AStG zu diesem umstrittenen Thema erlassen. Die deutsche Finanzverwaltung hat mit Zustimmung des Bundesrats außerdem das Gesetz durch die Funktionsverlagerungsverordnung (FVerlVO) ergänzt. Damit stehen umfassende legislative Regelungen zur Besteuerung dieses umstrittenen Themenbereichs zur Verfügung.
Das Werk analysiert die neuen Regelungen und bezieht zu den einzelnen Themenbereichen ausführlich Stellung. Im ersten Teil werden zunächst die Neuregelungen zur steuerlichen Behandlung von Verrechnungspreisen durch die Unternehmensteuerreform 2008 dargestellt. Dabei wird auch die Vereinbarkeit des § 1 AStG mit dem Europarecht untersucht. Darauf aufbauend werden die Regelungen zur Funktionsverlagerung im zweiten Teil kritisch untersucht und ebenfalls auf ihre Europarechtstauglichkeit analysiert.