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VI. Zwischenergebnis
Die vertiefende Problemanalyse hat Folgendes ergeben: Es gibt tatsächlich Strukturunterschiede zwischen der »additiven Mittäterschaft« und der herkömmlichen,
sog. »korrelativen Mittäterschaft«. Diese legen es jedoch nicht nahe, die »additive Mittäterschaft« quasi als »Paradebeispiel« der gemeinschaftlichen Begehung
einer Straftat aufzufassen. Vielmehr müsste man eher von einem atytpischen Fall
einer gemeinschaftlichen Begehung sprechen, sofern deren Voraussetzungen
überhaupt vorliegen. Weiterhin ist deutlich geworden, dass die oft behaupteten
oder jedenfalls implizierten Strafbarkeitslücken bei Ablehnung der Vollendungsstrafbarkeit aller Beteiligter im Attentats-Fall, vor allem mit Blick auf § 23 Abs.
2, nicht vorhanden sind. Es hat sich gezeigt, dass die hier untersuchte Fallgruppe
eine Auseinandersetzung mit den allgemeinen Voraussetzungen der Mittäterschaft erforderlich macht. Dies gilt auch, aber bei weitem nicht ausschließlich,
hinsichtlich des Verhältnisses von Mittäterschaft und Kausalität. Dieser Punkt
kann isoliert betrachtet zu einer Lösung der hier untersuchten Fallgruppe nicht
zielführend beitragen. Auch macht die Auseinandersetzung mit der »additiven
Mittäterschaft« das bisher kaum beachtete, weil in anderen Fallgruppen wenig relevante Problem deutlich, dass die Voraussetzungen der Mittäterschaft praktisch
immer nur dann bejaht werden können, wenn die Tatbeiträge einzelner Beteiligter
in irgendeiner Weise verbunden werden. Auf die Frage nach Art und Grundlage
einer solchen Verbindung konnte unter Auswertung der bisher vertretenen Auffassungen keine überzeugende Antwort gefunden werden. Allein sinnvoll ist es
daher, die vorliegende Fallgruppe zum Anlass zu nehmen, die allgemeinen Voraussetzungen der Mittäterschaft genauer zu untersuchen. Ist eine allgemeine Mittäterschaftsdogmatik erst einmal entwickelt, dann kann nicht nur die vorliegende
Fallgruppe konsequent gelöst werden, was unter Zugrundelegung der bisher in
Rechtsprechung und Lehre vertretenen Auffassungen nicht gelang. Es kann sodann auch eine allgemeine Antwort auf die in der Auseinandersetzung mit der
»additiven Mittäterschaft« auftretenden und soeben aufgezeigten Probleme gegeben werden.
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References
Zusammenfassung
Das Werk behandelt die Abgrenzung von Mittäterschaft und Teilnahme, eine angesichts der Verbreitung des Tatherrschaftsgedankens rückläufige Diskussion. Losgelöst vom Begriff „Tatherrschaft“ wird die Mittäterschaft – anhand der sog. „additiven Mittäterschaft“ – konsequent auf ihre gesetzliche Regelung in § 25 Abs. 2 StGB zurückgeführt. Die entwickelte Lösung, eine teilweise Renaissance der formal-objektiven Theorie, mag dem Einwand fehlender argumentativer Flexibilität und somit mangelnder Praxistauglichkeit ausgesetzt sein. Demgegenüber steht die Rückbesinnung auf eine echte Tatbestandsbezogenheit, die den dahinterstehenden verfassungsrechtlichen Garantien die notwendige Geltung verschafft.