38
Folgenden soll daher die Frage untersucht werden, inwieweit eine solche ex-ante-
Betrachtung bei der Bestimmung der Wesentlichkeit des objektiven Tatbeitrages
überhaupt zulässig ist. Es soll gezeigt werden, dass die von der herrschenden
Lehre gewählte ex-ante-Perspektive bei stringenter Betrachtung dem Wesen des
objektiven Tatbeitrages widerspricht und dass die hierauf gestützte Lösung der
hier zu untersuchenden Fallgruppe, unabhängig von den soeben dargelegten Bedenken, bereits deswegen zu verwerfen ist.
3. Objektiver Tatbeitrag und ex-ante-Betrachtung
Um zu klären, ob bzw. inwieweit es zulässig ist, die Wesentlichkeit eines objektiven Tatbeitrages aus der ex-ante-Perspektive zu beurteilen, muss zunächst kurz
auf das Wesen des objektiven Tatbestandes eingegangen werden.
a) Die Natur des objektiven Tatbestandes
Verkürzt gesprochen könnte man formulieren, beim objektiven Tatbestand handele es sich um das »äußere Erscheinungsbild der Tat«58. Diese Formulierung ist
allerdings dahingehend zu erweitern, dass nicht ausschließlich äußere Geschehensfaktoren zum objektiven Tatbestand gehören können, sondern auch solche,
die in der Psyche dritter Personen lokalisiert sind.59 Als Beispiel sei hier etwa der
Irrtum bei § 263 genannt, der nach herkömmlicher Unterscheidung unzweifelhaft
ein Merkmal des objektiven Tatbestandes ist. Man könnte in Präzisierung der soeben erwähnten Kurzformel also sagen, dass zum objektiven Tatbestand alle Umstände der Tat gehören, die außerhalb der Psyche des Täters liegen. An dieser
Stelle sei darauf hingewiesen, dass das Begriffspaar subjektiv/objektiv die Gefahr
von Missverständnissen birgt, vor allem aufgrund seiner Benutzung in den verschiedensten Zusammenhängen.60 So können selbstverständlich auch Merkmale
des subjektiven Tatbestandes objektiv in dem Sinne vorhanden sein, dass ihr Vorliegen durch den Richter festgestellt werden kann. Die Unterscheidung zwischen
subjektivem und objektivem Tatbestand mag auch deswegen als missverständlich
angesehen werden, weil sie suggeriert, dass eine formale Trennung zwischen subjektiven und objektiven Merkmalen stets vollständig durchführbar ist. Da dies jedoch schwerlich der Fall sein dürfte, wird heute teilweise vertreten, die Unterscheidung völlig aufzugeben.61 Hieran ist zutreffend, dass im objektiven Tatbestand nicht ganz selten auch subjektive Elemente vorzufinden sind, etwa in Gestalt des Sonderwissens bei der objektiven Zurechnung.62 Auch dürfte es richtig
58 Jeschek / Weigend § 27 I. 1.
59 Schild in Verdross – FS S. 223.
60 Eingehend dazu Schild a.a.o. S. 215 ff.
61 Dahingehend wohl Freund AT § 2 Rn. 62 Fn. 63.
62 Vgl. Freund a.a.o.; Jeschek / Weigend § 27 I. 1.; Roxin AT I § 10 VI Rn. 53.
39
sein, dass die Tatbestandshandlung letztlich eine Einheit aus inneren und äußeren
Faktoren bildet, deren vollständige Unterteilung daher nicht in letzter Konsequenz vollzogen werden kann.63 Gleichwohl soll für die vorliegende Arbeit an der
herkömmlichen Unterteilung festgehalten werden. Sofern man ihre Schwächen
berücksichtigt und die hieraus resultierenden Durchbrechungen anerkennt, erfüllt
sie eine sinnvolle Ordnungsfunktion.64 Sie scheint darüber hinaus auch dem Gesetz zugrunde zu liegen, denn mit den in § 16 Abs. 1 genannten Umständen können nur solche gemeint sein, die außerhalb der Täterpsyche lokalisiert sind, da
man von Umständen innerhalb der eigenen Psyche bereits begrifflich nicht sagen
kann, sie seien mögliche Gegenstände der eigenen Kenntnis.65 Schließlich ist die
Betonung eines objektiven Elementes des Tatbestandes auch deswegen sachgerecht, weil die Anwendung eines Straftatbestandes stets ein äußerliches, über die
Psyche des Täters hinausgehendes Verhalten als Anknüpfungspunkt voraussetzt.66 Zusammenfassend ist also zu sagen, dass der objektive Tatbestand diejenigen Sachverhalts- und Geschehensfaktoren innerhalb der sprachlichen Reichweite eines Straftatbestandes umfasst, die außerhalb der Täterpsyche lokalisiert
sind.67 Mit einigen wenigen Ausnahmen, etwa dem bereits erwähnten Irrtum im
Rahmen des § 263, handelt es sich hierbei um äußere Geschehensfaktoren. Dieser
Erkenntnis wird im Folgenden maßgebliche Bedeutung zukommen, wenn die
Frage untersucht werden soll, inwieweit ein in diesem Sinne objektiver Tatbeitrag
einer Betrachtung aus der ex-ante-Perspektive zugänglich ist.
b) Das Wesen der ex-ante-Betrachtung
Grundsätzlich erfordert eine ex-ante-Betrachtung das Zurückversetzen in einen
bestimmten Zeitpunkt innerhalb eines bereits abgeschlossenen Kausalverlaufs.68
Der weitere Kausalverlauf von diesem Punkte an soll, unabhängig von dem ex
post bereits ermittelten tatsächlichen Verlauf, im Wege einer prognostischen Betrachtung unter Zugrundelegung der zum fraglichen Zeitpunkt verfügbaren Erkenntnisse vorausgesagt werden. Hier wird bereits deutlich, dass typischer Anwendungsbereich der ex-ante-Betrachtung eher Zurechnungsurteile sind, wie
etwa die Vorhersehbarkeit eines Kausalverlaufs. Die Beurteilung der Tatbestandsmäßigkeit eines Verhaltens, um die es der Sache nach bei der Wesentlichkeitsprüfung geht, unter Zugrundelegung einer ex-ante-Betrachtung wirkt dagegen systemfremd. Nach allgemeinen Grundsätzen muss nämlich stets die tatsächliche Tatbestandsmäßigkeit eines Verhaltens zur Begründung von Strafbarkeit ge-
63 Deswegen ablehnend gegenüber der Unterscheidung Schmidhäuser in Schulz – FS S. 61 ff.
64 Roxin AT I § 10 VI Rn. 53; Schild Verdross – FS S. 224.
65 Auf diesen Aspekt wird unter A. VIII. 4. d) noch zurückzukommen sein.
66 Vgl. Jeschek / Weigend § 23 IV. 2. d).
67 So für die objektive Komponente der Mittäterschaft auch Bloy Beteiligungsform S. 265
Fn. 84.
68 Vgl. Krümpelmann Triffterer – FS S. 137.
40
geben sein, während eine bloß prognostisch mögliche oder wahrscheinliche Tatbestandsmäßigkeit nicht ausreicht. Zum anderen wird deutlich, dass es eine exante-Betrachtung als solche nicht gibt, sondern dass diese stets von Umfang des
zugrunde gelegten nomologischen bzw. ontologischen Kenntnisstandes des Betrachters abhängt. So ist in der Literatur bereits zutreffend darauf hingewiesen
worden, dass bei einem allwissenden Beobachter zwischen ex-ante- und ex-post-
Betrachtung keine Unterschiede bestehen, jedenfalls soweit determinierte Kausalverläufe betroffen sind.69 Gehen wir jedoch im vorliegenden Fall davon aus,
dass der zu untersuchende Kausalverlauf – das Attentat – nicht determiniert ist,
da sein Verlauf wesentlich von menschlichem Verhalten, und hierbei nicht nur
von dem des jeweils einzelnen Schützen, sondern auch dem der jeweils anderen
abhängt.70 Gleichwohl stellt sich notwendig die Frage, welcher Beurteilungsrahmen der ex-ante-Betrachtung zugrunde zu legen ist. So könnte beispielsweise ein
im Bereich der physikalischen und ballistischen Gesetze allwissender Beobachter
sicher hinsichtlich der einzelnen Schützen bereits aufgrund von deren Position
mögliche Unterschiede in Bezug auf die Wahrscheinlichkeit eines tödlichen Treffers feststellen. Eine solche Feststellung wäre wiederum ausgeschlossen bei einem Beobachter, der den genauen Tatplan der Beteiligten und damit die verabredeten Positionen der einzelnen Schützen nicht im Detail kennt.71 Ebenso könnte
es einen Unterschied ausmachen, ob der Beobachter die Treffsicherheit der einzelnen Schützen oder die etwa verabredete Reihenfolge der Schüsse kennt. Unabhängig davon, inwieweit aufgrund solcher Differenzierungen eine abweichende Bewertung der Charakterisierung eines Beteiligten als Mittäter vorzunehmen wäre72, ist deutlich geworden, dass eine ex-ante-Betrachtung ohne Konkretisierung der Beobachtungsperspektive nicht erfolgen kann. Aus dem Zusammenhang lässt sich den entsprechenden Formulierungen73 der herrschenden Lehre
ohne weiteres entnehmen, dass Grundlage für die ex-ante-Betrachtung der gemeinsame Tatplan sein soll. Teilweise wird dies auch ausdrücklich erwähnt.74 Die
Zugrundelegung des Tatplanes, mithin der Tätervorstellung, ist aber bei genauer
Betrachtung auch sachlich zwingend, denn bei einer Zurückversetzung in den
Zeitpunkt des unmittelbaren Ansetzens des ersten Schützen ist das Attentat überhaupt nur in der Form der gemeinschaftlichen Planung durch die Beteiligten vorhanden. Insoweit würde es keinen relevanten Unterschied machen, ob man unmittelbar auf die Vorstellung der Beteiligten oder aber auf einen unabhängigen
Beobachter abstellt. Auch Letzterer kann von einem noch nicht durchgeführten
Attentat, unbeschadet etwaigen ballistischen Allwissens o.Ä., keine über die Vor-
69 So bereits Radbruch S. 41; ebenso Bassenge S. 39 ff.; Lackner S. 17.
70 Inwieweit sogar menschliches Verhalten vollständig als determiniert anzusehen sein kann
oder muss, kann nicht Gegenstand dieser Arbeit sein; vgl. zur Einführung in diese Thematik und die Bedeutung im Strafrecht Merkel Philipps-Kolloquium S. 411 ff.
71 Wie im Folgenden gezeigt wird, stellt die Vorstellung der Beteiligten für die ex-ante-
Betrachtung die einzig denkbare Grundlage dar.
72 Hinsichtlich unterschiedlicher Treffsicherheit ablehnend Bloy Beteiligungsform S. 375.
73 Vgl. etwa Roxin AT II § 25 III Rn. 212; ders. TuT S. 691.
74 Knauer S. 149 f.
41
stellung der an der Planung beteiligten Personen hinausgehenden Kenntnisse haben bzw. kann seine Kenntnisse nur aus der Vorstellung der Beteiligten beziehen.
Diese zwingende Verknüpfung der ex-ante-Betrachtung mit der Vorstellung der
Beteiligten bzw. dem gemeinsamen Tatplan stellt im Hinblick auf die Beurteilung
der Wesentlichkeit des objektiven Tatbeitrages eines Beteiligten nach meiner
Auffassung einen unauflösbaren Widerspruch dar, der im Folgenden darzustellen
ist.
c) Die Unvereinbarkeit der ex-ante-Betrachtung mit der Beurteilung der
Wesentlichkeit des objektiven Tatbeitrages des einzelnen Beteiligten
Es wurde festgestellt, dass Gegenstand des objektiven Tatbestandes diejenigen
Geschehensfaktoren im Rahmen eines als Erfüllung eines Straftatbestandes zu
untersuchenden Verhaltens sind, die außerhalb der Täterpsyche lokalisiert sind.
Darüber hinaus wurde festgestellt, dass bei der von der herrschenden Lehre für
maßgeblich erklärten ex-ante-Betrachtung allein der gemeinschaftliche Tatplan,
mithin die Vorstellung der Beteiligten, als Grundlage dieser Betrachtung dient
und dienen kann. Führt man sich diese beiden Erkenntnisse vor Augen, so wird
bereits deutlich, welche Probleme bei der Beurteilung der Wesentlichkeit des objektiven Tatbeitrages aus der ex-ante-Perspektive entstehen. Der objektive Tatbeitrag, dessen Wesentlichkeit nach den Prämissen der herrschenden Lehre untersucht werden muss, ist im hier zu untersuchenden Fall der Schuss des jeweiligen Beteiligten. Sofern der Beteiligte diesen Schuss abgibt, handelt es sich ohne
Zweifel um einen äußeren, objektiven Geschehensfaktor im dargestellten Sinne
und somit auch grundsätzlich um einen tauglichen objektiven Tatbeitrag. Versucht man nun aber den Schuss bzw. dessen Wesentlichkeit im Sinne der herrschenden Lehre aus der ex-ante-Perspektive zu beurteilen, so ergibt sich aus den
soeben gewonnenen Erkenntnissen zwingend, dass Gegenstand der Wesentlichkeitsprüfung in diesem Fall nicht der tatsächlich abgegebene Schuss als äußerer
Geschehensfaktor sein kann. Dieser Schuss wurde zu dem innerhalb des Kausalgeschehens gewählten Zeitpunkt nämlich noch nicht abgegeben und ist somit als
äußerer, objektiver Geschehensfaktor noch nicht existent. Also kann bei der von
der herrschenden Lehre gewählten Betrachtung lediglich ein fiktiver Schuss, ein
auf der Vorstellung des Beteiligten basiertes Konstrukt Gegenstand der Wesentlichkeitsprüfung sein, und damit gerade kein außerhalb der Täterpsyche liegender
Geschehensfaktor, wie es die objektive Komponente der Mittäterschaft erfordert.
Folgende Überlegung möge dieses Problem verdeutlichen: Angenommen man
würde ex post im Attentats-Fall feststellen, dass der Schuss des A nicht bzw. nicht
nachweisbar kausal und somit nicht wesentlich war. Dies schließt nicht etwa
denklogisch die Feststellung aus, dass der Schuss gleichwohl hätte kausal bzw.
wesentlich sein können. Die ex-post-Feststellung »X = A« hindert nicht die Feststellung »X hätte auch non-A sein können«. Jedoch ist eine solche Feststellung
bei einer ex-post-Betrachtung praktisch sinnlos, denn theoretisch ließen sich be-
42
liebig viele Dinge aufzählen, die X »hätte sein können«, auch wenn man bereits
ex post festgestellt hat, was X ist. Die Feststellung »X hätte non-A sein können«
ist also im Falle des bei ex-post-Betrachtung festgestellten Ergebnisses »X = A«
nichtssagend, wenngleich sie denklogisch ohne weiteres aufrechterhalten werden
kann. Will man solche nichtssagenden Feststellungen vermeiden, kann allenfalls
solange behauptet werden, »X könnte non-A sein«, solange man noch nicht festgestellt hat, dass »X = A«. Es ist also erforderlich im Kausalverlauf einen Zeitpunkt für die Betrachtung zu wählen, an dem X noch nicht definiert ist. Ist X aber,
wie im vorliegenden Zusammenhang, eine menschliche Handlung bzw. deren
Wirkung in einem bestimmten Zusammenhang, so kann die Behauptung »X hätte
non-A sein können« nach dem soeben Gesagten nur solange sinnvoll aufgestellt
werden, wie die Handlung nicht tatsächlich vorgenommen bzw. ihre entsprechende Wirkung nicht festgestellt wurde. Sobald die Handlung vorgenommen
wurde, steht sie als äußerer Geschehensfaktor mit ihren äußeren Wirkungen fest.
Vorliegend ist Gegenstand der Betrachtung die Kausalität für den Tod des Opfers.
Die Behauptung »der Schuss hätte kausal für den Tod sein können« verliert in
dem Moment jegliche inhaltliche Substanz, in dem der Schuss tatsächlich abgegeben wurde und sich als nicht kausal erwiesen hat. Würde man die Täterschaft
eines Beteiligten damit begründen, dass seine ex post nicht nachweisbar kausale
Handlung kausal hätte sein können, so würde dies angesichts der inhaltlichen Bedeutungslosigkeit einer solchen Feststellung sehr befremden. Solche Friktionen
werden durch die Zugrundelegung einer ex-ante-Perspektive allerdings nur
scheinbar vermieden. Da aus dieser Perspektive noch nicht klar ist, ob der Schuss
kausal wird oder nicht, kann man ohne Sinnentleerung behaupten, er könnte kausal werden.75 Es sollte aber hinreichend deutlich geworden sein, dass diese Betrachtung wiederum voraussetzt, dass der Schuss tatsächlich noch nicht abgegeben wurde, mithin als äußerer Geschehensfaktor noch nicht existent ist. Fordert
man also für die objektive Komponente der Mittäterschaft einen äußeren Tatbeitrag des Beteiligten, so kann dessen Wesentlichkeit nicht aus der ex-ante-Perspektive beurteilt werden, da er bei dieser Betrachtung zwingend fiktiv und somit
eben gerade kein äußerer Geschehensfaktor ist. Die Wahl einer ex-ante-Perspektive bei der Beurteilung der Wesentlichkeit des objektiven Tatbeitrages führt somit im Ergebnis dazu, dass die Mittäterschaft ohne objektive Komponente auf
rein subjektiver Basis, nämlich ausschließlich unter Zugrundelegung der Vorstellung der Beteiligten begründet wird.
d) Zwischenergebnis
Gegenstand des objektiven Tatbestandes, und daher auch der objektiven Komponente der Mittäterschaft, sind die äußeren Geschehensfaktoren. Hierbei handelt
75 Hier fällt auf, dass die h.L. stets darauf abstellt, der Schuss »hätte bei ex-ante-Betrachtung
wesentlich sein können«. Sprachlich bzw. logisch richtig wäre es aber zu sagen, »der
Schuss könnte – ex ante betrachtet – kausal werden«.
43
es sich um solche Geschehensfaktoren, die außerhalb der Täterpsyche liegen. Die
von der herrschenden Lehre vorgenommene Prüfung der Wesentlichkeit des objektiven Tatbeitrages aus der ex-ante-Perspektive erfolgt unter Zugrundelegung
des Tatplanes und damit der Vorstellung der Täter. Bei dieser Betrachtung ist der
Tatbeitrag, der Schuss des einzelnen Attentäters, aber als äußerer Geschehensfaktor noch nicht vorhanden. Der objektive Tatbeitrag als solcher ist daher einer Betrachtung aus der ex-ante-Perspektive nicht zugänglich. Im Übrigen könnte man
die Behauptung »der Schuss hätte kausal sein können« denklogisch bei ex-post-
Betrachtung ebenso aufrechterhalten. Allein würde eine solche Aussage jeglichen Sinn verlieren, wenn feststeht, dass der Schuss nicht bzw. nicht nachweisbar
kausal geworden ist. Wird aber einer solchen Aussage täterschaftsbegründende
Bedeutung dadurch vermittelt, dass eine ex-ante-Perspektive gewählt wird, so hat
sich dieser Weg im Zusammenhang mit dem objektiven Tatbeitrag des Mittäters
als nicht gangbar erwiesen. Eine solche Vorgehensweise führt im Ergebnis zu einer Begründung der Mittäterschaft auf ausschließlich subjektiver Grundlage, da
auch die vermeintlich objektive Komponente (der wesentliche Tatbeitrag) anhand
der Vorstellung der Beteiligten bestimmt wird. Eine solche rein subjektive Abgrenzung wird von der ganz herrschenden Lehre zu Recht abgelehnt und wurde
auch hier bereits abgelehnt.76
4. Mögliche Einwände gegen die soeben entwickelte Betrachtung
Offensichtlich wird die ex-ante-Betrachtung bei der Wesentlichkeitsprüfung
weitgehend unreflektiert zugrunde gelegt. Auf einige diesbezügliche Äußerungen
soll an dieser Stelle eingegangen werden, um zu überprüfen, inwieweit sich mögliche Einwände gegen die hier soeben herausgearbeitete grundsätzliche Unvereinbarkeit von ex-ante-Betrachtung und objektivem Tatbeitrag ergeben.
a) Ex-ante-Betrachtung als Folge sanktionsnormtheoretischer Ansätze
Die Notwendigkeit einer ex-ante-Betrachtung bei der Untersuchung eines tatbestandsmäßigen Verhaltens kommt häufig im Zusammenhang mit sog. »sanktionsnormtheoretischen« Auffassungen77 zur Sprache. So führt etwa Frisch aus, da die
missbilligte Gefahrschaffung das zentrale Erfordernis eines tatbestandsmäßigen
Verhaltens sei, müsse stets auf die Perspektive des Handelnden zum Zeitpunkt der
Handlung, also auf eine ex-ante-Perspektive abgestellt werden.78 Auch Freund
weist darauf hin, dass eine strafrechtliche Sanktionierung nur an einen Schadensverlauf anknüpfen dürfe, dessen gesollte Vermeidung bei ex-ante-Betrachtung
76 S. oben A. I. 1. a) (1).
77 Zu diesen Theorien ausführlich NK – Schild Vorbem §§ 25 ff. Rn. 87 ff.
78 Frisch Verhalten S. 71 f.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Das Werk behandelt die Abgrenzung von Mittäterschaft und Teilnahme, eine angesichts der Verbreitung des Tatherrschaftsgedankens rückläufige Diskussion. Losgelöst vom Begriff „Tatherrschaft“ wird die Mittäterschaft – anhand der sog. „additiven Mittäterschaft“ – konsequent auf ihre gesetzliche Regelung in § 25 Abs. 2 StGB zurückgeführt. Die entwickelte Lösung, eine teilweise Renaissance der formal-objektiven Theorie, mag dem Einwand fehlender argumentativer Flexibilität und somit mangelnder Praxistauglichkeit ausgesetzt sein. Demgegenüber steht die Rückbesinnung auf eine echte Tatbestandsbezogenheit, die den dahinterstehenden verfassungsrechtlichen Garantien die notwendige Geltung verschafft.