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ren ausgesetzt sehen, wirklich der eines Gefangenendilemmas entspricht und die
Vergabe von „property rights“ die passende Antwort darauf ist.123 Die Kopierkosten
müssen im Vergleich zu den Entwicklungskosten so gering sein, dass der Kopist
dem Innovator in Abwesenheit von Immaterialgüterschutz die gesamte Nachfrage
entziehen kann und der Innovator es nicht schafft, seine versunkenen Kosten wieder
herein zu bekommen.124 Die Auszahlungen nach Einführung des Immaterialgüterschutzes müssen es dem Innovator aber ermöglichen, seine Investitionen wieder voll
einzuspielen.125
III. Internalisierung externer Effekte
Das ökonomische Regelungsproblem wird rechtlich durch die Einführung einer
„künstlichen“ Ausschlussbefugnis gelöst. Diese Herstellung der Ausschlussmöglichkeit für eine Innovation in ihrer Eigenschaft als öffentliches Gut ermöglicht die
Einbeziehung in den Marktmechanismus. Dabei ordnet das Eigentumsrecht dem
Innovator seine Arbeitsergebnisse zur alleinigen Nutzung zu. Diese Arbeitsergebnisse können vor der Zuweisung als Externalitäten beschrieben werden. Externalitäten
treten auf, wenn „die wirtschaftliche Situation einer Person durch Konsum- oder
Produktionstätigkeit anderer Personen berührt wird“,126 sich dies aber nicht im
Marktpreis zeigt.127 Sie können positiv oder negativ sein.128 Immaterielle Güter wie
Innovationen oder Wissen erzeugen positive externe Effekte.129 Die Vergabe des
Eigentumsrechts internalisiert diese externen Effekte.130 Dies ermöglicht Tauschhandlungen, da Nutzungswillige nun ihre konkrete Zahlungsbereitschaft offenbaren
müssen. Aber nicht nur die erstmalige Zuweisung, sondern auch die Veränderung
des Schutzbereichs eines Eigentumsrechts verändert die Ausgangsposition bei diesen Tauschhandlungen.
123 Engel, S. 8 ff.; Gordon in: Can/Tushnet (Hrsg.), S. 617, 641. Gordon, 17 U. Dayton L. Rev.
853, 863 (1992). Diese Annahmen finden sich implizit in der Präferenzordnung der Auszahlungen im Gefangenendilemma wieder, vgl. Engel, S. 5 und 8.
124 Gordon, 17 U. Dayton L. Rev. 853, 863 (1992).
125 Gordon, 17 U. Dayton L. Rev. 853, 863 (1992).
126 Richter/Furubotn, S. 109.
127 Allein relevant sind hier sogenannte „technologische Externalitäten“, die vorliegen, wenn der
geschilderte Zusammenhang direkt und physisch wirkt. Hiervon abzugrenzen sind „pekuniäre
externe Effekte“, die nur Knappheitsrelationen anzeigen, und „psychologische externe Effekte“, die Dritte beeinflussen, ohne dass ein physischer Zusammenhang vorliegt, vgl.
Fritsch/Wein/Ewers, S. 91 f.; Frischmann/Lemley, 107 Columbia Law Review 257, 262 ff.
(2007).
128 Richter/Furubotn, S, 110.
129 Heinemann, S. 22; Peukert in: Hilty/Peukert (Hrsg.), S. 11, 19.
130 Vgl. Richter/Furubotn, S. 109 ff.
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Allein das Vorhandensein externer Effekte rechtfertigt aber noch nicht die Internalisierung in ein Verfügungsrecht.131 Nach Demsetz haben „property rights“ die
Funktion, Externalitäten zu internalisieren, wenn der Nutzen der Internalisierung
ihre Kosten übersteigt.132 Der Nutzen der Internalisierung liegt bei immateriellen
Gütern darin, dass der Inhaber des Rechtes sich den Wert des Gutes durch die Ausschlussmöglichkeit zueignen kann, und deshalb einen Anreiz zur Schaffung entsprechender Güter hat.133 Diese Förderung der Hervorbringung von Innovationen trägt
zur Erhöhung der dynamischen Effizienz eines Wirtschaftssystems bei.134 Die Kosten der Internalisierung bestehen aus dem Ausschluss Dritter von der Nutzung geschützter immaterieller Güter135 und den Kosten für Spezifizierung, Zuordnung,
Kontrolle und Durchsetzung (Transaktionskosten) der Rechte.136 Der Ausschluss
Dritter kann Marktzutrittsschranken schaffen.137 Die Ausschlusskosten entsprechen
im Extremfall dem Wohlfahrtsverlust im Monopol. Da der Preis im Monopol über
den Grenzkosten der Herstellung liegt und infolgedessen nicht alle Tauschgewinne
realisiert werden, ist diese Situation allokativ ineffizient („deadweight-loss“).138
Auch der Inhaber eines Immaterialgüterrechts kann Preise über den Grenzkosten
verlangen.139 Damit ist auch das Immaterialgüterrecht in gewissem Maße allokativ
ineffizient.140 Die Abwägung von Kosten und Nutzen der Internalisierung externer
Effekte durch Eigentumsrechte für Immaterialgüter ist daher auch eine Abwägung
zwischen dynamischer und statischer Effizienz.141 Die Zuweisung von „property
rights“ muss den Konflikt zwischen der Schaffung von Anreizen zur Produktion
neuer Informationen und effizientem Zugang zu diesen Informationen lösen.142 Auf
rechtstheoretischer Ebene entspricht dies der Frage, welches Maß an speziell ge-
131 Heinemann, S. 22.
132 Demsetz, American Economic Review, Papers and Proceedings, 57 (1967), 347, 348, 350;
Heinemann, S. 21. Kritisiert wird, dass diese These vom Optimum einer vollständigen Internalisierung externer Effekte ausgeht, vgl. zu dieser Kritik Frischmann/Lemley, 107 Columbia
Law Review 257 ff. (2007) u. unten Teil 2 C. II. 4.
133 Besen/Raskind, Journal of Economic Perspectives 5 (1991), 3, 5; Heinemann, S. 22; Landes/Posner, S. 13 f.; Mestmäcker/Schweitzer, § 28 Rdnr. 10.
134 Kerber/Schwalbe in MüKo-WettbR, Einl. Rdnr. 1056.
135 Gordon in: Can/Tushnet (Hrsg.), S. 617, 638; Heinemann, S. 22; Posner, Economic Analysis
of Law, S. 39.
136 Frischmann, 3 Review of Law and Economics 649, 662 f.; Walterscheid in Fechner (Hrsg.),
S. 96, 102 ff. Umfassend zu den Kosten eines „property rights“-Systems, zu denen etwa auch
das „rent-seeking“-Problem gehört, vgl. Landes/Posner, S. 16 ff.
137 Wu, 92 Va. L. Rev. 123, 132 (2006).
138 Kerber/Schwalbe in: MüKo-WettbR, Einl. Rdnr. 1082 ff.; Varian, S. 506 ff.
139 Bechtold, Vom Urheber- zum Informationsrecht, S. 292; Lemley, 83 Tex. L. Rev. 1031, 1059
f. (2005); Posner, Economic Analysis of Law, S. 39.
140 Lemley, 83 Tex. L. Rev. 1031, 1059 f. (2005); Menell/Scotchmer in: Polinsky/Shavell (Hrsg.),
S. 1473, 1477; Régibeau/Rockett, S. 10 f.
141 Heinemann, S. 25; Peukert in: Hilty/Peukert (Hrsg.), S. 11, 20.
142 Arrow in: Nelson (Hrsg.), S. 609, 614 ff.; Koboldt in: Ott/Schäfer (Hrsg.), S. 69, 76; Landes/Posner, S. 20 f.; Merges/Menell/Lemley, S. 13 f.; Richter/Furubotn, S. 142; Peukert in:
Hilty/Peukert (Hrsg.), S. 11, 20; Ullrich in: Schricker/Dreier/Kur (Hrsg.), S. 83, 88.
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schützten Freiheitsbereichen, also Schutzrechten, der „einfachen“ Marktfreiheit
gegenüberstehen soll, oder wo der absolute Schutz aufhört und der relative Schutz
beginnt.143
IV. Belohnung zwischen Monopol und Wettbewerb
Das „property right“ ermöglicht zunächst Tauschhandlungen. Während diese Argumentation im Prinzip auch für das Sacheigentum gilt,144 hat dies auch eine anreiztheoretische Komponente. Der Ausschluss von Imitationen und nahen Substituten
ermöglicht dem Innovator einen Preis über den Grenzkosten, zu dem er seine versunkenen Kosten wieder einspielen kann. Diese Befreiung von vollkommenem
Wettbewerb kann je nach verbleibender Restkonkurrenz verschiedene Formen annehmen. Je nach entstehender Situation wird die statische Effizienz in anderem
Maße zur Förderung der dynamischen Effizienz eingeschränkt. Damit verschiebt
sich jeweils auch das Verhältnis des Schutzrechts zu anderen Marktfreiheiten.
1. Immaterialgüterrechte und Marktmacht
a) Eigentumsrecht und Markt
Bis heute werden Immaterialgüterrechte auch als Monopole bezeichnet.145 Im
rechtsökonomischen Bereich wird der Begriff regelmäßig verwendet.146 Dies legt
nahe, dass der Schutzrechtsinhaber, wie der Inhaber einer Monopolstellung auf einem Markt, durch einen Monopolprofit belohnt wird. Diese Folgerung beruht aber
auf einem falschen Verständnis des Zusammenspiels von Eigentumsrechten und
Marktverhältnissen. Es kann keine automatische Deckungsgleichheit eines Eigentumsrechts mit einem bestimmten Markt geben. Eigentumsrechte ordnen Befugnisse
an Gütern bestimmten Rechtssubjekten zu, um die für den Marktmechanismus erforderliche Präferenzbildung zu ermöglichen. Damit sich diese Präferenzen frei
bilden können, darf die Ausübung des Rechts nicht an bestimmte Verwendungsmöglichkeiten gebunden sein. Denn das Eigentumsrecht soll die Handlungen von Individuen koordinieren, „die verschiedene und häufig entgegengesetzte Zwecke verfolgen“.147 Es ist daher vom Markt abstrakt.148 Das heißt, dass dem Recht keine be-
143 S. oben Teil 1 A. u. Teil 1 B. I. 4.
144 Vgl. hierzu Behrens, S. 116 ff.
145 Zur Geschichte dieser Bezeichnung: Mestmäcker/Schweitzer, § 28 Rdnrn. 16 ff. m.w.N.
146 Vgl. hierzu Bechtold, Vom Urheber- zum Informationsrecht, S. 291 m.w.N.; Kitch, 53 Vand.
L. Rev. 1727, 1729 ff. (2000); Landes/Posner, S. 374.
147 Mestmäcker, Organisationen in spontanen Ordnungen, in: ders., Recht in der offenen Gesellschaft, S. 74, 75.
148 Behrens, S. 123; Mestmäcker/Schweitzer, § 28 Rdnr. 20. Für das Patent: Kraßer, S. 46.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Das Immaterialgüterrecht soll die Imitation von geistigen Leistungen verhindern. Damit wirkt es zunächst horizontal gegen direkte Konkurrenz. Es verleiht jedoch auch Schutz gegenüber Dritten, die das geschützte Gut als Input auf anderen Märkten nutzen. Dies kann als vertikale Schutzrichtung bezeichnet werden. Obwohl diese Schutzrichtungen verschiedene Auswirkungen auf die Produktion immaterieller Güter haben, wird im Immaterialgüterrecht nicht zwischen ihnen differenziert.
Die vorliegende Arbeit untersucht anhand dieser Unterscheidung die schutzrechtsinternen Grenzen des Immaterialgüterrechts. In einer ökonomischen Analyse werden zunächst die Wirkungen der vertikalen Kontrollbefugnisse dargestellt. Anschließend wird analysiert, inwieweit die ökonomischen Erkenntnisse ins Recht Einzug gefunden haben und welche Hebel es zur Justierung vertikaler Kontrolle gibt. Diese Betrachtungsweise schärft das Verständnis des Immaterialgüterrechts als Marktorganisationsrecht und schafft eine tragfähigere Grundlage für die Bewertung und Justierung der schutzrechtsexternen Grenzen. Darüber hinaus trägt sie zu einem „more economic approach“ im Immaterialgüterrecht bei.