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Vermögen nicht zu Finanzierungszwecken einsetzen und greift den Vorschlag seines
Sohnes auf, dem Vater EUR 200.000 zuzuwenden. Mit der Realisierung des
Patentes mehrt der Vater sein Vermögen zunächst um ein Vielfaches, gerät jedoch
später in Vermögensverfall. Der Wert seines Nachlasses beträgt EUR 10.000.
Wolle man die Geldleistung des Abkömmlings und deren Erheblichkeit an dem
Vermögen des Leistungsempfängers messen, würde im vorliegenden Fall ein Ausgleichungsanspruch abzulehnen sein, was keineswegs überzeugt.
Die Erheblichkeit der Geldleistung an den Verhältnissen des Abkömmlings zu
messen, könnte dann Sinn machen, wenn die Annahme gerechtfertigt wäre, § 2057 a
BGB wolle ein „Opfer“ des Abkömmlings belohnen oder wenigstens teilweise
wieder zurückgeben. Der Grundsatz könnte lauten: Wer wenig hat, aber viel gibt,
leistet „erheblicher“ als derjenige, der viel hat oder wenig – gemessen an seinen
Vermögensverhältnissen – gibt.253 Danach grenzt die Frage der Erheblichkeit
ausgleichungspflichtige von nicht ausgleichungspflichtigen Leistungen ab, indem
nicht das Maß des Vorteils beim Erblasser, sondern das Gewicht der Leistung, und
zwar aus der Sicht des Leistenden und die damit für ihn verbundene Belastung
entscheiden ist. Die Erheblichkeit der Geldleistung erschließt sich danach aus der
Relation von Leistung und Vermögenslage des Abkömmlings.254 Dieser Meinung
könnte entgegen gehalten werden, dass ein Ausgleichungsanspruch tatsächlich nur
dann besteht, wenn die Leistung des Abkömmlings den Nachlass des Erblassers
positiv beeinflusst hat. Dies ist im Einzelfall durch geringe Leistungen möglich,
kann aber selbst bei einer sehr hohen Leistung des Abkömmlings eventuell nicht
eintreten, und zwar unabhängig von den Vermögensverhältnissen des Abkömmlings.
Das überzeugt jedoch deswegen nicht, weil es auf den Zeitpunkt der Zuwendung
ankommen muss und nicht auf die späteren Auswirkungen der Leistungen auf das
Vermögen des Erblassers. Im Ergebnis ist deshalb die „Erheblichkeit der
Geldleistung“ an den Vermögensverhältnissen des Abkömmlings zu messen. 255
4. Leistungen in anderer Weise
Ein Ausgleichungsrecht besteht auch dann, wenn der Abkömmling in „anderer
Weise“ dazu beigetragen hat, das Vermögen des Erblassers zu erhalten oder zu vermehren. In Abgrenzung vom Merkmal „Geldleistung“ kommen in erster Linie Sachleistungen in Betracht, die den Erheblichkeitsgrad von Geldleistungen erreichen
müssen.256 Ausgleichspflichtig ist dasjenige, zu dessen Inanspruchnahme der Erblasser ansonsten eigene Mittel hätte aufwenden müssen257 wie z. B.:
• die Übereignung von Sachen,
253 So im Ergebnis AK-Pardey, § 2057 a Rn. 18
254 AK-Pardey, § 2057 a Rn. 18; so auch Lutter, § 6 II 2 c
255 Soergel-Wolf, § 2057 a Rn. 5
256 AK-Pardey, § 2057 a Rn. 19
257 Allgemeine Meinung, s. auch Damrau-Bothe, § 2057 a Rn.12 m. w. N.
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• die Überlassung von Gegenständen zum Gebrauch, Nutzung,
• Fruchtziehung258,
• die Zahlung von Schulden und die Übernahme von Tätigkeiten für den
• Erblasser259,
• Investitionen in den Betrieb260,
• Sicherheitsleistungen261,
• Pflegeleistungen zugunsten von Familienangehörigen des
• Erblassers262.
In der Literatur wird die Stellung einer Bürgschaft oder die Bestellung einer
Grundschuld als Sicherheit für eine Verbindlichkeit des Erblassers teilweise uneingeschränkt als Leistung „in anderer Weise“ akzeptiert.263 Angesichts der Tatsache,
dass die übrigen Leistungsmerkmale des § 2057 a BGB stets eine Art wirtschaftlicher Investition erfordern (oder Einkommensverlust bei Pflege) könnte es
jedoch zweifelhaft sein, diese Form der bloßen Sicherheitsleistung als ausreichend
anzusehen, obwohl auch die Bürgschaft einer Bank Geldeswert hat. Tatsächlich
spart der Erblasser die Kosten der Bürgschaft, wenn er die Bürgschaft seines Abkömmlings als Sicherheit für einen Kreditgeber verwendet. Diese dadurch erfolgte
Ersparnis ist das Zuwendungsobjekt. Ob dieses ausreichend ist, das Tatbestandsmerkmal der „Leistung in anderer Weise“ zu erfüllen, bestimmt sich nach deren
Höhe.
Den Tatbestandsmerkmalen des § 2057 a BGB (Mitarbeit im Geschäft, Beruf,
Geldleistung und auch Pflege) ist immanent, dass sie einen Vermögenstransfer (bei
der Pflege einen Vermögensverlust) bewirken. Dies allein ist zunächst durch die
Übernahme einer Bürgschaft oder allein durch eine andere Sicherheitsleistung
(Grundschuld) nicht ohne weiteres gegeben.264 Die Bürgschaft und auch die
Grundschuld belasten den Leistenden für sich gesehen vor der Verwertung eventuell
noch nicht. Dennoch kann nicht verkannt werden, dass auch die Übernahme einer
Bürgschaft oder die Bestellung einer Grundschuld beim Leistenden zu einem
„Bonitätsverlust“ und quasi zu einer „Beschlagnahme“ seines eigenen Vermögens
führt. Die weitere Belastung des Grundbesitzes ist eingeschränkt. Der Erblasser
selbst erspart diese Vermögenseinschränkung, so dass durchaus allein die Übernahme einer Bürgschaft für den Erblasser oder die Bestellung einer Grundschuld für
eine Verpflichtung des Erblassers als Leistung „in anderer Weise“ i. S. des § 2057 a
BGB angesehen werden kann.
258 AK-Pardey, § 2057 a Rn. 19
259 Staudinger-Werner, § 2057 a Rn. 16; MünchKomm-Heldrich, § 2057 a Rn. 27
260 MünchKomm-Heldrich, § 2057 a Rn. 27; a.A.: Palandt-Edenhofer, § 2057 a Rn. 8
261 Staudinger-Werner, § 2057 a Rn. 16; Brox/Walker Rn. 539
262 MünchKomm-Heldrich, § 2057 a Rn. 23
263 So Staudinger-Werner, § 2057 a Rn. 16; MünchKomm-Heldrich, § 2057 a Rn. 27; Damrau-
Bothe, § 2057 a Rn. 12; Damrau, FamRZ 1969, 579, 589; Soergel-Wolf, § 2057 a Rn. 6
264 So auch AK-Pardey, § 2057 a Rn. 19
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Eine klarere, wenn auch nicht eindeutige Situation besteht dann, wenn der Abkömmling aus der Bürgschaft in Anspruch genommen (§ 765 BGB) oder sein mit
der Grundschuld belastetes Grundstück versteigert wird und die Gläubiger des Erblassers aus dem Versteigerungserlös befriedigt werden. Hier ist die Übernahme einer
Bürgschaft und die spätere Tilgung der Schuld des Erblassers durch den Abkömmling in jedem Fall eine Leistung „in anderer Weise“ im Sinne des § 2057 a
BGB 265, jedoch mit einer anderen Regress -und Ausgleichsregelung.
Wird der Bürge vom Gläubiger in Anspruch genommen und tilgt der Bürge
(Abkömmling) die Hauptschuld, so geht nach § 774 BGB die Forderung des
Gläubigers gegen den Hauptschuldner auf ihn, den Bürgen, über. Der Bürge
(Abkömmling) wird mithin zum Gläubiger des späteren Erblassers. Seine Forderung
wird zur Nachlassverbindlichkeit. Solche vertraglichen oder gesetzlichen Ansprüche
sind jedoch nicht Gegenstand der Regelung des Ausgleichungsanspruches des §
2057 a BGB.
Gleiches gilt für den Fall der Verwertung einer Grundschuld und der dadurch
erfolgten Befriedigung eines Gläubigers. Zwar fehlt hier, anders als bei der Bürgschaft, die unmittelbar sich aus der Inanspruchnahme gegebene gesetzliche Normierung eines Rückgriffs des Sicherungsgebers, dennoch wird aus dem Innenverhältnis zwischen Abkömmling und späterem Erblasser ein Rückgriffsanspruch
herzuleiten sein.266 Auch dieser Anspruch ist Nachlassverbindlichkeit und damit
nicht Gegenstand der Regelung des § 2057 a BGB.267
Das Tatbestandsmerkmal „in anderer Weise“ macht im Übrigen deutlich, dass
sich der Gesetzgeber bei der Schaffung des § 2057 a BGB durchaus darüber im
Klaren war, dass er zwar an bestimmte Leistungsformen (Mitarbeit, Geldleistung,
Pflege pp.) gedacht hat, es aber auch für möglich hielt, dass sich bestimmte, irgendwie anders geartete (Zuwendungen) des Abkömmlings, die sich seiner Phantasie
entzogen, geeignet sein könnten, ebenfalls einen Ausgleichsanspruch entstehen zu
lassen. Hierzu folgender exemplarischer Fall:
Die im eigenen Betrieb und in der Politik an sehr exponierter Stellung stehende
Tochter macht sich in Gesellschaftskreisen „für die Firma ihres Vaters stark“ und
sorgt dafür, dass der Handwerksbetrieb des Vaters mit sehr gewinnbringenden
Aufträgen versorgt wird.
Nun kann sicherlich nicht angenommen werden, dass der Gesetzgeber bedachtermaßen Protektionismus mit der Formulierung „in anderer Weise“ umschrieben
wissen wollte, dennoch stellt sich die Frage, ob auch solche von Erfolg gekrönten
Bemühungen des Abkömmlings einen Ausgleichsanspruch entstehen lassen. Der
Erfolg, d. h. die positiven Auswirkungen auf den Nachlass, können nicht in Frage
gestellt werden. Es fehlt einzig an den den anderen Tatbestandsmerkmalen des §
265 Weimar, MDR 1973, 23, 24
266 Der BGH spricht sich für die “Verpflichtung zur Abtretung der Forderung gegen den
Sicherungsnehmer aus – BGH ZPR 1999, 55; siehe auch Palandt-Bassenge, § 1191 Rn. 44
267 So im Ergebnis auch AK-Pardey, § 2057 a Rn. 19; § 1143 BGB findet keine Anwendung ;
Palandt Bassenge, § 1143 Rn. 10
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2057 a BGB immanenten Vermögenstransfers und damit an der Erfüllung des
Grundsatzes, dass nur ein Vermögensverlust auf der einen Seite (Abkömmling) und
ein Vermögenszuwachs oder Vermögenserhalt (Nachlass) auf der anderen Seite
(Erblasser) einen Ausgleichungsanspruch rechtfertigt. Dennoch bleibt die Idee, dass
sich dieser „fördernde“ Abkömmling in besonderer Weise letztlich dafür eingesetzt
hat, den Nachlass zu mehren, und damit mehr getan hat als andere mit ihm
erbrechtlich gleichgestellte Erben (Abkömmlinge) und möglicherweise allein sein
Wirken überhaupt dazu beigetragen hat, dass es überhaupt einen „positiven“ Nachlass gibt, der zur Auseinandersetzung ansteht. Der mutmaßliche Erblasserwille
könnte durchaus der sein, auch denjenigen mit einem Ausgleichsanspruch zu belohnen, der auch ohne einen Vermögensverlust im weiteren Sinne (Mitarbeit im
Haushalt, Beruf, Geschäft) zur Nachlassmehrung beigetragen hat. Deshalb könnte
das Tatbestandsmerkmal „in anderer Weise“ durchaus als „anderes“ Leistungsmerkmal – losgelöst von den übrigen „Verzichtsmerkmalen“ verstanden werden. „In
anderer Weise“ könnte ein erfolgsorientiertes Merkmal, d. h. als allein auf den
Erfolg der Leistung des Abkömmlings abstellendes, verstanden werden. Dies würde
in plausibler Weise die Tatsache bestätigen, dass Vermögensmehrung auf der einen
Seite nicht zwangsläufig Vermögensverlust auf der anderen Seite bedeutet.
Dennoch entfernt sich diese Meinung zu sehr von der gesetzlichen Regelung.
§ 2057 a BGB würdigt als Wiedergabe des mutmaßlichen Erblasserwillens nur diejenige Leistung des Abkömmlings, die diesen „etwas gekostet“ hat. Damit wird die
Norm jedoch keinesfalls dem Gleichbehandlungsgedanken unter Abkömmlingen
gerecht. Nicht allein durch wirtschaftliche Investitionen des Abkömmlings kann es
zu einer Nachlassmehrung - oder erhaltung kommen, wie der vorstehende Fall zeigt,
aber nur diese, das eigene Vermögen mindernde Leistung des Abkömmlings, ist ausgleichungsfähig. Soweit es die Auslegung der letztwilligen Verfügung zulässt, ist
aber der mutmaßliche Wille des Erblassers anzunehmen, dass jeder Abkömmling,
der sich zu seinen Lebzeiten in irgendeiner besonderen Weise mit Erfolg dafür
eingesetzt hat, dass das Vermögen des Erblassers vermehrt oder erhalten wurde,
einen Ausgleich im Erbfall erhält.268
5. Der für die Vermögensmehrung und Mehrung des Nachlasses als Gegenstand der
Ausgleichung maßgebliche Zeitpunkt.
Auszugleichen sind nur Sonderleistungen (Mitarbeit, Geldleistungen, Handlungen in
anderer Weise) – also keine den jeweiligen Verhältnissen entsprechend übliche Leistung – eines Abkömmlings, die im besonderen Maße dazu beigetragen haben, das
Vermögen des Erblassers zu erhalten oder zu vermehren. Die Leistungen des
Abkömmlings müssen das Vermögen des Erblassers positiv beeinflusst haben.269
268 So auch Staudinger-Werner, § 2057 a Rn. 19
269 MünchKomm-Heldrich, § 2057 a Rn. 16
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Wenn Abkömmlinge durch ihre unentgeltliche Mitarbeit im Haushalt, Beruf oder Geschäft des Erblassers oder durch erhebliche Geldleistungen in besonderem Maße zur Nachlassmehrung – oder dessen Erhalt – beigetragen haben, kann dies einen Ausgleichungsanspruch bei der Erbauseinandersetzung rechtfertigen.
Selbst die möglicherweise Jahrzehnte zurückliegenden Leistungen der Kinder im Rahmen der §§ 1619, 1620 BGB stehen der Ausgleichungspflicht nicht entgegen.
In den erbrechtlichen Fokus gelangen immer häufiger Pflegeleistungen von Abkömmlingen gegenüber ihren Eltern. Diese rechtfertigen nach der derzeitigen Gesetzeslage nur dann einen Ausgleichungsanspruch wenn die Pflege und der Verzicht auf berufliches Einkommen erfolgt (§ 2057 a Abs. 1 S. 2 BGB). Diese Situation soll nach dem Willen der Bundesregierung (Regierungsentwurf vom 30.01.2008) durch die Schaffung eines § 2057 b BGB-E geändert werden.
Pflege wird mittlerweile als gesellschaftliche Aufgabe verstanden. Es wird nunmehr auch erkannt, dass alle gesetzlichen Erben – also auch der Ehepartner – an der Ausgleichung beteiligt werden sollen, was nach der bisherigen Gesetzeslage nicht der Fall war und zu Ungereimtheiten führte.
Weil es immer mehr ältere Menschen in unserer Gesellschaft gibt und diese im Falle einer Pflegebedürftigkeit nach Möglichkeit in ihrem häuslichen Bereich gepflegt werden möchten und dabei der Unterstützung ihrer Kinder und Ehepartner bedürfen, kann angenommen werden, dass die Ausgleichungspflicht auf Grund von Sonderleistungen nach §§ 2057 a, 2057 b BGB-E in Zukunft häufiger bei der Erbauseinandersetzung zu beachten sein wird.