zwischen spannungsabhängigen und stromabhängigen Verlusten unterschieden.
Spannungsabhängige Verluste fallen in Relation zur Spannung an, stromabhängige
Verluste beruhen auf dem Lastprofil der Leitung, hängen also von der Beanspruchung der jeweiligen Leitung ab.12 Somit unterscheiden sich die Übertragungsverluste von Freileitungen, Kabel und GIL, je nachdem, welcher Standort betrachtet
wird. Die Verluste eines Kabel dürften aber zwei- bis dreifach13 geringer als bei
Freileitungen sein. Der Übertragungsverlust von GIL ist wiederum geringer als der
von Kabeln. Unter dem Gesichtspunkt der Übertragungsverluste sind Kabel somit
umweltverträglicher als Freileitungen.
4. Ergebnis – Übertragungsverluste
Es wird deutlich, dass Übertragungsverluste auf einer Vielzahl von Faktoren beruhen, von denen nicht alle beeinflussbar sind, wie zum Beispiel spannungsabhängige
Verluste in Wechselstromnetzen. Jedoch ist es umweltverträglich, die Frequenz in
Teilnetzen abzusenken oder lange Verbindungen nicht im Wechselstrom, sondern
im Gleichstrombetrieb zu fahren. Auch der Einsatz von Kabeln oder GIL ist wegen
ihrer geringeren Übertragungsverluste umweltverträglicher als der von Freileitungen.
II. Umweltverträgliche Schaffung von Übertragungskapazitäten
Die Entwicklungen im Energiemarkt machen es notwendig, neue Übertragungskapazitäten zu schaffen. Insbesondere höhere Transitströme, zunehmende Einspeisung
von Strom aus Windkraftanlagen (vor allem von der zu erwartenden Einspeisung
von Offshore-Windparks) und die Veränderung des Kraftwerkparks (Konzentration
von Vorhaben an küstennahen Standorten und im Ruhrgebiet) führt dazu, dass die
vorhandene Netzinfrastruktur an ihre Grenzen stößt.14
Der Neubau von Stromnetzen hat die beschriebenen direkten Umwelteinwirkungen zur Folge. Deshalb ist es umweltverträglich, vorhandene Netzstrukturen so aufzurüsten, dass sie mehr Kapazität haben. Außerdem dauert es viele Jahre, bis eine
neue Leitung das Planungs- und Genehmigungsverfahren durchlaufen hat. Wenn die
Einspeisung aus umweltverträglichen Quellen wie erneuerbaren Energien oder der
KWK während der Planungszeit reduziert werden muss, kann kein Strom aus fossilen Quellen ersetzt werden. In so einem Fall ist die möglichst zügige Schaffung von
12 Oswald, Vergleichende Studie zu Stromübertragungstechniken im Höchstspannungsnetz, S. 14.
13 Jarass/Obermair, Netzeinbindung von Windenergie, ET 2006, S. 398, 400; Oswald, Vergleichende Studie zu Stromübertragungstechniken im Höchstspannungsnetz, S. 17.
14 Pritzsche/Stephan/Pooschke, Engpassmanagement durch marktorientiertes Redispatching, RdE
2007, S. 36.
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Kapazität umweltverträglich. Zur zügigen Schaffung von Kapazität bieten sich verschiedene Technologien an.
1. Freileitungs-Monitoring und saisonal unterschiedliche Bemessungswerte
Meist limitiert die thermische Belastbarkeit die Kapazität einer Leitung.15 Zur Bestimmung der Grenze der thermischen Belastbarkeit kann die DIN/EN 50 128 „Leiter für Freileitungen aus konzentrisch verseilten runden Drähten“ herangezogen werden. Nach dieser Norm ist eine dauernde Belastung mit einer Temperatur von 80° C
zulässig. Die Standartumgebung wird ohne Betrachtung der tatsächlichen Verhältnisse wie folgt definiert: eine Außentemperatur von 35° C, Sonneneinstrahlung von
800 W/m2 und eine Windgeschwindigkeit von 0,6 m/s. Da die DIN/EN unabhängig
von den tatsächlichen Umständen gilt, sie also allgemeingültig ist, sind zur Sicherheit ungünstige Umgebungsbedingungen gewählt worden.16 So werden eine verhältnismäßig hohe Außentemperatur, hohe Sonneneinstrahlung und niedrige Windgeschwindigkeiten angenommen. Denn bei diesen Temperaturen und gleichzeitigem
Stromtransport beginnen die Leitungen durchzuhängen.17 Auch verringert Wärme
die Kapazität einer Freileitung, wogegen die Kühlung durch Außentemperatur oder
Windströmung die mögliche Auslastung vergrößert.
Es ist offensichtlich, dass diese Annahmen die tatsächliche Situation an kühlen
Tagen oder auch an Tagen mit hohen (also kühlenden) Windgeschwindigkeiten
nicht widerspiegelt. Insbesondere für Engpasssituationen aufgrund erhöhter Windkrafteinspeisung entsprechen die Annahmen der DIN/EN 50 128 nicht der Realität.
Bei Einhaltung der Norm muss die Einspeiseleistung von Windkraft reduziert werden, obwohl die Leitungen aufgrund der Windkühlung mehr Kapazität vorhalten.18
Die Errechnung der thermischen Belastbarkeit näherte sich der Realität an (und
führte damit zu mehr Leitungskapazität), wenn saisonal unterschiedliche Bemessungswerte angelegt würden.19 So müssen im Winter nicht pauschal von 35° C Au-
ßentemperatur ausgegangen werden.
Um festzustellen, wie groß die Kapazität der Freileitung tatsächlich ist, bietet sich
das Verfahren des Freileitungs-Monitoring an. Bei Erdkabeln ist dieses Verfahren
Stand der Technik.20 Hierbei wird die Temperatur der Freileitung mit Messstationen
überwacht, die entlang der Trasse aufgestellt werden. Es wird vertreten, dass mit
Hilfe des Freileitungs-Monitorings die Belastbarkeit der Leitungen zeitweilig um 50
bis 100 Prozent erhöht werden könnte.21 Allerdings muss bei einer höheren Bean-
15 Burges/Twele, Power systems operation with high penetration of renewable energy - the German case, S. 3.
16 Brakelmann, Netzverstärkungs-Trassen zur Übertragung von Windenergie, S. 9.
17 Köpke, Den großen Stau vermeiden, E&M 20/2006, S. 4.
18 Brakelmann, Netzverstärkungs-Trassen zur Übertragung von Windenergie, S. 20.
19 GGSC/Ecofys, Windenergieerzeugungsmanagement, Abschlussbericht, S. 14 ff.
20 Brakelmann, Netzverstärkungs-Trassen zur Übertragung von Windenergie, S. 19, 112.
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spruchung der Leitungen das Leistungsvermögen der verwendeten Betriebsmittel
wie Seilklemmen und Transformatoren beachtet werden.22
2. Hochtemperatur-Leiterseile
Durch den Einsatz von Hochtemperatur-Leiterseilen steigert sich die thermische Belastbarkeit und damit auch die Kapazität der Leitungen auf 150 bis 200 Prozent gegenüber konventionellen Leitungen.23 Zu beachten ist bei den Einsatz von Hochtemperatur-Leiterseilen allerdings, dass wegen der höheren Betriebstemperatur der
Durchhang der Leiter größer ist als bei herkömmlichen Leitern. Auch hier müssen
die angeschlossenen Komponenten an die neuen Bemessungsgrenzen angepasst werden. Der Einsatz von Hochtemperatur-Leiterseilen dürfte verglichen mit dem Neubau von Trassen kostengünstiger und in der Regel ohne Planungsverfahren umsetzbar sein.
III. Anschluss neuer Kraftwerke
Der Anschluss neuer Kraftwerke ist aufgrund verschiedener Effekte erwünscht. Zum
einen erhöhen zusätzliche Kraftwerke das Angebot auf dem Produktionsmarkt. Damit wird der Wettbewerb unter den Anbietern gefördert. Des weiteren ist davon auszugehen, dass neuere Kraftwerke wegen des technischen Fortschritts Energie effizienter einsetzen, weniger Schadstoffe ausstoßen und kosteneffizenter arbeiten.24 Je
ineffizienter ein Kraftwerk arbeitet, desto eher wird es vom Markt verdrängt.25 Deshalb verdrängen neue und effizient arbeitende Kraftwerke die Bestandsanlagen. Damit wird dem Belastungsminimierungsgrundsatz des § 1 Abs. 1 EnWG Rechnung
getragen.26
Aber auch auf die Netzarchitektur kann der Anschluss neuer Kraftwerke Auswirkungen haben, wenn das Netz zu wenig Kapazität hat, um die Leistung des neu an-
21 Brakelmann, Netzverstärkungs-Trassen zur Übertragung von Windenergie, S. 18 ff., 112. Bei
Feldversuch von E.ON in Nordfriesland konnte die Transportkapazität bis zu 50 Prozent erhöht
werden, Presseerklärung vom 20. 9. 2007, www.eon-netz.com unter „Presse“ (http://www.eonnetz.com/frameset_german/company/company_press/news_release/pm_neu/press_detail_neu.
php?press_id=234985, zuletzt aufgerufen am 21. 11. 2007).
22 Brakelmann, Kostenvergleich alternativer Ausführungen windbedingter Netzverstärkungsmaßnahmen, S. 41 f.
23 GGSC/Ecofys, Windenergieerzeugungsmanagement, Abschlussbericht, S. 17 f.
24 Von dieser Grundannahme geht der Gesetzgeber aus, GesE der BReg zum EnWG 98, BT-
Drucks 13/7274, S. 10.
25 De Wyl/Hartmann/Hilgenstock, Wettbewerb auf dem Erzeugermarkt? (Teil 2), IR 2006,
S. 218. Grund dafür ist die so genannte merit order. Siehe dazu Bode/Groscurth, Wirkung des
EEG auf den "Strompreis", S. 9 f.
26 De Wyl/Hartmann/Hilgenstock, Wettbewerb auf dem Erzeugermarkt? (Teil 2), IR 2006,
S. 218, 219.
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Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Das Werk befasst sich mit dem Gesetzesziel „Umweltverträglichkeit“ des Energiewirtschaftsgesetzes. Der Autor reduziert das Gesetzesziel auf eine Definition mit wenigen Kriterien. Ferner wird die Rechtsqualität von Ziel- und Zweckbestimmungen untersucht. Umwelteinwirkungen der Energieversorgung werden aufgezeigt – insbesondere in welchem Umfang Netztechnik, Struktur und Steuerung der Netze Auswirkungen auf die Umwelt haben. Umweltverträglicher Netzbetrieb bedeutet so beispielsweise die möglichst weitgehende Einbindung dezentraler Erzeuger und eine effiziente Abstimmung von Angebot und Nachfrage. Schließlich werden Beispiele gebildet, um zu zeigen, inwieweit „Umweltverträglichkeit“ in Abwägung mit den anderen Zielbestimmungen des EnWG Auswirkung bei der Auslegung des Energiewirtschaftsrechts haben kann. So wird unter anderem deutlich, dass „Netzausbau“ unter Berücksichtigung der Umweltverträglichkeit nicht nur den Bau neuer Leitungen, sondern auch das Überwachen der Temperatur der bestehenden Leitung bedeuten kann.