3. Kapitel: Grundlagen der Planung und Regulierung
A. Planungsrecht
I. Grundzüge der Planung
Wegen des zunehmenden europaweiten Handels und steigender Produktion erneuerbarer Energien müssen Energieleitungen in Deutschland ausgebaut und neu errichtet
werden. Von zentraler Bedeutung ist das Planungsrecht. Raumplanung ist der Oberbegriff für die räumliche Gesamtplanung auf Ebene der Länder sowie Gemeinden
(nach ROG und BauGB) und die Fachplanung (z.B. nach EnWG). Die räumliche
Gesamtplanung befasst sich mit der strukturellen Entwicklung und Gestaltung eines
Gebiets, während die Fachplanung auf ein bestimmtes Vorhaben beschränkt ist.1
1. Ausweisung transeuropäischer Netze
Die Bedarfsplanung auf europäischer Ebene richtet sich nach den Art. 154 – 156
EG, wonach die Gemeinschaft einen Beitrag zum Auf- und Ausbau transeuropäischer Energienetze leistet. Gemäß Art. 155 Abs. 1 EG wird diese Gemeinschaftspolitik umgesetzt, indem Leitlinien erlassen werden, die die anzugehenden Vorhaben
ausweisen. Solche Leitlinien ergingen mit der Entscheidung des Parlaments und des
Rates vom 26. Juni 2003.2 Die Leitlinie legt Ziele, Prioritäten und Kriterien für Vorhaben von gemeinsamem Interesse fest. Dann werden Vorhaben identifiziert.
Gemäß Art. 3 der Entscheidung werden auf europäischer Ebene Trassen ausgewiesen, wenn sie unter anderem dem Handel sowie der besseren Integration erneuerbarer Energien dienen. Die Ausweisung transeuropäischer Netze gemäß der Art. 154
ff. EG führt zwar nicht zu einer abschließenden planerischen Entscheidung.3 Allerdings bedarf die Festlegung eines Vorhabens von gemeinsamem Interesse (beinhaltet die Planung einer Leitung) gemäß Art. 156 Abs. 2 EG der Zustimmung des betroffenen Mitgliedstaates. Somit ist gewährleistet, dass die europäische Planung im
Sinne der nationalen Planung ist.
1 Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 261.
2 Entscheidung Nr. 1229/2003/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl 2003 L 176,
S. 11.
3 Schiebold, in: Danner/Theobald, Energierecht BauR XIII B1, Rn. 6.
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2. Nationale Planung
In Deutschland gibt es nur eine sehr eingeschränkte übergeordnete staatliche Bedarfsplanung für Energieleitungen.4 So besteht auf Bundesebene lediglich die Kompetenz zur Erstellung eines nicht bindenden Raumordnungsberichts nach § 21 ROG.
Die Bedarfsplanung von Energieleitungen wird somit in erster Linie von den Energieversorgungsunternehmen selbst vorgenommen.5
3. Planung der Länder
a) Raumordnungspläne
Auf Landesebene werden Raumordnungspläne auf Grundlage des Landesrechts erarbeitet. Dabei sollen Raumordnungspläne gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 3 lit. b) ROG Festlegungen zur Versorgungsinfrastruktur enthalten. Die Trasse einer Energieleitung
kann auf diesem Wege von Raumordnungsplänen vorgegeben werden.6
Zwar sind Privatpersonen wie Energieversorgungsunternehmen grundsätzlich
nicht an den Raumordnungsplan gebunden. Allerdings sind die Ziele der Raumordnung7 für öffentliche Stellen gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 ROG verbindlich, wenn Planfeststellungen und Genehmigungen zu treffen sind. Gemäß § 43 EnWG sind Planfeststellung oder -genehmigung für Hochspannungsleitungen mit einer Nennspannung von 110 kV und mehr sowie Gasversorgungsleitungen mit einem Durchmesser
von mehr als 300 mm erforderlich. Da ein positiver Bescheid nur ergehen kann,
wenn die Planung mit den Zielen der Raumordnung übereinstimmt, bindet der Inhalt
des Raumordnungsplans bei Notwendigkeit einer Planfeststellung oder -genehmigung auch die Energieversorgungsunternehmen. Daneben gewinnt der Raumordnungsplan auch bei der Planung im unbeplanten Außenbereich Bedeutung: Gemäß
§ 35 Abs. 3 S. 3 BauGB stehen einem Vorhaben in der Regel öffentliche Belange
entgegen, wenn es an anderer Stelle im Raumordnungsplan ausgewiesen ist.
4 Eine Ausnahme kann in Zukunft unter Umständen der Entwurf von Referenznetzen im Rahmen
der Anreizregulierung sein. Zum Referenznetz siehe S. 54 unter § 2.
5 Hermes, in: Schneider/Theobald (Hg.), Hdb EnWR, § 6, Rn. 45.
6 Wird die Festlegung in Form einer Ausweisung als Eignungsgebiet gemäß § 7 Abs. 4 Nr. 3
ROG getroffen, ist die betroffene Leitung nur an der ausgewiesenen Stelle zulässig. Allerdings
werden die Trassen nicht parzellenscharf festgelegt, bedürfen also noch der Feinsteuerung; De
Witt, Notwendige Reformen zum Netzausbau, RdE 2006, S. 141, 143.
7 Die „Ziele der Raumordnung“ werden gemäß § 3 Nr. 2 ROG in Raumordnungsplänen festgelegt und enthalten Vorgaben zur Entwicklung, Sicherung und Ordnung des Raums.
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b) Raumordnungsverfahren
Allerdings enthalten Raumordnungspläne meist nur grobe Vorgaben hinsichtlich der
Ausgestaltung bestimmter Trassen.8 Deshalb kommt dem gemäß § 15 ROG durchzuführenden Raumordnungsverfahren in der Praxis erhebliche Bedeutung zu.9 Im
Raumordnungsverfahren wird im Rahmen einer Raumverträglichkeitsprüfung festgestellt, ob ein raumbedeutsames Vorhaben mit den Erfordernissen der Raumordnung übereinstimmt und wie raumbedeutsame Planungen und Maßnahmen aufeinander abgestimmt oder durchgeführt werden können, § 15 Abs. 1 ROG.10 Allerdings ist
das Ergebnis des Raumordnungsverfahrens nicht zwingend.11 Denn nach § 3 Nr. 4
ROG stellt das Ergebnis des Verfahrens nur ein sonstiges Erfordernis der Raumordnung dar, das gemäß § 4 Abs. 2 ROG bei der Ermessensausübung bei der Bauleitplanung zu berücksichtigen ist.
4. Planung der Gemeinden
Die Bauleitplanung auf Gemeindeebene liefert die konkretesten Vorgaben für Energieversorgungsunternehmen. Bei der Bauleitplanung sind die Belange der Energieversorgung zu berücksichtigen (§ 1 Abs. 6 Nr. 8 lit. e) BauGB), wobei die Nutzung
erneuerbarer Energien ausdrücklich genannt wird (Absatz 6 Nr. 7 lit. f)). Im Flächennutzungsplan können insbesondere Flächen für Versorgungsleitungen ausgewiesen werden, § 5 Abs. 2 Nr. 4 BauGB. Wenn für eine Energieleitung eine Ausweisung als ein Vorhaben im unbeplanten Außenbereich vorliegt, hat die Energieleitung Vorrang vor anderen Vorhaben. Denn wenn ein Vorhaben einer Darstellung im
Flächennutzungsplan widerspricht, liegt eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange
vor, § 35 Abs. 3 Nr. 1 BauGB.
Konkret verpflichtende Außenwirkung entfaltet aber erst der Bebauungsplan, § 8
Abs. 1 BauGB. Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 13 BauGB können Versorgungsleitungen im
Bebauungsplan festgelegt werden. Rechtsfolge der Ausweisung ist, dass keine anderen Vorhaben an der Stelle zulässig sind und das Vorhaben an keiner anderen Stelle
verwirklicht werden kann.12
Erst der Bebauungsplan oder die Planfeststellung beziehungsweise -genehmigung
hat somit Rechtswirkung auf planende Energieversorgungsunternehmen. Da der
8 Hermes, in: Schneider/Theobald (Hg.), Hdb EnWR, § 6, Rn. 53.
9 Schiebold, in: Danner/Theobald, Energierecht BauR XIII B1, Rn. 13.
10 Gemäß § 1 Nr. 14 RoV soll ein Raumordnungsverfahren für Hochspannungsfreileitungen mit
einer Nennspannung von 110 kV oder mehr und von Gasleitungen mit einem Durchmesser von
mehr als 300 mm durchgeführt werden. Die Möglichkeit von Landesbehörden, ein Raumordnungsverfahren für Verteilernetze durchzuführen, bleibt dabei unberührt.
11 De Witt, Notwendige Reformen zum Netzausbau, RdE 2006, S. 141, 142; Hermes, in: Schneider/Theobald (Hg.), Hdb EnWR, § 6 Rn. 60; Schiebold, in: Danner/Theobald, Energierecht
BauR XIII B1, Rn. 15.
12 Schiebold, in: Danner/Theobald, Energierecht BauR XIII B1, Rn. 20.
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Raumplanung keine zwingende Bedarfsplanung zugrunde liegt und der Bebauungsplan nur auf gemeindlicher Ebene entsteht, liegt die Bedarfsplanung im Wesentlichen bei den planenden Unternehmen.13
II. Zulassungsrecht
Neben der räumlichen Gesamtplanung ist bei der Genehmigung einer Leitung auch
spezielles Zulassungsrecht zu beachten.
1. Bundesimmissionsschutzgesetz
Energieleitungen sind keine genehmigungsbedürftigen Anlagen im Sinne des § 4
BImSchG i.V.m. der 4. BImSchV. Deshalb ist das BImSchG bei der Genehmigung
von Energieleitungen nur eingeschränkt anzuwenden. Jedenfalls gelten aber die
§§ 22 ff. BImSchG. Gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BImSchG sind Umwelteinwirkungen zu verhindern, sofern sie nach dem Stand der Technik14 vermeidbar sind.
Unvermeidbare Umwelteinwirkungen sind auf ein Mindestmaß zu beschränken. Unter schädlichen Umwelteinwirkungen sind gemäß § 3 Abs. 1 BImSchG Immissionen
zu verstehen.
Für Stromleitungen ist auch die auf Grundlage von § 23 Abs. 1 BImSchG erlassene 26. BImSchV anzuwenden. Freileitungen, Erdkabel und Umspannanlagen mit einer Frequenz von 50 Hz und einer Spannung ab 1 kV müssen bestimmte Grenzwerte
einhalten.15 Mit Ausnahme der Niederspannungsnetze sind damit schon die meisten
Verteilernetze von den Vorgaben der 26. BImSchV erfasst. Für Gasleitungen gilt
keine ähnliche Pflicht.
2. Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung
Eine Umweltverträglichkeitsprüfung bleibt unselbstständiger Teil des Verwaltungsverfahrens. Sie liefert keine Grenzwerte, sondern dient der Verbesserung der Informationsgrundlage, ohne bestimmte Vorgaben hinsichtlich der Verwaltungsentscheidung zu machen.16 Im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung werden die unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen eines Vorhabens auf die Umwelt geprüft.17 Unter anderem muss untersucht werden, welche nachteiligen Auswirkungen
13 Hermes, in: Schneider/Theobald (Hg.), Hdb EnWR, § 6, Rn. 11.
14 Siehe dazu § 3 Abs. 6 BImSchG.
15 Dazu S. 94, unter Nr. I.
16 Kloepfer, Umweltrecht, § 5 Rn. 331; Bonk/Neumann, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 74
Rn. 63a.
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Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Das Werk befasst sich mit dem Gesetzesziel „Umweltverträglichkeit“ des Energiewirtschaftsgesetzes. Der Autor reduziert das Gesetzesziel auf eine Definition mit wenigen Kriterien. Ferner wird die Rechtsqualität von Ziel- und Zweckbestimmungen untersucht. Umwelteinwirkungen der Energieversorgung werden aufgezeigt – insbesondere in welchem Umfang Netztechnik, Struktur und Steuerung der Netze Auswirkungen auf die Umwelt haben. Umweltverträglicher Netzbetrieb bedeutet so beispielsweise die möglichst weitgehende Einbindung dezentraler Erzeuger und eine effiziente Abstimmung von Angebot und Nachfrage. Schließlich werden Beispiele gebildet, um zu zeigen, inwieweit „Umweltverträglichkeit“ in Abwägung mit den anderen Zielbestimmungen des EnWG Auswirkung bei der Auslegung des Energiewirtschaftsrechts haben kann. So wird unter anderem deutlich, dass „Netzausbau“ unter Berücksichtigung der Umweltverträglichkeit nicht nur den Bau neuer Leitungen, sondern auch das Überwachen der Temperatur der bestehenden Leitung bedeuten kann.