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Einleitung
A. Universalität und kulturelle Relativität der Menschenrechte im Diskurs
I. Der Rekurs auf die Universalität der Menschenrechte
1. Universalität der Menschenrechte im politikwissenschaftlichen Diskurs
Das Ende des Ost-West-Kon? ikts 1989/1990, der Zusammenbruch der Sowjetunion
und die Au? ösung der sozialistischen Weltordnung eröffnen eine „neue Phase der
Weltpolitik“ und begründen eine zentrale Herausforderung, der sich die internationale
Politik zu stellen hat. Der amerikanische Politologe Samuel Huntington stellt hierzu
fest: „World Politics is entering a new phase, and intellectuals have not hesitated to
proliferate visions of what it will be – the end of history, the return of rivaleries between nation states, and the decline of the nation state from the con? icting pulls of tribalism and globalism (…).“11
Diese „neue Phase“, in der sich Staaten und Gesellschaften im späten 20. und beginnenden 21. Jahrhundert be? nden, ist geprägt von der Globalisierung, d.h. von einer
Verdichtung grenzüberschreitender Interaktionen von Staaten und Gesellschaften der
Welt. Im Bereich der Finanz-, Handels- und Umweltordnung sowie in Technologie-,
Kommunikations- und Transportsystemen weichen nationalstaatliche Ordnungsstrukturen einem globalen System, das die Dimensionen von „Weltgesellschaft“, „Weltwirtschaft“ und „Weltpolitik“ in sich birgt12. Das Problembewusstsein des Nationalstaats, der sich – ungeachtet der möglicherweise weiten räumlichen Entfernung – mit
einer ebenso neuartigen Dimension an „Weltproblemen“ konfrontiert sieht, ist einem
Wandel unterworfen: Umweltzerstörungen, armutsbedingte Migrationen und Kriege
werden angesichts eines „globalen Bumerangeffekts“13 auf nationalstaatliche Belange
auch jenseits der eigenen Staatsgrenze zum Gegenstand einzelstaatlicher Interessenspolitik. Die Aus- und Neugestaltung der „Neuen Weltordnung“14 nach Ende der bipolaren Weltordnung wird zum Gegenstand politologischer Theoriendiskussion.
11 Huntington, The Clash of Civilizations?, in: Foreign Affairs, Vol. 72, No. 3 (Summer 1993),
S. 22. Vgl. die kritische Auseinandersetzung mit Huntingtons Theorien zu den Transformationen kultureller Identität von Fliege, Culture? What Culture? Zum Kulturbegriff Samuel P. Huntingtons, in: Krawietz (Hrsg.), Rechtstheorie, 29. Band (1998), Konvergenz oder Konfrontation? Transformation kultureller Identität in den Rechtssystemen an der Schwelle zum 21. Jahrhundert, S. 293–309 und von Drawe, Huntingtons „Kampf der Kulturen“ – eine kritische
Analyse aus politiktheoretischer Sicht, in: Krawietz (Hrsg.), Rechtstheorie, 29. Band (1998),
Konvergenz oder Konfrontation? Transformation kultureller Identität in den Rechtssystemen an
der Schwelle zum 21. Jahrhundert, S. 269–291.
12 Nuscheler, Entwicklung und Frieden im Zeitalter der Globalisierung, S. 239 ff.
13 Ebenda, S. 241.
14 Lauth/Zimmerling, Internationale Beziehungen, in: Mols/Lauth/Wagner (Hrsg.), Politikwissenschaft, S. 156.
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Unter dem Begriff der „Global Moral Sciences“15 wird von Vertretern idealistischer
Schulen der politischen Theorie die programmatische Forderung formuliert, bei der
Analyse der Internationalen Politik den wissenschaftlichen Fokus von einzelstaatlicher Interessenspolitik und zwischenstaatlichen Rivalitäten abzuwenden und auf die
normativ-gestalterische Dimension der internationalen Politik zu lenken. Ein Vertreter
normativ-idealistischer Theorien, Ken Booth, fordert: „To my mind the twenty-? rst
will be the century of ethics, and global ethics at that. What I would like to see is a
shift in the focus of the study of international relations from accumulating knowledge
about ‘relations between states’ (...) to thinking about ethics and applied ethics on a
global scale.”16 So provozierten die materiellen Veränderungen, denen der moderne
Staat und seine Ordnungsstrukturen in einer enger zusammenwachsenden Welt ausgesetzt seien, auch ein Aufweichen traditioneller Werte- und Normensysteme des Menschen. Oben umschriebener Weltgesellschaft, Weltwirtschaft und Weltpolitik müsse
als Korrelat eine alternative Rationalität – d.h. ein Handlungs- und Verhaltensmaßstab
in Form einer geteilten Weltethik – entgegengesetzt werden, die dem Einzelnen einen
Ersatz für die verlorenen lokal verankerten Werte und Normen böten17.
Im Konkreten setzt sich, nach Booth, das Konzept einer globalen Ethik als Weltordnungskonzept maßgeblich aus dem Schutz universaler Menschenrechte und dem Verbot militärischer Interventionen innerhalb der internationalen Gemeinschaft zusammen. Den Schutz universaler Menschenrechte zum Fundament einer globalen Ethik
zu machen, liegt die Annahme zugrunde, dass es einen Kern an Rechten gibt („(…)
universal ‚basic-rights’ (…) shared in world society“18), der der Weltgesellschaft gemeinsam sei und daher als Handlungsmaßstab für die Gestaltung innerstaatlicher und
interstaatlicher Prozesse dienen könne19. Der universelle Charakter der Menschenrechte begründe ein horizontal und vertikal wirkendes Ordnungskonzept, das von jedem Einzelnen als Rechtsinhaber „jedermann“ entgegengehalten werden könne. „Jedermann“ seien im klassisch vertikalen Sinne zunächst die Gemeinschaft der Staaten
und sonstiger intergouvernementaler Akteure – unabhängig von deren jeweiligem politischen, wirtschaftlichen oder kulturellen System: „The opposability of human rights
is not limited to the state under the jurisdiction of which one lives. (...) Universality in
this sense responds to the problem of globalisation: if the causes of human suffering
cannot be contained within the sphere of one state, neither can the responsibility for
15 Booth, Human Wrongs and International Relations, in: International Affairs, Vol. 71, No. 1
(1995), S. 109–110.
16 Ebenda.
17 Booth kommt zu dem Schluss: „If this world (where there will be nowhere to hide) is to offer
reasonable lives for a reasonable number of people, then we need a new rationality, new axioms,
new agents, new forms of politics and a new discourse.”, in: Booth, Human Wrongs and International Relations, in: International Affairs, Vol. 71, No. 1 (1995), S. 112.
18 Ebenda, S. 118.
19 Als in diesem Zusammenhang richtungsweisend sei Hans Küngs „Projekt Weltethos“ genannt,
in dem dieser die Frage stellt, was Religionen trotz ihres sehr verschiedenen Dogmen- und
Symbolsystems zur Förderung eines gemeinsamen Ethos leisten können: Küng, Projekt Weltethos, München 1996.
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that suffering.”20 Als Adressat der Menschenrechte müsse jedoch auch die menschliche Gemeinschaft in ihrer Gesamtheit, also im horizontalen Sinne auch private Akteure, verstanden werden.
Zum Gegenstand politischer Realität werden jene theoretischen Bestrebungen um
die Etablierung eines Weltordnungskonzeptes im Mai 2005, als auf dem Dritten Gipfel
der Staats- und Regierungschefs des Europarats (Warschau 2005) das verstärkte Betreiben von interkulturellem und interreligiösem Dialog zwischen den Mitgliedstaaten
des Europarats und in ihrer Beziehung zur restlichen Welt zur „politischen Priorität“21
für alle Arbeitsbereiche des Europarats erhoben wird. Die im November 2005 angenommene „Faro Declaration on the Council of Europe’s Strategy for Developing Intercultural Dialogue“22 skizziert die „Vision“ des Europarats, durch die Förderung
kultureller Kooperation innerhalb und zwischen europäischen Gesellschaften und in
deren Beziehungen zur außereuropäischen Welt gemeinsame ethische und religiöse
Grundprinzipien zu erarbeiten und zum gemeinsamen Handlungsmaßstab zu machen.
Hierdurch könne, entsprechend dem oben aufgezeigten Theoriemodell, die Bedrohung
des einzelnen Staats durch Terrorismus vermieden und Frieden, internationale Stabilität, Toleranz und soziale Kohäsion könnten geschaffen werden. Fundament dieses
Bestrebens ist, neben der Wahrung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, die Respektierung eines Kanons universeller und unteilbarer Menschenrechte: „We reaf? rm
our vision based on the principles of the universality and indivisibility of human rights,
democracy and the rule of law.“23
Nach normativen idealistischen Theoriemodellen wie dem der „Global Moral Sciences“ oder dem Konzept des „interkulturellen Dialogs“ des Europarats sind die internationalen und nationalen Staatenbeziehungen somit einer kritischen Würdigung am
Maßstab einer allen Menschen gemeinsamen, diskursiv erarbeiteten Weltethik zu unterwerfen. Die Legitimität von Institutionen, staatlichen Akteuren und politischen
Ordnungen im Allgemeinen bemesse sich an deren Einhaltung ethischer Normen, wie
der Respektierung des Kanons universaler Menschenrechte24.
20 Eva Brems diskutiert verschiedene Verständnisformen der „Universalität der Menschenrechte“,
wozu auch das Verständnis von Universalität als „General Opposability of Human Rights”
zählt: Brems, Human Rights: Universality and Diversity, S. 12.
21 Europarat, Consultation document “Preparing the ‘White Paper on intercultural dialogue’”
(Dokument GR-C(2006)32), Januar 2007, S. 4. Im Mai 2008 wird das “White Paper on Intercultural Dialogue” von dem Ministerkomitee des Europarats angenommen (Dokument CM
(2008)30 ? nal).
22 Europarat, „Faro Declaration on the Council of Europe’s Strategy for Developing Intercultural
Dialogue” (Document CM(2005)164) vom 7. November 2005.
23 So in “Part 1: Vision” der Faro Erklärung.
24 Chandler, Universal Ethics and Elite Politics: The Limits of Normative Human Rights Theory,
in: The International Journal of Human Rights, Vol. 5, No. 4 (Winter 2001), S. 73: „(…) Normative theory sets out a radical agenda of criticism.“
28
2. Universalität der Menschenrechte im völkerrechtlichen Diskurs
Belebt das Ende der Realpolitik des Kalten Krieges und das damit verbundene Ende
der Prädominanz realistischer Theoriemodelle die politikwissenschaftlichen Erwägungen zu universellen Menschenrechten als ethische Normen neu, so wird der völkerrechtliche Diskurs zur Universalität der Menschenrechte und deren Charakter als
rechtliche Normen seit Beginn der Kodi? zierung des internationalen Menschenrechtsschutzes nach Ende des Zweiten Weltkrieges ununterbrochen geführt.
a) Universalität der Menschenrechte aus rechtshistorischer und
rechtstheoretischer Perspektive
Die Tyrannei, zu der der moderne Staat unter Bezugnahme auf das positive Recht25
fähig ist, und die Ausgeliefertheit des Individuums gegenüber einem rechtsbegründenden und rechtsgewährenden Staat verstärken nach Ende des Zweiten Weltkrieges bei
Gründung der Vereinten Nationen im Jahre 1945 eine Rückbesinnung auf den vor- und
überstaatlichen Geltungsanspruch und Gebotscharakter der Menschenrechtsidee26.
Diese Rückbesinnung provoziert zum einen die rechtspositivistische Tendenz, das
Individuum neben seiner Stellung als Staatsbürger durch verbindliche Normen auch
als Subjekt des Völkerrechts umfassend zu würdigen und zu schützen27. Die 1945 verabschiedete und in Kraft getretene Charta der Vereinten Nationen (kurz: „SVN“) legt
insofern den völkervertraglichen Grundstein für das Bekenntnis der Staatenwelt, einen
Kern an Menschenrechten und Grundfreiheiten mit dem Anspruch universeller Geltung zu versehen und zu schützen28. Zum anderen wird auf den naturrechtlichen Ursprung des Rechts als ontologische Letztbegründung der Menschenrechtsidee Bezug
genommen, an deren Maßstab sich die Legitimität des staatlich gesetzten Rechts messen lassen müsse29. Geprägt von den Eindrücken des Zweiten Weltkrieges bemühen
sich zeitgenössische Vertreter naturrechtlicher Theorien bei der Ausgestaltung der internationalen Menschenrechtsordnung, die Idee unveräußerlicher und vorstaatlicher
Rechte, die im Menschsein per se verankert sind, auf internationaler Ebene zu etablieren. Die menschliche Natur, die allen Menschen gemeinsam sei, verleihe jedem Individuum die Eigenschaft, Rechtsträger grundlegender Menschenrechte zu sein. Die
25 Erwähnt seien die Kriegssonderstrafrechtsverordnung der Nationalsozialisten oder das Sonderarbeitsrecht für Juden und Zigeuner. Vgl. zur Frage „Positivismus als Rechtstheorie des Totalitarismus?“ die kritische Auseinandersetzung von Rüthers, Rechtstheorie, 3. Au? age, S. 294 ff.
26 Kühnhardt, Die Universalität der Menschenrechte, S. 109, S. 112.
27 Ebenda, S. 113.
28 Bezug auf den universell geltenden Schutz der Menschenrechte nimmt die Charta der Vereinten
Nationen in der Präambel sowie in den Artikeln 1 (3), 13 (1b), 55 (c), 56, 62 (2), 68 und 76; vgl.
hierzu Otto, Rethinking Universals: Opening Transformative Possibilities in International Human Rights Law, in: Australian Year Book of International Law 1997, S. 1.
29 Shestack, The Philosophic Foundation of Human Rights, in: Human Rights Quarterly, Vol. 20,
1998, S. 215.
29
Begrif? ichkeit Menschenrechte trägt insofern das Universalitätspostulat im Sinne einer über Zeit und Raum stehenden Gültigkeit der Rechtsverbürgungen in sich30.
Zu derartigen naturrechtlichen oder naturrechtsnahen Positionen gelangt die Suche
nach dem Geltungsgrund des Völkerrechts im Allgemeinen, der Menschenrechte im
Speziellen, wenn sie unbeweisbare Grundaussagen zum Richtpunkt nimmt, die der
Völkerrechtsordnung zugrunde liegen und die dem souveränen Staat vorgegeben sein
sollen31. Maßstab und Grundlage jeglicher Rechtsetzung und Rechtsordnung sind
demnach Axiome, die eine unmittelbar als richtig einleuchtende und daher keines weiteren Nachweises bedürftige Wahrheit über Mensch und Welt in sich bergen. Naturrechtlich fundierte Gerechtigkeitsprinzipien sind „(…) in der Natur der Sache oder in
der Natur des Menschen selbst angelegt (…)“32. Die Frage nach dem Inhalt des Naturrechts ist daher ausgehend von der generelleren Frage nach der Natur des Menschen
zu beantworten. Die menschliche Ratio und die in der menschlichen Natur angelegte
Individualität, Freiheit und Autonomie erwachsen – im Verständnis der Urheber des
positivierten internationalen Menschenrechtsschutzes – zur Erkenntnisquelle des
„richtigen Rechts“33.
Nicht kirchliche Autorität, religiöse Dogmen oder gesellschaftliche Tradition, sondern das Standhalten gegenüber der rationalen Einsicht und den Maßstäben der Vernunft und Willensautonomie bestimmt, was dem Menschen an natürlichen Rechten zu
gewähren ist34. Auf diese Weise eine Menschenrechtsordnung mit universalem, d.h.
allgemeingültigem Charakter zu erarbeiten, ist in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bei der Verabschiedung der internationaler Menschenrechtsabkommen und
-deklarationen angestrebtes Ziel35.
Zentrales Zeugnis dieser Universalitätsbestrebungen des Menschenrechtsgedankens auf internationaler Ebene ist die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von
1948 (kurz: „AEMR“), die zusammen mit den 1966 verabschiedeten und 1976 in
Kraft getretenen Pakten über wirtschaftliche, soziale und kulturelle sowie über bürgerliche und politische Rechte den Grundstein jeglicher Menschenrechtsinstitutionalisierung bildet36. Rechtstheoretisches Kennzeichen des in den internationalen Menschenrechtstexten vorherrschenden Universalitätskonzepts ist primär die Vor- und Über-
30 Pennock, Rights, Natural Rights And Human Rights – A General View, in: Pennock u.a. (Hrsg.),
Human Rights, S. 6.
31 Ipsen, Völkerrecht, 5. Au? age, S. 10.
32 Zippelius, Rechtsphilosophie, 5. Au? age, S. 67.
33 Shestack, The Philosophic Foundation of Human Rights, in: Human Rights Quarterly, Vol. 20,
1998, S. 215 f.
34 Vgl. zum Wandel von mittelalterlicher transzendenter Rechts- und Gerechtigkeitslegitimation
zu neuzeitlichen Rechtskonzepten: Kaufmann u. a. (Hrsg.), Einführung in die Rechtsphilosophie und Rechtstheorie der Gegenwart, 7. Au? age, S. 40 ff.
35 Shestack, The Philosophic Foundation of Human Rights, in: Human Rights Quarterly, Vol. 20,
1998, S. 217: „The renaissance of quali? ed or modi? ed natural rights or core theories has seminally in? uenced conventional international human rights norms.”
36 Die völkerrechtlich unverbindliche Resolution der Generalversammlung und die völkerrechtsverbindlichen Pakte werden als „International Bill of Rights“ bezeichnet, so Dicke/Fröhlich,
Menschenrechte, in: Woyke (Hrsg.), Handwörterbuch Internationale Politik, S. 310.
30
staatlichkeit der Menschenrechte. Proklamieren die Präambel und Art. 1 der AEMR,
dass Würde und Rechte jedem Menschen seit seiner Geburt als Teil des menschlichen
Wesens innewohnen, so ist das Individuum ungeachtet einer äußeren Zubilligung oder
positiven Anerkennung im Rahmen von Rechtsetzungsprozessen Träger von Menschenrechten37. Menschenrechte sind somit vom Wesen des Menschen untrennbar und
unabdingbar, was die Unveräußerlichkeit und Unteilbarkeit der Verbürgungen bedeutet. Art. 1 und 2 der AEMR postulieren die Gleichheit von Würde und Rechten des
Menschen. Das Postulat der Gleichheit betont den Absolutheitsanspruch der Menschenrechte im Sinne einer bedingungslosen, zeit- und raumunabhängigen Gültigkeit.
Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politische oder sonstige Überzeugung, nationale oder soziale Herkunft, Vermögen, Geburt oder sonstiger Stand bedingen die Rechtsträgerschaft nicht.
Der Universalitätsanspruch hat insofern einen emanzipatorischen Gehalt. Menschenrechte sollen jedem Menschen gleichermaßen zukommen und unterscheiden sich
als Gleichheitsrechte grundlegend von traditionellen oder modernen Privilegienordnungen38. Die Anerkennung der gegenseitigen Gleichheit in der Ausübung der Freiheit
beinhaltet damit ein rechtsbegründendes und rechtsbegrenzendes Element: Sie ist Bedingung der allgemeinen Anerkennung und Durchsetzung von Freiheitsrechten für
jedermann und setzt die innere Grenze der eigenen Freiheitsausübung an den zu respektierenden Freiheitsrechten des anderen39. Das Gleichheitspostulat erstreckt sich auf
eine Gleichheit aller kodi? zierten Rechte, d.h., dass wirtschaftliche, soziale, kulturelle Rechte, ebenso wie bürgerliche und politische Rechte gleich wertvoll, schützenswert, interdependent und unteilbar sind40. Die Präambel geht davon aus, dass die
Menschheit (alle Völker und Nationen) insofern ein „gemeinsames Ideal“ teilt, das in
dem Katalog an Menschenrechtsverbürgungen der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte Gestalt annimmt. Das Streben nach Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden,
basierend auf der Respektierung von Würde und Gleichheit im Recht, wird zum gemeinsamen Ziel der Völker und Nationen erklärt, wodurch die Allgemeingültigkeit
dieses Ideals festgestellt wird. Die Verankerung von Rechten im allgemeinen Würdeprinzip und im kultur-, zeit- und raumunabhängigen Menschsein deckt die Kernbotschaft des Universalitätskonzepts auf, das jegliche Differenzierung im Recht je nach
Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gesellschafts- oder Kulturgruppe verbietet41.
Dieses Universalitätsverständnis des Menschenrechtsschutzes wiederholt das
Schlussdokument der Weltkonferenz über Menschenrechte, die von den Vereinten Nationen 1993 einberufen wurde, um den Fortbestand des Universalitätspostulats zu
37 Staudinger, Naturrecht, Menschenrechte, Offenbarung, in: Deutsches Institut für Bildung und
Wissen (Hrsg.), Naturrecht, Menschenrechte, Offenbarung, S. 5.
38 Bielefeldt, Menschenrechte als „Erbe der Menschheit“, in: Bielefeldt (Hrsg.), Würde und Recht
des Menschen, Festschrift für Johannes Schwartländer zum 70. Geburtstag, S. 147 f.
39 Ebenda, S. 148.
40 Brems, Human Rights: Universality and Diversity, S. 85.
41 Bielefeldt, Menschenrechte als „Erbe der Menschheit“, in: Bielefeldt (Hrsg.), Würde und Recht
des Menschen, Festschrift für Johannes Schwartländer zum 70. Geburtstag, S. 146.
31
überprüfen42: „Alle Menschenrechte sind allgemeingültig und unteilbar, bedingen einander und bilden einen Sinnzusammenhang. (…) Zwar ist die Bedeutung nationaler
und regionaler Besonderheiten und unterschiedlicher historischer, kultureller und religiöser Voraussetzungen im Auge zu behalten, aber es ist die P? icht der Staaten, ohne
Rücksicht auf ihr jeweiliges politisches, wirtschaftliches und kulturelles System alle
Menschenrechte und Grundfreiheiten zu fördern und zu schützen.“43
b) Universalität der Menschenrechte im rechtsdogmatischen und
rechtspraktischen Diskurs
Der Rekurs auf die universelle Natur von Menschenrechten gewinnt aus völkerrechtsdogmatischer Sicht an Brisanz, wenn die Frage gestellt wird, inwiefern und inwieweit
einer bloßen Kritik an innerstaatlichen Menschenrechtsverletzungen eine aktive Reaktion der Staatengemeinschaft, d.h. eine interventionistische Durchsetzung universeller Menschenrechte, folgen dürfe und folgen müsse.
Die Konzeption des klassischen Völkerrechts44, wonach der Staat als Ausdruck der
Staatensouveränität eigene Angehörige sowie Staatenlose nach freiem Ermessen behandeln kann, ein Schutz vor staatlichen Übergriffen vielmehr nur Angehörigen fremder Staaten gebührt, hebt nach modernem Völkerrechtsverständnis die Errichtung internationaler Menschenrechtsschutzsysteme auf. Regelungsgegenstand des Völkerrechts sind somit zum einen die Beziehungen, die Völkerrechtssubjekte untereinander
unterhalten, zum anderen jene, die das einzelne Völkerrechtssubjekt, maßgeblich der
Staat, innerstaatlich oder innerverbandlich zu Personen in seinem Machtbereich
p? egt45. Weil das Verhalten des Staates gegenüber einzelnen Menschen oder Menschengruppen somit zum Kontrollgegenstand des Völkerrechts wird, erfährt der Einzelne als Subjekt staatlicher Rechtsordnungen46 neben nationalem Rechtsschutz auch
auf der Grundlage völkerrechtlicher Normen Individualschutz47. Der völkerrechtlich
gebundene Staat ist verp? ichtet, allen auf dem Hoheitsgebiet be? ndlichen Menschen
ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit und Volkszugehörigkeit bestimmte Rechte zu
garantieren48.
Im geltenden Völkervertragsrecht existiert eine Vielzahl an multilateralen Verträgen zum Menschenrechtsschutz mit universeller und regionaler Verbreitungstendenz,
42 Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen (DGVN) (Hrsg.), Dokumente zur Weltmenschenrechtskonferenz der Vereinten Nationen (14. bis 25. Juni 1993 in Wien), Blaue Reihe, Nr.
50, S. 1.
43 Ebenda, S. 8.
44 Die Zeit des klassischen Völkerrechts reichte bis zum Ende des Ersten Weltkrieges, so Kimminich/Hobe, Einführung in das Völkerrecht, S. 339.
45 Ipsen, Völkerrecht, 5. Au? age, S. 772.
46 Vgl. zur Diskussion um die partielle Völkerrechtssubjektivität des Individuums: Ipsen, Völkerrecht, 5. Au? age, S. 772 f., S. 95 ff.
47 Dicke/Fröhlich, Menschenrechte, in: Woyke (Hrsg.), Handwörterbuch Internationale Politik,
S. 309.
48 Opitz, Menschenrechte und Internationaler Menschenrechtsschutz im 20. Jahrhundert, S. 15.
32
denen in unterschiedlicher Ausgestaltung Kontrollorgane und judiziäre Verfahren anheimgestellt sind49: Im Bemühen um eine inhaltliche Ausfüllung des im Rahmen der
Charta der Vereinten Nationen global vereinbarten Menschenrechtsschutzes, wird am
10. Dezember 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte50 („AEMR“) von
der Generalversammlung der Vereinten Nationen verkündet. Als Arbeitsergebnis der
Generalversammlung hat der so formulierte Menschenrechtskatalog gemäß Art. 10
SVN lediglich den rechtsunverbindlichen Charakter einer Empfehlung51. Diese
Rechtsunverbindlichkeit wird durch die Verabschiedung der internationalen Menschenrechtspakte im Jahre 1966 in der Form rechtsverbindlicher völkerrechtlicher
Verträge überwunden. Der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (am 23. Januar 1976 in Kraft getreten) und der Internationale Pakt über
bürgerliche und politische Rechte (am 23. März 1976 in Kraft getreten)52 seien als
Beispiele universell gültiger völkerrechtsverbindlicher Regelwerke genannt. Die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom
04.11.1950 (1953 in Kraft getreten, kurz: „EMRK“/„die Konvention“)53; die in Verbindung mit der „Organization of American States“ anwendbare Inter-Amerikanische
Menschenrechtskonvention vom 22.11.1969 (1978 in Kraft getreten)54 und die Afrikanische Banjul-Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker vom 26.06.1981
(1986 im Rahmen der „Organisation of African Unity“ in Kraft getreten55), seien als
Beispiele regional gültiger Regelwerke genannt.
Eine formalistische Begründung des Universalitätsprinzips bezieht sich somit auf
die Rati? zierung von internationalen Verträgen, den Abschluss von Deklarationen und
Resolutionen, die den Schutz der Menschenrechte auf internationalem Niveau kodi? zieren56. Kéba Mbaye, ehemaliger Vizepräsident des Internationalen Gerichtshofs, betont die rechtspraktische Relevanz eines Rekurses auf den universellen Geltungscharakter der Menschenrechte, indem er feststellt: „Universality is desirable only to the
extent that it permits effecive monitoring of respect for human rights throughout the
world. Such monitoring con? icts, however, with the sacrosanct principle of non-intervention in the domestic affairs of States, which is laid down in Article 2 (7) of the
49 Grundlegend zu Universalitätsprinzip und zu universell gültigem Recht als Fundament eines
„Verfassungsrechts der internationalen Gemeinschaft“: Kotzur, Universality – a Principle of
European and Global Constitutionalism, in: Revista Electrónica de Historia Constitucional Número 6 – Septiembre 2005, http://hc.rediris.es/06/index.html, p. 201 ff. (abgerufen am
08.06.2008).
50 Satorius II, Nr. 19.
51 Vgl. zum völkergewohnheitsrechtlichen Charakter der in den Pakten verbürgten Menschenrechten die Ausführungen in Kimminich/Hobe, Einführung in das Völkerrecht, S. 343 ff.
52 Satorius II, Nr. 20 und 21.
53 Zum Rati? zierungsprozess der EMRK: Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention, 3. Au? age, S. 1 ff.
54 Kokott, Das interamerikanische System zum Schutz der Menschenrechte, S. 1.
55 Umozurike, The African Charter on Human and Peoples’ Rights, S. 27.
56 Vgl. zum Verständnis der Universalität der Menschenrechte als „Formal Acceptance”: Brems,
Human Rights: Universality and Diversity, S. 5.
33
United Nations Charter.”57 Die völkerrechtliche P? icht zur Einhaltung universeller
Menschenrechte sei, so Mbaye, nicht nur völkervertraglich verankert, sondern binde
darüber hinaus als Völkergewohnheitsrecht alle Staaten der Welt58. Indem der Internationale Gerichtshof im „Barcelona Traction Case“59 zudem die „erga omnes-Wirkung“ menschenrechtlicher Verp? ichtungen feststellt habe, postuliere er, dass der
Schutz fundamentaler, universell gültiger Menschenrechte eine Verp? ichtung sei, die
der Staat nicht nur gegenüber den seiner Hoheitsgewalt unterworfenen Einzelnen, sondern gegenüber der Gesamtheit der Staatengemeinschaft einzuhalten habe („(…) States have an obligation to the entire community of nations in matter of fundamental
human rights.“60) Die in der Gebietshoheit des Staates ebenfalls geltende nationalstaatliche Rechtsordnung als Ausdruck der inneren Souveränität des Staates erfahre
durch die Völkerrechtsp? ichten gegenüber dem Individuum eine Einschränkung61; der
Staat habe sich für die Art und Weise der Behandlung seiner Bevölkerung vor der restlichen Staatengemeinschaft zu verantworten – zulasten des grundsätzlich geltenden
Gebots staatlicher Souveränität als Strukturprinzip des internationalen Systems62. Es
besteht also ein Spannungsfeld zwischen dem in Artikel 2 (7) SVN kodi? zierten Interventionsverbot in innere Angelegenheiten eines Staates auf der einen Seite und der
Frage nach der völkerrechtlichen Zulässigkeit der aktiven Überwachung jener Staatenverp? ichtung zum Schutz fundamentaler Menschenrechte durch die Staatengemeinschaft auf der anderen Seite. Umfang und Ausmaß von völkerrechtlich zulässiger
Effektivierung universaler Menschenrechte, beispielsweise durch humanitäre Interventionen als Reaktion auf gravierende innerstaatliche Menschenrechtsverletzungen,
die als „Bedrohung des Friedens“ nach Art. 39 SVN bewertet werden könnten, ist
ebenso umstritten wie die inhaltliche Konkretisierung des „harten Kerns“ universaler
Menschenrechte, die eines aktiven Schutzes durch die Staatengemeinschaft bedürfen63.
Der Rekurs auf den Universalitätsgehalt der Menschenrechte ist, wie hier bloß beispielhaft aufgeworfen, vielgestaltig: Die Universalität der Menschenrechte begründet
in rechtstheoretischer und -philosophischer Hinsicht die Rechtsträgerschaft des Individuums, dem qua Menschsein ein Kanon natürlicher, vorstaatlicher, angeborener und
57 Mbaye, The dif? cult advance of Human Rights towards Universality, in: Conseil de l’Europe
(Hrsg.), Universality of Human Rights in a Pluralistic World, S. 71.
58 Ipsen, Völkerrecht, 5. Au? age, S. 773.
59 IGH, Case concerning the Barcelona Traction, Light and Power Company, Limited (Belgium v.
Spain), ICJ-Reports 1970, Ziff. 33 (bestätigt in IGH, Advisory Opinion on the Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory, ICJ-Reports 2004,
Ziff. 155), zitiert nach Kälin/Künzli, Universeller Menschenrechtsschutz, S. 99. Vgl. auch die
Ausführungen zur „erga omnes Wirkung”, S. 99 ff.
60 Mbaye, The dif? cult advance of Human Rights towards Universality, in: Conseil de l’Europe
(Hrsg.), Universality of Human Rights in a Pluralistic World, S. 71.
61 Vgl. zum Souveränitätsprinzip die Ausführungen im 3. Teil.
62 Opitz, Menschenrechte und Internationaler Menschenrechtsschutz im 20. Jahrhundert, S. 15.
63 Vgl. hierzu die Ausführungen von Dicke/Fröhlich, Menschenrechte, in: Woyke (Hrsg.), Handwörterbuch internationaler Politik, S. 310.
34
unveräußerlicher Rechte zusteht. Die weltweite Anerkennung dieser Rechtsträgerschaft des Einzelnen kann als ethisches Fundament eines Weltordnungskonzepts dienen. Die Universalität der Menschenrechte bedeutet aus rechtsformalistischer Sicht
die Etablierung einer Menschenrechtsordnung auf internationalem Niveau, deren
Überwachung und Effektivierung durch die Staatengemeinschaft in Frage steht. Welcher Gestalt dieser „eine“ für alle Menschen gleichermaßen geltende Kern an Menschenrechten ist und wie dieser der Konfrontation mit den vielen, verschiedenen
Lebensformen des Menschen standhalten kann und soll, ist Gegenstand einer komplexen Wissenschaftsdebatte, die den „Streit um die universale Gültigkeit der Menschenrechte“64 zum Thema macht und dabei Fragen aufwirft wie „Was bedeutet Universalität der Menschenrechte?“ und „Welchen Inhalts sind universelle Menschenrechte?“ („(…) What are these ‘general moral standards’?”65)
Der amerikanische Politologe Samuel Huntington beantwortet diese Frage in den
1990er Jahren im Bild des „Clash of Civilisations“66 und deckt das Spannungsfeld auf,
in dem sich das menschenrechtliche Universalitätspostulat seiner Ansicht nach be? ndet: Allgemeingültige normative Handlungsmaximen wie die Respektierung universeller Menschenrechte seien angesichts der kulturellen Unterschiedlichkeit des Menschen und dessen Wertvorstellungen als bloße Fiktionen zu klassi? zieren. Die neue
Ära der Weltpolitik werde vielmehr von einem Zusammenprall kultureller Identitäten,
d.h. einem Kampf der Kulturen, geprägt sein: „It is my hypothesis that the fundamental source of con? ict in this new world will not be primarily ideological or primarily
economic. The great divisions among humankind and the dominating source of con-
? ict will be cultural. Nation states will remain the most powerful actors in the world
affairs, but the principal con? icts of global politics will occur between nations and
groups of different civilizations. The clash of civilisations will dominate global politics. The fault lines between civilizations will be the battle lines of the future.“67
Der Einzelne de? niere nach Huntington seine Identität nicht nach Maßgabe eines
Weltethos oder einer Weltverfassung, sondern in seinem sozio-kulturellen Lebenskontext, speziell in seiner Zugehörigkeit zu einer ethnischen oder religiösen Gruppe. Versage der globalisierungsbedingt entgrenzte Nationalstaat bei seiner Aufgabe, kulturellen Identitäten einen Schutzraum zu bieten, so werde die Identität durch Abgrenzung
und feindliche Abschottung von ethnisch- und religionsfremden Gruppen gesichert68.
Unvereinbare kulturelle Wertvorstellungen stünden sich auf Weltebene gegenüber,
weshalb sich die Staatenwelt im internationalen Kulturkampf be? nde.
64 Hamm, Die Universalität der Menschenrechte im Spannungsfeld zwischen kultureller Kontextualisierung und Kulturrelativismus, in: Hamm/Nuscheler (Hrsg.), INEF Report, Zur Universalität der Menschenrechte, Heft 11/ 1995, S. 18.
65 Brown, Universal Human Rights: A Critique, in: The International Journal of Human Rights,
Vol. 1, No. 2 (Summer 1997), S. 46.
66 Huntington, The Clash of Civilizations?, in: Foreign Affairs, Vol. 72, No. 3 (Summer 1993),
S. 22 ff.
67 Ebenda.
68 Huntington, The Clash of Civilizations?, in: Foreign Affairs, Vol. 72, No. 3 (Summer 1993),
S. 25 ff.
35
II. Der Rekurs auf die kulturelle Relativität der Menschenrechte
1. Kulturbezogene Einwände gegen die Universalität der Menschenrechte
Huntingtons Bild des Kulturkampfes steht beispielhaft für eine Haltung im Menschenrechtsdiskurs, die sich auf die notwendige Berücksichtigung kultureller Partikularitäten beruft. In terminologischer Hinsicht werden diese Einwände oftmals unter den
Begriffen der kulturellen Relativität und der kulturellen Diversität der Menschenrechte diskutiert. Der wissenschaftliche Diskurs zu Universalität und kultureller Relativität
der Menschenrechte hat einen kaum übersehbaren Umfang69. Kulturbezogene Einwände gegen das menschenrechtliche Universalitätspostulat und deren wissenschaftliche Würdigung sollen, zur Verdeutlichung der verschiedenen Verständnisformen der
kulturellen Relativität, beispielhaft aufgezeigt werden.
69 Eine statt vieler: Brems, Human Rights: Universality and Diversity, The Hague/Boston/London
2001. Ferner: Baxi, Voices of Suffering, Fragmented Universality and the Future of Human
Rights, in: Burns H. Weston and Stephen P. Marks (Hrsg.): The Future of International Human
Rights, Ardsley/New York 1999, S. 101–156; Boaventura de Sousa Santos, Toward a Multicultural Conception of Human Rights, in: Zeitschrift für Rechtssoziologie , 18, 1997, S. 1–15;
Brems, Enemies or Allies? Feminism and Cultural Relativism as Dissident Voices in Human
Rights Discourse, in: Human Rights Quarterly, Vol. 19, 1997, S. 136–164; Brown, Universal
Human Rights: A Critique, in: The International Journal of Human Rights, Vol. 1, No. 2 (Summer 1997), S. 41–65; Council of Europe (Hrsg.), Universality of Human Rights in a Pluralistic
World – Proceedings of the Colloquy organised by the Council of Europe in co-operation with
the International Institute of Human Rights (Strasbourg, 17–19 April 1989); Deng, Can China
Import Western Ideas?, in: Bridgewater Review, December 2004, S. 3–6; Donnelly, International Human Rights, Second Edition, Colorado/Oxford 1998; Donnelly, The Concept of Human
Rights, London/Sydney 1985; Donnelly, Cultural Relativism and Universal Human Rights, in:
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Foreign Affairs, Vol. 80, No. 1, January/February 2001, S. 191–204; Freeman, Human Rights
and Real Cultures: Towards a Dialogue on ‘Asian Values’, in: Netherlands Quarterly of Human
Right, Vol. 16/1, 1998, S. 25–39; Hamm/Nuscheler, INEF Report – Zur Universalität der Menschenrechte, Heft 11/1995; Koudé, Les Droits de l’Homme : De l’intuition universaliste à
l’universalité récusée, in: Revue trimestrielle des Droits de l’Homme, 17ème année, N° 68, 1er
Octobre 2006, S. 909–938; Marie, De l’universalité des principes à l’universalisation des pratiques des droits de l’homme, in: Bruylant, Emile (Hrsg.), Avancées et con? ns actuels des droits
de l’homme aux niveaux international, européen et national – Mélanges offerts à Silvio Marcus
Helmons, Bruxelles 2003, S. 219–229; Otto, Rethinking Universals: Opening Transformative
Possibilities in International Human Rights Law, in: Australian Year Book of International Law
1997, S. 1–35; Perry, Are Human Rights Universal?: The Relativist Challenge and Related
Matters, in: Human Rights Quarterly, Vol. 19, 1997, S. 461 ff; Pollis, Cultural Relativism Revisited: Through a State Prism, in: Human Rights Quarterly, Vol. 18, 1996, S. 316–344; Pollis,
Towards a New Universalism; Reconstruction and Dialogue, in: Netherlands Quarterly of Human Right, Vol. 16/1, 1998, S. 5–23; Sedley, Are Human Rights Universal, and Does It Matter?,
in: Breitenmoser u.a. (Hrsg.), Human Rights, Democracy and the Rule of Law – Liber amicorum Luzius Wildhaber, Zürich/St. Gallen/Baden-Baden 2007; Wachsmann, Les droits de
l’homme, 2e édition, Paris 1995.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Der Kulturpluralismus, der gegenwärtige Gesellschaften prägt, stellt Staat, Individuum und EGMR vor Herausforderungen: Der Staat ist angehalten, das Spannungsfeld, das bisweilen zwischen staatlichem Recht und den Verhaltenspostulaten soziokultureller Normativität (Beispiel muslimisches Kopftuch) besteht, in seinem Rechtssystem zu lösen – ohne allein der ethnischen oder sozialen Mehrheit gerecht zu werden. Das Individuum befindet sich bei einem Widerspruch zwischen staatlichem Recht und „seiner Kultur“ in einem „Kulturkonflikt“, der notwendigerweise die Verletzung einer der anwendbaren Handlungsnormen – staatlicher oder nicht-staatlicher Art – bedingt. Der EGMR ist in derartigen Fällen herausgefordert, über den Konventionsschutz von Antragstellern zu entscheiden, deren Kulturwerte und -praktiken auf nationaler Ebene Restriktionen ausgesetzt sind.
Die Untersuchung zeigt systematisch verschiedene Formen kulturpluralistischer Konflikte nationaler und internationaler Natur auf. Sie erarbeitet, auf welche methodische Art und Weise der EGMR durch die Anwendung der EMRK eine „europäische Kulturordnung“ schafft, die das Zusammenspiel von staatlichem Recht und pluralistischer gesellschaftlicher Kultur auf nationaler Ebene prägt.