93
stellung einer komplizierten Maschine, die Anwendbarkeit des § 651 S 1 auszuschließen, wenn der Vertrag auf die Lieferung dieser Maschine gerichtet ist.303
Denn diese Ingenieurleistungen gehen ebenfalls im individuellen Charakter der
Maschine und damit in ihrer Unvertretbarkeit auf.304 Ein anderes Ergebnis wäre hier
nur denkbar, wenn sich vertreten ließe, dass sich der Vertrag im Schwerpunkt nicht
auf die Herstellung der Maschine, sondern auf die im Vorfeld zu erbringende Ingenieurleistung richte. Im Kapitel zu Verträgen über geistige Leistungen wird noch
darzustellen sein, dass dies nicht der Fall ist, da es sich bei den Ingenieurleistungen
»nur« um notwendige Vorarbeiten zum Herstellungsprozess handelt.305
V. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse
Bewegliche Sachen sind alle körperlichen Gegenstände, die im natürlichen Sinne
fortbewegt werden können. Ob die Sache dazu bestimmt ist, nach der Lieferung
unbeweglich zu werden, ist ohne Relevanz; erfasst sind damit insbesondere auch
Sachen, die zur Herstellung eines Bauwerks bestimmt sind. Irrelevant ist ferner, ob
die an dem Geschäft beteiligten Personen Unternehmer und/oder Verbraucher sind
oder ob die Sache typischerweise von Verbrauchern bestellt wird oder nicht. Irrelevant ist schließlich, ob die Sache unvertretbar ist oder nicht und welchem Zweck sie
dem Besteller/Käufer dienen soll.
C) Herstellung, Erzeugung und Lieferung
Das zentrale Problem um die Begriffe Herstellung, Erzeugung und Lieferung ist die
Frage, ob eine rechtsgeschäftliche Eigentumsübertragung zwingende Voraussetzung für eine Lieferung ist. Da nach der bisher herrschenden Meinung der Besteller/
Käufer regelmäßig schon durch den Herstellungsprozess Eigentümer wurde, wenn
er den wesentlichen Teil der Stoffe stellte306, hängt dies unmittelbar mit der Frage
302 A.A. Voit in Bamberger/Roth § 651 Rn. 12. Zur Frage, wie Verträge zu beurteilen sind, wenn auch
der Einbau in den Produktionsprozess geschuldet ist, vgl. Kap. 3 (Lieferungsverträge mit Montageverpflichtung).
303 So aber Metzger AcP 204 (2004), 231, 252 f.; 263; Leistner JA 2007, 81, 88 f.; dem folgend (vorher
u.a. in Bezug auf die Statik zu planendes Lagersystem für Agrarprodukte) OLG Nürnberg, Urt. v.
17.06.2008 – 1 U 148/08; tendenziell auch Messerschmidt in Messserschmidt/Voit Syst. Teil B
Rn. 11; offen lassend (Planung und Lieferung einer Aufzugsanlage, die von einem anderen Unternehmer eingebaut werden soll) Kniffka, Bauvertragsrecht, § 651 Rn. 15.
304 So auch Schuhmann ZGS 2005, 250, 255.
305 Vgl. Kap. 4, E). Davon zu trennen ist freilich die Frage, wie ein Vertrag einzuordnen ist, bei dem
nur die Ingenieurleistung geschuldet ist. Dann kann § 651 S. 1 selbst dann unanwendbar sein,
wenn im Zuge dieser Leistung körperliche Ergebnisse entstehen, wie z.B. Prototypen (auch hierzu
näher Kap. 4, E).
306 Zu Nachweisen vgl. unten IV. 3. d).
94
zusammen, ob § 651 S. 1 im Gegensatz zum bisherigen Recht auch dann zur
Anwendbarkeit des Kaufrechts führt, wenn der Besteller die wesentlichen Stoffe zur
Verfügung stellt. Diese Frage hat auch maßgebliche Bedeutung für den Herstellungsbegriff. Denn sollte sich erweisen, dass die Stoffherkunft keine Rolle spielt, so
ergibt sich die Notwendigkeit, Sachherstellungsverträge von solchen Sachveränderungsverträgen abzugrenzen, bei denen der Besteller die zu verändernde Sache zur
Verfügung stellt. Dies erfordert dann eine präzise Definition des Herstellungsbegriffs. Aufgrund dieser Verschränkung der Probleme können die einzelnen Begriffe
nicht isoliert bestimmt werden.
Daher sind die drei Tatbestandsmerkmale Herstellung, Erzeugung und Lieferung
im Zusammenhang zu beleuchten. Zunächst kann deshalb nur eine Grunddefinition
des Herstellungsbegriffs erfolgen. Nachdem daraufhin der Begriff des Erzeugens
definiert wurde, kann sich dem erwähnten Kernproblem gewidmet werden. Es ist
also zu prüfen, ob die Stoffherkunft für die Anwendbarkeit des Kaufrechts nicht
mehr relevant ist und welche Konsequenzen sich daraus gegebenenfalls für den
Begriff der Lieferung ergeben.
Im Anschluss daran ist kurz auf die Frage einzugehen, ob von der Anwendbarkeit
des Kaufrechts auch sogenannte Lieferungsverträge mit Änderungsverpflichtung
erfasst werden. Erst daraufhin kann der Begriff der Herstellung genauer konkretisiert werden.
Nachdem der bis dahin nur teilweise bestimmte Lieferungsbegriff vollständig
definiert wurde, kann sich schließlich der Frage gewidmet werden, ob und inwieweit bei Verträgen i.S.d. § 651 eine Herstellungspflicht besteht oder vorausgesetzt
wird.
I. Definitionen hier verwendeter Begriffe: »Werklieferungsvertrag«, »Herstellungswerkvertrag«, »Änderungswerkvertrag«, »Lieferungsvertrag mit Änderungsverpflichtung«
Die Komplexität der folgenden Fragen erfordert zunächst die Einführung einiger
Begriffe für die von der Problematik betroffenen Häufigkeitstypen. Dabei geht es
alleine darum, Missverständnisse zu vermeiden. Keineswegs ist beabsichtigt, durch
die folgenden Begriffe bestimmte Einordnungen vorwegzunehmen.
Als Werklieferungsvertrag wird im folgenden – wie im bisherigen Recht
üblich307 – ein Vertrag bezeichnet, bei dem der Unternehmer/Verkäufer die Sache
307 Vgl. Palandt60/Sprau § 651 Rn. 1 f.
308 Trotz Bedenken in der Literatur (Mankowski MDR 2003, 854, 857; Schweinoch/Roas CR 2004,
326, 327; Leistner JA 2007, 81) darf diese herkömmliche Bezeichnung weitergeführt werden. Zum
einen war dieser Begriff auch bisher nur eine durch Literatur und Rechtsprechung gepflegte und
nicht etwa gesetzlich vorgeschriebene Kurzformel für die Fälle des § 651 Abs. 1 a.F., zum anderen
95
aus im wesentlichen von ihm zu stellenden Stoffen herzustellen hat (vgl. § 651
Abs. 1 a.F.).308
Herstellungswerkverträge sind im Folgenden solche Verträge, bei denen im
Wesentlichen der Besteller die für die Herstellung der Sache erforderlichen Stoffe
zu stellen hat. Es handelt sich um die Fälle des § 651 Abs. 2 a.F.
Ein Änderungswerkvertrag liegt vor, wenn eine nicht mehr übereignungsbedürftige (regelmäßig dem Besteller gehörende, aber jedenfalls aus dessen Sphäre
stammende) Sache verändert wird, ohne dass dabei eine neue Sache entsteht, wie
z.B. bei einer Reparatur.
Als Lieferungsvertrag mit Änderungsverpflichtung gelten Verträge, bei
denen eine noch übereignungsbedürftige Sache zu übereignen und zu verändern ist,
ohne dass dabei eine neue Sache entsteht (z.B. Erwerb und Anpassung von Konfektionsware).
II. Grunddefinition »Herstellung« / Keine Anwendbarkeit des § 651 S. 1 auf
Änderungswerkverträge
Nach herkömmlichem Begriffsverständnis bezeichnet man mit der Herstellung
einer Sache die Schaffung einer neuen Sache im Gegensatz zur Veränderung einer
bestehenden Sache. Es liegt nahe, dass dieses Verständnis auch dem Herstellungsbegriff des Art. 1 Abs. 4 VerbrGKRL und des § 651 S. 1 zugrunde liegt.309 Dafür
spricht auch die Gesetzesbegründung, denn nach ihr sollen Reparaturen, also typische Sachveränderungen, von der Anwendbarkeit des § 651 S. 1 ausgeschlossen
bleiben.310
308
lebt diese Fallgruppe als Häufigkeitstypus auch nach der Schuldrechtsmodernisierung fort.
Solange man sich darüber im Klaren ist, dass es nur um die Bezeichnung eines Häufigkeitstypus
und nicht um die Einordnung in ein bestimmtes Typenvertragsrecht geht, spricht daher nichts dagegen, den Begriff weiterhin zu benutzen. Es wäre sogar zulässig, als Werklieferungsvertrag alle
Fälle des § 651 S. 1 zu bezeichnen (so z.B. Tiedtke in Reinicke/Tiedtke Rn. 1136). Dann muss man
sich aber darüber im Klaren sein, dass der Anwendungsbereich des § 651 aufgrund des Wegfalls
der Stoffherkunft im Wortlaut möglicherweise weiter sein könnte als im bisherigen Recht. Um
diese Frage besser herausarbeiten zu können, erscheint es vorzugswürdig, für die von der möglichen Erweiterung betroffenen Verträge einen besonderen Begriff einzuführen. Dies wird hier
durch den Begriff »Herstellungswerkvertrag« erreicht. Teilweise bezeichnet die Literatur die Fälle
des § 651 S. 1 auch als »Lieferungskauf« (z.B. Staudinger/Peters § 651 Rn. 11), als »Warenlieferungsvertrag« (z.B. Mankowski MDR 2003, 854 ff.) oder als »Vertrag über die Lieferung beweglicher Sachen« (z.B. Leistner JA 2007, 81). Diese Bezeichnungen sind jedoch ungeeignet: Zum
einen heben sie sich nicht deutlich genug vom typischen Kauf ab (auch hier ist die gekaufte Sache
zu liefern), zum anderen bezeichnen sie nicht hinreichend die typologische Qualität der erfassten
Verträge (Sind Herstellungswerkverträge erfasst oder nicht? Was ist mit dem Kaufvertrag über
unbewegliche Sachen und sonstige Gegenstände?). Möchte man eine Kurzbezeichnung für alle
von § 651 erfassten Verträge einführen, so empfiehlt sich vielleicht »Herstellungs- und Lieferungsvertrag über eine bewegliche Sache«.
309 Voit in Bamberger/Roth § 651 Rn. 5; Staudinger/Peters § 651 Rn. 7; Erman/Schwenker § 651
Rn. 8; MünchKomm4/Busche § 651 Rn. 6; Raab in Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring § 9 Rn. 9;
Mankowski MDR 2003, 854; unklar (Verweis auf den Herstellungsbegriff des § 631) Palandt/
Sprau § 651 Rn. 2.
310 Begr. RegE BT-Drucks. 14/6040 S. 268.
96
Dennoch ist bereits diese Grunddefinition nicht ganz unzweifelhaft. Um dies zu
verstehen, ist ein Vorgriff auf die Ausführungen zur Stoffherkunft erforderlich311:
Wenn die Stoffherkunft für die Anwendbarkeit des § 651 S. 1 irrelevant sein
sollte, dann würden bei der oben genannten Auslegung des Herstellungsbegriffs
zwei strukturell ähnliche Vertragsarten verschiedenen Typenvertragsrechen unterliegen. Herstellungswerkverträge unterfielen dem Kaufrecht, während Änderungswerkverträge im Werkvertragsrecht verblieben. Die strukturelle Ähnlichkeit dieser
beiden Vertragsformen liegt darin, dass der Besteller in beiden Fällen die »Hauptstoffe« zur Verfügung stellt: Beim Herstellungswerkvertrag in Form der Rohstoffe,
die zur Schaffung der neuen Sache verwendet werden sollen; beim Änderungswerkvertrag in Form des Substrats, an dem die Änderungen vorgenommen werden sollen. Sollten daher Herstellungswerkverträge erfasst sein, so stellt sich die Frage, ob
die Anwendbarkeit des § 651 S. 1 auch auf Änderungswerkverträge zu erstrecken
wären, um dieser strukturellen Ähnlichkeit gerecht zu werden.312
Gegen eine solche Erweiterung spricht jedoch die bereits erwähnte natürliche
Bedeutung des Begriffs Herstellung. Wenn der Gesetzgeber hätte ausdrücken wollen, dass auch Änderungswerkverträge erfasst werden sollen, dann hätte er entsprechende Begriffe verwendet. Außerdem hat der Gesetzgeber wie gezeigt in der
Gesetzesbegründung selbst angedeutet, dass er Änderungswerkverträge nicht dem
Kaufrecht unterstellen möchte. Folge einer solchen Zuordnung wäre zudem, dass
letztlich nur Bauverträge und Verträge über unkörperliche Leistungen dem Werkvertragsrecht unterfielen. Dies stünde jedoch im Widerspruch zum übrigen Werkvertragsrecht, denn dann wären sämtliche Vorschriften, die bewegliche Sachen
betreffen (z.B. §§ 634a Abs. 1 Nr. 1, 647) gegenstandslos.
Auch der Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung erfordert keine Erweiterung auf Änderungswerkverträge. Vom Wortlaut der Anwendungsbereichsbestimmung in Art. 1 VerbrGKRL sind solche Verträge nicht erfasst, diese erfasst nur
Kaufverträge und Verträge über die Lieferung herzustellender bzw. zu erzeugender
Verbrauchsgüter.313 In Betracht käme daher nur eine Analogie. Hierfür bedürfte es
zunächst einer planwidrigen Lücke, welche bei Richtlinien grundsätzlich nur dann
vorliegt, wenn es sich um eine sogenannte interne Lücke handelt.314 Bedient sich der
Richtliniengeber Anwendungsbereichsbestimmungen, so muss grundsätzlich davon
ausgegangen werden, dass das Harmonisierungskonzept auch tatsächlich nicht wei-
311 Vgl. dazu unten IV. 2.
312 In diese Richtung offenbar Zirkel NZBau 2006, 412, 414 (Abänderung von Standardsoftware [zur
Einordnung von Softwareüberlassungsverträgen vgl. Kap. 5, dort unter E) IV. auch zu Verträgen
über die Anpassung von Bestellersoftware] unterfalle auch dann § 651 S. 1, wenn sie vom Besteller stamme); etwas missverständlich an diesem Punkt H. P. Westermann in Grundmann/Medicus/
Rolland S. 251, 259 (§ 651 S. 1 erfasse die »Bearbeitung« von Sachen – nach herkömmlichem
Verständnis bezeichnet man mit Bearbeitung jedoch unabhängig vom Ergebnis die Veränderung
von Sachen und mit Verarbeitung nur solche Bearbeitungen, bei denen neue Sachen entstehen [vgl.
§ 950 Abs. 1. S. 2]).
313 A.A. offenbar, aber nicht ganz eindeutig Höffe S. 15 ff. und Zirkel NZBau 2006, 412, 414.
314 Vgl. dazu allgemein Teil 1, D) V.
97
ter reichen soll und die Erstreckung der Richtlinienfolgen auf weitere, u.U. auch
vergleichbare Sachverhalte dem nationalen Gesetzgeber überlassen bleiben soll; die
Nichtregelung außerhalb der Anwendungsbereichsbestimmungen liegender Sachverhalte ist mithin grundsätzlich nicht als planwidrig anzusehen (sog. »externe
Lücke«).315 Änderungswerkverträge sind hier durch die Anwendungsbereichsbestimmungen des Art. 1 VerbrGKRL nicht erfasst. Änderungswerkverträge stehen
(anders als die noch an anderer Stelle anzusprechenden Lieferungsverträge mit
Änderungsverpflichtung316) auch nicht »zwischen« den Kaufverträgen und den Fällen des Art. 1 Abs. 4 VerbrGKRL, was in Abweichung zur grundsätzlichen Analogiefeindlichkeit von Anwendungsbereichsbestimmungen ein Indiz für eine interne
Lücke wäre.317 Mit anderen Worten: Es ist nicht im Wege eines »Erst-Recht-Schlusses« zwingend, Änderungswerkverträge auch als erfasst anzusehen, wenn man von
der Erfassung von Herstellungswerkverträgen ausgeht. Damit fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke in der Richtlinie.
Eine Erweiterung auf Änderungswerkverträge wäre schließlich noch im Wege
einer Analogie zu § 651 S. 1 denkbar. Durch die Gesetzesbegründung wird jedoch
wie bereits erwähnt dokumentiert, dass die hierfür erforderliche planwidrige Regelungslücke auch im nationalen Recht fehlt.
Daher ist davon auszugehen, dass der Begriff der Herstellung tatsächlich nur die
Schaffung von neuen Sachen umfasst und dass für den Fall, dass § 651 S. 1 Herstellungswerkverträge erfassen sollte, auch eine analoge Anwendung des § 651 S. 1 auf
Änderungswerkverträge nicht möglich wäre.
III. Erzeugen
Unter »Erzeugen« ist die Urproduktion zu verstehen, d.h. die Schaffung von etwas
Neuem, das noch weiterverarbeitet werden muss, also insbesondere landwirtschaftliche Erzeugnisse und sonstige Rohstoffe.318 Diese Auslegung stimmt mit dem
Begriff des »Erzeugens« in Art. 3 Abs. 1 CISG319 überein.320
Da durch die Erzeugung immer eine neue Sache entsteht, kommt dem Begriff
kaum eigenständige Bedeutung zu. Daher kann auf die Erörterungen zum Herstellungsbegriff verwiesen werden.321
315 Vgl. Teil 1, D) V.
316 Vgl. unten V.
317 Vgl. Teil 1, D) V.
318 Voit in Bamberger/Roth § 651 Rn. 7; Palandt/Sprau § 651 Rn. 2; MünchKomm4/Busche § 651
Rn. 6; AnwK-BGB/Raab § 651 Rn. 18; Haas in Haas/Medicus/Rolland/Schäfer/Wendtland Kap. 6
Rn. 69; Tiedtke in Reinicke/Tiedtke Rn. 1136.
319 Convention on Contracts for the International Sale of Goods (Übereinkommen der Vereinten
Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf von 1980, UN-Kaufrecht).
320 Vgl. Maskow in Enderlein/Maskow/Strohbach Art. 3 Anm. 2; Staudinger/Magnus Art. 3 CISG
Rn. 13; Vgl. auch (zu Art. 6 EKG, Einheitliches Gesetz über den internationalen Kauf beweglicher
Sachen v. 17. 7. 1973 [BGBl. I S. 856]) Mertens/Rehbinder Art. 6 Rn. 3.
321 Vgl. unten VI.
98
IV. Die Erfassung von Herstellungswerkverträgen und die Folgen für den Lieferungsbegriff
1. Einführung in die Problematik
Es kann ohne weiteres angenommen werden, dass eine »Lieferung« jedenfalls verlangt, dass der Unternehmer/Verkäufer dem Besteller/Käufer die Sache endgültig
und dauerhaft überlässt. Denn diese Pflicht ist sowohl für Kaufverträge als auch für
Werkverträge typisch, egal ob es um fertige, herzustellende oder nur zu verändernde
Sachen geht. In keinem Fall darf der Unternehmer/Verkäufer die Sache ohne weiteres behalten. Dabei ist er jedenfalls dann zu einer rechtsgeschäftlichen Eigentums-
übertragung verpflichtet, wenn der Besteller/Käufer noch nicht Eigentümer der hergestellten Sache ist.
Fraglich ist jedoch, ob eine solche Eigentumsübertragung zwingende Voraussetzung des Lieferungsbegriffs ist. Schon eingangs dieses Problemabschnitts322 wurde
angedeutet, dass dies im unmittelbaren Zusammenhang mit der Frage steht, ob die
Anwendbarkeit des § 651 S. 1 von der Stoffherkunft abhängt: Nach bisherigem
Recht wurde nämlich der Besteller/Käufer nach ganz h.M. regelmäßig schon durch
den Herstellungsprozess Eigentümer, wenn er die Hauptstoffe zur Verfügung
stellte. Meistens wurde dies damit begründet, dass der Besteller als Hersteller i.S.d.
§ 950 Abs. 1 anzusehen sei.323
Daher stellt sich die Frage, wie der Lieferungsbegriff nunmehr im Hinblick auf
die Eigentumszuordnung und die Stoffherkunft auszulegen ist. Dafür gibt es letztlich nur die folgenden drei Möglichkeiten:
Die erste Möglichkeit ist, dass man die bisherige Eigentumszuordnung aufrecht
erhält und für den Lieferungsbegriff eine Eigentumsübertragung verlangt. Dann
kann der Herstellungswerkvertrag allerdings nicht unter § 651 S. 1 subsumiert
werden.
Zweitens besteht die Möglichkeit, trotz Aufrechterhaltung der bisherigen Eigentumszuordnung den Herstellungswerkvertrag unter § 651 S. 1 zu subsumieren.
Dann kann es beim Lieferungsbegriff aber nicht auf eine Eigentumsübertragung
ankommen.
Drittens ist denkbar, die Anwendbarkeit des § 651 S. 1 auf den Herstellungswerkvertrag dadurch zu erreichen, dass man die bisherige Eigentumszuordnung aufgibt, um dem Unternehmer/Verkäufer zunächst das Eigentum an der hergestellten
Sache zuzuweisen. Dann ist eine Eigentumsübertragung auch beim Herstellungswerkvertrag erforderlich.
Betrachtet man sich diese Möglichkeiten genauer, so kann keine vollständig
befriedigen.
322 Vgl. oben vor I.
323 Zu Nachweisen vgl. unten 3. d).
99
Hält man die bisherige Eigentumszuordnung aufrecht und macht davon die
Anwendbarkeit des § 651 S. 1 abhängig, so wahrt man zwar das bisherige System.
Man gerät aber offenbar mit dem Wortlaut der Richtlinie und des § 651 S. 1 in Konflikt, denn dieser lässt nicht erkennen, dass es auf die Stoffherkunft ankommen soll.
Die Stoffherkunft würde aber bei dieser Lösung letztlich doch zum entscheidenden
Kriterium werden. Diese Lösung kann daher nur richtig sein, wenn die Methodenlehre trotz des Erfordernisses der richtlinienkonformen Auslegung eine Überwindung dieses Wortlauts gestattet.
Verzichtet man unter Aufrechterhaltung der bisherigen Eigentumszuordnung auf
eine Eigentumsübertragung als zwingende Voraussetzung einer Lieferung, so
beseitigt man zwar den Wortlautkonflikt, man nimmt dafür aber in Kauf, dass absolut kaufuntypische Verträge ins Kaufrecht verwiesen werden, denn typisches Merkmal des Kaufs ist jedenfalls bei Sachen das Erfordernis einer Eigentumsübertragung.
Diese Konsequenz wäre in der Systematik des BGB ein einzigartiges Novum.
Zwar ist der Gesetzgeber kraft seiner gesetzgeberischen Gestaltungshoheit zu einer
solchen Regelung ohne weiteres in der Lage. Dennoch wurden im deutschen Bürgerlichen Recht noch nie Verträge in ein Typenvertragsrecht verwiesen, die der
Typik der normalerweise vom Verweisungsziel erfassten Verträge noch nicht einmal zum Teil entsprechen. Ein Vergleich lässt sich allenfalls mit § 675 oder § 480
ziehen. Doch diese beiden Normen verweisen im Gegensatz zu § 651 S. 1 auf
bestimmte Typenvertragsrechte, ohne das System des Besonderen Schuldrechts zu
durchbrechen: § 675 verweist nicht auf die gesamten Normen des Auftragsrechts,
sondern nur auf diejenigen, die an die Gemeinsamkeit zum Auftrag, nämlich die
Geschäftsbesorgung, anknüpfen. Bei § 651 S. 1 würde hingegen insgesamt auf das
Kaufrecht verwiesen werden, obwohl der Herstellungswerkvertrag nichts mit dem
typischen Kauf gemein hat. Außerdem stellt der Geschäftsbesorgungsvertrag letztlich keinen eigenen Typus dar, sondern ist zunächst Dienst- oder Werkvertrag. Die
§§ 675 ff. dienen mithin inklusive der Verweisung ins Auftragsrecht nur der Ergänzung dieser beiden Typenvertragsrechte. Die einbezogenen Normen des Auftragsrechts werden damit quasi zu einem »Allgemeinen Teil« der Verträge über Dienstleistungen, soweit es um die Gemeinsamkeiten bei der Leistung von Diensten geht.
§ 651 S. 1 würde hingegen nicht nur das Kauf- und Werkvertragsrecht ergänzen,
sondern erst über die Anwendbarkeit eines dieser beiden Typenvertragsrechte entscheiden. Bei § 480 ist die Verweisung auf das Kaufrecht dadurch zu erklären, dass
der Tausch quasi die Urversion des Kaufs ist und die Unterschiede daher nur auf der
Vergütungsseite bestehen. Der Herstellungswerkvertrag unterscheidet sich jedoch
schon auf der Leistungsseite grundlegend vom Kauf.
Schließlich besteht bei dieser Lösung die Schwierigkeit, § 651 S. 1 mit § 647 in
Einklang zu bringen. Letztere Norm erfasst nach ihrem Wortlaut auch Herstellungswerkverträge, obwohl Herstellungswerkverträge nach dieser Lösung in das Kaufrecht verwiesen würden.
100
Auch die dritte Möglichkeit kann nicht befriedigen. Zwar erscheint es so, dass
dadurch auf einfache Weise eine gemeinsame Lösung des Problems der Stoffherkunft und des Problems der Systemkonformität erreicht wird. Dafür müsste man
aber in Kauf nehmen, dass die Schuldrechtsmodernisierung zu einer Änderung des –
grundsätzlich vom Schuldrecht abstrakt zu betrachtenden – Sachenrechts führt,
obwohl dessen Wortlaut gar nicht geändert wurde. Das wäre jedenfalls dann problematisch, wenn die Eigentumszuordnung auch bisher nicht aus dem Schuldrecht
abzuleiten war, sondern Ausdruck eines allgemeinen sachenrechtlichen Prinzips
war. Außerdem wirft das Eigentum einige gravierende Probleme auf, wenn es um
seine Eigenschaft als Sicherung des Vergütungsanspruchs geht. Es wird daher zu
prüfen sein, ob nicht die bisherige Pfandrechtslösung (§ 647), gegebenenfalls im
Wege einer Rechtsfortbildung, beibehalten werden kann oder ob der Gesetzgeber
womöglich sogar insoweit eine Sicherung des Unternehmers ganz verhindern
wollte.
Außer diesen Lösungen kommen keine weiteren in Betracht. Das gilt auch dann,
wenn man die Eigentumszuordnung der h.M. auch schon im bisherigen Recht
ablehnte, denn dann müsste man der dritten Lösung folgen. Allenfalls ist denkbar,
dass es im Wege einer gespaltenen Auslegung zu einer Mischlösung aus zweien dieser Möglichkeiten in Betracht kommt.324 Daher wird es im Folgenden nur darum
gehen, diejenige der drei Auslegungen herauszufiltern, die gegenüber den anderen
unter Berücksichtigung aller Auslegungskriterien trotz ihrer Nachteile vorzugswürdig ist.
Ausgangspunkt muss dabei die Frage sein, ob die Stoffherkunft noch eine Rolle
für die Anwendbarkeit des § 651 S. 1 spielen kann. Denn nur wenn dies zu verneinen ist, stellt sich das Problem, ob die bisherige Eigentumszuordnung aufrechterhalten werden kann oder aufgegeben werden muss. Daher wird im Folgenden zunächst
untersucht, ob und inwieweit § 651 S. 1 nunmehr auch Herstellungswerkverträge
erfasst.
2. Die Erfassung reiner Herstellungswerkverträge
Da die Vorgaben der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie bei der Auslegung des § 651
S. 1 zu berücksichtigen sind, soll zunächst untersucht werden, ob und inwieweit
Herstellungswerkverträge durch Art. 1 Abs. 4 VerbrGKRL erfasst werden.325
Sodann ist auf § 651 S. 1 einzugehen.
a) Bei der Auslegung zu berücksichtigende Richtlinienvorgaben
Dass durch Art. 1 Abs. 4 VerbrGKRL auch Herstellungswerkverträge von der
Anwendbarkeit der Richtlinie erfasst sind, wird in der Literatur von der herrschen-
324 Zu den Voraussetzungen einer gespaltenen Auslegung vgl. Teil 1, B); zur Frage, ob im hier gegebenen Zusammenhang eine gespaltene Auslegung möglich ist, vgl. unten 2. b) cc).
325 Zum Einfluss der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie vgl. Teil 1, A), B) und C).
101
den Meinung bejaht.326 Dabei beruft man sich im Wesentlichen darauf, dass nach
dem Wortlaut keine Einschränkung ersichtlich sei, die an die Stoffherkunft
anknüpfe. Untermauert wird dies zum Teil noch mit dem Argument, dass sich aus
der Richtliniengeschichte ergebe, dass dieser Wortlaut gewollt sei, und dass die
Stoffherkunft gemäß Art. 2 Abs. 3 Var. 2 noch bei der Vertragswidrigkeit berücksichtigt werde.327 Dennoch wird diese Auslegung unter Hinweis auf den Gesamtkontext der Richtlinie von einigen in Zweifel gezogen.328 Ginge man nämlich – wie
dies zumindest im bisherigen deutschen Recht der Fall war – davon aus, dass der
Besteller beim Herstellungswerkvertrag regelmäßig schon durch den Herstellungsprozess Eigentümer wird, so fehlte es am Erfordernis einer rechtsgeschäftlichen
Eigentumsübertragung. Das Erfordernis einer rechtsgeschäftlichen Eigentumsübertragung ist jedoch typisches Kennzeichen des Sachkaufs. Das gilt auch international, entweder ist dieses Rechtsgeschäft bereits im Kaufvertrag mitenthalten (Einheitsprinzip), oder davon getrennt (Trennungsprinzip). Eine ausschließlich von
einem Realakt abhängige Eigentumszuweisung ist hingegen beim Sachkauf international untypisch. Da die Richtlinie offenbar – dies zeigt schon die verwendete Terminologie – primär den klassischen Mobilienkauf erfassen soll, ist die Frage, inwie-
326 Luna Serrano in Grundmann/Bianca Art. 1 Rn. 16; Haas in Haas/Medicus/Rolland/Schäfer/
Wendtlandt Kap. 6 Rn. 68; Raab in Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring § 9 Rn. 6; AnwK-BGB/Raab
§ 651 Rn. 21; AnwKommSchR/Pfeiffer Art. 1 Kauf-RL Rn. 12; H. Weis in Ernst/Zimmermann
S. 25, 26; Jorden S. 31 ff.; Höffe S. 15 ff.; Kandler S. 286; Doehner S. 21; Zsernavicky S. 11; Mittmann S. 57; Nguyen S. 16 f.; Schreier S. 162; Schultz S. 53 f.; Dimroth S. 32; Zerres S. 58; Streer
S. 54 ff. (dort S. 261 ff. auch zu Problemen in der englischen Umsetzung, die gewisse Ähnlichkeiten mit den deutschen Problemen aufweisen); Zänker S. 144; Däubler-Gmelin NJW 2001, 2281,
2285; Ehmann/Rust JZ 1999, 853, 856; (aus österreichischer Sicht, zwar noch vor Verabschiedung
der Richtlinie, aber in Kenntnis der endgültigen Fassung) Faber JBl 1999, 413, 416; Hänlein DB
1999, 1641, 1642; Hertel DNotZ 2002, 6, 10 f.; Kainer AnwBl 2001, 380, 383; Kraus BauR 2001,
1, 7; Lehr/Wendel EWS 1999, 321, 322; Reinkenhof Jura 2002, 433; Rieger VuR 1999, 287; H.
Roth JZ 2001, 543, 546; Schmidt-Räntsch ZIP 2000, 1639; Schwartze ZEuP 2000, 544, 552; Thode
ZfBR 2000, 363; 365 f.; H. P. Westermann in Grundmann/Medicus/Rolland S. 251, 259; Sandrock
S. 33 f.; Mankowski MDR 2003, 854; Hagen JZ 2004, 713, 714; Röthel NJW 2005, 625, 627;
Klinck JR 2006, 1 (Fn. 7); Zirkel NZBau 2006, 412, 414; Leupertz BauR 2006, 1648, 1651 f.;
Schermaier in Schermaier S. 4, 8 f. (mit rechtspolitischer Kritik); Schwartze in Schermaier S. 127,
134 f.; wohl auch Morgenroth S. 54. Im Ergebnis wie hier (Richtlinie erfasse »Werklieferungsvertrag«, wobei sich aus dem Kontext ergibt, dass auch der Vertrag nach § 651 Abs. 2 a.F. gemeint
ist): Ernst/Gsell ZIP 2000, 1410, 1416; Krebs DB Beil. 14/2000 S. 23; Staudenmayer NJW 1999,
2393, 2394; ders. in Grundmann/Medicus/Rolland S. 27, 31 f. Nicht eindeutig (Richtlinie erfasse
den »Werklieferungsvertrag«, keine Stellungnahme zur Stoffherkunft): Matthiessen/Lindner NJ
1999, 617, 618; Micklitz EuZW 1999, 485, 486; Vorwerk BauR 2002, 165 (vgl. aber ders. BauR
2003, 1: die Richtlinie erfasse »nicht den Werkvertrag«).
327 Jorden S. 31 f.; Höffe S. 15 ff.; Kandler S. 286; Doehner S. 121; Zsernavicky S. 11; Nguyen
S. 16 f.; Schultz S. 53 f; Ehmann/Rust JZ 1999, 853, 856; Faber JBl 1999, 413, 416; Hänlein DB
1999, 1641, 1642; Mankowski MDR 2003, 854; Rieger VuR 1999, 287; H. Roth JZ 2001, 543, 546;
Schwartze ZEuP 2000, 544, 552; Staudenmayer NJW 1999, 2393, 2394; ders. in Grundmann/
Medicus/Rolland S. 27, 31 f.; Thode ZfBR 2000, 363, 366; Röthel NJW 2005, 625, 627; Leupertz
BauR 2006, 1648, 1652; H. P. Westermann in Grundmann/Medicus/Rolland S. 251, 259; Anw-
KommSchR/Pfeiffer Art. 1 Kauf-RL Rn. 12.
328 Voit in Bamberger/Roth § 651 Rn. 8. Auch Schurr ZfRV 1999, 222, 224 lehnt die Anwendbarkeit
auf Herstellungswerkverträge ab, allerdings aufgrund offensichtlich fehlerhafter Prämissen (Verweis auf Autoren, die sich zu Richtlinienentwürfen äußerten, bei denen eine Stoffherkunftsklausel
noch enthalten war).
102
fern die Erfassung von Herstellungswerkverträgen damit in Einklang zu bringen
wäre, durchaus nachvollziehbar.
aa) Autonome Auslegung
Bevor auf die einzelnen Auslegungsgesichtspunkte eingegangen werden kann, soll
bereits vorab noch einmal darauf hingewiesen werden, dass die hier behandelte Problematik alleine aus der Richtlinie heraus zu lösen ist.329 Insbesondere kann nicht
ausschlaggebend sein, ob ein die Irrelevanz der Stoffherkunft bejahendes Ergebnis
zu systematischen Verwerfungen im deutschen Recht führt oder nicht.
bb) Der Wortlaut des Art. 1 Abs. 4 VerbrGKRL
Der Wortlaut des Art. 1 Abs. 4 VerbrGKRL enthält keine ausdrückliche Klausel,
nach der die Anwendbarkeit von der Stoffherkunft abhängig sein soll. Dies spricht
zunächst einmal dafür, dass die Stoffherkunft auch tatsächlich keine Rolle spielen
soll. Als Anknüpfungspunkt käme allenfalls der Begriff der Lieferung in Betracht.
Doch dieser Begriff ist alleine nicht aussagekräftig. Insbesondere lässt sich aus dem
Begriff alleine nicht ableiten, ob für eine Lieferung eine Eigentumsübertragung
zwingendes Merkmal ist – was unter der Voraussetzung, dass die Stoffherkunft für
die Eigentumslage maßgeblich wäre, ein Indiz für den Ausschluss von Herstellungswerkverträgen wäre. Denn der Begriff könnte ebenso gut die untechnische Bedeutung haben, dass die Sache endgültig in die Verfügungsgewalt des Bestellers/Käufers zu gelangen hat und nur dann übereignet werden muss, wenn dies noch erforderlich ist. Auch dem natürlichen Sprachgebrauch würde eine solche Interpretation
durchaus entsprechen.
Schließlich weist auch die Rechtsfolge des Art. 1 Abs. 4 VerbrGKRL eher darauf
hin, dass sich aus dieser Norm selbst jedenfalls keine Aussage gegen eine Anwendbarkeit auf Herstellungswerkverträge ableiten lässt. Die Norm ordnet nämlich an,
dass die erfassten Verträge als »Kaufverträge im Sinne dieser Richtlinie gelten«. Es
wird also zumindest dem Wortlaut nach nicht vorausgesetzt, dass die erfassten Verträge bereits auf eine bestimmte Weise kauftypisch sind, sondern es wird deren
Kaufvertragsstatus für die Anwendbarkeit der Richtlinie fingiert. Diese Regelungstechnik kann auch dann funktionieren, wenn einigen der erfassten Verträge nach allgemeinem Vorverständnis jegliche Kauftypik abgesprochen werden müsste.
cc) Die Stoffherkunftsklausel des Art. 2 Abs. 3 VerbrGKRL vor dem Hintergrund
der Richtliniengeschichte
Nach dem Wortlaut spielt die Stoffherkunft zwar keine Rolle für die Anwendbarkeit
des Art. 1 Abs. 4 VerbrGKRL, dafür wird sie jedoch an anderer Stelle berücksich-
329 Vgl. allgemein Teil 1, D) I.
103
tigt: Nach Art. 2 Abs. 3 VerbrGKRL liegt keine Vertragswidrigkeit im Sinne der
Richtlinie vor, wenn die Vertragswidrigkeit der Sache auf vom Verbraucher gelieferte Stoffe zurückzuführen ist. Dies spricht jedoch noch nicht zwingend dafür, dass
die Richtlinie auch Herstellungswerkverträge erfasst, denn Art. 2 Abs. 3 VerbrG-
KRL hätte auch dann einen praktischen Anwendungsbereich, wenn Herstellungswerkverträge nicht erfasst wären. Dieser würde sich dann aber auf solche Fälle
beschränken, bei denen der Verbraucher nur Nebenstoffe zur Verfügung stellt, d.h.
auf Werklieferungsverträge.
Betrachtet man hingegen die Entstehungsgeschichte der Richtlinie gerade im
Hinblick auf den Wortlaut des Art. 1 Abs. 4 VerbrGKRL und der Stoffherkunftsklausel des Art. 2 Abs. 3 VerbrGKRL, so muss man den Eindruck gewinnen, dass
der Richtliniengeber bei der Frage der Richtlinienanwendbarkeit ganz auf das Kriterium der Stoffherkunft verzichten und diese alleine bei der Frage der Vertragsmä-
ßigkeit berücksichtigen wollte:
Zunächst fällt auf, dass die Richtlinie an dieser Stelle vom Wortlaut der entsprechenden Vorbildnorm des UN-Kaufrechts abweicht. In Art. 3 Abs. 1 CISG330 findet
sich anders als in Art. 1 Abs. 4 VerbrGKRL eine Klausel, nach der die Anwendbarkeit von der Stoffherkunft abhängt. Geht man vom »idealen Normengeber« aus,
dann muss man dem Richtliniengeber zunächst unterstellen, dass hinter einer solchen Abweichung ein bestimmter Gedanke steckt. Daher kann es eigentlich nur
noch zwei Szenarien geben, in denen die Stoffherkunft doch noch eine Rolle spielen
könnte: Entweder hat der Richtliniengeber die Stoffherkunftsklausel schlicht vergessen, oder er hat sie als entbehrliche Klarstellung einer sich schon aus anderen
Prinzipien ergebenden Rechtslage angesehen. Im ersten Fall könnte eine Stoffherkunftsklausel vielleicht im Wege einer teleologischen Reduktion eingeführt werden,
im zweiten Fall müsste man belegen, dass es solche anderen Prinzipien gibt.
Für die erste Möglichkeit müssten also die Voraussetzung einer teleologischen
Reduktion gegeben sein. Rechtsfortbildungen sind bei Richtlinien zwar grundsätzlich möglich.331 Doch es erscheint angesichts der Richtliniengeschichte fraglich, ob
sich die hierzu erforderliche richtliniengeberische Fehlleistung nachweisen lässt, es
spricht eher alles für das Gegenteil:
Nachdem in den frühen Vorläufern des Art. 1 Abs. 4 VerbrGKRL noch keine
Stoffherkunftsklausel vorgesehen war332, wurde im gemeinsamen Standpunkt des
Rates333 die wortwörtliche Übernahme der Einschränkung aus Art. 3 Abs. 1 CISG
vorgeschlagen. In einer Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament vom 18. September 1998 über den Gemeinsamen Standpunkt334 akzeptierte
330 Convention on Contracts for the International Sale of Goods (Übereinkommen der Vereinten
Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf von 1980, UN-Kaufrecht).
331 Vgl. Teil 1, D) V.
332 Stellungnahme des Parlaments zum Kommissionsentwurf, Änderung 17 (Art. 1 Abs. 2a), Abl. EG
1998, Nr. C 104/34.
333 Abl. EG 1998, Nr. C 333/48.
334 SEK (1998) 1553 S. 4.
104
die Kommission diese Änderung mit dem Hinweis darauf, dass dadurch eine
Angleichung an den Wortlaut von Art. 3 Abs. 1 CISG erreicht werde. Das ist
zumindest ein erster Hinweis darauf, dass die Frage nach einer Orientierung oder
Nichtorientierung am UN-Kaufrecht bei diesem Problem in die Gedanken der für
die Richtliniengebung zuständigen Organe eingeflossen ist. Auf Vorschlag des
Parlaments in seinem Beschluss zum Gemeinsamen Standpunkt335 wurde diese
Einschränkung jedoch – trotz letzter Einwände der Kommission336 – nicht in der
Endversion des Art. 1 Abs. 4 VerbrGKRL übernommen. Stattdessen wurde die
Stoffherkunft in der endgültigen Fassung durch die ganz neue Klausel des Art. 2
Abs. 3 Var. 2 VerbrGKRL berücksichtigt. Eine Begründung hierfür ist zwar – wie
häufig bei Richtlinien337 – nicht dokumentiert. Sie dürfte aber darin zu sehen sein,
dass man einen Kompromiss zwischen den Standpunkten, die eine weitestgehende Orientierung an das UN-Kaufrecht anstrebten, und den Standpunkten, welche die grundsätzliche Anwendbarkeit der Richtlinie auf Herstellungswerkverträge
anstrebten, suchte.
Angesichts dieser dokumentierten Geschichte ist es äußerst unwahrscheinlich,
dass den Richtliniengebern hier ein Versehen unterlaufen ist. Aber selbst wenn man
dies nicht als Nachweis für eine richtliniengeberische Absicht anerkennen möchte,
so ist auf ein allgemeines Prinzip der Zulässigkeit von Rechtsfortbildungen zu verweisen, das auch im Europarecht gilt: Der Nachweis eines gesetzgeberischen Versehens obliegt demjenigen, der das Recht fortbilden möchte. Es muss daher davon
ausgegangen werden, dass der Richtliniengeber mit Absicht auf eine Stoffherkunftsklausel in Art. 1 Abs. 4 VerbrGKRL verzichtete.
Weiterhin ist nicht von der Hand zu weisen, dass sich aus den oben geschilderten
Zusammenhängen bereits ein schwerwiegendes Indiz dafür ergibt, dass das Fehlen
einer Stoffherkunftsklausel auch nicht darauf beruht, dass der Richtliniengeber eine
solche als entbehrliche Klarstellung ansah. Wie oben bereits erwähnt wurde, misst
ein Großteil der Literatur schon den vorstehenden Argumenten die ausschlaggebende Bedeutung für die Erfassung von Herstellungswerkverträgen zu.338 Im Folgenden soll daher untersucht werden, ob sich diese Folgerung durch weitere Argumente stützen lässt.
335 Abl. EG 1998 Nr. C 98/228.
336 Stellungnahme der Kommission vom 19. 1. 1999 zu den Änderungen des gemeinsamen Standpunkts des Rates durch das Parlament, KOM(1999)16 endg., Begründung Punkt II. 2. (S. 3).
337 Vgl. zu diesem allgemeinen Problem Teil 1, D) I.
338 Jorden S. 31 f.; Höffe S. 15 ff.; Kandler S. 286; Doehner S. 121; Ehmann/Rust JZ 1999, 853, 856;
Faber JBl 1999, 413, 416; Hänlein DB 1999, 1641, 1642; Mankowski MDR 2003, 854; Rieger
VuR 1999, 287; H. Roth JZ 2001, 543, 546; Schwartze ZEuP 2000, 544, 552; Staudenmayer NJW
1999, 2393, 2394; ders. in Grundmann/Medicus/Rolland S. 27, 31 f.; Thode ZfBR 2000, 363, 366;
Röthel NJW 2005, 625, 627; H. P. Westermann in Grundmann/Medicus/Rolland S. 251, 259;
AnwKommSchR/Pfeiffer Art. 1 Kauf-RL Rn. 12.
105
dd) Sonstige Gesichtspunkte
(1) Die Einbettung des Art. 1 Abs. 4 VerbrGKRL in eine kaufrechtlich geprägte
Richtlinie als Argument gegen die Erfassung von Herstellungswerkverträgen?
Teilweise wird die Anwendbarkeit der Richtlinie auf Herstellungswerkverträge
wegen deren Primärausrichtung auf den klassischen Kauf angezweifelt.339
Für diese Ansicht streitet, dass die Richtlinie primär natürlich den klassischen
Mobilienkauf erfassen soll, was durch die verwendete Terminologie (Verbrauchsgüterkauf, Kaufvertrag, Verkäufer usw.) und die Tatsache, dass in den ersten Entwürfen noch kein Vorläufer des Art. 1 Abs. 4 VerbrGKRL enthalten war, offenbar
wird.340 Auch ist zuzugeben, dass die Anwendbarkeit auf Herstellungswerkverträge
für einen primär auf Kaufverträge ausgerichteten Normenkomplex gegenüber bisherigen vergleichbaren Normenkomplexen außergewöhnlich wäre. Dies zeigt sich
nicht nur im Vergleich zum bisherigen deutschen Kaufrecht (§ 651 a.F., § 381
Abs. 2 HGB a.F.) und zum UN-Kaufrecht (Art. 3 Abs. 1 CISG341), auch im Vergleich zu den meisten sonstigen bisherigen Kaufrechten der Mitgliedsstaaten wäre
dies ein Novum. Zwar kannten viele dieser nationalen Rechte eine dem Art. 3
Abs. 1 CISG oder dem § 651 a.F. entsprechende Regel, eine Erweiterung der Kaufrechtsanwendbarkeit auf Herstellungswerkverträge war jedoch bisher weitestgehend unbekannt.342
Alleine aufgrund dessen kann die Anwendbarkeit der Richtlinie auf Herstellungswerkverträge aber nicht abgelehnt werden. Vielmehr zeigt die oben nachgezeichnete weitere Entwicklung der Verbrauchsgüterkaufrichtlinienentwürfe gerade,
dass die typologische Einschränkung auf Mobilienkaufverträge verlassen wurde.
Die verwendete Terminologie belegt allenfalls, dass sich diese im Richtliniengebungsverfahren durchgesetzt hatte und daher aus Praktikabilitätsgründen beibehalten wurde, aber keineswegs mehr.
(2) Die systematische Unabhängigkeit der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie
Weiterhin streitet die systematische Unabhängigkeit der Richtlinie gegen einen
Ausschluss von Herstellungswerkverträgen. Dies zeigt sich in zwei Aspekten: Der
339 Voit in Bamberger/Roth § 651 Rn. 8.
340 Im Kommissionsentwurf (Abl. EG 1996, Nr. C 307/8 ff.) war noch kein Vorläufer des Art. 1 Abs. 4
VerbrGKRL enthalten. Erst in der Stellungnahme des Parlaments zu diesem Entwurf tauchte das
erste Mal ein Vorläufer auf (Änderung 17 [Art. 1 Abs. 2a], Abl. EG 1998, Nr. C 104/34).
341 Convention on Contracts for the International Sale of Goods (Übereinkommen der Vereinten
Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf von 1980, UN-Kaufrecht).
342 Vgl. allgemein Luna Serrano in Grundmann/Bianca Art. 1 Rn. 16 f.; zum bisherigen französischen
Recht vgl. Ferid/Sonnenberger Bd. 2 Rn. 2 G 164 f; zum bisherigen österreichischen ABGB vgl.
dort § 1166; auch im bisherigen englischen Recht löste man die Frage in einer der bisherigen deutschen Rechtslage ähnlichen Weise, vgl. Dobson para. 1-12 f. und ausführlich Streer S. 54 ff.,
261 ff. (mit Darstellung der Umsetzungsprobleme in England, möglicherweise seien Umsetzungsdefizite verblieben).
106
Unabhängigkeit von einem Zivilrechtskodex und der Unabhängigkeit von nationalen Kaufrechten.
Bei der Richtliniengebung muss nicht in der Weise auf die Vermeidung typologischer Verwerfungen geachtet werden, wie dies bei der Gesetzgebung oder Änderung eines Zivilrechtskodexes erforderlich ist. Denn bisher fehlt es auf europäischer
Ebene an einem solchen Gesetzbuch und damit auch an einem geschlossenen Zivilrechtssystem. Es obliegt alleine der nationalen Gesetzgebung, die zivilrechtlichen
»Einzelgesetze« europäischer Herkunft in das nationale System zu integrieren.
Indem sich der Europäische Normengeber der Richtlinie als Maßnahmenform
bedient, überlässt er dem nationalen Gesetzgeber auch den dazu erforderlichen Freiraum. Es liegt gerade in der Natur der Maßnahmenform »Richtlinie«, dass der
Gesetzgeber nicht an deren Begrifflichkeit und daher auch nicht an typologische
Zuordnungen gebunden ist, denn er muss nur die Richtlinienziele in nationales
Recht umformen (Art. 249 Abs. 3 EGV). Es wäre z.B. in Deutschland ohne weiteres
möglich gewesen, die Richtlinie auch im Werkvertragsrecht umzusetzen, um die
bisherige Systematik zu wahren.
Wegen dieser Aufgabenteilung ist der Richtliniengeber auch nicht dazu verpflichtet, in irgendeiner Weise auf die nationalen Systeme Rücksicht zu nehmen.
Das wäre zudem aufgrund der Verschiedenartigkeit der nationalen Rechtsordnungen allgemein ein großes Integrationshindernis.343 Der Richtliniengeber ist daher
auch frei, mit den gewohnten typologischen Zuordnungen zu brechen. Das bedeutet
zwar nicht automatisch, dass die Auswirkungen auf die nationalen Rechte völlig bei
der Richtlinienauslegung außer Betracht zu bleiben haben. Sie bilden aber allenfalls
ein nachrangiges Kriterium344 und haben jedenfalls dann außer Betracht zu bleiben,
wenn wie hier durch Wortlaut, Systematik und Geschichte der Richtlinie ein entsprechender Wille des Richtliniengebers bezüglich des Anwendungsbereichs manifestiert wird. Erst recht kann nicht die Auswirkung auf eines der nationalen Rechte
den Ausschlag geben. Während die Erfassung von Herstellungswerkverträgen in
Deutschland zu systematischen Verwerfungen führt, ist dies in anderen Ländern345
weniger problematisch, wofür stattdessen dort möglicherweise andere Probleme im
Zusammenhang mit der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie bestehen.
(3) Richtlinienperspektive: Beschränkung der mit der Erfassung von Herstellungswerkverträgen einhergehenden Folgen auf wenige Aspekte
Schließlich erscheint eine Erstreckung der Richtlinie auf Herstellungswerkverträge
auch aus dem Grunde rechtspolitisch vertretbar, dass sich die Richtlinie auf eine
343 Eine andere – nicht rechtliche und hier nicht zu erörternde – Frage ist, ob im Hinblick auf eine bessere Kooperation bei der Rechtsangleichung eine gewisse Rücksichtnahme auf die Mitgliedsstaaten nicht wünschenswert wäre.
344 Vgl. bereits Teil 1, D) I.
345 Z.B. Italien, vgl. Luna Serrano in Grundmann/Bianca Art. 1 Rn. 16.
107
Auswahl an Rechtsfolgen beschränkt, die auch für Herstellungswerkverträge praktisch anwendbar sein können. Natürlich mag man über die Angemessenheit der
einen oder anderen Rechtsfolgen streiten, insbesondere über die Zuordnung des
Wahlrechts bei der Nacherfüllung (Art. 3 Abs. 2, 3 VerbrGKRL)346 und das Abstellen auf den Vertragsschluss beim Ausschluss der Mängelrechte wegen Kenntnis
oder grob fahrlässiger Unkenntnis (Art. 2 Abs. 3 Var. 1 VerbrGKRL)347. Nur sind
diese Rechtsfolgen zumindest beim Werklieferungsvertrag über unvertretbare
bewegliche Sachen, der durch Art. 1 Abs. 4 VerbrGKRL jedenfalls erfasst wird348,
in gleicher Weise diskussionswürdig wie beim Herstellungswerkvertrag. Der Unternehmer/Verkäufer ist in beiden Fällen regelmäßig eher in der Lage, über die Zweckmäßigkeit einer Nacherfüllungsart zu entscheiden, und es ist in beiden Fällen fragwürdig, wieso hinsichtlich der Kenntnis auf den Moment des Vertragsschluss abgestellt werden soll, obwohl die Sache zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht existiert. In
der Richtlinie existieren also keine Anwendungsprobleme, die mit der Stoffherkunft
zu tun haben könnten, sondern nur solche, die allgemein bei erhöhter Werktypik des
Vertrags auftreten. Von der Stoffherkunft abhängige Systembrüche, insbesondere
die noch ausführlich zu erörternde Problematik um § 647 und die Eigentumszuordnung349 sind alleine eine Folge der nationalen Umsetzung.
Alle weiteren Gesichtspunkte sprechen daher ebenfalls dafür, dass Herstellungswerkverträge erfasst werden sollen. Dies zeigt gleichzeitig, dass das Fehlen einer
Stoffherkunftsklausel in Art. 1 Abs. 4 VerbrGKRL kaum auf das Unterlassen einer
entbehrlichen Klarstellung zurückgeführt werden kann.350
ee) Möglicher Beweggrund: Gleichbehandlungsgrundsatz
Bisher konnte nur festgestellt werden, dass es keine durchgreifenden Bedenken
gegen eine Anwendbarkeit der Richtlinie auf Herstellungswerkverträge gibt, sondern dass vielmehr die für die Anwendbarkeit sprechenden Argumente überwiegen.
Dies reicht bereits aus, um den durch den Wortlaut gewonnen ersten Eindruck als
bestätigt anzusehen. Vollständig befriedigen würde dieses Ergebnis freilich erst,
wenn auch das dahinter stehende rechtspolitische Motiv bekannt wäre.
Hierzu lassen sich jedoch keine Erkenntnisse gewinnen. Die veröffentlichten
Materialien geben zu dieser Frage jedenfalls nichts her. Insbesondere bleiben die
Motive im Dunkeln, die das Parlament dazu brachten, die Streichung der zwischenzeitlich vorgesehenen Stoffherkunftsklausel im Vorgänger des Art. 1 Abs. 4 VerbrGKRL vorzuschlagen351 und die den Richtliniengeber dazu veranlassten, diesem
346 Dazu Teil 3 Kap. 1, A) II.
347 Dazu Teil 3 Kap. 1, A) VII.
348 Vgl. oben B) IV.
349 Vgl. dazu unten 3.
350 Vgl. zur entsprechenden Fragestellung oben cc).
351 Vgl. Abl. EG 1998, Nr. C 98/228.
108
Vorschlag zu folgen. Über bestimmte Beweggründe lässt sich daher nur spekulieren.
Am ehesten nachvollziehbar erscheint es jedoch, dass sich der Richtliniengeber
hier vom Gleichbehandlungsgrundsatz leiten ließ352:
Wie schon angedeutet wurde, stellt sich die Frage nach der Angemessenheit der
vorgesehenen Rechtsfolgen bei Werklieferungsverträgen über unvertretbare Sachen
und bei Herstellungswerkverträgen gleichermaßen. Es gibt aus der Perspektive der
Richtlinie keine spezifischen Probleme, die mit der Stoffherkunft zu tun haben.
Wenn der Richtliniengeber die Anwendbarkeit auf Werklieferungsverträge ausdehnte, dann erscheint es unter diesem Gesichtspunkt sogar konsequent, dass er sie
auch auf Herstellungswerkverträge ausdehnte. Auch die Klausel des Art. 2 Abs. 3
Var. 2 VerbrGKRL erscheint dann aus dieser Perspektive als logischer Weg. Anstatt
Herstellungswerkverträge von der Anwendbarkeit auszuschließen, wurde eine
Klausel eingefügt, durch die auf andere Weise auch bei Werklieferungsverträgen
(bei denen ja der Besteller Nebensachen zur Verfügung stellen kann) auf die Stoffherkunft Rücksicht genommen werden kann.
ff) Fazit
Nach Betrachtung aller Gesichtspunkte sprechen die gewichtigeren Argumente
dafür, dass es für die Anwendbarkeit des Art. 1 Abs. 4 VerbrGKRL nicht auf die
Stoffherkunft ankommt und damit Herstellungswerkverträge erfasst sind. Nicht nur
der Wortlaut stützt dieses Ergebnis, auch Systematik, Geschichte und Sinn und
Zweck der Richtlinie sprechen vornehmlich dafür.
b) Auslegung des § 651 S. 1 BGB
Der überwiegende Teil der Literatur geht davon aus, dass Herstellungswerkverträge
von § 651 S. 1 erfasst werden, und zwar ohne zwischen Verbraucher- und Nichtverbrauchergeschäften zu unterscheiden.353 Doch es gibt auch einige namhafte Auto-
352 In diese Richtung auch Grundmann in Grundmann/Bianca Einl. Rn. 27; Schuhmann ZGS 2005,
250, 255; Zirkel NZBau 2006, 412, 414.
353 MünchKomm/H.P. Westermann vor § 433 Rn. 21; Lapp in JurisPraxKomm § 651 Rn. 8 f.; Kindl in
Bamberger/Roth § 950 Rn. 12; Kniffka, Bauvertragsrecht, § 651 Rn. 20; Englert in Wirth/Sienz/
Englert Teil II § 651 Rn. 2; AnwK-BGB/Raab § 651 Rn. 19 ff.; Leupertz in Prütting/Wegen/Weinreich § 651 Rn. 1, 3; Lorenz/Riehm Rn. 663; Raab in Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring § 9 Rn. 6;
Hertel in Amann/Brambring/Hertel S. 224; Haas in Haas/Medicus/Rolland/Schäfer/Wendtlandt
Kap. 6 Rn. 64, 66; Wörlen SchR BT Rn. 290; Gursky SchR BT S. 144; Medicus SchR BT Rn. 386;
Fikentscher/Heinemann Rn. 1226; Prütting SachR Rn. 465; Hütte/Helbron in Wenzel/Hütte/Helbron S. 244; Wenzel/Wilken Rn. 1074 f.; Ehmann/Sutschet S. 253; Doehner S. 127 f.; Morgenroth
S. 452 f.; Schultz S. 50 ff.; Dimroth S. 94; Zerres S. 94; Zänker S. 143 ff.; Däubler NJW 2001,
3729, 3733; Reinkenhof Jura 2002, 433, 434; Mankowski MDR 2003, 854 f.; Hagen JZ 2004, 713,
714 f.; Röthel NJW 2005, 625, 626 f.; Schuhmann ZGS 2005, 250; Klinck JR 2006, 1; Zirkel
NZBau 2006, 412, 414; Leistner JA 2007, 81, 82; einschränkend bei Herstellungswerkverträgen
mit geringer Wertschöpfung (dazu näher VI. 3. c) Staudinger/Peters § 651 Rn. 7; Oetker/
Maultzsch § 8 Rn. 12.
109
ren, die diese Ansicht nicht teilen.354 Die obergerichtliche Rechtsprechung weist
zum Teil Tendenzen auf, die der zweiten Ansicht nahestehen.355
Nach den vorstehenden Ergebnisse muss allerdings bereits gemäß dem Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung356 zunächst davon ausgegangen werden,
dass Herstellungswerkverträge jedenfalls dann von § 651 S. 1 erfasst werden, wenn
ein Verbrauchergeschäft vorliegt.357 Eine andere Lösung käme nur in Betracht,
wenn dadurch die Grenze zum Contra-Legem-Judizieren überschritten werden
würde, was angesichts der Bedeutung der richtlinienkonformen Auslegung als interpretatorischer Vorrangregel von vornherein als eher fernliegend erscheint358, oder
wenn man die hier vertretene Richtlinienauslegung ablehnt. Daher ist im Folgenden
zunächst zu untersuchen, ob an der richtlinienkonformen Interpretierbarkeit des
§ 651 S. 1 jegliche Zweifel ausgeräumt werden können. Gleichzeitig soll damit für
den Fall, dass man die hier vertretene Auslegung der Richtlinie ablehnt, untersucht
werden, ob die Erfassung von Herstellungswerkverträgen auch einer rein nationalen
Auslegung standhält. Mitbeantwortet wird damit auch die Frage, ob bei Nichtverbrauchergeschäften insoweit eine gespaltene Auslegung359 möglich ist.
aa) Wortlaut
Auch in § 651 S. 1 fehlt es an einer Stoffherkunftsklausel. Bereits dies spricht dafür,
dass die Grenzen der Auslegbarkeit i.S.d. richtlinienkonformen Auslegung nicht
erreicht sind bzw. dass Herstellungswerkverträge erfasst werden sollen. Auch die
Klausel des § 651 S. 2 spricht dafür, danach wird die Stoffherkunft wie in Art. 2
Abs. 3 Var. 2 VerbrGKRL erst berücksichtigt, wenn die Anwendbarkeit des Kaufrechts bereits feststeht.360
Allenfalls der Lieferungsbegriff könnte dem noch entgegenstehen. Teilweise
wird die Anwendbarkeit des § 651 S. 1 auf Herstellungswerkverträge unter dem
Gesichtspunkt kritisch bewertet, dass »Lieferung« nach dem »Sprachgebrauch des
BGB« als Eigentums- und Besitzverschaffung zu verstehen sei. Da der Besteller
beim Herstellungswerkvertrag wie bisher schon durch den Herstellungsprozess
354 Voit in Bamberger/Roth § 651 Rn. 8 ff.; ders. BauR 2002, 145, 146 f.; Konopka/Acker BauR 2004,
251, 255; Motzke in Bauträger-, Bau- und Maklervertrag S. 17, 21 f. Im Ergebnis wohl auch
Palandt/Sprau § 651 Rn. 2; Tiedtke in Reinicke/Tiedtke Rn. 1136 und MünchKomm4/Busche § 651
Rn. 4; wobei aber gewisse Unklarheiten bestehen, denn zum einen halten diese Autoren die Stoffherkunft nicht für maßgeblich, andererseits gehen sie davon aus, dass eine Übereignung den Lieferungsbegriff kennzeichne und verweisen dabei z.T. auf § 950, Sprau verweist sogar auf Voit BauR
2002, 145, 146 f.
355 OLG Naumburg BauR 2008, 1142 ff. (Zerkleinerung von Betonbruch des Bestellers mit dem Ziel
der Wiederwendung auf der Baustelle; dazu ob die Zerkleinerung von Betonbruch eine »Herstellung« i.S.d. § 651 ist, vgl. unten VI. 3.).
356 Vgl. dazu Teil 1, A).
357 So auch Doehner S. 127 f.; Mankowski MDR 2003, 854 f.; Hagen JZ 2004, 713, 714; Röthel NJW
2005, 625, 626 f.; Leupertz BauR 2006, 1648, 1651f.; Zirkel NZBau 2006, 412, 414 (Fn. 32).
358 Vgl. Teil 1, A).
359 Vgl. zu den Voraussetzungen einer gespaltenen Auslegung Teil 1, B).
360 Zutreffend Leistner JA 2007, 81, 82.
110
Eigentümer werde, fehle es an einer Lieferung.361 Doch ist bereits fraglich, ob ein
solcher Sprachgebrauch festgestellt werden kann. So gab es schon im bisherigen
Recht mehrere Normen, in denen »liefern« nicht als rechtsgeschäftliche Eigentums-
übertragung zu verstehen war (z.B. in § 241a Abs. 1 oder in § 644 Abs. 1 S. 3).362
Aber selbst wenn man von einem solchen BGB-Sprachgebrauch ausgehen müsste,
so könnte dies einer richtlinienkonformen Auslegung nicht entgegenstehen.363 Entweder müsste man dann den Lieferungsbegriff anders interpretieren – was wegen
des Grundsatzes der Relativität der Rechtsbegriffe364 und angesichts des natürlichen
Sprachgebrauchs möglich wäre – oder man müsste, falls man sogar dies ablehnte,
dem Unternehmer zunächst das Eigentum an der hergestellten Sache zuweisen.365
bb) Geschichte und Teleologie
Auch die Gesetzesbegründung spricht dafür, dass der Gesetzgeber bewusst Herstellungswerkverträge erfassen wollte, denn demnach soll es grundsätzlich nicht auf die
Stoffherkunft ankommen.366 Belegt wird dies auch durch einen Vergleich mit § 381
Abs. 2 HGB, der ebenfalls im Zuge der Schuldrechtsmodernisierung geänderten
Entsprechung zu § 651 im Handelskaufrecht. Diese Norm hat gegenüber dem bisherigen Recht nur einen einzigen wirklich relevanten Unterschied, nämlich dass die
Stoffherkunft nun im Tatbestand nicht mehr erwähnt wird.367
Unterstützt wird diese Annahme noch durch einen Rückblick auf die gesamten
Schuldrechtsreformbestrebungen seit der Einberufung der Kommission für die
Überarbeitung des Schuldrechts im Jahr 1984:
Schon im Entwurf der Schuldrechtskommission von 1991368 sollte die Stoffherkunft für die Frage des anzuwendenden Typenvertragsrechts praktisch irrelevant
sein, allerdings mit anderen Vorzeichen (vgl. § 631 Abs. 2 BGB-KE): Demnach
sollte sowohl beim Herstellungswerkvertrag als auch beim Werklieferungsvertrag
über unvertretbare Sachen Werkvertragsrecht gelten, eine logische Ausnahme sollte
es beim Werklieferungsvertrag über unvertretbare Sachen nur hinsichtlich der kaufrechtlichen Vorschrift über den Eigentumsvorbehalt geben. Bei werktypischen
361 Voit in Bamberger/Roth § 651 Rn. 8 ff.; ders. BauR 2002, 145, 146 f.; Konopka/Acker BauR 2004,
251, 255; Motzke in Bauträger-, Bau- und Maklervertrag S. 17, 21 f.; I. Erg. wohl auch Palandt/
Sprau § 651 Rn. 2; Tiedtke in Reinicke/Tiedtke Rn. 1136 und MünchKomm4/Busche § 651 Rn. 4.
362 Darauf weisen auch AnwK-BGB/Raab § 651 Rn. 21; Hagen JZ 2004, 713, 715 und Röthel NJW
2005, 625, 627 hin.
363 Mit ähnlichem Nachdruck Doehner S. 128; vgl. auch Zänker S. 145.
364 Vgl. zu diesem Grundsatz in anderem Zusammenhang Teil 1, C).
365 Zutreffend Zirkel NZBau 2006, 412, 414.
366 Begr. RegE BT-Drucks. 14/6040 S. 268; wie hier interpretieren dies u.a. auch Hagen JZ 2004, 713,
714; Röthel NJW 2005, 625, 626; Zänker S. 143.
367 Dass in § 381 Abs. 2 HGB nicht mehr zwischen vertretbaren und unvertretbaren Sachen unterschieden wird, ist nicht die entscheidende Veränderung, denn bei vertretbaren Sachen wurde bisher
ohne weiteres die Anwendbarkeit des Handelskaufrechts bejaht, ohne dass es dazu einer besonderen Erwähnung in § 381 Abs. 2 HGB bedurfte; vgl. dazu näher unten D) I.
368 Vgl. Abschlussbericht SchRKomm S. 20 ff., 32 ff., 192 ff.
111
Sachherstellungsverträgen war also nur ein einziger Unterschied vorgesehen, und
der war eine bloße Folge der unterschiedlichen Eigentumslage. Vor dem Hintergrund der Anforderungen der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie wurde dieses Konzept
im Zuge der Schuldrechtsmodernisierung »lediglich« umgekehrt, indem nunmehr
ohne Ansehung der Stoffherkunft Kaufrecht Anwendung finden sollte. Dabei ging
der Diskussionsentwurf (§ 631 Abs. 3 DiskE)369 sogar noch weiter: Dort war vorgesehen, einige Kaufrechtsnormen (Verbrauchsgüterkaufrecht, Garantie, Haftungsausschluss) auch für sachbezogene Werkverträge anzuwenden, die nicht Herstellungswerkvertrag sind. Im Regierungsentwurf370 (§ 651 RegE) wurde dies wieder
zurückgenommen. Das Gegenkonzept, eine durchaus mögliche Umsetzung der
Richtlinie im Werkvertragsrecht, wurde nie verfolgt. Dass der Gesetzgeber den jetzigen § 651 S. 1 auch als »Umkehrung« des Konzepts von 1991 ansah, zeigt sich
auch darin, dass eine der zentralen Begründungen zu § 651, nämlich dass aufgrund
der Angleichungen zwischen Kauf- und Werkvertragsrecht ein Bedürfnis nach
einem gesonderten Typus des Werklieferungsvertrags entfalle371, bereits wortwörtlich in der Begründung zum Kommissionsentwurf enthalten war.372
cc) Systematische Verwerfungen innerhalb des deutschen Rechts und der insbesondere insoweit bestehende Vorrang der richtlinienkonformen Auslegung
Oben wurde schon angedeutet, dass eine Anwendbarkeit des § 651 S. 1 auf Herstellungswerkverträge zu einigen systematischen Schwierigkeiten führen würde, die in
dieser Weise für das deutsche Zivilrecht einmalig wären.373 Auf diese Probleme soll
im Folgenden eingegangen werden. Dabei wird sich zeigen, dass einige der daraus
abgeleiteten Bedenken in gewissem Maße relativiert werden können. Ferner ist
gerade hier zu beachten, dass der Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung als
interpretatorische Vorrangregel es nicht erlaubt, die hier angesprochenen Probleme
gegen die Richtlinie zu lösen. Problemlösungen, die im Einklang mit der Richtlinie
sind und sich innerhalb der für die Auslegung und Rechtsfortbildung geltenden
Methodenlehre bewegen, bleiben freilich möglich.
(1) Die Verweisung kaufuntypischer Geschäfte in das Kaufrecht
Ausgehend von der Prämisse, dass die bisherige Eigentumszuordnung fortzuführen
sei, wird die Anwendbarkeit des § 651 S. 1 auf Herstellungswerkverträge zum Teil
mit dem Argument bezweifelt, die Verweisung in das Kaufrecht mache keinen Sinn,
369 Diskussionsentwurf eines Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes; herausgegeben vom Bundesministerium der Justiz, 4. 8. 2000.
370 BT-Drucks. 14/6040.
371 Begr. RegE, BT-Drucks. 14/6040 S. 268.
372 Abschlussbericht SchRKomm S. 247.
373 Vgl. oben 1.
112
wenn keine rechtsgeschäftliche Eigentumsübertragung erforderlich sei.374 Eine solche Verweisung wäre zwar in der Tat ein ungewöhnliches Phänomen, da bisher
noch nie Verträge in ein Typenvertragsrecht verwiesen wurden, die keine entsprechenden typischen Merkmale aufweisen.375 Doch folgt daraus noch nicht, dass diese
Verweisung keinen Sinn machen würde.
Von vornherein sinnlos wäre diese Verweisung nämlich nur, wenn man sie entweder als Zuweisung der erfassten Verträge zum Vertragstyp »Kauf« (Typenzuordnung) oder als Rechtsgrundverweisung auf die typusprägenden Pflichten des Kaufs
(vgl. § 433) verstehen würde:
– Eine Typenzuordnung wäre sinnlos, weil der Gesetzgeber dann entgegen dem
gewachsenen System des BGB nicht mehr die vorpositiven Häufigkeitstypen der
Rechtswirklichkeit in ihrer Typik erfassen und bestimmten darauf zugeschnittenen Normstrukturtypen zuweisen würde, sondern an der Rechtswirklichkeit vorbei einen Häufigkeitstypus einem Normstrukturtypus zuweisen würde, der eigentlich einen ganz anderen Häufigkeitstypus erfassen soll. Der Gesetzgeber
würde also die bisherige zurückhaltende Gesetzgebungstechnik aufgeben, nach
der Schuldvertragstypen nur »gefunden«, aber nicht »erfunden« werden.376
– Eine Rechtsgrundverweisung wäre sinnlos, weil die typusprägende Pflicht des
Kaufs (Eigentumsübertragung) im Falle eines Herstellungswerkvertrags – soweit man die bisherige Eigentumszuordnung aufrechterhält – gar nicht gegeben
ist.
Diese Widersprüche würden sich jedoch auflösen, wenn man § 651 S. 1 lediglich
als Verweisung auf das Typenvertragsrecht des Kaufs (das »Kaufrecht«) verstünde.377 Bei dieser Betrachtung bestünde die Rechtsfolge des § 651 S. 1 lediglich
darin, das für Kaufverträge geltende Normenprogramm zur Anwendung zu bringen,
ohne die erfassten Verträge zu Kaufverträgen zu erklären. Ferner müssten bei dieser
Interpretation auch nicht die Charakteristika eines Kaufs als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal vorliegen. Diese grundsätzlich für die Anwendbarkeit des Kaufrechts erforderlichen Merkmale würden durch die Tatbestandsmerkmale des § 651
S. 1 ersetzt.
Der Herstellungswerkvertrag bliebe demnach ein Werkvertrag mit den dafür
typischen Grundpflichten. Er würde nur im Übrigen nach den kaufvertraglichen
374 So Voit in Bamberger/Roth § 651 Rn. 8; Konopka/Acker BauR 2004, 251, 255.
375 Vgl. oben 1.
376 Vgl. Larenz SchR II/1 S. 4. Soweit ersichtlich, wird ein Verständnis als Typenzuordnung bisher
nicht ausdrücklich vertreten. Zwar wird in der Literatur z.T. davon gesprochen, dass die von § 651
S. 1 erfassten Verträge nunmehr Kaufverträge sind (vgl. z.B. Schellhammer SchR Rn. 431; Thewalt CR 2002, 1, 2; Hagen JZ 2004, 713; Röthel NJW 2005, 625; Schuhmann ZGS 2005, 250).
Hierbei ist aber nicht ganz klar, ob nur etwas undeutlich zum Ausdruck gebracht werden soll, dass
auf die erfassten Verträge Kaufrecht anzuwenden ist.
377 So i. Erg. auch Mankowski MDR 2003, 854 f.; Krauß S. 46; ähnlich auch Klinck JR 2006, 1, 2
(Verweis auf § 433 sei teleologisch zu reduzieren, soweit sich die dort geregelten Pflichten durch
den Vertrag erledigen); tendenziell auch Medicus SchR BT Rn. 386.
113
Regeln, insbesondere den dortigen Mängelgewährleistungsvorschriften behandelt
werden. Zur Anwendung dieser Vorschriften bedarf es keiner rechtsgeschäftlichen
Eigentumsübertragung. Dies zeigt sich schon dadurch, dass die werkvertragsrechtlichen Gewährleistungsvorschriften den kaufrechtlichen im Kern recht ähnlich sind.
Eine bloße Typenvertragsrechtsverweisung würde also durchaus Sinn machen oder
anders gesagt »funktionieren«, wobei dies natürlich nicht so verstanden werden
darf, dass es auch automatisch rechtspolitisch sinnvoll ist, kaufuntypische Verträge
in das Kaufrecht zu verweisen.
Zu untersuchen bleibt daher, ob eine solche Interpretation vorzugswürdig ist.
Dafür spricht zunächst die Tatsache, dass ein solches Tatbestands-Rechtsfolgen-
Verhältnis wie oben beschrieben »funktioniert«. Auch der Wortlaut des § 651 S. 1
spricht hierfür. Demnach wird nicht angeordnet, dass die erfassten Verträge nunmehr als Kauf einzuordnen seien (Typenzuordnung). Es wird auch nicht verlangt,
dass die erfassten Verträge bestimmte kauftypische Charakteristika haben müssten
(Rechtsgrundverweisung). Es wird lediglich angeordnet, dass die Vorschriften
über den Kauf Anwendung finden. Weiterhin reicht nach Sinn und Zweck des
§ 651 S. 1 eine Typenvertragsrechtsverweisung völlig aus. Es geht dem Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung nur darum, die kaufrechtlichen Vorschriften, insbesondere die kaufrechtlichen Gewährleistungsvorschriften zur Anwendung zu bringen378, wozu es eben nicht mehr als einer Typenvertragsrechtsverweisung bedarf.
Auch die Richtlinie zwingt hier nicht zu mehr. In Art. 1 Abs. 4 VerbrGKRL werden dort in Form einer Fiktion Verträge über die Lieferung herzustellender oder
erzeugender Verbrauchsgüter zu Kaufverträgen »im Sinne dieser Richtlinie«
erklärt. Zum einen zeigt dies, dass auch die Richtliniengeber nicht davon ausgehen
(und auch kaum davon ausgehen können), dass die Fälle des Art. 1 Abs. 4 VerbrG-
KRL auch im Sinne des deutschen Rechts Kaufverträge sind oder sein müssten – sie
sind es nur im Sinne der Richtlinie. Zum anderen würde der richtlinienkonformen
Auslegung selbst dann genügt werden, wenn man die Richtlinie an dieser Stelle
anders interpretierte. Die Umsetzungspflicht betrifft nur den Richtlinienzweck
(Art. 249 Abs. 3 EGV). Indem der Gesetzgeber die Richtlinienrechtsfolgen im
Kaufrecht umsetzte und durch § 651 S. 1 auf diese Rechtsfolgen verweist, hat er der
Umsetzungspflicht vollständig genügt.
Ein weiterer Vorteil dieser Interpretation zeigt sich erst in anderem Zusammenhang. Würde man nämlich § 651 S. 1 als Typenzuordnung verstehen, so hätte dies
weitreichende Folgen, die vom Gesetzgeber, dem es nur um die »Modernisierung«
des Schuldrechts und die Umsetzung der Richtlinie ging, ersichtlich nicht gewollt
waren. Die Einordnung eines Vertrags als Kauf i.S.d. der typologischen Kategorie
»Kaufvertrag« hat u.a. steuerrechtliche379 und insolvenzrechtliche380 Bedeutung.
378 Begr. RegE BT-Drucks. 14/6040 S. 268; vgl. auch Medicus SchR BT Rn. 386.
379 Vgl. z.B. Fischer/Neubeck BB 2004, 657 ff.
380 Vgl. dazu Teil 3 Kap. 1, K) III.
114
Auch innerhalb des Zivilrechts, und zwar sogar im hier relevanten Kontext gibt es
einige (z.T. ungeschriebene) Regeln, die an die Natur des Vertrags anknüpfen und
nicht bloß Teil des Rechtsfolgenprogramms zur Vorbereitung und Durchführung
eines Austauschs von Sachleistung gegen Geld sind. Ein Beispiel hierfür sind die
richterrechtlich entwickelten Besonderheiten für das werkvertragliche Haupt- und
Nebenpflichtenprogramm wie etwa besondere Prüf- und Hinweispflichten.381
Soweit in Bezug auf diese und ähnliche Fragen kein sachlicher Grund ersichtlich ist,
von den bisherigen Beurteilungen abzuweichen, wäre die Begründung einer entsprechenden Lösung durch die Einordnung des § 651 S. 1 als Typenvertragsrechtsverweisung dogmatisch stark vereinfacht, da die »typologische Urnatur« des Herstellungswerkvertrags (und auch der übrigen durch § 651 S. 1 erfassten und bisher
im wesentlichen werkvertragsrechtlich beurteilten Verträge) unangetastet bliebe.
Schließlich erleichtert diese Einordnung auch die methodische Rechtfertigung von
Rechtsfortbildungen im Kontext des Kauf- und Werkvertragsrechts. Normen des
Werkvertragsrechts wie z.B. § 632, die dem Zweck der Typenvertragsrechtsverweisung nicht entgegenstehen, könnten z.B. vorbehaltlich der weiteren Voraussetzungen einer Rechtsfortbildung widerspruchsfrei angewandt werden.382
Alles in allem ist mithin eine Interpretation des § 651 S. 1 als bloße Typenvertragsrechtsverweisung vorzuziehen. Damit bleibt die Verweisung kaufuntypischer
Geschäfte in das Kaufrecht zwar ungewohnt, stellt aber an sich kein gravierendes
Problem dar.
(2) § 647 BGB und das Sicherheitenproblem
Ein nicht ohne weiteres überwindbares Problem stellt aber die Frage nach einer
Absicherung des Vergütungsanspruchs dar. Geht man nämlich davon aus, dass die
Verweisung des § 651 S. 1 gleichzeitig bedeutet, dass das Werkvertragsrecht mit
Ausnahme der in § 651 S. 3 genannten Vorschriften keine Anwendung findet, so
kann der Unternehmer/Verkäufer kein Pfandrecht nach § 647 erlangen. Das wäre
dann misslich, wenn man gemäß der bisher herrschenden Meinung dem Besteller
das Eigentum an der hergestellten Sache zuweist383, denn dann könnte der Unternehmer seinen Vergütungsanspruch auch nicht durch das Eigentum absichern. Zwar
erlangt der Unternehmer/Verkäufer eine gewisse Absicherung dadurch, dass er den
Gegenstand bis zur Zahlung der Vergütung auch ohne Pfandrecht oder Eigentum
gegenüber dem Besteller/Käufer zurückhalten darf (§ 320 Abs. 1 BGB)384, er hat
aber ohne ein solches Recht, sofern kein beiderseitiges Handelsgeschäft vorliegt
(§§ 369, 371 HGB), keine einfache Möglichkeit, die Sache zwecks Befriedigung
381 Vgl. dazu Teil 3 Kap. 1, J).
382 Vgl. dazu Teil 3 Kap. 1, D) und E).
383 Vgl. schon oben 1., zu Nachweisen bzgl. der sachenrechtlichen Zuordnung vgl. unten 3. a).
384 Vgl. Staudinger/Peters § 647 Rn. 1. An der Existenz dieses bisher parallel neben dem Besitzrecht
aus dem Pfandrecht bestehenden Zurückbehaltungsrechts kann sich durch die Verweisung in das
Kaufrecht nichts geändert haben.
115
des Vergütungsanspruchs zu verwerten. Er müsste seinen Anspruch erst titulieren
und die Sache pfänden lassen.385 Ferner wird selbst diese Möglichkeit nutzlos, wenn
der Insolvenzverwalter im Fall der Insolvenz des Bestellers die Erfüllung – also die
Vergütungszahlung – verweigert (§ 103 InsO). Ein Aussonderungsrecht (§§ 50, 51
InsO) besteht nicht. Der Insolvenzverwalter könnte die Sache herausverlangen,
ohne die Vergütung zahlen zu müssen.386 Selbst wenn der Insolvenzverwalter aber
die Erfüllung wählen würde, wäre die Position des Unternehmers vermutlich
schlecht, denn geht man davon aus, dass die Grundsätze zur Teilbarkeit i.S.d. § 105
InsO in den werktypischeren Fällen des § 651 S. 1 fortgelten387, so ist der Vergütungsanteil, welcher der bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits erbrachten Leistung entspricht, auch dann lediglich eine Insolvenzforderung, der das
Zurückbehaltungsrecht nicht entgegengesetzt werden kann.388
Dieses Sicherheitenproblem kann aber zumindest bei Verbrauchern nicht die
richtlinienkonforme Auslegung verhindern. Die Richtlinienkonformität hat Vorrang
vor der Berücksichtigung systematischer Probleme.389 Aber selbst wenn man die
hier vertretene Richtlinienauslegung nicht verträte, wäre der Wortlautkonflikt mit
§ 647 kein durchgreifendes Kriterium gegen die Erstreckung auf Herstellungswerkverträge. Der Gesetzgeber hat bewusst auf die Stoffherkunft als Anwendungsmerkmal des § 651 S. 1 verzichtet. Zwar ist kein Grund dafür ersichtlich, dass der gerade
mit der Stoffherkunft in Berührung stehende § 647 unverändert blieb und auch keine
andere legislatorische Auflösung des Konfliktes erfolgte. Angesichts des gesetzgeberischen Willens in Bezug auf § 651 S. 1 kann dieser Konflikt aber nicht mit einer
Reduktion des § 651 S. 1 aufgelöst werden. Vielmehr spricht alles dafür, dass hier
ein gesetzgeberisches Versehen in Bezug auf das Sicherheitenproblem als Folgeproblem der Anwendbarkeit des § 651 S. 1 auf Herstellungswerkverträge vorliegt390
oder dass der Gesetzgeber – ohne dies legislatorisch auszudrücken – nunmehr im
Gegensatz zum bisherigen Recht dem Verkäufer/Unternehmer zunächst das Eigentum an der Sache zuweisen möchte. Für die Auflösung dieses Konfliktes bieten sich
daher drei Lösungen an, die erstens mit der hier vertretenen Richtlinieninterpretation in Einklang stehen und zweitens auch dem dokumentierten gesetzgeberischen
Willen entsprechen:
(1) Aufrechterhaltung der bisherigen Eigentumslage und Gegenstandslosigkeit
des § 647 in Bezug auf Herstellungswerkverträge,
(2) entsprechende Anwendung des § 647 auf Herstellungswerkverträge,
385 Vgl. Klinck JR 2006, 1, 2.
386 Vgl. Hagen JZ 2004, 713, 715 f.; Klinck JR 2006, 1, 2: in diesem Fall endet das vertragliche Besitzrecht und die Vergütung ist bloße Insolvenzforderung.
387 Näher dazu Teil 3 Kap. 1, K) III.
388 Vgl. Hagen JZ 2004, 713, 715 f. (Fn. 36); Klinck JR 2006, 1, 2 f. (Fn. 17). Zur Frage, ob das Eigentum als Sicherheit diese Probleme lösen kann oder letztlich ein Pfandrecht vorzugswürdiger ist,
vgl. unten 3. e) bb).
389 Zur richtlinienkonformen Auslegung als interpretatorische Vorrangregel vgl. Teil 1, A); wie hier
insoweit auch Hagen JZ 2004, 713, 714; Röthel NJW 2005, 625, 627.
390 So Klinck JR 2006, 1, 3; Reinkenhof Jura 2002, 433, 434.
116
(3) Zuweisung des Eigentums an den Verkäufer/Unternehmer.
Welche dieser Lösungen vorzugswürdig ist, kann an dieser Stelle noch offenbleiben.391 Jedenfalls verdienen alle diese Lösungen den Vorzug vor einer Reduktion
des § 651 S. 1 in Bezug auf Herstellungswerkverträge.
Die vorstehenden Ausführungen zeigen zudem, dass eine gespaltene Auslegung392 nicht mit der Problematik des § 647 gerechtfertigt werden kann. Dem steht
zum einen der nicht zwischen Verbrauchern und Nichtverbrauchern differenzierende gesetzgeberische Wille entgegen. Zum anderen lässt sich der Konflikt mit
einer der drei genannten Möglichkeiten lösen, ohne auf die Stoffherkunft als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 651 S. 1 zurückgreifen zu müssen.
(3) § 631 Abs. 2, § 634a Abs. 1 Nr. 1 BGB
Gewisse Wortlautunstimmigkeiten bestehen nicht nur bezüglich § 647.
So besagt § 631 Abs. 1, dass ein Werk u.a. »die Herstellung von Sachen« zum
Gegenstand haben kann. Versteht man »Herstellung« wie in § 651 S. 1, so bleibt
diese Norm gegenstandslos, soweit es um bewegliche Sachen geht. Dies verwundert
deswegen, weil § 631 normentheoretisch die gleiche Funktion wie § 651 S. 1 hat,
nämlich die Anordnung, auf bestimmte Sachverhalte ein bestimmtes Typenvertragsrecht anzuwenden, und hinsichtlich dieser Anordnung augenscheinlich im
Widerspruch zu § 651 S. 1 steht. Allerdings kann dieser Widerspruch hier noch
dadurch aufgelöst werden, dass mit der Erfassung unbeweglicher Sachen ein praktischer Anwendungsbereich verbleibt.
Etwas problematischer ist jedoch ein echter Widerspruch zu § 634a Abs. 1 Nr. 1.
Dort heißt es nämlich, dass die Verjährung bei Werkverträgen über die »Herstellung, Wartung oder Veränderung einer Sache« zwei Jahre betrage. »Sache« in diesem Sinne können jedoch nur bewegliche Sachen sein. Das liegt daran, dass Werkverträge über unbewegliche Sachen i.S.d. hier vertretenen Beweglichkeitsbegriffs393 ausnahmslos von § 634a Abs. 1 Nr. 2 erfasst werden. Mithin wäre § 634a
Abs. 1 Nr. 1 bei Sachherstellungen gegenstandslos, wenn neben den Werklieferungsverträgen auch Herstellungswerkverträge von § 651 S. 1 erfasst sein sollten.394
Auch dieses Problem ist jedoch kein durchschlagendes Argument gegen die
Anwendbarkeit des § 651 S. 1 auf Herstellungswerkverträge. Dem steht zunächst
der Grundsatz der Richtlinienkonformität entgegen. Ferner ist § 634a keine Norm,
welche den Anwendungsbereich des Werkvertragsrechts bestimmt, sondern eine,
welche die Anwendbarkeit des Werkvertragsrechts voraussetzt.395 Maßgeblich ist
391 Vgl. dazu unten 3.
392 Vgl. zu den Voraussetzungen einer gespaltenen Auslegung Teil 1, B).
393 Vgl. oben B) III., insbesondere dort 5.
394 So auch Motzke in Bauträger- Bau und Maklervertrag S. 17, 21.
395 Unzutreffend daher Lapp in JurisPraxKomm § 651 Rn. 29, der aus § 634a Abs. 1 Nr. 1 offenbar
sogar folgert, dass § 651 sämtliche überwiegend werktypische Verträge nicht erfasse.
117
mit anderen Worten die Auslegung des § 651 S. 1, auch wenn dies Teile einer Norm
praktisch gegenstandslos macht. Von den Rechtsfolgen her besteht hier kein
schwerwiegendes Problem, denn im Kaufrecht gelten im Ergebnis die gleichen Verjährungsfristen, nur der Verjährungsbeginn differiert.396
Der Hintergrund dieses Widerspruchs liegt wahrscheinlich ohnehin nur in einem
Redaktionsfehler. Denn ein idealer Gesetzgeber hätte diesen Widerspruch entdekken und zumindest durch Klarstellungen beseitigen müssen. Da solche Klarstellungen fehlen, spricht einiges dafür, dass der Widerspruch schlicht übersehen wurde.
Wäre dies nicht passiert, so wäre nach allen übrigen Indizien mit aller Wahrscheinlichkeit nicht § 651 S. 1, sondern § 634a Abs. 1 Nr. 1 korrigiert worden.
(4) Generelle Anwendungsprobleme des § 651 S. 1 BGB
Den sich aus der Neufassung des § 651 S. 1 ergebenden sonstigen Schwierigkeiten
wie etwa der Problematik um die Selbstvornahme oder die Abnahme397 kann in
Bezug auf die Stoffherkunft keine Relevanz zukommen. Denn ob das Rechtsfolgenprogramm des § 651 S. 1 angemessen ist, ist eine bei allen überwiegend werktypischen Verträgen gleichermaßen diskussionswürdige Frage, egal ob es sich um Herstellungswerkverträge oder Werklieferungsverträge über unvertretbare Sachen handelt. Wer Herstellungswerkverträge aus diesen Gründen von der Anwendbarkeit des
§ 651 S. 1 ausnehmen möchte, müsste dies daher konsequent auch für Werklieferungsverträge über unvertretbare Sachen tun. Dass letztere von § 651 S. 1 erfasst
werden, kann jedoch nicht bestritten werden.398
dd) Zwischenergebnis
Herstellungswerkverträge werden von § 651 S. 1 erfasst. Nur diese Auslegung wird
dem Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung und dem dokumentierten Willen des Gesetzgebers gerecht. Dabei belegt der Wille des Gesetzgebers, hinsichtlich
der Stoffherkunft keine Unterschiede zwischen Verbraucher- und Nichtverbrauchergeschäften zu machen, dass auch eine gespaltene Auslegung ausscheidet.
ee) Sonderproblem: Einfluss einer Abbedingung des § 950 Abs. 1 BGB auf die
Anwendbarkeit des § 651 S. 1 BGB?
Im Folgenden geht es um die Besprechung einer seltener vertretenen Literaturauffassung, die im Prinzip wie hier die Erstreckung des § 651 S. 1 auf Herstellungswerkverträge vertritt, dabei aufgrund ihres Ausgangspunkts aber teilweise zu Ausnahmen kommt. Thematisch geht es mithin auch um die Frage der Erfassung von
396 Näher dazu Teil 3 Kap. 1, A) IV. 1. und. 2.
397 Vgl. dazu Teil 3 Kap. 1.
398 Vgl. oben B) IV.
118
Herstellungswerkverträgen. Um die folgenden Ausführungen zu verstehen, muss
aber auf einige erst im weiteren Verlauf ausführlich erörterte Rechtsfragen vorgegriffen werden.
Die der Erfassung von Herstellungswerkverträgen zustimmenden Auffassungen
spalten sich im Wesentlichen in zwei Gruppen auf: Ein Teil geht davon aus, dass die
von der bisher herrschenden Meinung vertretene Eigentumslage nach wie vor gilt,
dass also der Besteller/Käufer Eigentümer des Produkts wird. Der andere Teil
möchte das Eigentum hingegen dem Unternehmer/Verkäufer zuweisen.399
Letztere Auffassung ist in Bezug auf die hier erörterte Frage, nämlich die
Anwendbarkeit des § 651 S. 1 auf Herstellungswerkverträge, zunächst unproblematisch, denn Herstellungswerkverträge werden auch nach dieser Ansicht erfasst. Problematisch ist indes eine mit einem bestimmten dogmatischen Verständnis des
§ 950 Abs. 1 in Berührung stehende Unterauffassung:
§ 950 Abs. 1 regelt die Eigentumslage bei Verarbeitungen. Geht man davon aus,
dass § 651 S. 1 nur dann anwendbar ist, wenn noch eine rechtsgeschäftliche Eigentumsübertragung erforderlich ist, so erfordert dies eine entsprechende Auslegung
des § 950 Abs. 1, nämlich dass zunächst der Verkäufer/Unternehmer Eigentümer
wird. Die Vertreter der genannten Unterauffassung halten § 950 Abs. 1 an diesem
Punkt für dispositiv, aber mit der Konsequenz der Nichtanwendbarkeit des § 651
Abs. 1, weil der Besteller/Käufer das Eigentum an der neuen Sache dann schon
durch den Herstellungsprozess habe.400 Es wird mit anderen Worten die von dieser
Ansicht vertretene Dispositivität der dieser Ansicht entsprechenden Eigentumslage
mit der Anwendbarkeit des § 651 S. 1 verknüpft.
Diese Auffassung sieht sich jedoch mehreren Bedenken ausgesetzt.
Ein maßgeblicher Gesichtspunkt besteht darin, dass es für die Verknüpfung zwischen § 950 Abs. 1 und § 651 Abs. 1 nach hier vertretener Auffassung keinen
Anlass gibt, da die Normen des Kaufrechts auch ohne das Erfordernis einer rechtsgeschäftlichen Eigentumsübertragung praktisch anwendbar sein können.401 Dies
spricht übrigens allgemein gegen eine neue Betrachtung der Eigentumslage, wie
noch ausführlich darzustellen sein wird.402
Aber selbst wenn man eine rechtsgeschäftliche Eigentumsübertragung für zwingend erforderlich hielte, könnte dieser Ansicht nicht gefolgt werden, jedenfalls
soweit es Verbrauchergeschäfte betrifft. Dabei spielt es zunächst keine Rolle, ob die
von dieser Ansicht vertretene Eigentumslage im Grundsatz (Eigentum zunächst
beim Besteller/Käufer) zutreffend ist.403 Ebenfalls irrelevant ist an dieser Stelle, ob
§ 950 Abs. 1 überhaupt durch Parteiwillen beeinflusst werden kann. Der maßgebli-
399 Vgl. unten 3.
400 Schlechtriem in Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt S. 71, 82; ders. SchR BT Rn. 18.
401 Vgl. oben cc) (1).
402 Vgl. unten 3. b).
403 Dazu unten 3.
119
che Gesichtspunkt ergibt sich aus dem Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung und den Normen des Verbrauchsgüterkaufrechts:
Bei Verbrauchergeschäften ist zu beachten, dass § 651 S. 1 jedenfalls nicht in der
Weise abbedungen werden kann, dass die richtlinienbedingten Normen des Kaufrechts nicht zur Anwendung kommen. Dies ergibt sich aus § 475. Demnach sind
eine Reihe von Normen des Allgemeinen Kaufrechts und der §§ 474 ff. bei Verbrauchsgüterkäufen, also auch bei Verbrauchergeschäften i.S.d. § 651 S. 1, unabdingbar. § 475 beruht seinerseits auf Art. 7 Abs. 1 VerbrGKRL. Wie sich aus diesen
Vorschriften ergibt, darf diese Unabdingbarkeit auch nicht auf mittelbarem Wege
umgangen werden. Eine solche Umgehung läge aber vor, wenn eine Abbedingung
des § 950 Abs. 1 zur Folge hätte, dass § 651 Abs. 1 nicht anwendbar ist.
Aber auch bei Nichtverbrauchergeschäften müssen gegen diese Ansicht Bedenken erhoben werden. In AGB wird eine solche Klausel kaum wirksam sein können.
Der Vertragspartner des Verwenders muss nicht erwarten, dass aus einer vertraglichen Veränderung der Eigentumslage die Anwendung eines anderen Typenvertragsrechts folgt. Eine solche Konsequenz wäre also überraschend i.S.d. § 305c
Abs. 1 und hielte zudem wohl auch dem Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 S. 1) nicht
stand. In Individualvereinbarungen wäre eine solche Klausel unter der Prämisse,
dass § 950 Abs. 1 überhaupt disponibel ist, zwar wirksam. Aber auch insoweit kann
sie nicht die Konsequenz der Nichtanwendbarkeit des § 651 S. 1 haben, sondern
muss auf die Eigentumslage beschränkt bleiben, da es für diese Konsequenz wie
bereits bemerkt keinen Anlass gibt.
Unterstellt man einmal die Richtigkeit des dogmatischen Ansatzes dieser Theorie
(Eigentum grundsätzlich beim Unternehmer/Verkäufer), so gibt es noch einen weiteren Gesichtspunkt gegen deren Konsequenz bei § 651 S. 1. Verlangt man eine
rechtsgeschäftliche Eigentumsübertragung, so stellt sich nämlich die Frage, wie sich
eine Abbedingung des § 950 Abs. 1 wirtschaftlich von einer Übereignung unterscheidet. Dass das Eigentum schließlich beim Besteller liegt, beruht nämlich bei
Licht betrachtet auch bei einer Abbedingung des § 950 Abs. 1 nicht nur auf dem
Realakt der Herstellung, sondern eben auf der rechtsgeschäftlichen Vereinbarung,
dass in Ausnahme zur Regelrechtsfolge des § 950 Abs. 1 der Besteller/Käufer
Eigentümer wird. Es besteht mithin aus wirtschaftlicher Sicht die Möglichkeit, darin
die für die Anwendung des § 651 S. 1 angeblich erforderliche rechtsgeschäftliche
Eigentumsübertragung zu sehen; der einzige Unterschied besteht darin, dass der das
Rechtsgeschäft begleitende Realakt (die Herstellung) nicht den §§ 929 ff. entspricht.
Abschließend sei angemerkt, dass es des Umwegs über § 950 Abs. 1 erst recht
nicht dafür bedarf, die Anwendung des Werkvertragsrechts zu erreichen. Um zu diesem Ziel zu kommen, ist den Parteien bei Nichtverbraucherverträgen weitestgehend
die Möglichkeit eröffnet, die Anwendbarkeit des Werkvertragsrechts in Abweichung zur Rechtsfolge des § 651 S. 1 zu vereinbaren; und bei Verbraucherverträgen
lassen sich die hierfür bestehenden Schranken (Verbrauchsgüterkaufrecht, AGB-
120
Recht) wie schon erwähnt auch nicht mittels einer Abbedingung des § 950 Abs. 1
umgehen. Auf die Dispositivität des § 651 S. 1 wird noch ausführlicher einzugehen
sein.404
ff) Ergebnis
§ 651 S. 1 ist auf Herstellungswerkverträge anwendbar. Dabei spielt es keine Rolle,
ob es sich um ein Verbraucher- oder Nichtverbrauchergeschäft handelt. Ebenfalls
irrelevant an dieser Stelle ist, ob man wie im bisherigen Recht dem Besteller/Käufer
das Eigentum an der hergestellten Sache zuweist, oder ob der Unternehmer/Verkäufer zunächst Eigentümer der hergestellten Sache wird. Folgte man der letzteren Auffassung, so könnte eine Abbedingung dieser Eigentumslage auf die Anwendbarkeit
des § 651 S. 1 keinen Einfluss haben.
3. Die Eigentumslage bei Herstellungswerkverträgen und das Problem der Absicherung des Vergütungsanspruchs / Konsequenzen für den Lieferungsbegriff
a) Einführung
Wie schon mehrfach angedeutet wurde, vertrat man zum bisherigen Recht überwiegend die Ansicht, dass der Besteller beim Herstellungswerkvertrag schon durch den
Herstellungsprozess Eigentümer der hergestellten Sache werde und mithin eine
rechtsgeschäftliche Eigentumsübertragung nicht mehr erforderlich sei. Da der Herstellungswerkvertrag nach hier vertretener Auffassung in den Anwendungsbereich
des § 651 S. 1 und damit des Kaufrechts fällt, stellt sich die Frage, ob diese Eigentumszuordnung noch fortgesetzt werden kann.
Diese Frage lässt sich nicht isoliert beantworten. Sie steht unter anderem mit der
wirtschaftlich nicht unbedeutenden Problematik in Zusammenhang, ob dem Unternehmer/Verkäufer eine Sicherheit für seinen Vergütungsanspruch zur Verfügung
steht und gegebenenfalls welche Sicherungsart in Betracht kommt. Hierfür gibt es
drei Möglichkeiten:
(1) Der Unternehmer/Verkäufer wird nicht Eigentümer, erhält aber auch kein
Pfandrecht,
(2) Der Unternehmer wird nicht Eigentümer, erhält aber trotz des Wortlauts des
§ 651 S. 1 ein Pfandrecht entsprechend § 647 (im Folgenden: »Pfandrechtslösung«),
(3) Der Unternehmer wird Eigentümer (im Folgenden: »Eigentumslösung«).
Von diesen drei Möglichkeiten werden von denen, die sich mit der Sicherungsproblematik auseinandersetzen405, derzeit nur die beiden letzteren vertreten, dabei
404 Vgl. Teil 3, Kap. 2.
405 Diejenigen, welche diese Frage nicht ausdrücklich problematisieren, gehen (offenbar) davon aus,
dass es bei der bisherigen Eigentumslage bleibt (z.B. Leupertz in Prütting/Wegen/Weinreich § 651
Rn. 1, 3, 4, 7).
121
scheint die wohl herrschende Ansicht die Eigentumslösung zu bevorzugen.406 Welcher Lösung der Vorzug zu geben ist, wird im Folgenden zu erörtern sein.
b) Sinnvolle Anwendbarkeit des Kaufrechts ohne Eigentumsübertragung?
Für die Eigentumslösung wird ins Feld geführt, dass eine Verweisung von Verträgen ohne Eigentumsverschaffungspflicht in das Kaufrecht problematisch sei. Die
Eigentumsverschaffung sei charakteristisch für den Vertragstyp »Kauf«, sie vollziehe sich typischerweise durch eine Rechtsverschiebung vom Verkäufer auf den
Käufer. Würde man dem Unternehmer/Verkäufer hier nicht das Eigentum zuweisen, so sei nur die entgeltliche Wertschöpfung durch Dienstleistung geschuldet, aber
keine Vermögensverschiebung.407 Weiterhin wird kritisiert, dass die Verweisung
auf § 433 Abs. 1 teleologisch reduziert werden müsste.408
Wenn man die Verweisung des § 651 S. 1 jedoch wie hier als reine Typenvertragsrechtsverweisung versteht409, so stellt das Fehlen einer Eigentumsübertragungspflicht an sich kein Problem dar. Eine Typenvertragsrechtsverweisung kann
auch Verträge umfassen, die keines der Typenmerkmale des Normenstrukturtypus
enthalten, für den das Verweisungsziel eigentlich vorgesehen ist.410 Wirkliche Probleme entstehen nur dadurch, dass § 651 S. 1 Verträge in das Kaufrecht verweist,
die ihrer Natur nach werktypisch sind, so dass man sich über die Frage streiten kann,
ob die einzelnen Normen des Kaufrechts »passen«. Dieses Problem ist aber nicht
auf Herstellungswerkverträge beschränkt, sondern betrifft auch Verträge, bei denen
eine Eigentumsverschaffungspflicht unproblematisch gegeben ist (Werklieferungsverträge über unvertretbare Sachen) und kann deshalb durch eine Neujustierung der
Eigentumszuordnung auch nicht beseitigt werden. Kein durchgreifender Einwand
liegt auch darin, dass die Verweisung auf § 433 teleologisch reduziert werden
müsse. Denn wenn man § 651 S. 1 als reine Typenvertragsrechtsverweisung und
nicht als Rechtsgrundverweisung versteht, so sind die typusprägenden Pflichten des
Kaufs von vornherein nicht von der Verweisung mitumfasst.411 Es bedarf also kei-
406 Für die Eigentumslösung: Hagen JZ 2004, 713, 716 ff. (ausführlich); Röthel NJW 2005, 625,
627 ff. (ausführlich); Vieweg in JurisPraxKomm § 950 Rn. 30; Erman/Ebbing § 950 Rn. 7; Oetker/
Maultzsch § 8 Rn. 9, 12; Prütting SachR Rn. 465; Prütting in Prütting/Wegen/Weinreich § 950
Rn. 8; wohl auch Zänker S. 143 ff.; i. Erg. auch (wobei unklar ist, ob an das neue Recht angeknüpft
wird oder ob nur der schon zum bisherigen Recht vertretenen Mindermeinung gefolgt wird)
Schlechtriem SchR BT Rn. 18.; ders. in Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt S. 71, 83; zurückhaltend
(Besteller ist nur ausnahmsweise Eigentümer) Medicus SchR BT Rn. 386; für die Pfandrechtslösung: Klinck JR 2006, 1 ff. (ausführlich); Staudinger/Peters § 651 Rn. 19; Kindl in Bamberger/
Roth § 950 Rn. 12; wohl auch Wilhelm SachR Rn. 1069.
407 Hagen JZ 2004, 713, 715.
408 Röthel NJW 2005, 625, 627.
409 Vgl. 2. b) cc) (1).
410 Vgl. 2. b) cc) (1).
411 Vgl. 2. b) cc) (1).
122
ner teleologischen Reduktion. Selbst wenn aber eine solche notwendig wäre412, so
wäre dies allein kein taugliches Argument gegen die bisherige Eigentumszuordnung, wenn sich herausstellen sollte, dass die Voraussetzungen einer teleologischen
Reduktion vorliegen.413
Im Übrigen stellt sich die Frage, ob durch eine neue Eigentumszuordnung wirklich die von den Befürwortern der Eigentumslösung geforderte Kauftypik hergestellt werden könnte. Denn bei wirtschaftlicher Betrachtung würde es dabei bleiben,
dass nur eine Wertschöpfung durch Dienstleistung geschuldet wird. Es ginge also
nur um die Schaffung eines Konstrukts, um die nach hier vertretener Auffassung gar
nicht erforderliche Kauftypik rechtstechnisch herzustellen. Damit reduziert sich das
Problem der fehlenden Kauftypik vorbehaltlich der Frage nach der Absicherung des
Vergütungsanspruchs zunächst auf eine rein systematisch-ästhetische Frage.
c) Konflikte der Eigentumslösung mit dem Grundsatz der richtlinienkonformen
Auslegung und dem gesetzgeberischen Willen
Wie gesehen geht es den Vertretern der Eigentumslösung unter anderem darum,
einer vermeintlich erforderlichen Kauftypik für die Fälle des § 651 S. 1 gerecht zu
werden. Sie erheben die Pflicht zur rechtsgeschäftlichen Eigentumsübertragung zur
Anwendungsvoraussetzung des § 651 S. 1 und benötigen deshalb eine entsprechende Eigentumslage, um mit dem Grundsatz der Irrelevanz der Stoffherkunft –
der auf der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie beruht und auch dem gesetzgeberischen
Willen entspricht414 – nicht in Konflikt zu geraten.
Diese Konformität zwischen dem Grundsatz der Irrelevanz der Stoffherkunft und
der Eigentumslösung kann aber nicht konsequent durchgehalten werden.415 Nach
§ 950 Abs. 1 S. 1 a.E. wird der Hersteller – also bei der Eigentumslösung der Unternehmer/Verkäufer – dann nicht Eigentümer, wenn der Verarbeitungswert erheblich
geringer ist als der Wert der vom Besteller/Käufer gestellten Stoffe. Dies hat zur
Folge, dass der Unternehmer/Verkäufer in solchen Fällen auch nichts rechtsgeschäftlich übereignen kann, folglich fehlt es an der vermeintlich erforderlichen
Kauftypik. Ein konsequentes Vorgehen nach der Eigentumslösung muss mithin
dazu führen, dass § 651 S. 1 in solchen Fällen nicht anwendbar ist. Dies steht jedoch
mit sehr großer Wahrscheinlichkeit in Konflikt mit der Verbrauchsgüterkaufrichtli-
412 Diesen methodischen Weg wählt Klinck JR 2006, 1, 2, der in § 651 anders als hier offenbar
zunächst eine Rechtsgrundverweisung sieht, die insoweit durch die teleologische Reduktion
gegenstandslos sei, als sich die in § 433 Abs. 1 S. 1 beschriebenen Pflichten durch den konkreten
Vertrag erledigen; dem folgend Kindl in Bamberger/Roth § 950 Rn. 12.
413 So deutlich Klinck JR 2006, 1, 2 f., der von seinem methodischen Standpunkt aus (Anwendbarkeit
des Kaufrechts methodisch nur über eine teleologische Reduktion des § 433 möglich) mit ähnlichen Argumenten wie hier überzeugend darlegt, dass die Voraussetzungen einer solchen teleologischen Reduktion gegeben wären, falls man seinem methodischen Weg folgte.
414 Vgl. oben 2.
415 Vgl. zu diesem Einwand auch Klinck JR 2006, 1, 2; Kindl in Bamberger/Roth § 950 Rn. 12; Zänker
S. 144 f.
123
nie und widerspricht wohl auch dem gesetzgeberischen Willen, denn es ist nicht
erkennbar, dass die Anwendbarkeit des Art. 1 Abs. 4 VerbrGKRL bzw. des § 651
S. 1 in den Fällen des § 950 Abs. 1 S. 1 a.E. ausgeschlossen sein soll.416
Um diesem Problem gerecht zu werden und insbesondere die Richtlinienkonformität zu wahren, müssten die Vertreter der Eigentumslösung Korrekturen vornehmen, die wiederum dogmatischen Einwänden ausgesetzt sind:
Eine von einzelnen Vertretern der Eigentumslösung auch tatsächlich vertretene
Variante wäre, § 651 S. 1 auch in den Fällen des § 950 Abs. 1 S. 1 a.E. anzuwenden,
also auch dann, wenn der Besteller/Käufer selbst nach der Eigentumslösung schon
Eigentümer ist und es mithin keiner rechtsgeschäftlichen Eigentumsübertragung
mehr bedarf.417 Damit würde aber letztlich doch auf die Kauftypik als angeblich
notwendiges Anwendungsmerkmal des § 651 S. 1 verzichtet werden. Dies erscheint
inkonsequent418 und wirft die Frage auf, warum die Vertreter der Eigentumslösung
überhaupt zunächst eine Kauftypik fordern. Mithin wäre ein argumentativer Grundpfeiler der Eigentumslösung erschüttert.
Eine andere, bisher in der Literatur noch nicht ins Spiel gebrachte Variante wäre
eine auf Verbrauchergeschäfte beschränkte richtlinienkonforme Interpretation des
§ 950 Abs. 1 S. 1 a.E. Diese sähe so aus, dass die Beurteilung, wann der Verarbeitungswert erheblich geringer ist als der Stoffwert, insoweit vom Anwendungsbereich der Richtlinie abhängig gemacht werden müsste. Der Verarbeitungswert müsste mit anderen Worten immer dann als nicht erheblich geringer angesehen werden,
wenn der konkrete Herstellungswerkvertrag Art. 1 Abs. 4 VerbrGKRL unterfällt.
Solche Ausstrahlungen der Richtlinie auf nicht reformierte Teile des BGB können
aber offenbar nicht überzeugen, zumal es einfachere Wege gibt, der Richtlinienkonformität zu genügen.
d) Die dogmatische Grundlage der bisherigen Eigentumszuordnung beim Herstellungswerkvertrag und ihr Fortbestehen im neuen Recht
Ein weiteres Argument der Vertreter der Eigentumslösung ist, dass mit dem Wegfall
des bisherigen § 651 Abs. 2 auch der dogmatische Grund für die bisher überwiegend
vertretene Eigentumszuordnung weggefallen sei.419 Die bisherige Gesetzeslage sei
als Durchbrechung des § 950 zu verstehen; die Neuregelung des § 651 sei daher
(auch) als Ausdruck der von § 950 gewollten Eigentumszuweisung an den Unternehmer zu sehen.420 Zumindest sei der Wille des Gesetzgebers in diese Richtung
fortzudenken.421
416 Vgl. zu diesen Bedenken auch Zänker S. 144 f. Es gibt allenfalls vage Anhaltspunkte dafür, dass in
einigen solcher Fälle der Herstellungsbegriff restriktiv ausgelegt werden kann, vgl. näher VI. 3. c).
417 So Röthel NJW 2005, 625, 629 (Fn. 62); Zänker S. 144 f.
418 Ebenso Klinck JR 2006, 1, 2.
419 Hagen JZ 2004, 713, 716 f.; Röthel NJW 2005, 625, 627 ff.
420 So Röthel NJW 2005, 625, 628.
421 So Hagen JZ 2004, 713, 716.
124
Bei näherer Betrachtung bestehen gegen diese Argumentation jedoch Einwände.
Dies zeigt sich, wenn man die Hintergründe der bisherigen Eigentumslage beleuchtet und die Frage stellt, ob es hier tatsächlich zu Verschiebungen gekommen ist,
insbesondere, ob es Indizien für einen entsprechenden gesetzgeberischen Willen
gibt.
Die bisher von der herrschenden Meinung vertretene Eigentumslage gründete
sich im Wesentlichen auf drei verschiedene dogmatische Konstrukte:
Die Mehrheit sah den Besteller als Hersteller i.S.d. § 950 Abs. 1 an.422 Andere
gingen davon aus, dass in einem Herstellungswerkvertrag eine Abbedingung des
§ 950 Abs. 1 enthalten sei, die dazu führe, dass der Unternehmer trotz seiner Herstellereigenschaft nicht Eigentümer werde.423 Die dritte Meinungsgruppe hielt
§ 950 Abs. 1 S. 1 bei Herstellungswerkverträgen von vornherein für nicht anwendbar. Entweder wurde dies damit begründet, dass § 647 und § 651 Abs. 2 a.F. zu dieser Frage leges speciales seien424, oder damit, dass der Herstellungswerkvertrag ein
Beispiel einer besonderen Interessenlage sei, die von § 950 Abs. 1 nicht erfasst
sei.425
Allen drei Herleitungen ist gemein, dass sie mit dem Wortlaut des § 950 Abs. 1
in Konflikt stehen, da man bei einer natürlichen, unvoreingenommenen Betrachtung des Herstellungsvorgangs eigentlich dazu kommen müsste, dass der Unternehmer Eigentümer wird. Entscheidend im hiesigen Zusammenhang ist nun weniger,
wie dieser Wortlautkonflikt von diesen drei Ansätzen mit letztlich gleichem Ergebnis gelöst wird, sondern warum er überhaupt mit diesem Ergebnis gelöst wird. Es
geht also um den Hintergrund dafür, dass eine Wortlautabweichung von § 950
Abs. 1 von der bisher herrschenden Meinung überhaupt als erforderlich angesehen
wurde:
Diesbezüglich verweisen die meisten Autoren auf einen in der Tat recht offensichtlichen Zusammenhang mit § 647 und § 651 Abs. 2 a.F. Wenn in § 651 Abs. 2
a.F. im Gegensatz zu § 651 Abs. 1 a.F. keine Eigentumsverschaffungspflicht vorgesehen sei, so spreche dies dafür, dass der Besteller bereits durch den Herstellungsprozess Eigentümer werde. Auch § 647 spreche dafür, denn da Pfandrechte nur an
422 BGHZ 14, 114, 117; BGB-RGRK/Pikard § 950 Rn. 18; Staudinger13/1995/Wiegand § 950 Rn. 38;
Erman10/Hefermehl § 950 Rn. 7; Wolff/Raiser § 74 III; Hedemann S. 151 f.; Brehm in Brehm/
Berger1 S. 433 f.; Wieling SachR4§ 11 II 4 e; Gursky in Westermann SachR § 53 III 2 d; Westermann SachR5 § 53 III 2 d; Müller SachR Rn. 2594; Rühl S. 135 f.; Wadle JuS 1982, 477, 482 f. Differenzierend: Rothkegel S. 108 ff. (Beim Werkvertrag sei Eigentümer, wer letztlich über die
Gestaltung des Verarbeitungsergebnisses entscheidet); MünchKomm3/Quack § 950 Rn. 33 (Bei
Werkvertrag Eigentümer i.d.R. Besteller, Ausnahmen bei relativ hohem Verarbeitungswert); Dolezalek AcP 195 (1995), 392, 423 ff., 443 (Eigentümer ist, für den hergestellt wird, das sei in der
Regel der Besteller). Nach der Schuldrechtsmodernisierung (noch) vertreten von (z.T. ohne Kenntnisnahme der Änderung des § 651): Palandt/Bassenge § 950 Rn. 8; Soergel/Henssler § 950
Rn. 17; Staudinger/Wiegand § 950 Rn. 38; MünchKomm4/Füller § 950 Rn. 20; Kindl in Bamberger/Roth § 950 Rn. 12; Brehm in Brehm/Berger Kap. 8 Rn. 20; Medicus SchR BT Rn. 386 (aber
offenbar einschränkend [nur bei geringem Arbeitsaufwand]); K. Schreiber SachR Rn. 185.
423 Soergel12/Mühl § 950 Rn. 3, 5; Flume NJW 1950, 841, 843 f.; Laufke FS Hueck S. 69, 71 f., 75 f.
424 Stürner in Baur/Stürner17 § 53 Rn. 21; Zeuner JZ 1955, 195, 196.
425 Herz JherJb 74 (1924), 1, 41 f., 50 f.; Hofmann NJW 1962, 1798, 1799 f.; Reitz S. 227 ff.
125
fremden Sachen entstehen können, müsse man davon ausgehen, dass die Sache
nicht dem Unternehmer/Verkäufer und damit wohl dem Besteller gehöre.426
Entscheidend ist nun, worauf dieser Zusammenhang beruhte. Hier unterscheiden sich die Argumente der Vertreter der bisher überwiegend vertretenen Eigentumszuordnung: Einige sahen in § 651 Abs. 2 a.F. und § 647 den Grund für die
besondere Eigentumslage.427 Davon gehen auch die Vertreter der Eigentumslösung
aus und kommen daher konsequent dazu, dass dieser Grund nunmehr weggefallen
sei.428 Andere sahen in diesen Normen nur die Bestätigung eines allgemeinen Prinzips.429
Ein dritter Ansatz sah in § 651 Abs. 2 a.F. und § 647 eine Bestätigung dafür, dass § 950
Abs. 1 abdingbar sei und vertraten die Ansicht, dass im Werkvertrag eine solche Abbedingung enthalten sei.430 Gegen diese Ansicht streitet jedoch unabhängig von der umstrittenen Frage, ob eine Abbedingung des § 950 Abs. 1 überhaupt möglich ist431, die Tatsache, dass die zur Abbedingung erforderlichen Willenserklärungen zumindest regelmäßig
gar nicht vorhanden sind. Die Parteien schließen nämlich (nur) einen Werkvertrag. Eine
Verarbeitungsklausel wie bei den typischen Kreditsicherungsfällen, die im Kontext des
§ 950 diskutiert werden, wäre mithin ein bloßes Konstrukt.432 Diese Ansicht wird daher
hier nicht weiter verfolgt.
Gegen die These, § 651 Abs. 2 a.F. und § 647 sei der Grund für die bisherige
Eigentumszuordnung gewesen, spricht, dass es hier nicht um schuldrechtliche Fragen geht, sondern um die allein sachenrechtliche Frage der Zuordnung des Eigentums. Das ist deswegen von Bedeutung, weil sich die beim Herstellungswerkvertrag
zu beantwortende Frage auch außerhalb von (wirksamen) Herstellungswerkverträgen stellt und auch dann gelöst werden muss. Wenn man diese Ansicht nämlich
ernst nimmt, dann hätte der tatsächlich Herstellende bei einem unwirksamen Vertrag Eigentümer werden müssen, was eine kaum gerechtfertigte Ungleichbehand-
426 An dieser Stelle setzten die Gegner der bisherigen Eigentumszuordnung an: § 647 behalte bei Herstellungswerkverträgen auch dann noch einen praktischen Anwendungsbereich, wenn man grundsätzlich dem Unternehmer das Eigentum zuweise, da es mit den Fällen des § 950 Abs. 1 S. 1 a.E.
(Verarbeitungswert wesentlich geringer als der Stoffwert) eine Ausnahme gebe (E. Wolf S. 200 f.).
Diese Ansicht konnte aber nicht den Wortlaut des § 651 a.F. erklären, denn offensichtlich musste
nach dieser Norm in allen Fällen eines Herstellungswerkvertrags der Besteller Eigentümer sein.
Eine weitere, allerdings angesichts des Wortlauts des § 647 ebenfalls abzulehnende Ansicht folgte
zwar hinsichtlich der Eigentumszuordnung der herrschenden Meinung, wollte aber für den Fall,
dass man anderer Ansicht ist, ein »Pfandrecht an der eigenen Sache« anerkennen (Staudinger13/
2000/Peters § 651 Rn. 7).
427 So Müller SachR Rn. 2594; Stürner in Baur/Stürner17 § 53 Rn. 21; Zeuner JZ 1955, 195, 196.
428 Hagen JZ 2004, 713, 716 f.; Röthel NJW 2005, 625, 627 ff.
429 So insb. Staudinger13/1995/Wiegand § 950 Rn. 38; Wolff/Raiser § 74 III; Gursky in Westermann
SachR § 53 III 2 d; Rühl S. 135 f.; Hofmann NJW 1962, 1798, 1799 f.; Wadle JuS 1982, 477,
479 f.; wohl auch Reitz S. 227 ff.; einschränkend (nur Bestätigung, dass die Möglichkeit einer solchen Eigentumslage bestehe) Rothkegel S. 108 ff.
430 So Soergel12/Mühl § 950 Rn. 3, 5; Flume NJW 1950, 841, 843 f.; ähnlich auch Laufke FS Hueck
S. 69, 71 f., 75 f. (der diese regelmäßige Abbedingung aber unabhängig von einer Begründung mit
den §§ 647, 651 a.F. annimmt).
431 Vgl. nur Palandt/Bassenge § 950 Rn. 1 m.N. zu den verschiedenen Ansichten.
432 Ähnlich insoweit Hofmann NJW 1962, 1798, 1799.
126
lung gewesen wäre. Außerdem müsste man konsequent fordern, dass auch in allen
anderen Fällen, in denen man trotz des natürlichen Erscheinungsbilds nicht den tatsächlich Herstellenden zum Eigentümer erhebt, eine gesetzliche Grundlage besteht.
So würde beispielsweise die kaum bestrittene Auffassung, dass der Arbeitnehmer in
der produzierenden Industrie nicht Eigentümer seiner Arbeitsergebnisse wird433, in
Begründungsnöte geraten. Auch hier kommt es im Übrigen nicht auf die Wirksamkeit des Arbeitsvertrags an.
Daher muss davon ausgegangen werden, dass § 651 Abs. 2 a.F. und § 647 nur die
Bestätigung eines allgemeinen sachenrechtlichen Prinzips waren. Die Vertreter dieses Begründungsweges stellten dabei – mit Abweichung in der Schwerpunktsetzung
– im Wesentlichen auf drei Aspekte ab:
(1) Wenn der Besteller den Hauptstoff stellt, so werde nur Geld gegen Arbeit
bzw. Herstellung eines werkvertraglichen Erfolgs getauscht, nicht aber Geld gegen
Material (und Arbeit), so dass kein Anlass bestehe, dem Unternehmer das Eigentum
als Tauschgegenstand zuzuteilen;
(2) Veranlasser des Verarbeitungsvorgangs sei der Besteller, er »lasse herstellen«;
(3) Das Verwendungs- und Absatzrisiko hinsichtlich der hergestellten Sache
liege beim Besteller.434
Diese Begründung erscheint einleuchtend. Denn bei dieser wirtschaftlichen Lage
besteht kein Anlass für eine Zuweisung des Eigentums an den Unternehmer, da dem
Unternehmer alle Funktionen des Eigentums von vornherein gar nicht zukommen
sollen. Weder soll er die Sache in irgendeiner Weise nutzen, noch gibt es einen
rechtlich nachvollziehbaren Grund, ihm die volle Verfügungsgewalt und Herrschaft
über die Sache zu geben.435 Zudem muss der Unternehmer auch zwei typische Risiken eines Eigentümers nicht tragen, nämlich die Risiken, die Sache verwenden oder
wirtschaftlich erfolgreich veräußern zu können.
Unterstützt wird diese Auffassung dadurch, dass der historische Gesetzgeber dies
genauso sah436: Der Gesetzgeber ging davon aus, dass das »Herstellenlassen« dem
»Herstellen« gleichzusetzen sei. Er sah dies aber als selbstverständlich an und
erwähnte es deshalb nicht in § 950. Dabei wird aus den Materialien auch deutlich,
dass der Gesetzgeber den Herstellungswerkvertrag als einen typischen Fall des Herstellenlassens ansah. Das macht die bisherige Gesetzeslage nachvollziehbar: In
Bestätigung dieser als selbstverständlich angesehenen Lage musste das Werkvertragsrecht entsprechend formuliert werden.
433 Vgl. nur Kindl in Bamberger/Roth § 950 Rn. 11.
434 Auf alle drei Gesichtspunkte stellen z.B. ab: Gursky in Westermann SachR § 53 III 2 d; Westermann SachR5 § 53 III 2 d; Rothkegel S. 108 ff.; Wadle JuS 1982, 477, 483; (1) wird z.B. hervorgehoben von Herz JherJb 74 (1924), 1, 41 f.; 50 f.; (2) wird z.B. hervorgehoben von Rühl S. 135 f.,
Hedemann S. 151 f. und Hofmann NJW 1962, 1798, 1799 f.
435 Zu den Funktionen des Eigentums vgl. z.B. Fritzsche in Bamberger/Roth § 903 Rn. 17 ff.
436 Vgl. Vorentwurf Sachenrecht 1 S. 950; Protokolle III S. 243; vgl. zu diesem Argument statt vieler
auch Wadle JuS 1982, 477, 480.
127
Die bisherige Eigentumslage fand ihren rechtlichen Grund also nicht in § 651
Abs. 2 a.F. und § 647, sondern war Ausdruck eines allgemeinen sachenrechtlichen
Prinzips, das in diesen Normen lediglich bestätigt wurde. Dieses Prinzip lässt sich
kurz als »fremdwirkende Verarbeitung« beschreiben.437
An der hinter diesem Prinzip stehenden Interessenlage hat sich allerdings gegen-
über dem bisherigen Recht nichts geändert. Wirtschaftlich wird nach wie vor Geld
(nur) gegen Arbeit bzw. Erfolgsherstellung getauscht, nach wie vor ist der Besteller
Veranlasser des Herstellungsvorgangs und nach wie vor trägt der Besteller das
Absatz- und Verwendungsrisiko. Daher bestehen die Argumente der bisherigen
dogmatischen Herleitung der Eigentumszuordnung zunächst fort.
Ein gravierendes Indiz für eine dennoch neue Beurteilung würde sich allerdings
ergeben, wenn das allgemeine Prinzip der fremdwirkenden Verarbeitung durch die
Schuldrechtsmodernisierung an dem hier entscheidenden Punkt modifiziert worden
wäre. Es müsste also nachgewiesen werden, dass dieses Prinzip kraft eines legislatorischen Aktes hier nicht mehr gelten soll.
Der Ansatzpunkt für eine solche Überlegung ergibt sich daraus, dass das Prinzip
der fremdwirkenden Verarbeitung selbst eine Ausnahme zur »normalen« Rechtsfolge des § 950 Abs. 1 darstellt, nämlich dass grundsätzlich derjenige Eigentümer
wird, der die Verarbeitung in Person vornimmt. Das Hauptmotiv hinter dieser »normalen« Rechtsfolge ist der Publizitätsgrundsatz.438 Es wird nun behauptet, dass die
Neufassung des § 651 (auch) als Ausdruck der durch § 950 Abs. 1 S. 1 gewollten
Eigentumszuweisung zu verstehen sei, dass also quasi die bisherige Interpretation
des § 950 zugunsten einer »Wiederherstellung« der eigentlichen Wertung des § 950
(Publizitätsgrundsatz) abgeschafft worden sei.439
Dagegen spricht jedoch, dass der Gesetzgeber sich offenbar gar keine Gedanken
um diese Fragen gemacht hat. Wenn der Gesetzgeber nämlich die Eigentumslösung
bewusst bevorzugt hätte, so wäre nicht nachvollziehbar, warum dann Sachherstellungen im Wortlaut des § 647 nicht gestrichen wurden. Zwar erscheint auch ein blo-
ßer »Redaktionsfehler« grundsätzlich denkbar.440 Da § 647 aber gerade die mit der
Eigentumsfrage unmittelbar in Berührung stehende Sicherungsfrage betrifft,
erscheint es äußerst unwahrscheinlich, dass der Gesetzgeber den Wortlaut dieser
Norm bei einer bewussten Entscheidung für die Eigentumslösung nicht bemerkt
hätte. Auch im Übrigen finden sich für eine solche Entscheidung keinerlei Indizien.
Wenn nun aber aus dem Gesetz keine Anhaltspunkte für die Eigentumslösung abgeleitet werden können, so spricht dies dafür, dass es bei der alten Lage bleibt, die
Neufassung des § 651 mithin nicht als Änderung des Prinzips der fremdwirkenden
Verarbeitung verstanden werden kann. Mit anderen Worten: Ein gesetzgeberischer
437 Vgl. nur Palandt/Bassenge § 950 Rn. 6.
438 Röthel NJW 2005, 625, 628; Rothkegel S. 47; Soergel/Henssler § 950 Rn. 4; Palandt/Bassenge
§ 950 Rn. 1; a.A. (Herstellung rechtlich eindeutiger Eigentumsverhältnisse) Klinck JR 2006, 1, 4.
439 Röthel NJW 2005, 625, 628.
440 So Reinkenhof Jura 2002, 433, 434.
128
Wille zur »Wiederherstellung der eigentlichen Wertung des § 950« ist nicht zu
erkennen.441
e) Das Sicherheitenproblem
Für die Eigentumslösung wird angeführt, der Unternehmer/Verkäufer stehe ohne
Sicherheit da, wenn er nicht Eigentümer werde, da ja § 651 Abs. 1 auf das Kaufrecht
verweise und mithin § 647 unanwendbar sei.442 Von der Gegenansicht wird hingegen vor dem Hintergrund dieses Sicherheitenproblems von einigen eine entsprechende Anwendung des § 647 vorgeschlagen (Pfandrechtslösung)443, was bei den
Vertretern der Eigentumslösung wiederum – vor allem aus methodischen444 und
systematischen445 Gesichtspunkten – auf Ablehnung stößt. Denkbar, aber offenbar
bisher noch nicht vertreten ist schließlich auch, dass dem Unternehmer trotz Beibehaltung der bisherigen Eigentumslage überhaupt kein gesetzliches Sicherungsmittel
zur Verfügung steht.446
Da aus dem Gesetz zwar kein Hinweis für die Eigentumslösung, aber auch nicht
zwingend gegen sie abgeleitet werden kann, wird das Sicherheitenproblem letztlich
zum entscheidenden Kriterium. Es muss mithin geprüft werden, ob die derzeitige
Gesetzeslage die Verschaffung einer gesetzlichen Sicherheit ermöglicht bzw. erfordert, was zunächst ein wichtiges Argument für die Eigentumslösung wäre. Sollte
dies zu bejahen sein, muss aber sodann untersucht werden, ob die Pfandrechtslösung
der Eigentumslösung vorzuziehen ist. Sollte dem so sein, wären die letzten Einwände gegen eine Beibehaltung der bisherigen Eigentumszuordnung beseitigt.
aa) Das Erfordernis einer gesetzlichen Sicherheit
Will man die Beibehaltung der bisherigen Eigentumszuordnung vertreten, so erfordert dies nicht zwingend, dass dem Unternehmer wie bisher auch ein Pfandrecht
441 I. Erg. ähnlich mit anderer Begründung (Publizitätsgrundsatz sei schon nicht Zweck des § 950,
sondern lediglich die Schaffung eindeutiger Eigentumsverhältnisse, dieser Aufgabe könne die bisherige Interpretation des § 950 nach wie vor genügen) Klinck JR 2006, 1, 4.
442 Hagen JZ 2004, 713, 715; Röthel NJW 2005, 625, 626.
443 Klinck JR 2006, 1, 3; Kindl in Bamberger/Roth § 950 Rn. 12.
444 Dazu vgl. unten bb) (1).
445 Dazu vgl. bereits oben b) und 2. b) cc) (1).
446 Besondere Erwähnung in diesem Zusammenhang verdient freilich Voit in Bamberger/Roth § 651
Rn. 21: Werde der Besteller Eigentümer des Produkts aufgrund einer Verarbeitungsklausel, so
fehle es, falls man der Grundauffassung Voits zum Lieferungsbegriff nicht folgt und daher überhaupt zur Anwendung des § 651 S. 1 kommt (vgl. oben 2. b), an einer für eine Analogie zu § 647
erforderlichen vergleichbaren Interessenlage, weil der Unternehmer aufgrund der Verarbeitungsklausel rechtsgeschäftlich auf eine Sicherung durch Eigentumserwerb verzichte und es ihm deshalb obliege, sich vertraglich abzusichern. Dem kann gefolgt werden. Folgt das Bestellereigentum
nicht schon aus dem bloßen Verarbeitungsvorgang, sondern erst aus einer Verarbeitungsklausel
(was bei einer grundsätzlichen Beibehaltung der bisherigen Eigentumszuordnung nur dann sinnvoll in Betracht kommt, wenn der Unternehmer den Hauptstoff stellt), dann begibt sich der Unternehmer zunächst freiwillig einer ihm gesetzlich zugewiesenen Position (des Eigentums), während
er diese Position in den anderen Fällen, in denen der Besteller Eigentümer wird, von vornherein
nicht hat. Nur für letztere Fälle sieht das Gesetz als Ersatz das Pfandrecht vor.
129
zusteht. Umgekehrt folgt aus einer Interpretation, welche wegen des Wortlauts des
§ 651 S. 1 die unmittelbare Anwendbarkeit des § 647 ablehnt, noch nicht zwingend,
dass dem Unternehmer stattdessen das Eigentum als alternatives Sicherungsmittel
zustehen müsse. Mit anderen Worten wäre das fehlende Bedürfnis nach einer
gesetzlichen Sicherung erstens ein Argument für die Beibehaltung der bisherigen
Eigentumslage und damit gegen die Eigentumslösung, und zweitens auch gegen die
Pfandrechtslösung.
Da sich der Gesetzgeber der Schuldrechtsmodernisierung zu der Frage, ob es
einer gesetzlichen Sicherung überhaupt bedarf, nicht geäußert hat, entspricht die
Prüfung des Bedürfnisses nach einer solchen Sicherung letztlich derjenigen der Voraussetzungen einer Analogie. Es ist mit anderen Worten zu untersuchen, ob es der
Gesetzgeber planwidrig unterlassen hat, für Herstellungswerkverträge eine gesetzliche Sicherheit vorzusehen und ob bejahendenfalls die Interessenlage eine solche
erfordert. Welcher Art die Sicherheit sein muss (Eigentum oder Pfandrecht), spielt
erst auf zweiter Ebene eine Rolle.
(1) Planwidrige Nichtnormierung irgendeines Sicherungsmittels
Im bisherigen Recht hatte der Unternehmer/Verkäufer, soweit es um bewegliche
Sachen ging, in allen Fällen des § 651 a.F. entweder das Eigentum an der Sache oder
bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des § 647 ein Pfandrecht. Es gab mithin im Bereich des Kauf-, Werk- oder Werklieferungsvertrags über bewegliche
Sachen keine Fälle, bei denen die eine oder die andere Möglichkeit nur wegen der
typologischen Natur des Vertrags von vornherein ausgeschlossen war. Ein nur
wegen der Vertragstypik unabgesicherter Vergütungsanspruch wäre damit für den
Obertypus der Kauf- und Werkverträge ein Novum, für das aus der Gesetzgebungsgeschichte keinerlei Gründe ersichtlich sind. Es muss daher davon ausgegangen
werden, dass der Gesetzgeber dieses Problem entweder schlicht übersehen hat, oder
dass er dieses Problem ohne ausdrückliche legislatorische Aussage dadurch lösen
wollte, dass der Unternehmer im Gegensatz zum bisherigen Recht nunmehr das
Eigentum an der Sache erhält. Letztere Annahme erscheint aber aufgrund des unver-
änderten Wortlauts des § 647 als fernliegend. Hätte der Gesetzgeber nämlich eine
Verschiebung der Eigentumslage gewollt, so hätte ihm der Wortlaut des § 647 auffallen müssen. Eine Anpassung des Wortlauts wäre die Folge gewesen.
Daher muss davon ausgegangen werden, dass das Schweigen des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes zu dieser Frage keinem gesetzgeberischen Plan entspricht,
sondern vielmehr auf einem gesetzgeberischen Versehen beruht.447
447 So auch z.B. (neutral) Reinkenhof Jura 2002, 433, 434; (für die Vertreter der Pfandrechtslösung)
Klinck JR 2006, 1, 3; (für die Vertreter der Eigentumslösung) Hagen JZ 2004, 713, 715.
130
(2) Die Interessenlage
Im bisherigen Recht sollte das Pfandrecht nach § 647 dazu dienen, dem mit der
Werkherstellung vorleistungspflichtigen Unternehmer eine Sicherheit für seinen
Vergütungsanspruch zu verschaffen, die ihm zum einen die einfache Möglichkeit
eröffnet, sich durch Verwertung des Werks zu befriedigen und ihm zum anderen in
der Insolvenz ein Vorzugsrecht gibt.448 Dass dem Unternehmer überhaupt eine
dingliche Sicherheit zugesprochen wurde, erklärte sich letztlich aus der dies erforderlich machenden Eigentumslage.
An dieser wirtschaftlichen Lage hat sich nichts geändert. Insbesondere ist der
Unternehmer nach wie vor vorleistungspflichtig, auch wenn nunmehr aufgrund der
Verweisung in das Kaufrecht § 641 Abs. 1 S. 1 (Fälligkeit erst bei Abnahme) nicht
mehr Anwendung findet. Zwar ist die Vergütung im Kaufrecht schon mit Vertragsschluss fällig, der Anspruch ist aber gemäß § 320 bis zur Ablieferung einredebehaftet und damit praktisch ebenfalls erst nach Herstellung der Sache zu erfüllen.
Daher besteht das Bedürfnis nach einer gesetzlichen Sicherheit wie bisher fort.
Oder anders betrachtet: Mangels legislatorischen Akts zur Sicherheitenfrage wäre
es nicht plausibel, wenn man dem Unternehmer trotz unveränderter objektiver Lage
nunmehr keine Sicherheit mehr zusprechen würde. Um dem bisherigen System des
Kauf- und Werkvertragsrechts zu entsprechen, welches sich insoweit nur hinsichtlich seiner internen Aufteilung auf die verschiedenen Typenvertragsrechte verändert
hat, muss diese Sicherheit an der vertragsgegenständlichen Sache selbst anknüpfen.
Mithin kommt nur das Eigentum oder ein Pfandrecht entsprechend § 647 in
Betracht.
(3) Zwischenergebnis
Auch die derzeitige Gesetzeslage erlaubt und erfordert es, dem Unternehmer eine
dingliche und gesetzliche Sicherheit hinsichtlich seines Vergütungsanspruchs zu
verschaffen. Dementsprechend ist die Beibehaltung der bisherigen Eigentumslage
nur dann vorzugswürdig, wenn dem Unternehmer ein Pfandrecht entsprechend
§ 647 zusteht.
bb) Das vorzugswürdige Sicherungsmittel
Das Eigentum und das Pfandrecht unterscheiden sich gerade dann, wenn diese
Rechte als Sicherungsmittel fungieren sollen, in vielerlei Hinsicht. Dabei ist der
augenfälligste Unterschied, dass das Pfandrecht gesetzlich von vornherein als
Sicherungsmittel ausgestaltet ist, während das Eigentum ohne weitere Einschränkungen zu einer Übersicherung führen kann. Diese und andere Punkte müssen
448 Vgl. Staudinger13/2000/Peters § 647 Rn. 1; Soergel12/Teichmann § 647 Rn. 1; Motive II, S. 494.
131
berücksichtigt werden. Ein weiteres Problem ergibt sich zudem aus der Methodenlehre.
(1) Methodische Gesichtspunkte: Vorrang einer neuen Auslegung des § 950
Abs. 1 BGB vor einer Rechtsfortbildung in Bezug auf § 651 S. 1 BGB?
Für die Eigentumslösung scheint zunächst zu sprechen, dass sich diese auf den
ersten Blick methodisch einfacher herleiten lässt. Bei dieser Lösung handelt es sich
nämlich um eine ohne weiteres mit dem Wortlaut in Einklang zu bringende Neuinterpretation des § 950 Abs. 1. Die Pfandrechtslösung stellt hingegen eine Rechtsfortbildung449 dar, da der Wortlaut des § 651 S. 1 dieser Lösung eindeutig entgegensteht. Deshalb sind einzelne Vertreter der Eigentumslösung der Auffassung, dass
ihre Lösung aufgrund methodischer Grundsätze zu bevorzugen sei.450
Der erste Eindruck, eine Auslegung des § 950 Abs. 1 S. 1 sei ohne weiteres vorzuziehen, relativiert sich jedoch bereits durch die Tatsache, dass es keinen subjektiv-teleologischen Hintergrund für diese Auslegung gibt. Es handelt sich vielmehr
um eine Ad-hoc-Korrektur einer traditionellen Norminterpretation, die auf objektivteleologischer Basis ein Folgeproblem eines legislatorischen Akts zu lösen sucht,
und dies an einer gesetzessystematisch völlig anderen Stelle als in dem problemauslösenden Normenkomplex. Der Neuinterpretation des § 950 Abs. 1 S. 1 muss sozusagen eine »Fernwirkung« des schuldrechtsmodernisierten § 651 S. 1 zugrunde
gelegt werden, während eine Rechtsfortbildung bezüglich § 647 systematisch
betrachtet »nah« ist. Ein weiterer Gesichtspunkt ist, dass bei materieller Betrachtung
die Pfandrechtslösung die Rechtslage nicht verändert, also so gesehen nicht »fortbildet«, während dies bei der Neuinterpretation des § 950 Abs. 1 S. 1 sehr wohl – und
dies wie gesagt ohne legislatorischen Befehl – der Fall ist.
Dazu kommt, dass die Methodenlehre ein zwingendes Rangverhältnis zwischen
Auslegung und Rechtsfortbildung so nicht kennt. Ein direkter Vorrang der Auslegung besteht nur, wenn es um die Frage geht, ob man zur Anwendung einer
bestimmten Rechtsfolge noch durch Auslegung oder erst durch Rechtsfortbildung
gelangt.451 Natürlich ist eine Auslegung ferner vorzuziehen, wenn auf diese Weise
ein Problem einfacher zu lösen ist und der Interessenlage ebenso gerecht wird. Das
449 Obwohl die Anwendung von § 647 in der Literatur bisher nur als Analogie eingeordnet wird (Staudinger/Peters § 651 Rn. 19; Hagen JZ 2004, 713, 716), handelt es sich nach hier vertretener Auffassung eher um eine teleologische Teilreduktion der Rechtsfolge des § 651 S. 1. Dies liegt daran,
dass der Herstellungswerkvertrag typologisch gesehen Werkvertrag bleibt [vgl. oben 2. b) cc) (1)].
Die Verweisung dieses Werkvertrags in das Typenvertragsrecht des Kaufs unterbleibt in Bezug auf
die Einzelfolge »keine Sicherung durch Pfandrecht«, so dass § 647 an sich unmittelbar Anwendung findet. Praktische Relevanz hat diese methodische Einordnung allerdings nicht, da sowohl bei
einer teleologischen Reduktion als auch bei einer Analogie der Nachweis einer gesetzgeberischen
Fehlleistung erforderlich ist, entweder in Form eines planwidrigen Überschießens der Rechtsfolge
des § 651 S. 1 oder in Form einer planwidrigen Regelungslücke.
450 So offenbar Röthel NJW 2005, 625, 629.
451 Vgl. Schmalz, Methodenlehre, Rn. 316, 321 f.
132
ist dann aber keine Frage der Lückenhaftigkeit des Gesetzes mehr, sondern bereits
eine der Ausfüllung der Lücke bzw. besser ihrer Vermeidung durch eine andere
bestimmte Rechtsfolge. Eine Lücke ist nicht etwa ein »Nichts«, sondern das Fehlen
einer bestimmten, nach dem Regelungsplan oder dem Gesetzeszusammenhang zu
erwartenden Regel; ein Gesetz ist mithin »lückenhaft« nur im Vergleich mit einer
(bestimmten) fehlenden Regel, die es nach seiner Teleologie enthalten sollte.452 Es
ist mit anderen Worten falsch, von einer Lückenlosigkeit auszugehen, wenn der Fall
irgendwie ohne Rechtsfortbildung entscheidbar ist. Die Frage ist, ob diese Entscheidung der (nötigenfalls – falls eine subjektive Teleologie kaum feststellbar ist –
objektiven) Teleologie entspricht. Wenn das Gesetz zu einer bestimmten Frage
keine eindeutige Antwort enthält und es sich nicht um ein »beredtes Schweigen«
handelt, dann ist also zu fragen, was der Teleologie eher entspricht, nicht etwa, ob
eine der denkbaren Antworten (noch) durch Auslegung oder (erst) durch Rechtsfortbildung gefunden werden kann.
Dies führt dazu, dass sich die Vorzugswürdigkeit der einen oder der anderen
Lösung erst durch einen materiellen Vergleich der beiden untereinander finden
lässt. Dann erst ist bekannt, ob die Pfandrechtslösung eine Regel darstellt, die das
Gesetz nach seiner Teleologie enthalten sollte, also die bestimmte fehlende Regel im
oben genannten Sinne ist. Wenn die Pfandrechtslösung hingegen teleologisch
betrachtet der Eigentumslösung unterlegen sein sollte, so kann die Auslegung des
§ 950 Abs. 1 S. 1 bildlich gesprochen die Lücke von vornherein geschlossen halten
und mithin schon ihr Entstehen verhindern. Die Interessenlage bedingt also in Fällen wie diesem die Lückenhaftigkeit und schafft mithin erst die »erste« Voraussetzung der Rechtsfortbildung.
Am Vergleich mit einfacheren Beispielen wird dies sofort deutlich. Bei der Frage, ob es
bei einer »positiven Vertragsverletzung« einen Anspruch auf Schadensersatz gibt, ergab
die Auslegung des Gesetzes vor der Schuldrechtsmodernisierung nicht etwa »nichts«,
sondern – sofern man den Bereich der Auslegung nicht verließ – ein »Nein« als Antwort.
Die Lücke bestand darin, dass diese Rechtsfolge nicht interessengerecht war und mithin
eine interessengerechte andere Rechtsfolge gesucht werden musste, die sich in den gesetzgeberischen Plan einfügte. Die sich im vorliegenden Fall stellende Problematik unterscheidet sich von diesem Standardfall nur graduell: Auf die Frage, ob dem Unternehmer
ein gesetzliches Sicherungsmittel zur Verfügung gestellt werden kann, erhält man zwar
nicht »Ja/Nein« als Entscheidungsalternativen, dafür aber zwei andere, nämlich »Pfandrechtslösung/Eigentumslösung«. Wenn man den Bereich der Auslegung nun nicht verlassen dürfte, erhielte man ein »nicht Pfandrechtslösung, sondern Eigentumslösung« zur
Antwort. Die Frage ist jedoch gerade nicht, ob es durch Auslegung noch irgendeine Antwort gibt. Ihre Interessengerechtigkeit und Vereinbarkeit mit der Teleologie entscheidet.
Letztlich kommt es daher nur darauf an, welche der beiden Lösungen nach materiellen Gesichtspunkten die wenigsten Nachteile hat.
452 Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 196.
133
(2) Materielle Gesichtspunkte
Für die Pfandrechtslösung spricht, dass sich an der wirtschaftlichen Lage gegenüber
dem bisherigen Recht nichts geändert hat. Nach wie vor erscheint es nicht angemessen, dem Unternehmer angesichts der Tatsache, dass er den Wert der verwendeten
Stoffe »nur« durch Arbeitsleistung erhöht, das Vollrecht an der hergestellten Sache
zuzuweisen, deren Wert sich ja auch durch die verwendeten Stoffe definiert. Hiergegen wird nun eingewandt, dass der Besteller im Verhältnis zum Unternehmer keiner weiteren Sicherung bedürfe, weil der Besteller diese Arbeitsleistung ja nur Zug
um Zug gegen die Übereignung der neuen Sache vergüten müsse.453 Die maßgeblichen Konflikte liegen jedoch woanders. Es geht aus der Sicht des Bestellers um
Situationen, in denen es gerade auf den Wert der investierten Stoffe ankommt:
– Es ist nicht interessengerecht, den Unternehmer im Falle der Nichtzahlung der
Vergütung besser zu stellen als bei erfolgter Zahlung.
– Es ist nicht interessengerecht, wenn der Besteller bei einer Vollstreckung in das
Vermögen des Unternehmers seinen Stoffbeitrag nicht der Vollstreckung entziehen kann.
– Es ist nicht interessengerecht, den Besteller im Falle der Unternehmerinsolvenz
auf die Insolvenzgläubigerquote zu verweisen, sachgerechter ist hier ein Aussonderungsrecht.
Dass der Besteller die Arbeitsleistung normalerweise (natürlich) nur Zug um Zug
gegen die Übergabe und – im Falle der Eigentumslösung – Übereignung bezahlen
müsste, hilft ihm bei diesen Punkten nicht weiter. Die interessengerechte Lösung
muss dies daher berücksichtigen.
Auf der anderen Seite darf die Arbeitsleistung des Unternehmers aber nicht unberücksichtigt bleiben und muss in Höhe ihres Wertes aus der Sache wieder »herausgezogen« werden können, falls der Unternehmer nicht auf andere Weise seine Vergütung erhalten kann. Auch insoweit zeigen sich Unterschiede zwischen der Eigentums- und der Pfandrechtslösung.
(a) Das Pfandrecht als unkomplizierte und ausgewogene Unternehmersicherung
Dass der Unternehmer aus der Sache nicht zuviel, aber auch nicht zuwenig erhält,
leistet das Pfandrecht automatisch, indem der Pfanderlös dem Gläubiger nur insoweit zusteht, als dies zur Befriedigung der Forderung erforderlich ist (§ 1247).
Würde man hingegen das Eigentum als Sicherungsmittel zur Verfügung stellen, so
wäre noch zusätzlich zu klären, wie mit einem evtl. Teil des Verkaufserlöses umzugehen ist, der über den Lohn (Arbeitsleistung plus Gewinn) hinausgeht. Nach Wertungsgesichtspunkten muss dieser dem Besteller zustehen. Hier wäre entweder eine
453 So Röthel NJW 2005, 625, 629.
134
Analogie zu § 1247 oder eine Lösung über § 951 erforderlich. Angesichts der Tatsache, dass das Eigentum hier als Sicherungsmittel diente, würde die Lösung über
§ 951 aber faktisch einer Analogie zu § 1247 entsprechen: § 951 würde nämlich
nach seinem Wortlaut zwar zunächst zur Herausgabe des vollen Stoffwerts an den
Besteller/Käufer verpflichten, und zwar selbst dann, wenn dadurch so viel vom Verkaufserlös abgezogen werden würde, dass der dem Unternehmer verbleibende Rest
nicht zur Befriedigung der Vergütungsforderung ausreicht. Dem stünde aber die
durch den Rest evtl. noch nicht hinreichend befriedigte Vergütungsforderung und
damit ein entsprechendes Aufrechnungsrecht des Unternehmers gegenüber.
Die Eigentumslösung entspricht daher insoweit der Pfandrechtslösung. So oder
so darf der Unternehmer im Ergebnis (nur) den Betrag behalten, der zur Befriedigung seiner Vergütungsforderung erforderlich ist. Dies wirft aber die Frage auf,
warum man dann nicht direkt zu einer Anwendung des § 1247 kommen sollte.
(b) Die Rechtfertigung einer Differenzierung zwischen zwei Sicherungsmitteln
innerhalb des Anwendungsbereichs des § 651 S. 1 BGB
Ein Argument eines Vertreters der Eigentumslösung lautet, es sei nicht sinnvoll,
innerhalb einer Vertragskategorie zwei Sicherungsmittel (Eigentum beim Werklieferungsvertrag, Pfandrecht beim Herstellungswerkvertrag) vorzuhalten.454 Dieses
Argument hätte in der Tat Gewicht, wenn es sich bei den von § 651 S. 1 erfassten
Verträgen tatsächlich um eine Vertragskategorie handeln würde.
Nach hier vertretener Auffassung ist dem gerade auch unter dem Aspekt der
Sicherungsmittel aber nicht so. Da die von § 651 S. 1 erfassten Verträge lediglich in
das Typenvertragsrecht des Kaufs verwiesen werden, dabei aber ihre typologische
Urnatur nicht verlieren455, geht es nach wie vor um zwei Vertragskategorien, nämlich um den Werklieferungsvertrag einerseits und den Herstellungswerkvertrag
andererseits. Dass diese beiden Häufigkeitstypen im Zuge der Schuldrechtsmodernisierung zu einem neuen Normstrukturtypus zusammengefasst und einem einheitlichen Rechtsfolgenprogramm zugeführt wurden, ändert daran nichts. Die Frage der
Sinnhaftigkeit einer Differenzierung bei den Sicherungsmitteln ist damit eine Frage,
die sich nicht neu stellt, sondern in gleicher Form schon im bisherigen Recht berechtigt war.
Im bisherigen Recht entsprach diese Differenzierung dem eindeutig im Gesetz
niedergeschlagenen Willen des Gesetzgebers (§ 651 a.F.). Da es insoweit – also in
Bezug auf die Frage der Sicherungsmittel – an jeglicher legislatorischen Äußerung
fehlt, kann nicht einfach davon ausgegangen werden, diese Differenzierung sei nunmehr aufzuheben. Vielmehr muss grundsätzlich von ihrer Fortgeltung ausgegangen
werden.
454 Hagen JZ 2004, 713, 716.
455 Vgl. oben 2. b) cc) (1).
135
Von dieser Warte aus lässt sich das Argument der Eigentumslösung sogar
umkehren: Welchen Sinn sollte es machen, für den Änderungswerkvertrag und den
Herstellungswerkvertrag zwei verschiedene Sicherungsmittel vorzuhalten? Schließlich gehört der Änderungswerkvertrag, bei dem § 647 unstreitig immer noch
Anwendung findet, typologisch gesehen nach wie vor der selben Kategorie an wie
der Herstellungswerkvertrag; die wirtschaftliche Lage ist bis auf die Frage der Entstehung einer neuen Sache identisch.
(c) Probleme der Eigentumslösung bei der Zwangsvollstreckung und im Falle der
Insolvenz eines Beteiligten
Der größte Nachteil der Eigentumslösung liegt darin, dass vollstreckungs- und
insolvenzrechtliche Probleme nur unbefriedigend gelöst werden. Dies wird von
einem ihrer Vertreter auch selbst eingeräumt.456
(aa) Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Unternehmers / Insolvenz des
Unternehmers
So wäre bei einer Zwangsvollstreckung Dritter in das Unternehmervermögen keine
Drittwiderspruchsklage des Bestellers möglich (§ 771 ZPO). Weiterhin wäre es
nicht möglich, die Sache bei einer Insolvenz des Unternehmers auszusondern (§ 47
InsO).457 Dies erscheint jedoch unangemessen, da der Wert der Sache zum großen
Teil durch den Stoffbeitrag des Bestellers definiert ist.
Zur Lösung dieses Problems wird vorgeschlagen, das Eigentum des Unternehmers als Treugut zu behandeln, denn bei Treugut sei gewohnheitsrechtlich anerkannt, dass sowohl eine Drittwiderspruchsklage als auch eine Aussonderung möglich seien.458 Dabei wird aber gleichzeitig eingeräumt, dass die bloße vertragliche
Beziehung zwischen dem Unternehmer/Verkäufer und dem Besteller/Käufer für die
Begründung eines solchen Treuhandverhältnisses nicht ausreichen würde. Es wird
deshalb darauf abgestellt, dass das Produkt wirtschaftlich wie bisher dem Besteller
zuzuordnen sei, während dem Unternehmer wirtschaftlich nur ein Sicherungsmittel
eingeräumt werden solle. Somit komme man zu ähnlichen Ergebnissen wie beim
Pfandrecht.459
Dieser recht komplizierten Rücksichtnahme auf die wirtschaftliche Lage bedarf
es jedoch dann nicht, wenn die Sache dem Besteller sachenrechtlich zugeordnet
werden kann und die wirtschaftliche Lage damit automatisch berücksichtigt wird.
Die Vertreter der Eigentumslösung sehen sich zu diesem Schritt durch die oben
456 Hagen JZ 2004, 713, 718.
457 Eine gewisse Sicherheit besteht nur, wenn der Stoff nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens und
nach Ablehnung der Erfüllung durch den Insolvenzverwalter verarbeitet wird: Dann entsteht eine
Masseforderung wegen ungerechtfertigter Bereicherung (§ 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO).
458 Hagen JZ 2004, 713, 717 f.
459 Hagen JZ 2004, 713, 718.
136
erörterte Problematik gehindert, dass dann das Kaufrecht auf Verträge ohne Verpflichtung zur rechtsgeschäftlichen Eigentumsübertragung anwendbar wäre. Wie
die nähere Betrachtung ergab, stellt dies jedoch kein wirkliches Problem dar, sondern stört lediglich die »systematische Ästhetik« des Gesetzes.460 Mit anderen Worten gibt es keinen Grund dafür, über einen recht komplizierten Umweg, der im
Gesetz erst recht keinen Niederschlag gefunden hat, zu einer nur pfandrechtsähnlichen Lösung zu kommen, wenn man mit der Pfandrechtslösung auf direktem Wege
zum Ziel kommt. Die vollstreckungs- und insolvenzrechtlichen Probleme wären
dann auch ohne ein alleine zu diesem Zweck konstruiertes Treuhandverhältnis ausgeräumt.461
Ein anderer Vorschlag besteht darin, die Schwelle zum Eigentumserwerb durch
den Unternehmer durch eine entsprechende Auslegung des § 950 Abs. 1 S. 1 a.E.
anzuheben, um den Besteller häufiger zum Eigentümer werden zu lassen.462 Dies
unterliegt jedoch ebenfalls durchgreifenden Bedenken: Es bleibt bei den vielen Problemen der Eigentumslösung, die sich schon ohne eine Modifikation des § 950
Abs. 1 S. 1 a.E. stellen, nur dass zusätzlich noch die Parameter für diese Modifikation zu klären wären.
(bb) Insolvenz des Bestellers
Auch bei einer Bestellerinsolvenz wirft die Eigentumslösung Schwierigkeiten
auf.463
Jegliche Sicherheit entfällt dann, wenn der Unternehmer aufgrund von § 950
Abs. 1 S. 1 a.E. gar nicht Eigentümer wird. An dieser Konsequenz kommen die Vertreter der Eigentumslösung wie oben dargestellt nicht vorbei, wenn sie sich nicht in
Widerspruch zur Verbrauchsgüterkaufrichtlinie stellen wollen.464 Dies ist damit insbesondere auch ein weiterer Grund dafür, dass eine modifizierte Auslegung des
§ 950 Abs. 1 S. 1 a.E. keine sachgerechte Lösung ist.
Aber auch dann, wenn der Unternehmer Eigentümer werden würde, hilft ihm dies
im Falle der Bestellerinsolvenz nur wenig, wenn der Insolvenzverwalter die Erfüllung wählt (§ 103 Abs. 1 InsO). Diese Problematik kann hier allerdings nur angerissen werden, da eine ausführliche Erörterung den Rahmen dieser Arbeit sprengen
würde:
Geht man davon aus, dass die durch die Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Teilbarkeit i.S.d. § 105 InsO nach wie vor für werktypische Werkliefe-
460 Vgl. oben b).
461 Ähnlich Klinck JR 2006, 1, 3; gegen die Treuhandlösung aus Gründen der Rechtsklarheit und
Publizität auch Röthel NJW 2005, 625, 629.
462 Röthel NJW 2005, 625, 629.
463 Vgl. zum folgenden auch Klinck JR 2006, 1, 3.
464 Vgl. Klinck JR 2006, 1, 3; zu weiteren Problemen, die § 950 Abs. 1 S. 1 a.E. im Rahmen der Eigentumslösung mit sich bringt, vgl. oben c).
137
rungs- und Herstellungswerkverträge gelten465, so ist der Vergütungsanteil, der auf
die bis zur Insolvenzeröffnung geleistete Arbeit entfällt, in einem solchen Falle
bloße Insolvenzforderung. Der Verkauf der Sache zwecks Befriedigung wäre wohl
– wegen der Erfüllungswahl – eine schadensersatzpflichtige Vertragsverletzung, die
zur Herausgabe des Erlöses verpflichten würde (§§ 280 Abs. 1, 3; 283, 285). Gegen
diesen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandenen Schadensersatzanspruch könnte der Unternehmer nicht mit seinem Vergütungsanspruch aufrechnen
(§ 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Das Pfandrecht hingegen hilft dem Unternehmer hier
dadurch, dass eine Absonderung möglich ist (§ 50 InsO). Dies erlaubt ihm, auch im
Falle der Erfüllungswahl die Vergütung für die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbrachten Leistungen wenigstens insoweit zu erhalten, als der Erlös der
Pfandsache reicht.466
Man wird nun einwenden können, dass die Begünstigung des Pfandrechtsinhabers gegenüber dem Eigentümer umgekehrt die Frage aufwirft, warum denn der
Unternehmer/Verkäufer eines Werklieferungsvertrags schlechter gestellt werden
sollte als der Unternehmer/Verkäufer eines Herstellungswerkvertrags. Beim Werklieferungsvertrag ist nämlich der Unternehmer/Verkäufer »bloß« Eigentümer, er hat
also die gleichen Nachteile wie der Unternehmer/Verkäufer eines Herstellungswerkvertrags, falls man diesem das Eigentum zuweisen würde. Auf den ersten Blick
erscheint es nur gerechtfertigt, den Unternehmer/Verkäufer in beiden Konstellationen in gleicher Weise zu benachteiligen.
Zu lösen ist dieses Problem jedoch nicht auf der Ebene des § 651 S. 1. Es geht
hier um Fragen, die sich in gleicher Weise bereits vor der Schuldrechtsmodernisierung stellten und zu denen es erstens an einer Äußerung des Gesetzgebers der
Schuldrechtsmodernisierung sowie zweitens an einer Änderung der dem Problem
zugrunde liegenden Interessenlage fehlt. Wer an diesem Punkt eine (richterrechtliche) Korrektur anstrebt, muss dies mit anderen Worten auf einer durch die Schuldrechtsmodernisierung in keiner Weise veränderten Argumentationsbasis tun. Der
Ansatz einer solchen Korrektur muss mithin alleine im Insolvenzrecht und abstrakt
von der Neufassung des § 651 S. 1 gesucht werden.467
465 Zu dieser Frage vgl. näher Teil 3 Kap. 1, K) III.
466 Der Insolvenzverwalter sollte sich daher überlegen, ob er Erfüllung wählt; wenn er dies tut, ist ihm
anzuraten, das Pfandrecht abzulösen, denn sonst scheitert die Erfüllung durch die Verwertung der
Pfandsache.
467 Es befremdet in der Tat, dass das Eigentum im Falle der Erfüllungswahl des Insolvenzverwalters
nicht als Sicherheit taugt. Zwar wird man, auch wenn der BGH im Schiffsbaufall (BGHZ 147,
28 ff.) eine andere Konstellation beurteilen musste als die vom Wortlaut des § 105 InsO direkt
geregelte, diese Rechtsprechung konsequent auf die Fälle des § 105 InsO übertragen müssen (vgl.
Teil 3 Kap. 1, K) III.) Irritierend ist aber, dass der Unternehmer/Verkäufer bei einer Ablehnung der
Erfüllung die Sache ohne weiteres verwerten könnte. Befremdend ist auch, dass der Unternehmer/
Verkäufer gemäß § 107 InsO besser dastünde, wenn er die Sache bereits an den Besteller/Käufer
übergeben hätte und sich lediglich das Eigentum vorbehalten hätte.
138
f) Zwischenergebnis
Insgesamt streiten die überzeugenderen Argumente dafür, dass der Besteller/Käufer
beim Herstellungswerkvertrag nach wie vor schon durch den Herstellungsprozess
Eigentümer der Sache wird, der Unternehmer/Verkäufer dafür aber ein Pfandrecht
nach § 647 erhält. Überspitzt gesagt erlangt man durch die Eigentumslösung nur
einen einzigen Vorteil, nämlich eine »ästhetische Systematik« beim Anwendungsbereich des Kaufrechts. Um den Interessen der Beteiligten gerecht zu werden und
mit der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie nicht in Widerspruch zu stehen, werden für
diesen Vorteil aufwendige, zum Teil kaum begründbare Folgekorrekturen erforderlich. Stellt man dagegen eine einzige Rechtsfortbildung an den Anfang – die Pfandrechtslösung – so bleiben einem weitere Korrekturen erspart: Die Pfandrechtslösung
berücksichtigt die Interessen der Beteiligten angemessen, einfach und widerspruchsfrei und bewegt sich dabei mindestens genauso gut innerhalb der Grenzen
der Rechtsmethodik.
g) Konsequenzen für den Lieferungsbegriff
Die Erfassung von Herstellungswerkverträgen hat im Zusammenhang mit der Fortführung der bisherigen eigentumsrechtlichen Beurteilung zur Folge, dass eine
rechtsgeschäftliche Eigentumsübertragung nicht zwingendes Merkmal des Lieferungsbegriffs sein kann. Mithin bleibt es bei der eingangs dieses Problemabschnitts
schon vorgestellten Definition: Eine Lieferung liegt schon dann vor, wenn der
Unternehmer/Verkäufer dem Besteller/Käufer die Sache endgültig und dauerhaft
überlässt.468 Nur wenn zur Herstellung der endgültigen und dauerhaften Herrschaft
noch eine Eigentumsübertragung erforderlich ist, so ist diese auch geschuldet und
dann auch Teil der Lieferung.469
Eine weitere Frage des Lieferungsbegriffs ist, ob eine durch den Unternehmer/
Verkäufer herbeigeführte Ortsveränderung der Sache vorausgesetzt wird. Dies
hängt jedoch nicht mit den soeben erörterten Fragen zusammen und muss daher an
dieser Stelle noch unbeantwortet bleiben.470
4. Konsequenzen aus der Erfassung von Herstellungswerkverträgen für Sachherstellungsverträge mit wirtschaftlich ähnlicher Interessenlage
Im bisherigen Recht wurden diverse Vertragsgestaltungen, welche die Lieferung
herzustellender beweglicher Sachen zum Gegenstand hatten, aufgrund ihrer wirt-
468 Vgl. oben 1.
469 So auch Staudinger/Peters § 651 Rn. 2, 11; Mankowski MDR 2003, 854 f.; Medicus SchR BT
Rn. 386; Schultz S. 50 ff; zum Lieferungsbegriff der Richtlinie ebenso Jorden S. 30 ff.; Höffe
S. 16; i. Erg. ebenso Staudenmayer in Grundmann/Medicus/Rolland S. 27, 37; auch Hagen JZ
2004, 713, 715 vertritt dies bei der Richtlinie, kommt aber im deutschen Recht durch die oben dargestellte Eigentumslösung zur gegenteiligen Ansicht.
470 Vgl. dazu unten VII.
139
schaftlichen Ähnlichkeit zu Herstellungswerkverträgen über eine Analogie zu § 651
Abs. 2 a.F. rein werkvertragsrechtlich behandelt, obwohl der Besteller/Käufer die
Stoffe nicht (unmittelbar) zur Verfügung stellte. Hervorzuheben sind insbesondere
zwei Gestaltungen: Erstens Fälle, in denen der Unternehmer/Verkäufer die Stoffe
im Namen des Bestellers besorgt, und zweitens Fälle, in denen der Besteller/Käufer
zwar einen Stoff zur Verfügung stellt, welcher aber durch den Unternehmer/Verkäufer bei der Werkherstellung durch gleichartigen Stoff ausgetauscht werden darf
(z.B. Gold zur Herstellung eines Rings, sog. unregelmäßiger Werklieferungsvertrag).471
Lehnt man die hier vertretene Auffassung zur Anwendbarkeit des § 651 S. 1 auf
Herstellungswerkverträge472 ab, so ist es nur konsequent, bei diesen Fällen nach wie
vor Werkvertragsrecht anzuwenden.473 Folgt man hingegen der hier vertretenen
Ansicht, so erfasst § 651 S. 1 auch diese Fälle. Dies liegt schon daran, dass auch in
diesen Fällen die Lieferung herzustellender Sachen geschuldet ist, was für die
Anwendbarkeit des § 651 S. 1 ausreicht. Die im bisherigen Recht zur Anwendbarkeit des Werkvertragsrechts führende Vergleichbarkeit mit den Fällen des § 651
Abs. 2 a.F. lag in der dem Herstellungswerkvertrag wirtschaftlich praktisch gleichkommenden Typik solcher Verträge, welche nunmehr bei der Herstellung beweglicher Sachen gemäß § 651 S. 1 (zunächst474) keine Rolle mehr spielt. Verständlich
wird diese Konsequenz auch, wenn man die bisher analog § 651 Abs. 2 a.F. behandelten Fallgestaltungen mit Werklieferungsverträgen und Herstellungswerkverträgen über bewegliche Sachen vergleicht: Sie stehen quasi »dazwischen«, da der Stoff
sozusagen wirtschaftlich vom Besteller, materiell aber vom Unternehmer stammt.
Damit müssen sie erst recht wie Herstellungswerkverträge behandelt werden.
5. Verallgemeinerung der sachenrechtlichen Neutralität: Pflicht zur rechtsgeschäftlichen Eigentumsübertragung kein zwingendes Merkmal der Kaufrechtsanwendbarkeit bei sachbezogenen Verträgen
Wenn eine Pflicht zur rechtsgeschäftlichen Eigentumsübertragung kein zwingendes
Merkmal für die Anwendbarkeit des § 651 S. 1 ist, so stellt sich die Frage, ob auch
im übrigen bei Geschäften über bewegliche Sachen hinsichtlich der Frage der Kaufrechtsanwendbarkeit davon Abschied genommen werden muss, sich an einer solchen Pflicht zu orientieren.
Zwingend erscheint dies zunächst nicht, denn § 651 S. 1 betrifft ja nur den
Sonderfall der Herstellung neuer beweglicher Sachen. Für eine solche Verallgemeinerung spricht jedoch eine Gesamtbetrachtung von § 434 Abs. 2 S. 1 und
§ 651 S. 1:
471 Vgl. Voit in Bamberger/Roth § 651 Rn. 11.
472 Vgl. oben 2.
473 So folglich auch Voit in Bamberger/Roth § 651 Rn. 11.
474 Nur über § 651 S. 2 und 3 wird dies berücksichtigt.
140
§ 434 Abs. 2 S. 1, der eine Umsetzung des Art. 2 Abs. 5 S. 1 VerbrGKRL darstellt, ordnet bei kaufrechtlich zu behandelnden Lieferverträgen mit Montageverpflichtung an, dass auch der Montageaspekt nach kaufrechtlichem Gewährleistungsrecht zu behandeln ist. Diese Norm findet auch bei Verträgen Anwendung,
bei welchen der Lieferaspekt § 651 S. 1 unterfällt, sie gilt mithin auch bei Herstellungswerkverträgen.475 Da das Eigentum bei Herstellungswerkverträgen nach hier
vertretener Auffassung schon aufgrund des Herstellungsprozesses beim Besteller/
Käufer liegt, hat dies zur Folge, dass ein Montagelieferungsvertrag mit einem Herstellungswerk als Lieferelement dem Kaufrecht unterfallen kann, ohne dass eine
Pflicht zur rechtsgeschäftlichen Eigentumsübertragung besteht.
Wenn nun ein Montagelieferungsvertrag dem Kaufrecht unterfallen kann,
obwohl der Herstellungsprozess eine rechtsgeschäftliche Eigentumsübertragung
überflüssig macht, dann macht es aber auch keinen Sinn, ein grundsätzliches Hindernis für die Kaufrechtsanwendbarkeit darin zu sehen, dass der Montageprozess
eine rechtsgeschäftliche Eigentumsübertragung überflüssig macht.476 Das ist stets
dann der Fall, wenn das Eigentum durch die Montage gemäß § 946 übergeht. Konsequent ist daher nur, auf die Pflicht zur rechtsgeschäftlichen Eigentumsübertragung
als Kennzeichen der Kaufrechtsanwendbarkeit ganz zu verzichten. Dies betrifft
dann aber konsequent auch Fälle, in denen die zu montierende Sache vorher nicht
hergestellt werden muss, also auch Montagelieferungsverträge mit »klassisch«
kauftypischem Lieferelement (z.B. Einbau der fertig gekauften Sache in der Wohnung). Der Grund für letzteres liegt in der durch § 651 S. 1 angeordneten Gleichbehandlung von Kauf-, Werklieferungs- und Herstellungswerkverträgen über bewegliche Sachen. Nach wie vor zu fordern ist bei bereits existierenden Montagegegenständen nur, dass sie aus der Unternehmersphäre stammen, denn ansonsten läge ein
reiner Änderungswerkvertrag vor (z.B. Einbau der durch den Besteller besorgten
Sache in seiner Wohnung).
Allenfalls könnte man darauf abstellen, dass der Montageprozess im Falle der
Montage eines Herstellungswerks so beschaffen sein muss, dass eine rechtsgeschäftliche Eigentumsübertragung noch erforderlich wäre, wenn der Besteller nicht
schon Eigentümer wäre. Bei einer Fallbeurteilung müsste man dann prüfen, ob es zu
einem Eigentumsübergang kraft Verbindung i.S.d. § 946 käme, wenn man fiktiv
zunächst dem Unternehmer das Eigentum an der Sache zuwiese; bejahendenfalls
wäre Werkvertragsrecht anzuwenden. Dann hätte man zwar ebenfalls die durch
§ 651 S. 1 geforderte Gleichstellung von Lieferelementen mit Herstellungswerkcharakter und Lieferelementen mit Kauf- bzw. Werklieferungscharakter erreicht, man
stünde jedoch vor einem weiteren, bereits aus anderem Zusammenhang bekannten
Problem: Die Anwendbarkeit der Richtlinie darf nicht von sachenrechtlichen
475 Näher zum Ganzen (Anwendbarkeit des § 434 Abs. 2 S. 1 auf Kombinationen mit einem gewichtigem §-651-Element und einem untergeordneten Montageelement) Kap. 3.
476 Insoweit zutreffend auch Metzger AcP 204 (2004), 231, 256, 263.
141
Zuordnungen der Mitgliedsstaaten abhängig gemacht werden.477 Daher kann wie
schon beim Herstellungswerkvertrag nicht ausgeschlossen werden, dass ein Montagelieferungsvertrag im Einzelfall auch dann der Richtlinie unterfällt, wenn nach
deutschem Recht ein Eigentumsübergang kraft Gesetz vorliegt und es mithin an
einer rechtsgeschäftlichen Eigentumsübertragung fehlt. Es spricht daher alles dafür,
dass es für die Anwendbarkeit der Richtlinie generell nicht darauf ankommen kann,
ob eine rechtsgeschäftliche Eigentumsübertragung noch erforderlich ist. Dies muss
im Wege der richtlinienkonformen Auslegung478 bei Verbrauchergeschäften
berücksichtigt werden. Da § 434 Abs. 2 S. 1 die Richtlinie überschießend umsetzt
und Anzeichen für eine gespaltene Auslegung479 nicht ersichtlich sind, gilt diese
Regel aber auch bei Nichtverbrauchern.
Im schuldrechtsmodernisierten Recht ist daher eine Pflicht zur rechtsgeschäftlichen Eigentumsübertragung allgemein kein zwingendes Merkmal der Kaufrechtsanwendbarkeit bei Geschäften über bewegliche Sachen mehr.480
Dies darf aber nicht so verstanden werden, dass nunmehr jeder Vertrag, bei dem
eine bewegliche Sache endgültig zur Verfügung zu stellen (also zu »liefern«) ist,
automatisch dem Kaufrecht unterfällt.481 Die Zuordnungsfrage hängt nunmehr
lediglich von anderen Faktoren als der Übereignungsfrage ab, namentlich von der
Bedeutung des Lieferelements gegenüber dem Montageelement. Außerdem ist das
Fehlen einer Pflicht zur rechtsgeschäftlichen Eigentumsübertragung immer noch ein
erster Hinweis darauf, dass die Anwendbarkeit des Kaufrechts zumindest zweifelhaft ist, da gerade in diesen Fällen die Montage häufig einiges Gewicht hat. Im Einzelnen wird auf diese Problematik noch in einem gesonderten Kapitel einzugehen
sein.482
477 Vgl. oben IV. 2. a), insbes. dort. dd) (1).
478 Dazu Teil 1, A).
479 Dazu Teil 1, B).
480 So auch Schuhmann ZGS 2005, 250, 254 (anders aber offenbar ders. BauR 2005, 293, 295); i. Erg.
auch Leupertz BauR 2006, 1648, 1650; ders. in Prütting/Wegen/Weinreich § 651 Rn. 7; a.A. aufgrund des Verständnisses von »Lieferung« als rechtsgeschäftlicher Eigentumsverschaffung konsequent Palandt/Sprau § 651 Rn. 4; Kleine-Möller in Kleine-Möller/Merl § 2 Rn. 4; Konopka/Acker
BauR 2004, 251, 255; a.A. auch Zänker S. 141 f., 145, der für Herstellungswerkverträge zwar
jedenfalls für die Fälle des § 950 Abs. 1 S. 1 a.E. wie hier keine Eigentumsübertragungspflicht
konstatiert und Kaufrecht für anwendbar erklärt, dies aber für die Fälle des § 946 anders sieht.
481 Zu weitgehend daher Metzger AcP 204 (2004), 231, 256, 263, der die abzulehnende Konsequenz
zieht, dass Art. 2 Abs. 5 VerbrGKRL und damit das deutsche Kaufrecht auch Lieferungsverträge
mit Montagehauptpflicht erfasse (vgl. dazu Kap. 3 D) I.). Es gibt Montagenebenleistungen, bei
denen die montierte Sache unselbständig wird (also keine rechtsgeschäftliche Übertragung) und es
gibt Montagehauptleistungen, bei denen das nicht der Fall ist (also rechtsgeschäftliche Übertragung), so dass aus der Nichterforderlichkeit einer rechtsgeschäftlichen Eigentumsübertragung für
den Lieferungsbegriff nicht geschlossen werden kann, dass das Kaufrecht Verträge mit Montagehauptpflicht erfasst.
482 Vgl. ausführlich Kap. 3, dort insbes. D) I. und E).
142
V. Die Behandlung von Lieferungsverträgen mit Änderungsverpflichtung und der
Grundsatz der Irrelevanz der Geschichte einer übereignungsbedürftigen
beweglichen Sache
Unter einem Lieferungsvertrag mit Änderungsverpflichtung versteht man einen
Vertrag, bei dem eine noch übereignungsbedürftige Sache nicht nur geliefert, sondern zudem den individuellen Wünschen des Käufers/Bestellers angepasst werden
soll.483 Ein klassisches Beispiel hierfür ist ein den Körpermaßen des Käufers/Bestellers anzupassender Konfektionsanzug. Nach altem Recht wurden solche Verträge
gemäß den Regeln über gemischte Verträge eingeordnet, und zwar im Ergebnis entsprechend den Lieferungsverträgen mit Montageverpflichtung.484 Das heißt, es
wurde Werkvertragsrecht angewandt, wenn die Änderungsverpflichtung nicht von
untergeordneter Bedeutung war; andernfalls galt im Grundsatz Kaufrecht, wobei
nach überwiegender Ansicht die Änderungspflicht über die Anwendung der Kombinationsmethode berücksichtigt wurde.485
Im neuen Recht stellt sich die Frage, ob hier wie bei Werklieferungsverträgen
Kaufrecht anzuwenden ist, da wie bei diesen ein kauftypisches Element (die Pflicht
zur Eigentumsübertragung) mit einem auf die Sache bezogenen werktypischen Element zusammentrifft. Sollte dies der Fall sein, so bliebe zu erörtern, ob die Änderungspflicht auf irgendeine Weise noch berücksichtigt werden kann. Aus der Einordnung von Lieferungsverträgen mit Änderungsverpflichtung in Verbindung mit
dem Anwendungsbereich des § 651 S. 1 ergibt sich schließlich ein neues Prinzip der
Kaufrechtsanwendbarkeit, welches im Anschluss zu erörtern sein wird.
1. Analoge Anwendung des § 651 S. 1 BGB
Vergleicht man Lieferungsverträge mit Änderungsverpflichtung mit Werklieferungsverträgen, so liegt eine Analogie zu § 651 S. 1 nahe:
Lieferungsverträge mit Änderungsverpflichtung stellen eine Zwischenstufe zwischen normalen Kaufverträgen und Werklieferungsverträgen dar. Bei Werklieferungsverträgen muss die zu übereignende Sache erst noch entstehen. Lieferungsverträge mit Änderungsverpflichtung unterscheiden sich davon nur dadurch, dass die
Sache schon existiert und die individuellen Wünsche des Käufers/Bestellers in die
Änderung einfließen. Bei Werklieferungsverträgen findet Kaufrecht stets Anwendung, selbst wenn dabei individuelle Wünsche des Käufers/Bestellers zu berücksichtigen sind. Daher muss dies bei den den Kaufverträgen näher stehenden Lieferungsverträgen mit Änderungsverpflichtung erst recht gelten. § 651 ist daher analog
483 Zur Definition vgl. I.
484 Soergel12/Huber vor § 433 Rn. 282 m.w.N.; zur Einordnung von Lieferungsverträgen mit Montageverpflichtung im bisherigen Recht vgl. Kap. 3 A) I.
485 BGH NJW 1983, 2440, 2441; BGH NJW-RR 2004, 1205 f. (standardisierte Ausstattung eines
Mobilheims); MünchKomm3/H. P. Westermann vor § 433 Rn. 22; Soergel12/Huber vor § 433
Rn. 282.
143
anzuwenden.486 Dabei kommt es auch hier grundsätzlich nicht darauf an, ob die
Sache unvertretbar ist oder nicht.
Dieser Erst-Recht-Schluss entspricht auch dem Anwendungsbereich der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie. Allerdings ergibt sich dies ebenfalls erst aus einer Analogie, und zwar zu Art. 1 Abs. 4 VerbrGKRL. Wie im Rahmen der allgemeinen Vorbemerkungen zur Methode487 bereits erörtert wurde, sind Analogien bei Richtlinien
dann möglich, wenn eine sogenannte interne Lücke vorliegt. Eine solche liegt vor,
wenn eine bestimmte Fallgruppe dem Wortlaut nach von den anwendungsbereichsbestimmenden Normen nicht erfasst ist, obwohl sie erst recht erfasst sein müsste. Da
der Lieferungsvertrag mit Änderungsverpflichtung zwischen dem Grundanwendungsbereich (Kaufverträge, Art. 1 Abs. 1 VerbrGKRL) und der Anwendungsbereichserweiterung des Art. 1 Abs. 4 VerbrGKRL steht, müsste er eigentlich erst
recht erfasst sein. Die Nichterwähnung solcher Verträge im Wortlaut stellt mithin
eine interne Lücke dar.
2. Erstreckung der Analogie auf § 651 S. 3 BGB
Wendet man § 651 S. 1 analog auf Lieferungsverträge mit Änderungsverpflichtung
an, so liegt auch eine Analogie zu § 651 S. 3 nahe, soweit es sich um eine unvertretbare Sache handelt. Dabei taucht jedoch die Schwierigkeit auf, dass die Unvertretbarkeit der konkret zu liefernden Sache mehrere Ursachen haben kann:
– Die Sache kann durch die Änderung unvertretbar geworden sein (z.B. spezielle
Gravur auf einem Standardpokal488);
– Die Sache kann bereits vor der Änderung unvertretbar gewesen sein und hat sich
durch die Änderung nicht wesentlich verändert (z.B. Neue Klarlacklackierung
auf antikem Unikat eines Bauernschranks);
– Die Sache kann bereits vor der Änderung unvertretbar gewesen sein, hat aber
durch die Änderung eine derartige Veränderung erfahren, dass sie unvertretbar
geworden wäre, wenn sie vorher vertretbar gewesen wäre, sie hat mit anderen
Worten die für die konkrete Unvertretbarkeit maßgeblichen Charakteristika erst
durch den Änderungsprozess erworben (z.B. Generalüberholung des antiken
Bauernschranks mit Auswechselung des Furniers o.ä.).
486 A.A. für die Lieferung anzupassender Standardsoftware (unter der Prämisse, dass Individualsoftware vom Wortlaut des § 651 S. 1 erfasst wird, vgl. dazu unten ausführlich Kap. 5 C) Rösch in
JurisPraxKomm § 631 Rn. 79; Redeker CR 2004, 88, 91; Bräutigam/Rücker CR 2006, 361, 366.
487 Vgl. Teil 1, D) V.
488 Dabei entsteht keine neue Sache. Auch aus § 950 Abs. 1 S. 2 ergibt sich nichts anderes, da diese
Norm die Entstehung einer neuen Sache voraussetzt und nur klarstellt, dass eine neue Sache auch
mit den dort genannten Arbeitsmethoden entstehen kann. Ob eine neue Sache entsteht, bestimmt
sich auch in den Fällen des § 950 Abs. 1 S. 2 nach der Verkehrsanschauung (vgl. Staudinger/Wiegand § 950 Rn. 9). Bei einer Gravur eines Pokals wird man nicht sagen können, dass nach der Verkehrsanschauung eine neue Sache entsteht.
144
Würde man auf alle drei Fallgruppen § 651 S. 3 analog anwenden, so entspräche
dies nicht dem Zweck des § 651 S. 3. Denn § 651 S. 3 dient bei Werklieferungsverträgen der Berücksichtigung der besonderen Werktypik, die bei der Herstellung
unvertretbarer Sachen besteht.489 Ist die Sache jedoch von Anfang an unvertretbar,
besteht zunächst kein Unterschied zum normalen Kauf unvertretbarer Sachen, auf
den § 651 S. 3 jedenfalls keine Anwendung findet. Daher muss danach differenziert
werden, aus welchem Grund die Sache unvertretbar ist, und da die Änderung das der
Herstellung entsprechende werktypische Element ist, muss diese zur Unvertretbarkeit geführt haben.
In der ersten Fallgruppe ist § 651 S. 3 mithin anwendbar, denn hier führt der
Änderungsprozess zur Unvertretbarkeit. Da dies in der zweiten Fallgruppe nicht der
Fall ist, ist § 651 S. 3 hier nicht anzuwenden. In der dritten Fallgruppe ist § 651 S. 3
hingegen anwendbar, denn hier hat die Änderung zur Unvertretbarkeit der Sache in
ihrem letztlich geschuldeten Erscheinungsbild geführt.
War eine Sache vor der Änderung bereits unvertretbar, so muss man sich mithin
die Frage stellen, ob die Sache durch die Änderung unvertretbar geworden wäre,
wenn sie zuvor vertretbar gewesen wäre. Das tatsächliche Problem besteht darin,
entscheiden zu müssen, ob im konkreten Fall eine Änderung solcher Qualität vorliegt. Hier wird man ähnlich wie bei der bisherigen Differenzierung zwischen
grundsätzlich nach Kaufrecht zu behandelnden Lieferverträgen mit geringfügigen
Änderungen und grundsätzlich nach Werkvertragsrecht zu behandelnden Lieferverträgen mit bedeutenderen Änderungen auf äußere Indizien abstellen müssen, wie
z.B. den Zeit- und Materialaufwand bei der Änderung, die Auswirkungen auf das
Erscheinungsbild und der auf die Änderung anfallende Teil der Vergütung.
3. Der Grundsatz der Irrelevanz der Geschichte einer übereignungsbedürftigen
beweglichen Sache
Praktisch hat die analoge Anwendung des § 651 S 1, S. 3 auf Lieferungsverträge
mit Änderungsverpflichtung zur Folge, dass in allen Fällen, bei denen eine bewegliche Sache zu übereignen ist, zunächst nicht danach gefragt werden muss, ob die
geschuldete Sache ihren geschuldeten Endzustand schon hat, erst durch eine Änderung erfährt oder ob sie erst entstehen muss. In allen Fällen findet Kaufrecht direkt
oder über § 651 S. 1 (analog) Anwendung. Erst bei der Frage der Anwendbarkeit
des § 651 S. 3 muss gegebenenfalls nach der Geschichte der Sache, d.h. den Gründen für ihre Unvertretbarkeit, geforscht werden; dies aber natürlich nur, wenn es
darauf ankommt. Bei gewährleistungsrechtlichen Fragestellungen ist dies zum Beispiel nicht der Fall. In solchen Fällen erübrigt sich damit auch eine weitere Differenzierung zwischen Änderung und Herstellung. Das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz hat damit praktisch ein neues Prinzip der Kaufrechtsanwendbarkeit
489 Vgl. dazu oben B) IV.; vgl. auch unten D) I.
145
geschaffen: Die Irrelevanz der Geschichte einer übereignungsbedürftigen beweglichen Sache.
Ein Problem besteht allerdings darin, dass dieses Prinzip nur für übereignungsbedürftige Sachen gilt, aber nicht für alle Verträge über bewegliche Sachen aus
dem Bereich des Kauf- und Werkvertragsrechts. Dabei handelt es sich um ein Problem des § 651 S. 1: Änderungswerkverträge (z.B. Reparatur einer Sache des Käufers/Bestellers) unterfallen dem Werkvertragsrecht, während Herstellungswerkverträge (Herstellung einer Sache aus Stoffen des Käufers/Bestellers) nach hier vertretener Auffassung § 651 S. 1 unterfallen.490 Mithin müssen Änderungsvorgänge und
Herstellungsvorgänge dann voneinander unterschieden werden, wenn die dem Beoder Verarbeitungsprozess unterliegenden Stoffe im Wesentlichen vom Besteller
stammen. (Nur) für die Einordnung solcher Fälle bedarf es mithin einer genaueren
Konkretisierung des Begriffs der Herstellung in § 651 S. 1, um die es im Folgenden
geht.
VI. Grundlagen der Konkretisierung des Herstellungsbegriffs
Oben wurde dargestellt, dass eine Herstellung dann vorliegt, wenn eine neue Sache
entsteht.491 Wie gerade gezeigt wurde, müssen Sachherstellungen von Sachänderungen abgegrenzt werden, soweit es sich nicht um noch übereignungsbedürftige
Sachen handelt, da der Änderungswerkvertrag im Gegensatz zum Herstellungswerkvertrag nicht § 651 S. 1 unterfällt.
Problematisch ist diese Abgrenzung, weil sich hier im Vergleich zum bisherigen
Recht eine in dieser Form völlig neue Aufgabe stellt. Bisher musste bei der Bestimmung des Anwendungsbereichs des Kauf- bzw. Werkvertragsrechts praktisch nicht
zwischen Herstellungen und Änderungen unterschieden werden. Letztlich waren
für die Einordnung alleine das Gewicht der Werktypik und in abgemilderter Form
die Stoffherkunft entscheidend. Hatte der Besteller den Hauptstoff zu stellen, so
fand alleine Werkvertragsrecht Anwendung, egal ob die Stoffe nur bearbeitet
(§ 631) oder auch verarbeitet (§ 651 Abs. 2 a.F.) werden sollten. Hatte der Unternehmer den Hauptstoff zu stellen, so fand Werkvertragsrecht immer dann Anwendung, wenn eine erhöhte Werktypik dies erforderte. Dies war dann der Fall, wenn
es sich um die Herstellung einer unvertretbaren Sache handelte (§ 651 Abs. 1. S. 2
Halbs. 2 a.F.), oder wenn die Änderung der Sache von solcher Bedeutung war, dass
sie den Schwerpunkt des Vertrags bildete492. Meistens zeigte sich dies im letzteren
Fall auch immer dadurch, dass die Sache gerade durch die Änderung unvertretbar
wurde.
490 Vgl. oben II. und IV. 2.
491 Vgl. oben II.
492 Vgl. oben V.
146
Wie sich im Folgenden zeigen wird, ist weitestgehend unklar, nach welchen
Maßstäben die nach neuem Recht erforderliche Abgrenzung zu erfolgen hat. Daher
konzentriert sich die folgende Darstellung auf die für die Auslegung maßgeblichen
Grundlagen, soweit diese (noch) ermittelt werden können. Weitere Maßstäbe werden durch die Literatur und Rechtsprechung entwickelt werden müssen. Dies kann
in dieser Arbeit schon aus Platzgründen nicht geleistet werden. Dennoch sollen
einige ausgewählte konkrete Fragestellungen aufgezeigt werden, ohne aber
abschließende Lösungen vorzuschlagen.
1. Bei der Auslegung zu berücksichtigende Richtlinienvorgaben
Da § 651 S. 1 der Umsetzung des Art. 1 Abs. 4 VerbrGKRL dient, ist zumindest bei
Verbrauchergeschäften der Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung zu
berücksichtigen. Mithin ist zunächst maßgeblich, welchen Kreis an Fällen der Herstellungsbegriff in Art. 1 Abs. 4 VerbrGKRL mindestens umfasst. Mangels Indizien
für eine gespaltene Auslegung gilt für Nichtverbrauchergeschäfte entsprechendes.493
Dabei muss noch einmal betont werden, dass der Herstellungsbegriff der Richtlinie autonom ausgelegt werden muss.494 Gerade dies führt zu Schwierigkeiten, denn
es stehen kaum Anhaltspunkte für die Auslegung zur Verfügung. Letztlich kann
eine Annäherung an den Begriff nur auf objektiv-teleologischer Basis erfolgen.
a) Wortlaut und Systematik der Richtlinie
Der Wortlaut des Art. 1 Abs. 4 VerbrGKRL lässt eine genauere Konkretisierung des
Herstellungsbegriffs nicht zu.
Auch die Systematik hilft hier letztlich nicht weiter. Im Grunde ist nur erkennbar,
dass die Richtlinie primär auf den typischen Mobilienkauf ausgerichtet ist495, und
dass die Erfassung von werktypischen Verträgen und werktypischen Vertragselementen dabei die Ausnahme bleiben soll. Dabei ist der Herstellungswerkvertrag diejenige Ausnahme, die am weitesten in den Bereich der kaufuntypischen Verträge
hineinreicht, da es hier an jeglicher Kauftypik mangelt. Nicht erkennbar ist jedoch,
wieweit diese prinzipiell enthaltene Ausnahme von der Ausrichtung auf kauftypische Verträge konkret gehen soll. Es ist mit anderen Worten nicht erkennbar, ob der
Herstellungsbegriff restriktiv oder weit auszulegen ist. Das ist aber die hier interessierende Frage. Diesem Problem kann man sich auch nicht alleine dadurch nähern,
dass man nach einem bestimmten Verbraucherschutzbedürfnis fragt, denn die
Richtlinie verfolgt den Verbraucherschutz nur in ihrem Anwendungsbereich, um
493 Zur richtlinienkonformen Auslegung und zur einheitlichen Auslegung bei überschießender Umsetzung vgl. Teil 1, A) und B).
494 Vgl. zur autonomen Auslegung von Richtlinien Teil 1, D) I.
495 Vgl. in anderem Kontext oben B) I. 2.
147
dessen Bestimmung es ja gerade geht – man befände sich also in einem Zirkelschluss.496
b) Entstehungsgeschichte, insbesondere: Orientierung an Art. 3 Abs. 1 CISG 497?
Auch die Geschichte der Richtlinie liefert wenig Anhaltspunkte. In den Materialien
finden sich keine Hinweise. Auch die Orientierung an Art. 3 Abs. 1 CISG hilft nicht
weiter, da eine Abgrenzung zwischen Herstellung und Veränderung dort praktisch
nicht erforderlich ist. Erstens liegt dies daran, dass im Gegensatz zur Richtlinie
sowohl Änderungswerkverträge als auch Herstellungswerkverträge nicht vom
Anwendungsbereich des UN-Kaufrechts erfasst sind, denn Art. 3 Abs. 1 CISG enthält anders als die Richtlinie eine Stoffherkunftsklausel.498 Zweitens liegt dies
daran, dass Lieferungsverträge mit Änderungsverpflichtung wie bei der Richtlinie499 dem Anwendungsbereich unterfallen, da sie auch dort als »Minus« zum
Werklieferungsvertrag anzusehen sind und daher Art. 3 Abs. 1 CISG entsprechend
anzuwenden ist. Aufgrund dieser praktischen Irrelevanz verwundert es nicht, dass
die Literatur den Herstellungsbegriff des Art. 3 Abs. 1 CISG regelmäßig schon gar
nicht definiert.500 Rechtsprechung fehlt ganz. Folglich betritt der Rechtsanwender
hier völliges Neuland, obwohl sich der Richtliniengeber am Wortlaut des Art. 3
Abs. 1 CISG orientiert hat.
c) Orientierung an § 950 BGB?
Häufig wird vorgeschlagen, sich zur Auslegung des Herstellungsbegriffs des § 651
S. 1 an § 950 zu orientieren.501 Dies ist jedoch deshalb problematisch, weil der
Anwendungsbereich der Richtlinie aufgrund des Grundsatzes der autonomen Auslegung nicht von den zu § 950 entwickelten Kriterien abhängig gemacht werden
kann. Damit sind Konflikte mit dem Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung
nicht ausgeschlossen.
496 Zur sehr begrenzten Tauglichkeit des Arguments »Verbraucherschutz« zur Bestimmung des
Anwendungsbereichs vgl. allgemein Teil 1, D) IV.
497 Convention on Contracts for the International Sale of Goods (Übereinkommen der Vereinten
Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf von 1980, UN-Kaufrecht).
498 Nur Karollus S. 23 versteht die Stoffherkunftsklausel des Art. 3 Abs. 1 CISG anders: einen wesentlichen »Stoff«beitrag stelle der Besteller nur, wenn der Beitrag die Eigenschaften der Ware bereits
entscheidend prägt, so dass letztlich nur Veränderungen an existenten Waren des Bestellers vom
Anwendungsbereich ausgenommen werden würden. Wenn das richtig wäre, entspräche Art. 3
Abs. 1 CISG weitgehend Art. 1 Abs. 4 VerbrGKRL, da so auch Herstellungswerkverträge erfasst
wären. Die Ansicht ist aber grammatikalisch nicht begründbar und verfehlt den Zweck der Stoffherkunftsklausel (vgl. näher Höß S. 131 f.).
499 Vgl. oben V.
500 Vgl. statt vieler Staudinger/Magnus Art. 3 CISG Rn. 13: in diesem ausführlicheren Kommentar
findet sich überhaupt keine Definition des Herstellungsbegriffs.
501 Ohne Einschränkung: Oetker/Maultzsch § 8 Rn. 13; AnwK-BGB/Raab § 651 Rn. 16; zurückhaltender: Voit BauR 2002, 145, 146; ders. in Bamberger/Roth § 651 Rn. 5; Mankowski MDR 2003,
854, 855.
148
Als Auslegungshilfe kommt aber eine vorsichtige Orientierung an § 950 Abs. 1
S. 1 oder an anderen vergleichbaren Normen der Mitgliedsstaaten durchaus in
Betracht. Hier wie dort geht es darum, »neu« von »schon vorhanden« zu unterscheiden. Man wird daher hier wie dort in der überwiegenden Zahl der Fälle zu gleichen
Ergebnissen kommen. Maßstab ist bei § 950 die Verkehrsanschauung, für deren
Konkretisierung sich ergänzende Beurteilungskriterien wie Namensänderung,
Wesensveränderung, Formveränderung, Festigkeit von Verbindungen usw. herausgebildet haben.502
Man darf dabei aber nicht zu einer unreflektierten Übernahme der entsprechenden Kasuistik übergehen. Insbesondere muss beachtet werden, dass Art. 1 Abs. 4
VerbrGKRL und § 950 zwei verschiedene Zwecke verfolgen: Bei Art. 1 Abs. 4 VerbrGKRL geht es darum, den Anwendungsbereich eines schuldrechtlichen Normenkomplexes abzustecken, während es bei § 950 um die rein sachenrechtliche Frage
der Zuordnung des Eigentums geht.503
d) Sinn und Zweck
Der Herstellungsbegriff hat die Funktion, den Anwendungsbereich der Richtlinie
abzustecken. Mehr ist letztlich nicht erkennbar. Ein gewisser Anhaltspunkt ergibt
sich nur aus der bereits erwähnten Tatsache, dass die Richtlinie ein rein schuldrechtlicher Normenkomplex ist. Daher bleibt in den denkbaren Konfliktfällen letztlich
nur die Möglichkeit, objektive Kriterien dafür zu entwickeln, wann eine zur
Anwendbarkeit der Richtlinie führende Subsumtion unter den Herstellungsbegriff
sachgerecht ist. Ähnlich wie bei einigen Problemfällen bei der Auslegung des § 950
ist diese Herangehensweise ein wenig ergebnisorientiert, nur dass es hier nicht um
die Frage geht, ob eine bestimmte Eigentumslage sachgerecht ist.
Doch wann ist es sachgerecht, einen Fall (noch) unter Art. 1 Abs. 4 VerbrGKRL
zu subsumieren? An sich stützt man sich bei vergleichbaren Auslegungsproblemen
auf objektiv-teleologischer Ebene auf den Gleichbehandlungsgrundsatz als Auslegungshilfe.504 Angesichts der Tatsache, dass die Abgrenzung praktisch nur im
Grenzbereich zwischen Herstellungs- und Änderungswerkverträgen relevant wird,
welche sich typologisch an sich nicht unterscheiden505, ist hier aber letztlich jede
Grenzziehung willkürlich.506 Die Richtlinie bedient sich mit anderen Worten eines
Begriffs, der vergleichbare Fälle voneinander trennt. Damit scheidet auch der
Gleichbehandlungsgrundsatz als Orientierung aus.
502 Staudinger/Wiegand § 950 Rn. 9.
503 Vgl. zum Grundsatz der Relativität der Rechtsbegriffe Schmalz Methodenlehre Rn. 241.
504 Vgl. (zur deutschen Methodenlehre) Larenz/Canaris Methodenlehre S. 155.
505 Vgl. oben II. und IV. 2. b) cc) (1).
506 Plastisch bringt dies Peters (NZBau 2007, 1 f.) mit dem Beispiel des Wiederzusammensetzens
einer zersprungenen Vase auf den Punkt: Reparatur oder Herstellung? Abhängig von der Anzahl
der Scherben?
149
Gleichzeitig zeigt dies noch einmal deutlich, dass eine Argumentation mit dem
Verbraucherschutz zu nichts führen kann: Sinn macht eine solche Argumentation an
dieser Stelle nur in Verbindung mit dem Gleichheitsgrundsatz, nämlich dass es nicht
gerechtfertigt erscheint, den Verbraucherschutz auf eine bestimmte (im Detail unbekannte) Art von Sachbearbeitungen (nämlich Verarbeitungen) zu beschränken. Das
Argument macht mit anderen Worten nur Sinn, wenn auch unproblematisch als solche einzustufende Änderungswerkverträge erfasst werden würden, was aber gerade
nicht der Fall ist.507
e) Zwischenergebnis
Nach alledem bleibt mithin außer einer vorsichtigen Orientierung an § 950 oder vergleichbaren Normen nichts übrig, als die weitere Entwicklung, insbesondere die
Rechtsprechung des EuGH zu dieser Frage abzuwarten. Im Grenzbereich zwischen
Herstellung und Änderung ist die Auslegung der Richtlinie mit anderen Worten
offen.
Von der Notwendigkeit einer richtlinienkonformen Auslegung befreit dieser
Umstand allerdings nicht. Spätestens der EuGH wird im Rahmen einer Vorabentscheidung zu den jeweils vorgelegten Grenzfällen bindende Regeln aufstellen müssen. Misslich ist dieser Umstand allerdings deshalb, weil bis dahin der Mindestanwendungsbereich des § 651 S. 1 nicht endgültig bekannt ist.
2. Auslegung des § 651 S. 1 BGB
Bei der Auslegung des Herstellungsbegriffs in § 651 S. 1 stellen sich letztlich ähnliche Schwierigkeiten. Seine Mindestreichweite wird durch den in seinen Einzelheiten unbekannten Herstellungsbegriff der Richtlinie bestimmt. In den Materialien
sind keine Anhaltspunkte gegeben. Eine Orientierung an § 651 a.F. ist nicht zielführend, da sich die hier stellende Problematik einer Abgrenzung zwischen Änderungsund Herstellungswerkverträgen im bisherigen Recht nicht stellte und daher auch
keine Maßstäbe entwickelt werden mussten. Eine Übertragung der zu § 950 entwikkelten Maßstäbe steht schließlich unter dem Vorbehalt der Richtlinienkonformität508 bzw. des Grundsatzes der einheitlichen Auslegung509.
Nur soweit die Richtlinie hinter dem Herstellungsbegriff des § 950 Abs. 1 S. 1
zurückbleiben sollte, wäre eine dem § 950 entsprechende Auslegung des § 651 S. 1
europarechtlich unbedenklich, da die Richtlinie einen über ihren Anwendungsbereich hinausgehenden Verbraucherschutz gestattet (Art. 8 Abs. 2 VerbrGKRL).510
Doch auch insoweit kann vor dem Hintergrund der Relativität der Rechtsbe-
507 Vgl. zur Einordnung von Änderungswerkverträgen bereits oben II.
508 Vgl. Teil 1, A).
509 Vgl. Teil 1, B).
510 Vgl. Teil 1, C).
150
griffe511 nicht automatisch davon ausgegangen werden, dass sich die Begriffe entsprechen. § 950 hat schließlich einen anderen Zweck als § 651 S. 1: Hier geht es
um die Eigentumszuordnung, dort um die Zuordnung von Schuldverträgen.
Solange es an weiteren Konkretisierungen durch die Rechtsprechung, insbesondere durch den EuGH, fehlt, bleibt einstweilen damit nur die Möglichkeit einer vorsichtigen Orientierung an den zu § 950 entwickelten Maßstäben.
3. Konkrete Fragestellungen
Bei einigen klassischen Beispielsfällen kann man sich relativ problemlos an § 950
orientieren, weil man schon nach dem natürlichen Sprachgebrauch des Begriffs
»Herstellung« beurteilen kann, ob eine solche vorliegt oder nicht.
Kein Fall des § 651 S. 1 ist daher z.B. die Restaurationen eines Möbelstücks, da
auch bei aufwändiger Restauration noch das alte Möbelstück existiert512; das Einbauen eines Motors in ein Auto, denn obwohl der Motor das Auto erst nutzbar
macht, bleibt es das Auto513; das Vergolden eines Rings514. Keine neue Sache entsteht bei der Aufzucht von Jungtieren.515 Eine Herstellung liegt z.B. vor, wenn aus
Ton Ziegel hergestellt werden516 oder aus Brennwein Weindestillat517. Ein klassischer Fall ist schließlich der des Lohnschneiders, der aus Stoffen des Bestellers/
Käufers einen Anzug schneidert.518
Bei den folgenden ausgewählten Fallgestaltungen könnten sich indes möglicherweise Abweichungen ergeben. Aufgezeigt werden soll nur, warum dies so ist.
Lösungsansätze können dabei nur angedeutet werden.
a) Die Frage der Neuheit
Eine Herstellung unterscheidet sich von einer Änderung dadurch, dass eine neue
Sache entsteht. Doch wann ist eine Sache »neu«? Bei § 950 kommt es nicht darauf
an, ob die für die Herstellung der Sache benutzten Gegenstände ihrerseits alt oder
neu sind. Daher findet die Norm auch dann Anwendung, wenn man der »neuen«
Sache auf den ersten Blick ansieht, dass es sich um eine bloße Zusammensetzung
alter Einzelteile handelt. Beispielsweise stellt ein Buchbinder beim Binden eines
Buchs aus den Heften eines Zeitschriftenjahrgangs eine neue Sache i.S.d. § 950
her.519 Dieses Buch besteht aber aus schon gebrauchten Heften und ist daher bis auf
511 Vgl. dazu Schmalz Methodenlehre Rn. 241.
512 Vgl. Voit in Bamberger/Roth § 651 Rn. 5; AnwK-BGB/Raab § 651 Rn. 17; allg. zur Wiederherstellung von Sachen vgl. Staudinger/Wiegand § 950 Rn. 10.
513 Vgl. Palandt/Bassenge § 950 Rn. 3; AnwK-BGB/Raab § 651 Rn. 17.
514 Vgl. Voit in Bamberger/Roth § 651 Rn. 5.
515 Vgl. BGH NJW 1978, 697 f.
516 Vgl. Staudinger/Wiegand § 950 Rn. 10.
517 Vgl. Kindl in Bamberger/Roth § 950 Rn. 6.
518 AnwKommSchR/Raab § 651 Rn. 5.
519 Vgl. Gursky in Westermann SachR § 53 III 3.
151
den Einband eigentlich alt. Dazu kommt, dass die hier verwendeten Einzelteile als
solche bereits nutzbar sind. »Neu« in diesem Sinne bedeutet also »in dieser Darbietung vorher nicht existente Materieanhäufung«. Sachenrechtlich betrachtet leuchtet
dies ein, denn mit der Zusammensetzung der Einzelteile haben diese aufgehört, als
solche zu existieren. Damit sind die Objekte weggefallen, denen zuvor das Eigentumsrecht zugeordnet wurde. An deren Stelle ist ein anderes Objekt getreten, und
damit dieses eigentumsrechtlich nicht »in der Luft hängt«, wird es durch § 950 einer
bestimmten Person zugeordnet.
Ob diese Unterscheidung zwischen neu und alt auch zwingend für § 651 S. 1
angemessen ist, erscheint jedoch fraglich. Denkbar ist auch, die Zusammensetzung
offenbar alter Sachen nicht als Herstellung zu begreifen, weil das Produkt aus
gebrauchten Einzelteilen besteht und damit insgesamt schon »gebraucht« ist. Vergleichbar sind solche Fälle gewissermaßen mit einer Reparatur, denn ähnlich wie
bei einer solchen geht es hier um die Herstellung der Nutzbarkeit konkreter Sachen.
Der Unterschied besteht bei einer Reparatur darin, dass die gebrauchte(n) Sache(n)
nicht ihre sachenrechtliche Identität verlieren. Es bestehen also nicht nur typologisch, sondern auch rein äußerlich gewisse Gemeinsamkeiten mit einem klassischen
Änderungswerkvertrag.
Problematisch bei einem entsprechenden Verständnis des Herstellungsbegriffs
wäre jedoch unter anderem die Abgrenzung zwischen neuen und alten Einzelteilen.
Außer bei chemischen Umwandlungen sind die verwendeten Stoffe ihrerseits nämlich nie ganz neu. Verfolgte man diesen Ansatz weiter, müsste man mithin noch
genauer ausarbeiten, nach welchen Kriterien zu beurteilen ist, ob eine Sache trotz
ihrer vorherigen (sachenrechtlichen) Nichtexistenz schon »gebraucht« ist.
Eine entsprechende Frage stellt sich bei der Zerkleinerung von Altmaterial, um
dieses der Wiederverwendung zuzuführen, z.B. die Zerkleinerung von Betonbruch
zu Füllmaterial mit bestimmten Eigenschaften. In der Rechtsprechung gibt es Tendenzen, solche Fälle von § 651 S. 1 auszunehmen, weil »bereits vorhandenes Baumaterial« lediglich zerkleinert werde.520 Allerdings bestehen auch hier nur schwer
lösbare Abgrenzungssschwierigkeiten, denn je nachdem, welches Endergebnis
geschuldet ist (z.B. Sand mit einer bestimmten Korngröße), lässt sich im Einzelfall
kaum noch argumentieren, das Endprodukt sei keine neue Sache.
b) Oberflächenbearbeitung (Orientierung an § 950 Abs. 1 S. 2 BGB?)
Eine besondere Einzelfallbetrachtung ist geboten, wenn der Unternehmer/Verkäufer
nur die Oberfläche einer Sache zu bearbeiten hat, die der Besteller/Käufer zur Verfügung stellt. Denn schon bei der Anwendung des § 950 ist hier Vorsicht geboten.
Nach Abs. 1 S. 2 dieser Norm kann auch die Bearbeitung der Oberfläche eine Herstellung darstellen. Dies gilt jedoch nicht in jedem Fall, sondern nur dann, wenn die
520 OLG Naumburg BauR 2008, 1142 ff.
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bearbeitete Sache auch i.S.d. § 950 Abs. 1 S. 1, also nach der Verkehrsanschauung,
als neue Sache beurteilt werden muss.521 § 950 Abs. 1 S. 2 stellt also keine Sondervorschrift dar, sonder beinhaltet nur eine Klarstellung hinsichtlich der möglichen
Techniken, die für den Verarbeitungsprozess i.S.d. § 950 Abs. 1 S. 1 in Betracht
kommen. Wenn man sich an § 950 orientieren möchte, dann muss auf diese Schwierigkeit geachtet werden.
c) Neuentstehung von Sachen mit geringem Wertschöpfungsanteil
Eine neue Sache i.S.d. § 950 kann auch in Fällen entstehen, bei denen der Wertschöpfungsanteil des Unternehmers recht gering ist. Würde man dies auf § 651
übertragen, so müsste man beispielsweise den bloßen Zusammenbau eines Ikeamöbels als erfasst ansehen.522 Der durch den Verkäufer/Unternehmer betriebene Aufwand kann also derart gering sein, dass er mit dem Aufwand einfacherer Reparaturen vergleichbar ist. Hier erscheint es besonders willkürlich, die Zuordnung zum
Kaufrecht von der »Zufälligkeit« abhängig zu machen, ob eine neue Sache im
sachenrechtlichen Sinne entsteht oder nicht.
Zum Teil wird vorgeschlagen, die Anwendbarkeit des § 651 S. 1 dann abzulehnen, wenn der Verarbeitungswert gemäß § 950 Abs. 1 S. 1 a.E. erheblich geringer
ist als der Stoffwert.523 Dieser Vorschlag stößt jedoch auf Bedenken. Zum einen
betrifft § 950 Abs. 1 S. 1 a.E. nicht den Herstellungsbegriff, sondern nur die Frage,
wer Eigentümer der Sache wird, wenn der Verarbeitungswert erheblich geringer ist
als der Stoffwert. Dass keine neue Sache entsteht, wird durch § 950 Abs. 1 S. 1 a.E.
also gerade nicht angeordnet. Konsequent müsste daher die Übertragung des Herstellungsbegriffs des § 950 auf § 651 S. 1 dazu führen, dass auch solche Fälle erfasst
werden. Zum anderen kommt eine verbindliche Orientierung an § 950 Abs. 1 S. 1
a.E. aus Gründen der Richtlinienkonformität524 und des Grundsatzes der einheitlichen Auslegung525 ohnehin nicht in Betracht.
Ansätze dafür, dass der Richtlinienbegriff der Herstellung bei solchen Fällen
restriktiv interpretiert werden kann, sind zudem nicht ersichtlich. Ob der EuGH diesen Weg beschreiten wird, erscheint daher eher fraglich. Dazu kommt, dass aus der
Sicht der Richtlinie hierzu kaum Anlass besteht, da deren auf wenige Themen eingegrenztes Normenprogramm auch auf solche Fälle »sinnvoll« angewendet werden
kann.
521 Staudinger/Wiegand § 950 Rn. 9.
522 Vgl. BGHZ 18, 226, 227: Zusammenbau mehrerer selbständiger Sachen ist Spezifikation.
523 Staudinger/Peters § 651 Rn. 7; zum selben Ergebnis kommen auch Oetker/Maultzsch § 8 Rn. 9,
12 f., indem sie – anders als hier – eine Übereignungspflicht als notwendiges Merkmal der
Anwendbarkeit des § 651 ansehen, den Herstellungsbegriff in voller Abhängigkeit zu § 950 definieren und den Unternehmer grundsätzlich Eigentümer werden lassen, wenn nicht der Tatbestand
des § 950 Abs. 1 S. 1 a.E. greift.
524 Vgl. dazu Teil 1, A).
525 Vgl. dazu Teil 1, B).
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d) Abtrennung (insbesondere Mischproduktion), wirtschaftlich ähnliche unregelmäßige Werklieferungen
Als Mischproduktion bezeichnet man die Gewinnung von Naturerzeugnissen aus
Sachen des Bestellers, beispielsweise das Melken einer Bestellerkuh, das Mahlen
von Bestellergetreide oder das Abernten eines Apfelbaums des Bestellers.526
Aus sachenrechtlicher Sicht liegt hier jeweils eine Abtrennung i.S.d. § 953 vor.
In diesem Sinne entstehen also neue Sachen, die Produkte werden also in diesem
Sinne »hergestellt«. Ob dies aber auch im Lichte des § 651 S. 1 so gesehen werden
muss, kann deshalb hinterfragt werden, weil die Produkte wirtschaftlich betrachtet
keine Neuschöpfung darstellen, sondern aus der Zerlegung bzw. Abtrennung von
Gegenständen hervorgehen, die ihre marktrelevanten Eigenschaften zum großen
Teil bereits zuvor erhalten haben. Diese wirtschaftliche Besonderheit wird auch im
Sachenrecht berücksichtigt, indem das Eigentum ausnahmsweise nicht dem Hersteller der Produkte, sondern grundsätzlich dem Eigentümer der Ursprungssache zugeordnet wird (§§ 953 ff.).527 Auch das Sachenrecht behandelt diese Fälle also wirtschaftlich betrachtet nicht als Neuschöpfung. Ob eine solche wirtschaftliche
Betrachtung vor dem Hintergrund der Richtlinie auch im Rahmen des § 651 S. 1
Bestand haben kann, ist freilich hier ebenso fraglich wie bei den anderen Problemfällen.
Sofern man diesen Weg beschritte, müsste entsprechendes für wirtschaftlich ähnlich gelagerte unregelmäßige Werklieferungsverträge528 gelten. Wenn beispielsweise ein Mühlenbetreiber Mehl in der Menge herauszugeben hat, die dem vom
Besteller zur Verfügung gestellten Getreide entspricht, sollte dann ebenfalls Werkvertragsrecht angewandt werden.
VII. Abschließende Stellungnahme zum Begriff der Lieferung, insbesondere: Irrelevanz einer tatsächlichen Ortsveränderung und die praktische Reduktion der
Bedeutung des Lieferungsbegriffs auf das endgültige Zur-Verfügung-Stellen
der hergestellten Sache
Es wurde bereits festgestellt, dass eine Lieferung dann vorliegt, wenn die Sache
endgültig der Verfügungsgewalt des Bestellers/Käufers überlassen wird, und dass
dabei eine Eigentumsübertragung nur dann erforderlich ist, wenn der Besteller/Käufer noch nicht Eigentümer ist. Es verbleibt nur noch eine Frage: Setzt eine Lieferung
eine tatsächliche Ortsveränderung voraus?
526 Vgl. Staudinger/Peters § 651 Rn. 10.
527 Aufgrund der Tatsache, dass der Besteller/Käufer beim Herstellungswerkvertrag als »Hersteller«
i.S.d. § 950 Abs. 1 S. 1 anzusehen ist, ist die Eigentumszuordnung im Ergebnis bei den hier fraglichen Fällen freilich gleich.
528 Vgl. zur grundsätzlichen Einordnung von unregelmäßigen Werklieferungsverträgen über bewegliche Sachen als Fälle des § 651 S. 1 oben IV. 4.
154
Wäre dies nicht der Fall, so hätte der Lieferungsbegriff als Gesetzesbegriff praktisch keine eigenständige Bedeutung, da sich von selbst versteht, dass bei sachbezogenen Kauf- und Werkverträgen das Werk bzw. die Kaufsache dem Besteller/Käufer letztlich zu überlassen ist. § 651 S. 1 hätte mit anderen Worten auch lauten können: »Auf Verträge über die Herstellung beweglicher Sachen finden die Vorschriften über den Kauf Anwendung«.529
Nun kann es auf eine tatsächliche Ortsveränderung aber in der Tat nicht ankommen. Dies zeigt sich schon daran, dass Holschuldfälle nicht auf typenvertragsrechtlicher Ebene von Bring- und Schickschuldfällen unterschieden werden können.530
Es kann aber auch keine Rolle spielen, ob die Sache fertig an den Zielort gebracht
wird oder erst dort entsteht. Im Rahmen der Ausführungen zum Beweglichkeitsbegriff wurde dargelegt, dass es für die Beweglichkeit nicht auf eine tatsächliche Ortsveränderung ankommt.531 Versteht man nun »Lieferung« als Überlassung der endgültigen Verfügungsgewalt, so kann dies auch auf die Weise geschehen, dass eine
Sache erst vor Ort hergestellt wird.
Damit hat der Gesetzesbegriff der Lieferung mithin tatsächlich praktisch keine
eigenständige Bedeutung. Alle Gesichtspunkte, die dem Wort eine Bedeutung
geben könnten (Eigentumslage, Ortsveränderung), sind nach hier vertretener Auffassung ohne Relevanz. Folgt man dem, so macht es im Übrigen auch keinen Sinn,
bei der Frage nach dem Anwendungsbereich des § 651 S. 1 unter Hinweis auf den
Wortlaut darauf abzustellen, ob der Schwerpunkt des Vertrags auf der Lieferung
statt der Herstellung liegt. Diese Frage ist sinnlos, weil der Vertrag auf die Lieferung der herzustellenden Sache gerichtet ist, egal wie aufwendig die Herstellung
ist.
Nochmals zur Klarstellung: Daraus folgt aber nicht, dass es keine Lieferpflicht in
Bezug auf die neu hergestellte Sache gibt, wenn die Parteien einen Vertrag nach
§ 651 S. 1 geschlossen haben. Der Unternehmer/Verkäufer hat dem Besteller/Käufer die hergestellte Sache dauerhaft zu überlassen. Diese dauerhafte Überlassung der
529 Vgl. auch Zänker S. 145 f., der mit gewissen Abweichungen in der Herleitung und in der Frage der
Notwendigkeit einer Eigentumsübertragung letztlich ähnlich wie hier der Auffassung ist, dass der
Lieferungsbegriff lediglich die Verschaffung der Sache bedeuten könne und dass das maßgebliche
Abgrenzungskriterium der Herstellungsbegriff (in Bezug auf eine bewegliche Sache) sei, um von
Bearbeitungsfällen abzugrenzen.
530 Zutreffend Langenecker in Englert/Motzke/Wirth § 651 Rn. 8; a.A. ohne nähere Begründung
Kniffka in Kniffka/Koeble 6. Teil Rn. 13, der die Einordnung unter § 651 (nur) dann verneinen will,
wenn der Besteller/Käufer den Beton vom Betonwerk abholt, anstatt ihn sich an die Baustelle bringen zu lassen, weil es dann an einer Lieferung fehle. Überzeugen kann dies nicht: Weder beim typischen Kaufvertrag noch beim »normalen« Werkvertrag wird die Frage der Einordnung in das
jeweilige Typenvertragsrecht von der Frage abhängig gemacht, ob eine Holschuld vorliegt oder
eine Bring- bzw. Schickschuld. Auch bei § 651 a.F. war diese Frage irrelevant. Es sind keinerlei
Gründe dafür ersichtlich, dass dies in Bezug auf § 651 in der jetzigen Fassung anders sein sollte.
Auch vor dem Hintergrund der Richtlinie kann diese Auffassung nicht überzeugen. Gerade im verbraucherrelevanten Bereich sind Herstellungswerk- und Werklieferungsverträge mit Holschuld
eher die Regel als die Ausnahme, jedenfalls soweit es um kleinere Sachen geht. Solche Fälle werden wie der »typische« Verbraucherkauf im Warenhaus natürlich erfasst.
531 Vgl. oben B) III. 4.
155
hergestellten Sache ist als Inhalt des Lieferungsbegriffs zu verstehen, auch wenn es
dazu keines Begriffs bedurft hätte, da der Tatbestand auch ohne den Begriff der Lieferung nicht anders auszulegen wäre.
Dabei lässt sich im Normalfall natürlich durchaus rein äußerlich zwischen Herstellungs- und Lieferphase unterscheiden. Dass Herstellungs- und Lieferphase
ineinander übergehen, betrifft praktisch nur die Fälle, bei denen keine Ortveränderung stattfindet.
Auch geht es natürlich bei § 651 S. 1 nur um Verträge, bei denen die gelieferte
Sache vorher herzustellen ist und nicht irgendein anderer Gegenstand. Dies gewinnt
unter anderem bei verkörperten Informationen (Software, geistige Werke) an
Bedeutung: Man kann man nur etwas dauerhaft überlassen, was nicht schon im Verfügungsbereich des Leistungsempfängers ist, so dass Verträge über die Überlassung
von geistigen Werken und Software nur dann von § 651 erfasst sein können, wenn
man geistige Werke und Software als solche (d.h. unabhängig von einer Verkörperung) als körperlich auffasst, denn die für eine dauerhafte Überlassung notwendige
Speicherung auf einem materiellen Träger ist bei unverkörperten Übertragungen nur
eine Veränderung einer sich schon im Machtbereich des Empfängers befindlichen
Sache, also keine Lieferung.532 Aus diesen Zusammenhängen ergibt sich auch ein
weiteres Unterscheidungsmerkmal zwischen Sachänderungswerkverträgen und den
von § 651 S. 1 (analog) erfassten Verträgen (Herstellungswerkverträge, Werklieferungsverträge, Lieferungsverträge mit Änderungsverpflichtung533): Wenn ein
Gegenstand verändert wird, der sich schon im Machtbereich des Bestellers/Käufers
befindet, so findet hinsichtlich dieses Gegenstands keine Lieferung statt. Kaufrecht
kann mithin allenfalls dann zur Anwendung kommen, wenn die Änderung mittels
eines anderen Gegenstands erreicht wird, der im Zuge der Veränderung des Gegenstands in den Machtbereich des Bestellers/Käufers gelangt. Bedeutung gewinnt dies
vor allem bei der Einordnung von Lieferungsverträgen mit Montageverpflichtung.534
VIII. Herstellungs-»Pflicht« als Tatbestandsmerkmal des § 651 BGB und als
Merkmal zur Abgrenzung vom Kauf unvertretbarer Sachen
Schon zu § 651 a.F. war umstritten, ob und gegebenenfalls inwiefern den Unternehmer/Käufer eine Herstellungspflicht trifft. Diese Diskussion findet zu § 651 n.F. in
etwas modifizierter Form ihre Fortsetzung.
Soweit es um vertretbare Sachen ging, lehnten Rechtsprechung und Teile der
Literatur eine Herstellungspflicht ab.535 Dies wurde zum einen damit begründet,
532 Vgl. dazu näher Kap. 4, C) II. und Kap. 5, C) II. 3.
533 Vgl. hierzu IV., V. und B) IV.
534 Dazu Kap. 3.
535 BGHZ 48, 118, 121; Soergel12/Teichmann § 651 Rn. 18.
156
dass sich der Unternehmer/Verkäufer nur zur Lieferung verpflichte. Zum anderen
wurde darauf abgestellt, dass das Kaufrecht, auf das hier verwiesen werde (§ 651
Abs. 1 S. 1 a.F.), keine Herstellungspflicht kenne. Bei unvertretbaren Sachen bejahten hingegen die Vertreter dieser Ansicht eine Herstellungspflicht.536 Da nach der
Schuldrechtsmodernisierung auch der Werklieferungsvertrag über unvertretbare
Sachen gemäß § 651 S. 1 dem Kaufrecht unterfällt, wird die Ablehnung einer Herstellungspflicht von einem Teil der Literatur nunmehr aber auch auf Verträge über
unvertretbare Sachen ausgedehnt.537 Andere gingen davon aus, dass auch bei vertretbaren Sachen eine Herstellungspflicht bestehe. Dies wurde vor allem mit dem
Wortlaut des § 651 a.F. begründet.538 Auch diese Ansicht findet sich zum neuen
Recht wieder.539
Soweit es um die Frage geht, welches Typenvertragsrecht grundsätzlich anzuwenden ist, ist die Frage nach einer Herstellungspflicht bei Verträgen über bewegliche Sachen allerdings irrelevant. Bei übereignungsbedürftigen beweglichen Sachen
ist stets Kaufrecht anzuwenden (Kaufverträge, Werklieferungsverträge, Lieferungsverträge mit Änderungsverpflichtung), entweder direkt über § 433 oder über § 651
S. 1 (ggf. analog). Bei nicht übereignungsbedürftigen Sachen hilft die Frage nach
einer Herstellungspflicht nicht weiter, da der Vertrag typologisch betrachtet Werkvertrag ist540 und mithin eine Herstellungspflicht ohnehin voraussetzt. Maßgeblich
ist hier nur die Frage, worauf sich diese Herstellungspflicht bezieht: auf eine neue
bewegliche Sache (Herstellungswerkvertrag, § 651), oder auf die Änderung einer
beweglichen Sache (Änderungswerkvertrag, §§ 631 ff.).541
Relevant wird die Frage nach einer Herstellungspflicht in anderem Zusammenhang. So ist fraglich, ob die Erfüllung dieser »Pflicht« einklagbar ist, inwieweit der
Unternehmer/Verkäufer die Wahl der Mittel hat, die Sache herzustellen und inwieweit der Unternehmer/Verkäufer für Dritte einzustehen hat, die am Herstellungsprozess in irgendeiner Weise beteiligt sind. Da diese Fragen keine Relevanz für die
Anwendbarkeit des Kaufrechts haben, sollen sie in dieser Arbeit jedoch ausgespart
bleiben.
Schon auf Anwendungsbereichsebene wird die Frage nach einer Herstellungspflicht aber bei § 651 S. 3 relevant. Diese Norm erklärt einige Werkvertragsrechtsnormen neben dem Kaufrecht für anwendbar, wenn es um unvertretbare Sachen
geht. Sie kommt aber nicht schon dann zur Anwendung, wenn unvertretbare Sachen
bloß zu liefern sind, sondern nur bei der Lieferung »herzustellender« beweglicher
Sachen. Hier übernimmt »herzustellend« eine Abgrenzungsfunktion zum normalen
Kauf unvertretbarer Sachen, auf den die in § 651 S. 3 genannten Normen nicht
Anwendung finden sollen.
536 Soergel12/Teichmann § 651 Rn. 12.
537 Gr. v. Westphalen in Henssler/Gr. v. Westphalen, Teil 6, § 651 Rn. 3, 8; Haas in Haas/Medicus/
Rolland/Schäfer/Wendtland Kap. 6 Rn. 78.
538 BGB-RGRK/Glanzmann § 651 Rn. 15; Erman10/Seiler § 651 Rn. 12.
539 Palandt/Sprau § 651 Rn. 3; Thewalt CR 2002, 1, 4.
540 Vgl. oben IV. 2. b) cc) (1).
541 Vgl. zur Einordnung oben II. und IV. 2.
157
Jedenfalls auf Ebene des § 651 S. 3 wird der Umstand, dass die Sache noch herzustellen ist, also zum wichtigen Kriterium. Dass die Sache herzustellen ist, ist dabei
ein Anwendungsmerkmal und keine Rechtsfolge des § 651 S. 3. Daran ändert auch
die Verweisung des § 651 S. 1 auf das Kaufrecht nichts. Dass das Kaufrecht als Verweisungsziel keine Herstellungspflicht kennt, hat mit dem Tatbestandsmerkmal
»herzustellen« nichts zu tun, denn das Kaufrecht kennt nur deswegen nichts entsprechendes, weil die normalerweise dem Kaufrecht unterfallenden Verträge – die typischen Kaufverträge – eben keine herzustellenden Sachen betreffen. Dass die Sache
herzustellen ist, fällt durch den Verweis in das Kaufrecht auch nicht einfach weg.
§ 651 S. 1 berührt nicht die typologischen Charakteristika der erfassten Verträge,
sondern beschränkt sich auf die bloße Verweisung auf das Typenvertragsrecht des
Kaufs.542
Doch welcher Natur ist dieses Abgrenzungsmerkmal »herzustellen«? Um eine
»Pflicht« im Sinne eines einklagbaren Anspruchs kann es sich nicht handeln, denn
einklagbar ist grundsätzlich nur der Anspruch auf Lieferung der fertigen Sache, da
der Käufer regelmäßig kein schützenswertes Interesse daran hat, dass sich der
Unternehmer/Verkäufer gerade durch Herstellung in die Lage versetzt, die Sache
liefern zu können.543 Im Einzelfall mag dies je nach den Bestimmungen des konkreten Vertrags zwar anders sein, zwingende Anwendungsvoraussetzung des § 651 ist
dies allerdings nicht. Damit beschränkt sich die Funktion des Begriffs »herzustellend« auf die Bestimmung des Anwendungsbereichs des § 651. Die »Herstellung«
ist lediglich ein bestimmtes Erscheinungsbild des Vorbereitungsstadiums der
eigentlichen Hauptleistungspflicht.544 Mit anderen Worten: Wenn sich die Parteien
darüber bewusst sind, dass sie einen vom typischen Kauf in der Weise abweichenden Vertrag geschlossen haben, dass die geschuldete Lieferung der beweglichen
Sache erst durch eine vorherige Herstellung und nicht durch anderweitige Beschaffung oder Rückgriff auf bereits vorhandene Sachen (dann nämlich normaler Kauf)
ermöglicht wird, haben sie einen Vertrag nach § 651 geschlossen.
Wenn es also für die Einordnung darauf ankommt, dass sich der Unternehmer/
Verkäufer die Sache erst durch Herstellung beschaffen muss, dann muss danach
gefragt werden, ob der Besteller/Käufer bei Vertragsschluss davon ausgehen kann,
dass die Entstehung der Sache auf den Unternehmer/Verkäufer zurückgehen wird,
sich also als »sein Werk« darstellen wird. Hierfür kommt eine Reihe von Indizien in
Betracht: Es reicht nicht schon aus, dass die Sache bei Vertragsschluss noch nicht
existiert und die Parteien dies wissen.545 Denn auch beim typischen Kauf ist es einzig Sache des Verkäufers, wie er sich in die Lage versetzt, die Sache zu liefern,
542 Vgl. oben IV. 2. b) cc) (1).
543 So auch Staudinger/Peters § 651 Rn. 8.
544 Etwas ungenau AnwK-BGB/Raab § 651 Rn. 6: Entscheidend sei, dass die Anfertigung dem Inhalt
des Vertrags nach nicht nur im Vorfeld des Vertrags, sondern Teil der Leistungspflicht sein müsse.
Das Problem besteht aber gerade darin, dass die Anfertigung nicht Teil der Leistungspflicht sein
muss, sofern man »Pflicht« mit Anspruch gleichsetzt.
545 So auch AnwK-BGB/Haas § 651 Rn. 6.
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wenn er deren Lieferung versprochen hat. Umgekehrt ist nicht erforderlich, dass der
Verkäufer/Unternehmer das Werk selbst herstellt, denn auch beim »normalen«
Werkvertrag ist dies nicht zwingend546, so dass bei § 651 nichts anderes gelten
kann.
Allerdings ist bei unvertretbaren Sachen der Umstand, dass die Parteien sich der
Nichtexistenz der Sache bewusst sind, durchaus ein Indiz dafür, dass sich der Unternehmer/Verkäufer diese durch Herstellung beschaffen muss. Weitere typische Indizien können sein, dass der Unternehmer/Verkäufer im Rechtsverkehr oder in der
konkreten Vertragsanbahnung als Hersteller auftritt, z.B. als Schreiner, Maschinenbauer oder Künstler. Ein Hinweis ist auch, ob Sachen in der bestellten Art üblicherweise nicht auf Vorrat, sondern nur aufgrund einer konkreten Bestellung hergestellt
werden. Individuelle Vorgaben des Bestellers über die Eigenschaften der Sache
indizieren ebenfalls regelmäßig eine »Herstellungspflicht«. Wenn der Besteller/
Käufer schließlich sogar Stoffe zur Verfügung stellt – was auch beim Werklieferungsvertrag der Fall sein kann, soweit es nur um Zutaten geht – so ist dies ein sicheres Zeichen für die Anwendbarkeit des § 651.547
IX. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse
Dem Kaufrecht unterfallen alle Verträge, bei denen eine bewegliche Sache gegen
Entgelt dauerhaft und endgültig der Verfügungsgewalt des Bestellers/Käufers zu
überlassen ist, soweit es sich nicht um einen Änderungswerkvertrag (Verträge über
die Änderung einer aus der Bestellersphäre stammenden Sache, z.B. eine Reparatur)
handelt. Es werden also vom Kaufrecht erfasst:
– Normale Kaufverträge (§ 433);
– Werklieferungsverträge (Verträge über die Herstellung beweglicher Sachen, bei
denen der Unternehmer/Verkäufer den maßgeblichen Stoffanteil stellt, § 651
S. 1);
– Herstellungswerkverträge (Verträge über die Herstellung beweglicher Sachen,
bei denen der Besteller/Käufer den maßgeblichen Stoffanteil stellt, § 651 S. 1);
– »unregelmäßige« Werklieferungsverträge (Verträge über die Herstellung beweglicher Sachen, bei denen der Besteller/Käufer dem Unternehmer/Verkäufer
einen Stoff zur Verfügung stellt, den der Unternehmer/Verkäufer bei der Herstellung durch einen gleichwertigen Stoff austauschen darf, § 651 S. 1);
– Lieferungsverträge mit Änderungsverpflichtung (Verträge über die Verpflichtung zur Übereignung – also über zuvor in der Verantwortung des Unternehmers/Verkäufers zu besorgender – beweglicher Sachen, die an individuelle
Wünsche des Bestellers anzupassen sind, § 651 S. 1 analog, dabei erstreckt sich
546 Vgl. nur Voit in Bamberger/Roth § 631 Rn. 45.
547 Vgl. Haas in Haas/Medicus/Rolland/Schäfer/Wendtlandt Kap. 6 Rn. 71.
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die Analogie auch auf § 651 S. 3, soweit die Unvertretbarkeit der Sache gerade
auf der Änderung beruht).
Bei Herstellungswerkverträgen ist wie im bisherigen Recht der Besteller/Käufer
»Hersteller« im Sinne des § 950 Abs. 1 S. 1, er wird also bereits durch den Herstellungsprozess Eigentümer der neuen Sache. Damit ist eine Pflicht zur rechtsgeschäftlichen Eigentumsübertragung nicht notwendiges Tatbestandsmerkmal des
§ 651 S. 1; eine »Lieferung« liegt mithin schon vor, wenn der Unternehmer/Verkäufer dem Besteller/Käufer die Sache endgültig und dauerhaft zu überlassen hat.
Um den Unternehmer/Verkäufer hinsichtlich seiner Vorleistung – der Herstellung –
abzusichern, findet § 647 auf Herstellungswerkverträge entsprechende Anwendung.
Ob die Sache »herzustellen« ist, hat für die Frage der Kaufrechtsanwendbarkeit
praktisch nur für zwei Gesichtspunkte Bedeutung: Zum einen dient dieses Merkmal
als Abgrenzung zwischen den durch § 651 S. 1 erfassten Herstellungswerkverträgen
und den dem Werkvertragsrecht unterfallenden Änderungswerkverträgen. Insoweit
kommt es darauf an, ob aus den Stoffen des Bestellers/Käufers eine neue Sache entstehen soll oder nicht. Nach welchen Kriterien dies zu beurteilen ist, bleibt weitestgehend unklar; einstweilen bieten die zu § 950 entwickelten Kriterien aber eine
gewisse Orientierung. Zum anderen ist dieses Merkmal auf der Ebene des § 651 S. 3
relevant für die Abgrenzung zwischen dem Kauf unvertretbarer Sachen (keine
Anwendung des § 651 S. 3) und dem Werklieferungsvertrag über unvertretbare
Sachen (Anwendung des § 651 S. 3). Hier kommt es darauf an, ob die Entstehung
der Sache als »Werk des Unternehmers/Verkäufers« anzusehen ist. Zu bestimmen
ist dies anhand einer Reihe von Indizien im Einzelfall. Soweit es bei übereignungsbedürftigen beweglichen Sachen nicht auf die Anwendbarkeit des § 651 S. 3
ankommt, ist die Frage, ob die Sache vor der Übereignung geändert/hergestellt werden muss oder unverändert bleiben kann, praktisch irrelevant, da stets Kaufrecht
Anwendung findet.
D) Anhang
I. Ergänzende Bemerkungen zum Anwendungsbereich des § 651 S. 3 BGB
§ 651 S. 1 findet auch auf die Herstellung unvertretbarer Sachen Anwendung, allerdings mit der Besonderheit, dass die in § 651 S. 3 genannten Normen neben dem
Kaufrecht anzuwenden sind.548 Dass die Anwendbarkeit des § 651 S. 3 voraussetzt,
548 Vgl. oben C) IV.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
§ 651 BGB ist durch die Schuldrechtsreform grundlegend verändert worden. Während zuvor für die Anwendbarkeit des Kaufrechts letztlich entscheidend war, ob der Vertrag im Schwerpunkt kauftypisch ist, scheint nunmehr nur maßgeblich zu sein, ob eine bewegliche Sache zu liefern ist, selbst wenn sie nach individuellen Vorgaben herzustellen ist. Diese Abgrenzung wird vielfach als unbefriedigend empfunden, gerade weil sie nicht typologisch, sondern nur anhand von (nur scheinbar einfach zu bestimmenden) Äußerlichkeiten erfolgt. Der Autor untersucht zum einen den Anwendungsbereich der neuen Norm. Die Probleme liegen hier u.a. im Baurecht, bei komplexen Maschinen (Anlagenbau) und bei der Abgrenzung zu geistigen Leistungen. Problematisch sind wegen Bezügen zum Sachenrecht auch Fälle, bei denen der maßgebliche Stoffanteil vom Besteller gestellt wird. Zum anderen untersucht der Autor die z.T. praktisch sehr gravierenden Rechtsfolgen und inwiefern vertragliche Abweichungen möglich sind. Dabei legt er vor dem europäischen Hintergrund (Verbrauchsgüterkaufrichtlinie) dar, welche methodischen Grenzen einer restriktiven Auslegung gesetzt sind. Das Werk ist damit zugleich ein wichtiger Beitrag zur Dogmatik der (überschießenden) Richtlinienumsetzung.