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gierung bei der Besetzung des Vorstandes das Letztentscheidungsrecht hat und die
Mitglieder des Verwaltungsrats durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales berufen werden. Dementsprechend ist eine Nähe zur öffentlichen Hand gegeben.
Die Mitglieder des Verwaltungsrats werden durch das Bundesministerium für Arbeit
und Soziales berufen und damit von einer Bundesbehörde. Solche unselbständigen
Organisationseinheiten wie beispielsweise auch Ministerien oder gesetzgebende
Organe werden von den Gebietskörperschaften des § 98 Nr. 1 GWB erfasst713. Somit fällt das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit wiederum als Organ eines
institutionellen Auftraggebers unter § 98 Nr. 1 GWB.
Insgesamt lässt sich also feststellen, dass die Bundesagentur für Arbeit öffentlicher Auftraggeber gemäß § 98 Nr. 2 GWB ist und damit dem persönlichen Anwendungsbereich des Vergaberechts unterfällt.
2. Kreise und kreisfreie Städte
Die kreisfreien Städte und Kreise werden von § 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB II neben der
Bundesagentur für Arbeit als weiterer zuständiger Sozialleistungsträger für einige
Leistungen des SGB II genannt. Im Rahmen des SGB III werden nur die Leistungen
der Ausbildungsförderung gemäß § 18 Abs. 2 SGB I durch die Ämter und Landes-
ämter für Ausbildungsförderung gewährt. Die übrigen Leistungen des SGB III gewährt die Bundesagentur. Die kreisfreien Städte und Kreise sind Gebietskörperschaften und deshalb als institutioneller Auftraggeber gemäß § 98 Nr. 1 GWB zu
qualifizieren. Die Landesämter für Ausbildungsförderung sind Behörden der Bundesländer und oftmals einem bestimmten Ministerium untergeordnet. Sie sind damit
unmittelbarer Bestandteil des Verwaltungsapparates eines Bundeslandes. Aus diesem Grund sind sie bereits als Teil der Landesverwaltung institutioneller Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 1 GWB.
Die Sozialleistungsträger der Arbeitssicherung sind öffentliche Auftraggeber im
Sinne des § 98 GWB, so dass der persönliche Anwendungsbereich des Vergaberechts im Bereich der Arbeitssicherung eröffnet ist.
III. Sozialleistungsträger der sozialen Hilfe und Förderung
Zuständig für die Gewährung sozialer Dienstleistungen im Rahmen des Kinder- und
Jugendhilferechts des SGB VIII sind gemäß § 27 Abs. 2 SGB I die Kreise, kreisfreien Städte und nach Maßgabe des Landesrechts insbesondere kreisangehörige Gemeinden als örtliche und überörtliche Träger. Dies wird auch durch die speziellere
Vorschrift des § 69 SGB VIII bestätigt. Für die Wahrnehmung der Aufgaben des
SGB VIII errichtet gemäß § 69 Abs. 3 SGB VIII jeder örtliche Träger ein Jugendamt
713 Kulartz/Kus/Portz-Eschenbruch, § 98 Rn. 79.
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und jeder überörtliche Träger ein Landesjugendamt. Diese Sozialleistungsträger
arbeiten nach § 27 Abs. 2 a.E. SGB I mit der freien Jugendhilfe zusammen.
Anerkannt als Träger der freien Jugendhilfe sind nach § 75 SGB VIII juristische
Personen und Personenvereinigungen, wenn sie auf dem Gebiet der Jugendhilfe im
Sinne des § 1 SGB VIII tätig sind und gemeinnützige Ziele verfolgen. Zudem müssen sie nach § 75 SGB VIII aufgrund der fachlichen und personellen Voraussetzungen erwarten lassen, dass sie einen nicht unwesentlichen Beitrag zur Erfüllung der
Aufgaben der Jugendhilfe zu leisten imstande sind und die Gewähr für eine den
Zielen des Grundgesetzes förderliche Arbeit bieten. Kirchen und Religionsgemeinschaften des öffentlichen Rechts sowie die auf Bundesebene zusammengeschlossenen Verbände der freien Wohlfahrtspflege sind nach § 75 Abs. 3 SGB VIII in diesem Sinne anerkannt. Grundsätzlich sind die Träger der freien Jugendhilfe zwar
Einrichtungsträger und damit Leistungserbringer. Sie können allerdings auch im
Rahmen ihrer Tätigkeit am Markt entsprechende Waren, Bau- oder Dienstleistungen
einkaufen, so dass im Einzelfall die Vorschriften des Vergaberechts auf solche freien Träger Anwendung finden können.
Die Leistungen der Sozialhilfe werden gemäß § 28 Abs. 2 SGB I ebenfalls durch
die Kreise und die kreisfreien Städte gewährt. Darüber hinaus gewähren überörtliche
Träger der Sozialhilfe entsprechende Leistungen des SGB XII. Dies ergibt sich zudem aus § 3 SGB XII. Für besondere Aufgaben im Rahmen des SGB XII sind nach
§ 28 Abs. 2 SGB I die Gesundheitsämter zuständig. Die Träger der Sozialhilfe arbeiten gemäß § 28 Abs. 2 a.E. SGB I und § 5 Abs. 2 SGB XII mit den Trägern der
freien Wohlfahrtspflege zusammen. Die Träger der freien Wohlfahrtspflege sind
zwar, wie die Träger der freien Jugendhilfe, grundsätzlich Sozialleistungserbringer.
Sie können allerdings dann, wenn sie für ihre Einrichtung Waren, Bau- oder Dienstleistungen einkaufen, unter die Vorschriften des Vergaberechts fallen.
Sachlich zuständig für die Sozialhilfe sind grundsätzlich die Kreise und kreisfreien Städte als örtliche Träger. Die Zuständigkeit der überörtlichen Sozialhilfeträger
ergibt sich nach § 97 Abs. 2 SGB XII aus dem Landesrecht. Gemäß § 97 Abs. 3
SGB XII sind sie sachlich zumindest zuständig für die Leistungen der Eingliederungshilfe, der Hilfe zur Pflege, der Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer
Schwierigkeiten und der Blindenhilfe, soweit nicht der Landesgesetzgeber nach
Maßgabe des § 97 Abs. 2 SGB XII eine von § 97 Abs. 3 SGB XII abweichende
Zuständigkeitsbestimmung vorgenommen hat. Für die Sozialhilfe örtlich zuständig
ist der Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich sich die Leistungsberechtigten tatsächlich aufhalten.
1. Kreise, kreisfreie Städte und kreisangehörige Gemeinden
Sachlich zuständig für die Leistungsgewährung im Rahmen des Kinder- und Jugendhilferechts sind grundsätzlich die Kreise und kreisfreien Städte als örtliche
Träger. Der überörtliche Träger ist sachlich gemäß § 85 Abs. 2 SGB VIII vor allem
in den dort aufgezählten Bereichen, insbesondere für die Beratung der örtlichen
200
Träger, zuständig. Örtlich zuständig ist nach § 86 Abs. 1 SGB VIII grundsätzlich der
örtliche Träger, in dessen Bereich die Eltern ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben.
Sowohl die Kreise als auch die kreisfreien Städte und kreisangehörigen Gemeinden unterfallen als Gebietskörperschaften dem Begriff des öffentlichen Auftraggebers nach § 98 Nr. 1 GWB, weil sie bereits institutionell dem Staat zuzurechnen
sind. Die Kreise und kreisfreien Städte als örtliche Träger der Sozialhilfe sind ebenfalls Gebietskörperschaften und folglich institutioneller Auftraggeber. Sie unterliegen dementsprechend genauso § 98 Nr. 1 GWB und handeln als öffentlicher Auftraggeber.
2. Überörtliche Sozialhilfeträger
Die Länder und somit das Landesrecht bestimmen nach §§ 3 Abs. 3, 97 Abs. 2 SGB
XII die überörtlichen Sozialhilfeträger. Aus den jeweiligen Ausführungsgesetzen
zum Sozialhilferecht ergibt sich, dass entweder die Länder selbst oder entsprechende
Kommunalverbände überörtliche Sozialhilfeträger sind. Als überörtlicher Sozialhilfeträger arbeitet in Hessen beispielsweise der Landeswohlfahrtsverband Hessen714.
Das Landesausführungsgesetz zum SGB XII bestimmt in Nordrhein-Westfalen die
Landschaftsverbände als überörtlichen Sozialhilfeträger715. In Niedersachsen und in
Sachsen-Anhalt hingegen ist das Land selbst überörtlicher Sozialhilfeträger716.
Die Bundesländer, welche die Länder selbst als überörtliche Sozialhilfeträger
bestimmen, sind bereits aufgrund ihrer institutionellen Nähe zum Staat öffentlicher
Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 1 GWB. Aber auch die übrigen Bundesländer,
die Kommunalverbände als überörtliche Sozialhilfeträger einsetzen, fallen unter den
vergaberechtlichen Begriff des öffentlichen Auftraggebers. Je nach konkreter Ausgestaltung des Kommunalverbandes, kann jede der drei Auftraggeberkategorien des
§ 98 Nr. 1 bis 3 GWB erfüllt sein. Auf die Abgrenzung im Einzelfall kommt es in
der Praxis nicht an, weil für diese Auftraggeberkategorien im Wesentlichen dieselben Vergabevorschriften gelten717. Die Landschaftsverbände in Nordrhein-
Westfalen beispielsweise fallen direkt unter § 98 Nr. 1 GWB, weil sie selbst als
öffentlich-rechtliche Körperschaft ausgestaltet sind und Gebietskörperschaften auch
Verbände sein können718.
Insgesamt sind also die überörtlichen Sozialhilfeträger sämtlich als öffentliche
Auftraggeber zu qualifizieren.
714 § 3 Abs. 1 HAG/SGB XII, vom 20.12.2004, GVBl 2004 I, S. 488.
715 § 1 AG/SGB XII NRW, vom 16.12.2004, GVBl Nr. 48/2004, S. 816.
716 § 2 Nds. AG/SGB XII, vom 16.12.2004, GVBl Nr. 43/2004, S. 644; § 2 Abs. 1 AG/SGB XII
LSA, vom 11.01.2005, GVBl LSA 2005, S. 8.
717 BayObLG, NZBau 2002, 397 (399); Kulartz/Kus/Portz-Eschenbruch, Auftraggeber § 98 Rn.
251.
718 Kulartz/Kus/Portz-Eschenbruch, Auftraggeber § 98 Rn. 78.
201
3. Träger der freien Jugendhilfe und der freien Wohlfahrtspflege
Die Träger der freien Jugendhilfe und der freien Wohlfahrtspflege handeln zwar
grundsätzlich als Sozialleistungserbringer und damit lediglich als Einrichtungsträger. Aber dennoch können unter Umständen die Vorschriften des Kartellvergaberechts für sie einschlägig sein, wenn sie im Rahmen ihrer Tätigkeit als freie Träger
am Markt entsprechende Waren, Bau- oder Dienstleistungen einkaufen und die
Schwellenwerte dabei erreichen oder überschreiten.
Die ganz überwiegende Zahl der Träger der freien Wohlfahrtspflege hat sich den
sechs großen Spitzenverbänden der freien Wohlfahrtspflege angeschlossen. Zu den
sechs Spitzenverbänden zählen die Arbeiterwohlfahrt, der Deutsche Caritasverband,
das Diakonische Werk, der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband, das Deutsche
Rote Kreuz und die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden719. Zu den Hauptarbeitsbereichen der freien Wohlfahrtspflege gehörten im Jahr 1996/1997 mit 54,1 % die Jugendhilfe, mit 14,6 % die Altenhilfe und mit 10,9 % die Behindertenhilfe720.
Um als öffentlicher Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 2 GWB in Betracht zu
kommen, muss es sich bei den Trägern der freien Wohlfahrtspflege zunächst um
juristische Personen des öffentlichen oder privaten Rechts handeln. Die Träger der
freien Wohlfahrtspflege sind ganz überwiegend eingetragene Vereine des Privatrechts, so dass die Voraussetzung einer eigenständigen Rechtspersönlichkeit erfüllt
ist. Darüber hinaus müssen sie im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art erfüllen. In den Aufgabenbereichen der Träger der freien Wohlfahrtspflege werden sie anstelle von staatlichen Leistungserbringern tätig, so dass sie
im eigenen Namen staatliche Aufgaben wahrnehmen. Diese Aufgaben im Rahmen
der Jugendhilfe, der Alten- und Behindertenhilfe liegen im Kernbereich staatlicher
Tätigkeit, kommen potentiell einer Mehrzahl von Personen zugute und werden auch
in diesem Sinne erbracht. Zudem listet der Anhang III der Vergabekoordinierungsrichtlinie für Deutschland öffentlich-rechtliche Versorgungsanstalten und Wohlfahrtsstiftungen als im Allgemeininteresse tätig werdende Einrichtungen auf. Insgesamt erfüllen die Träger der freien Wohlfahrtspflege also Aufgaben im Allgemeininteresse. Ein weiteres Merkmal der Träger der freien Wohlfahrtspflege ist das
fehlende Gewinnmotiv, das heißt sie arbeiten gemeinnützig und streben anstelle
einer Gewinnerzielung eine Kostendeckung an721. Dementsprechend handeln sie
auch nichtgewerblich im Sinne des § 98 Nr. 2 GWB.
Die Träger der freien Jugendhilfe hingegen sind unter bestimmten in § 75 SGB
VIII kodifizierten Voraussetzungen anerkannt und unterliegen deshalb ebenfalls
nicht automatisch dem Auftraggeberbegriff des Vergaberechts. Als Träger der freien
719 XII. Hauptgutachten der Monopolkommission „Marktöffnung umfassend verwirklichen“
1996/1997, BT-Drucks. 13/11291, S. 329.
720 XII. Hauptgutachten der Monopolkommission „Marktöffnung umfassend verwirklichen“
1996/1997, BT-Drucks. 13/11291, S. 330.
721 XII. Hauptgutachten der Monopolkommission „Marktöffnung umfassend verwirklichen“
1996/1997, BT-Drucks. 13/11291, S. 328 f.
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Jugendhilfe werden gemäß § 75 Abs. 1 SGB VIII nur juristische Personen und Personenvereinigungen anerkannt, so dass sie die erste Voraussetzung eines öffentlichen Auftraggebers im Sinne des § 98 Nr. 2 GWB erfüllen. Zudem müssen potentielle freie Träger nach § 75 Abs. 1 SGB VIII auf dem Gebiet der Jugendhilfe tätig
sein und gemeinnützige Ziele verfolgen. Diese Ziele liegen im Allgemeininteresse
im Sinne des § 98 Nr. 2 GWB.
Die Jugendhilfe verfolgt gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 SGB VIII die Ziele und Aufgaben, junge Menschen in ihrer individuellen und sozialen Entwicklung zu fördern und
dazu beizutragen, Benachteiligungen zu vermeiden oder abzubauen. Zudem berät
und unterstützt die Jugendhilfe nach § 1 Abs. 3 Nr. 2, 3 SGB VIII Eltern und andere
Erziehungsberechtigte bei der Erziehung und schützt Kinder und Jugendliche vor
Gefahren für ihr Wohl. Schließlich soll sie nach § 1 Abs. 3 Nr. 4 SGB VIII dazu
beitragen, positive Lebensbedingungen für junge Menschen und ihre Familien sowie
eine kinder- und familienfreundliche Umwelt zu erhalten oder zu schaffen. Diese
Ziele und Aufgaben der Jugendhilfe kommen in erster Linie Kindern, Jugendlichen,
jungen Menschen und ihren Eltern sowie anderen Erziehungsberechtigten zugute.
Dementsprechend dienen sie objektiv tatsächlich einer Mehrzahl von Personen,
werden von der allgemeinen Öffentlichkeit wahrgenommen und werden subjektiv
auch in diesem Sinne erbracht. Die Ziele und Aufgaben der Jugendhilfe, die ein
Träger der freien Jugendhilfe erbringen und leisten muss, um als solcher anerkannt
zu werden, liegen demnach im Allgemeininteresse. Die anerkannten Träger der
freien Jugendhilfe und solche, die als freie Träger anerkannt werden wollen, erfüllen
also im Allgemeininteresse liegende Aufgaben. Außerdem erfüllen die Träger der
freien Jugendhilfe ihre Aufgaben im eigenen Namen und nach §§ 3, 4 SGB VIII
anstelle der öffentlichen Träger. Folglich nehmen die Träger der freien Jugendhilfe
neben den sonstigen Trägern der Jugendhilfe ebenfalls staatliche Aufgaben und
damit Aufgaben im Allgemeininteresse wahr.
Um als Träger der freien Jugendhilfe anerkannt zu werden, müssen die potentiellen Träger gemeinnützige Ziele verfolgen. Ziele sind gemeinnützig, wenn sie direkt
und ausschließlich darauf abzielen das allgemeine Wohl zu fördern und dabei keine
eigenen Interessen in materieller oder wirtschaftlicher Hinsicht im Vordergrund
stehen722. Dementsprechend sind die Aufgaben der freien Träger nichtgewerblich im
Sinne des § 98 Nr. 2 GWB, weil sie nicht aus reiner Gewinnerzielungsabsicht die
Aufgaben der Jugendhilfe gewähren. Eine fehlende Gewinnerzielungsabsicht ist
bereits dem Prinzip der Gemeinnützigkeit immanent723. Auch wenn eine fehlende
Gewinnerzielungsabsicht lediglich ein Indiz für die Nichtgewerblichkeit ist, gibt es
keine größeren Anhaltspunkte für eine Gewerblichkeit im Sinne des Vergaberechts.
Der Grund dafür liegt darin, dass die freien Träger in erster Linie eine Kostende-
722 Krug/Grüner/Dalichau, § 74 III. 3. Vgl. dazu auch die Gemeinnützigkeitsverordnung, vom
24.12.1953, BGBl 1953 I, S. 1592.
723 Dörr, RdJB 2002, 349 (355); Schröder, VergabeR 2003, 502 (505 f.).
203
ckung anstreben724. Sie sind nicht aus rein erwerbswirtschaftlichen Gesichtspunkten
tätig. Zwar stehen sie in Konkurrenz zu den öffentlichen Trägern der Kinder- und
Jugendhilfe, aber nach § 4 Abs. 2 SGB VIII sollen die freien Träger vorrangig die
Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe erfüllen. Zudem besteht gemäß § 74 SGB
VIII eine gesetzliche Pflicht der öffentlichen Träger der Kinder- und Jugendhilfe zur
Förderung und Unterstützung der freien Träger. Daher existiert zwischen den öffentlichen und den Trägern der freien Kinder- und Jugendhilfe kein vergleichbarer
Wettbewerb wie zwischen rein privaten Wirtschaftsteilnehmern. Insgesamt handeln
die Träger der freien Kinder- und Jugendhilfe daher nichtgewerblich im Sinne des
§ 98 Nr. 2 GWB.
Der Wortlaut des § 98 Nr. 2 GWB setzt allerdings voraus, dass die Einrichtungen
gerade zu dem besonderen Zweck gegründet wurden, die im Allgemeininteresse
liegenden Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen. Die Träger der freien Jugendhilfe und der freien Wohlfahrtspflege nehmen zwar staatliche Aufgaben wahr,
sind allerdings in der Regel nicht extra zu diesem Zweck gegründet worden725. Bei
kirchlichen Trägern ergibt sich das in der Regel bereits aus ihrem religiösen Auftrag726. Dennoch kommt es entscheidend auf die objektive Ausrichtung an, so dass
auch aus einer nachträglichen Zweckbestimmung eine Anwendbarkeit des § 98 Nr. 2
GWB resultieren kann727. Die Träger der freien Jugendhilfe unterliegen meistens
nicht dem Begriff des öffentlichen Auftraggebers nach § 98 Nr. 2 GWB, weil sie in
der Regel nicht zu dem besonderen Zweck gegründet wurden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen. Sie sind vielmehr den Spitzenverbänden der freien Wohlfahrtspflege angeschlossen und unterliegen demnach
den Interessen der Spitzenverbände. Die Spitzenverbände wie der Deutsche Caritasverband oder das Diakonische Werk sind jedoch in erster Linie zu einem religiösen
Zweck gegründet worden. Sie werden also originär auf Grund ihres religiösen Werteverständnisses tätig. Die damit für die Allgemeinheit verbundenen positiven Auswirkungen sind lediglich ein Reflex728. Aus diesem Grund sind die Träger der freien
Jugendhilfe nicht zu dem besonderen Zweck gegründet worden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen.
Zudem sind die Träger der freien Jugendhilfe und der freien Wohlfahrtspflege
nicht überwiegend staatlich finanziert oder sonstig staatlich beherrscht729. Eine staatliche Einflussnahme kommt bei den freien Trägern insbesondere dadurch in Betracht, dass staatliche Stellen sie überwiegend finanzieren. Die Finanzierungsstruk-
724 XII. Hauptgutachten der Monopolkommission „Marktöffnung umfassend verwirklichen“
1996/1997, BT-Drucks. 13/11291, S. 328.
725 Dörr, RdJB 2002, 349 (358).
726 VK Nordbayern, Beschl. vom 29.10.2001, 320. VK-3194-35/01, 2.1 der Entscheidungsgründe, Dörr, RdJB 2002, 349 (358); Hailbronner, EWS 1995, 285 (290); Schröder, NZBau 2002,
259 (261 f.).
727 Siehe 3. Teil, B. I. 1. a) bb).
728 Schröder, NZBau 2002, 259 (261).
729 So im Ergebnis auch Dörr, RdJB 2002, 349 (349 ff.); Hoffmann, VergabeR 2004, 462 (462
ff.).
204
turen einzelner Einrichtungen weichen allerdings stark voneinander ab730. Infolgedessen ist eine allgemeinverbindliche Aussage über die Finanzierung der freien
Träger kaum möglich. Es muss also auf Grundlage des jeweiligen Finanzhaushalts
eine konkrete Beurteilung der einzelnen Einrichtungen vorgenommen werden, damit
eine Subsumtion unter das Tatbestandsmerkmal der überwiegenden staatlichen Finanzierung im Sinne des § 98 Nr. 2 GWB erfolgen kann. Nur wenn die öffentliche
Finanzierung der konkreten Einrichtung mehr als die Hälfte der Mittel des Unternehmens ausmachen, liegt eine überwiegende Finanzierung im Sinne des Vergaberechts vor. Dies wird in der überwiegenden Anzahl der Fälle nicht gegeben sein, da
laut EuGH nur solche Zahlungen, die als Finanzhilfe ohne spezifische Gegenleistung die Tätigkeiten der betreffenden Einrichtungen finanzieren oder unterstützen,
eine öffentliche Finanzierung darstellen731. Bei den Trägern der freien Jugendhilfe
und der freien Wohlfahrtspflege erfolgt allerdings die Bezahlung in der Regel aufgrund der Leistungsverträge mit den Sozialleistungsträgern, so dass in der Regel
keine überwiegende Finanzierung vorliegt.
Insgesamt sind die Träger der freien Jugendhilfe und der freien Wohlfahrtspflege,
wenn sie im Rahmen ihrer Tätigkeit für ihre Einrichtung am Markt Waren, Bauoder Dienstleistungen einkaufen, nicht als öffentliche Auftraggeber im Sinne des
§ 98 Nr. 2 GWB zu qualifizieren.
Die Träger der freien Jugendhilfe und der freien Wohlfahrtspflege können im
Einzelfall allerdings unter den Begriff des Auftraggebers wegen überwiegender
öffentlicher Projektfinanzierung gemäß § 98 Nr. 5 GWB fallen. Immer dann, wenn
ein solcher freier Träger für seine Tätigkeit als Einrichtungsträger beispielsweise ein
Jugendfreizeitheim errichtet, das er überwiegend mit staatlichen Geldern finanziert,
so ist er für seine Aufträge oberhalb der Schwellenwerte an das Kartellvergaberecht
der §§ 97 ff. GWB gebunden.
IV. Sozialleistungsträger der Vorsorge
Das SGB IV nennt lediglich gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung
und daher keine speziellen Sozialleistungsträger. Allerdings bestimmt § 29 SGB IV
die Rechtsstellung der Sozialversicherungsträger als rechtsfähige Körperschaften
des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung.
Die sozialen Dienstleistungen der Krankenversicherung des SGB V werden gemäß § 21 Abs. 2 SGB I durch die Orts-, Betriebs- und Innungskrankenkassen, die
Seekrankenkasse, die landwirtschaftlichen Krankenkassen und die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See und die Ersatzkassen gewährt. Dies ergibt
sich zudem aus § 4 SGB V.
730 XII. Hauptgutachten der Monopolkommission „Marktöffnung umfassend verwirklichen“
1996/1997, BT-Drucks. 13/11291, S. 330.
731 EuGH, Slg. 2000, I-8035 Rn. 21 (University of Cambridge).
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Müssen soziale Dienstleistungen öffentlich ausgeschrieben werden? Die Frage wird dahingehend beantwortet, dass nicht alle sozialen Dienstleistungen unter das Vergaberecht fallen. Teilweise handelt es sich bei sozialen Dienstleistungen um vergaberechtsfreie Dienstleistungskonzessionen.
Die Autorin analysiert die Auftraggebereigenschaft der Sozialleistungsträger und untersucht ausführlich, welche sozialen Dienstleistungen dem Vergaberecht unterliegen und welche als Dienstleistungskonzessionen einzuordnen sind. Abschließend werden die Anforderungen an die konkrete Auftragsvergabe dargestellt.
Das Werk wendet sich nicht nur an wissenschaftlich interessierte Leser, sondern auch an Personen und Körperschaften, die praktisch mit der Beschaffung sozialer Dienstleistungen betraut sind. Mit der präzisen Herausarbeitung der einzelnen sozialen Dienstleistung und deren detailliert begründeten vergaberechtlichen Einordnung, leistet die Arbeit einen wichtigen Beitrag für die Beschaffung sozialer Dienstleistungen und ist damit für den Praktiker in besonderem Maße geeignet.