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nicht abgehandelt. Demnach finden sich im SGB IV keine sozialen Dienstleistungen.
II. SGB V (Gesetzliche Krankenversicherung)
Die Sozialleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung des SGB V sind in den
§§ 11 bis 68 SGB V geregelt. Sie unterteilen sich nach § 11 SGB V in Leistungen
zur Verhütung von Krankheiten, Leistungen zur Früherkennung von Krankheiten
und Leistungen bei Krankheit. § 11 SGB V gibt jedoch nur einen Überblick über die
Leistungen der Krankenkassen ohne selbst Leistungsansprüche der Versicherten zu
begründen379. Grundsätzlich werden die Sozialleistungen gemäß § 2 Abs. 2 SGB V
als Sach- und Dienstleistungen erbracht. Geldleistungen dürfen anstelle der Sachoder Dienstleistungen nach § 13 SGB V nur erbracht werden, wenn das Gesetz dies
ausdrücklich anordnet oder wenn es im SGB IX vorgesehen ist. Ist die Sozialleistungserbringung in Form der Geldleistung gesetzlich vorgesehen, so haben die Versicherten ein Wahlrecht hinsichtlich der Sozialleistungsform. Vor ihrer Wahl sind
sie von ihrer Krankenkasse gemäß § 13 Abs. 2 Satz 2 SGB V zu beraten. Die Beratung selbst hat keine Hingabe oder Bereitstellung von Sachen oder eine Geldzahlung
zum Gegenstand. Diese Beratung bei der Wahl der Leistungsform stellt mithin eine
soziale Dienstleistung dar.
1. Leistungen zur Verhütung von Krankheiten
Die Leistungen zur Verhütung von Krankheiten sind in den §§ 20 bis 24 b SGB V
niedergelegt. Nach § 20 SGB V soll die Satzung der Krankenkasse Leistungen zur
primären Prävention vorsehen, um den allgemeinen Gesundheitszustand zu verbessern und insbesondere einen Beitrag zur Verminderung sozial bedingter Ungleichheit von Gesundheitschancen zu erbringen. Primäre Prävention bedeutet, dass auf
die Entstehung von Krankheiten durch Interventionen in Umwelt, Arbeitsbereich
und Lebensstil der Menschen eingewirkt wird, um so die erstmalige Entstehung
einer Krankheit zu verhüten380. Demgegenüber sind Maßnahmen der sekundären
Prävention solche, die erst bei schon eingetretener Krankheit ansetzen wie beispielsweise die Früherkennung durch verbesserte Methoden der Diagnose, um damit
einen möglichen Krankheitsrückfall zu verhindern381. Diese Maßnahmen zur Verbesserung des Gesundheitszustandes finden sich in den Satzungen der Krankenkassen und erfassen in der Regel soziale Dienstleistungen.
379 SRH-Ebsen, § 15 Rn. 68.
380 KK-Höfler, SGB V, § 20 Rn. 2; Wannagat-Mrozynski, § 20 SGB V Rn. 11.
381 Wannagat-Mrozynski, § 20 SGB V Rn. 11; KK-Höfler, SGB V, § 20 Rn. 2.
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Zudem sind mit §§ 21, 22 SGB V zwei Vorschriften zur Verhütung von Zahnerkrankungen, nämlich die Gruppen- und die Individualprophylaxe, von den Leistungen zur Verhütung von Krankheiten umfasst. Die Gruppenprophylaxe erstreckt sich
auf die Untersuchung der Mundhöhle, die Erhebung des Zahnstatus, Zahnschmelzhärtung, Ernährungsberatung und Mundhygiene bei Jugendlichen382. Diese Untersuchungsleistungen stellen soziale Dienstleistungen dar. Ebenso verhält es sich mit
den Leistungen der Individualprophylaxe gemäß § 22 SGB V. Deren Leistungen
erstrecken sich nach § 22 Abs. 2 SGB V auf den Befund des Zahnfleisches, die
Aufklärung über Krankheitsursachen und ihre Vermeidung, das Erstellen von diagnostischen Vergleichen zur Mundhygiene, zum Zustand des Zahnfleisches und zur
Auffälligkeit gegenüber Karieserkrankungen, auf die Motivation und Einweisung
bei der Mundpflege sowie auf Maßnahmen zur Schmelzhärtung der Zähne. Dieser
Katalog von Leistungen hat im Schwerpunkt soziale Dienstleistungen zum Inhalt.
Zu den Leistungen zur Verhütung von Krankheiten gehören nach §§ 23, 24 SGB
V medizinische Vorsorgeleistungen. Die medizinischen Vorsorgeleistungen umfassen nach § 23 Abs. 1 SGB V neben einer ärztlichen Behandlung auch eine Versorgung mit Arznei-, Verband- und Heil- und Hilfsmitteln. Voraussetzung dafür ist,
dass diese entsprechend § 23 Abs. 1 SGB V notwendig sind, um eine Schwächung
oder Gefährdung der Gesundheit zu verhindern oder Krankheiten, beziehungsweise
Pflegebedürftigkeit zu vermeiden. Soweit diese Leistungen nicht ausreichen, können
Krankenkassen nach § 23 Abs. 2 SGB V als Ermessensleistung ambulante Vorsorgeleistungen in anerkannten Kurorten gewähren, falls erforderlich gemäß Abs. 4
auch stationäre Behandlung in einer Vorsorgeeinrichtung. In § 24 SGB V werden
die Vorsorgeleistungen des § 23 SGB V auf die speziellen Bedürfnisse der Mutter
ausgerichtet. Die Voraussetzungen und Leistungen sind bei den §§ 23, 24 SGB V im
Wesentlichen gleich383. Die medizinischen Vorsorgeleistungen sind in der Regel
Sachleistungen, weil eine Versorgung mit Arznei-, Verband- und Hilfsmitteln die
Hingabe oder Bereitstellung von Sachen durch Eigentumsübertragung zum Gegenstand hat. Lediglich für die ärztliche Behandlung und die Heilmittelversorgung
kommt schwerpunktmäßig eine soziale Dienstleistung in Betracht.
Schließlich werden auch die Empfängnisverhütung nach § 24 a SGB V sowie der
Schwangerschaftsabbruch und die Sterilisation nach § 24 b SGB V von den Leistungen zur Verhütung von Krankheiten erfasst. Nach § 24 a Abs. 1 SGB V haben Versicherte einen Anspruch auf ärztliche Beratung über Fragen der Empfängnisregelung. Hierzu gehören gemäß § 24 a Abs. 1 Satz 2 SGB V auch die erforderliche
Untersuchung und die Verordnung von Empfängnis regelnden Mitteln. Diese Leistungen stellen soziale Dienstleistungen dar. Nach § 24 b Abs. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Leistungen bei einer durch Krankheit erforderlichen Sterilisation und bei einem nicht rechtswidrigem Abbruch der Schwangerschaft durch einen
Arzt. Die Krankenkasse gewährt gemäß § 24 b Abs. 2 SGB V als Leistungen die
ärztliche Beratung über die Erhaltung und den Abbruch der Schwangerschaft, ärztli-
382 Wannagat-Mrozynski, § 21 SGB V Rn. 10; KK-Höfler, SGB V, § 21 Rn. 3 f.
383 Wannagat-Mrozynski, § 24 SGB V Rn. 1.
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che Untersuchung und Begutachtung zur Feststellung der Voraussetzungen für eine
Sterilisation oder einen Schwangerschaftsabbruch, ärztliche Behandlung, Versorgung mit Arznei-, Verband- und Heilmitteln sowie Krankenhauspflege. Auch diese
Leistungen haben – mit Ausnahme der Arznei- und Verbandmittelversorgung –
überwiegend soziale Dienstleistungen zum Gegenstand. Die Versorgung mit Arzneiund Verbandmitteln stellen hingegen eine Sachleistung dar384. Darüber hinaus besteht nach § 24 b Abs. 2 Satz 2 SGB V gegebenenfalls ein Anspruch auf Krankengeld, wenn Versicherte in Folge des rechtmäßigen Eingriffs durch einen Arzt arbeitsunfähig werden. Die Zahlung eines Krankengeldes stellt folglich eine Geldleistung dar. Weitere Einzelheiten sind in den Richtlinien zur Empfängnisregelung und
zum Schwangerschaftsabbruch geregelt385.
2. Leistungen zur Früherkennung von Krankheiten
Die §§ 25 und 26 SGB V haben die Leistungen zur Früherkennung von Krankheiten
zum Gegenstand. In § 25 Abs. 1 SGB V wird den Versicherten ein Anspruch auf
eine ärztliche Gesundheitsuntersuchung zur Früherkennung von Krankheiten eingeräumt386. Konkrete Therapieleistungen sieht § 25 SGB V nicht vor, weil die Früherkennung von Krankheiten in der Regel diagnostischer Natur ist387. Allerdings soll
der Arzt Ratschläge hinsichtlich üblicher Risiken wie beispielsweise Nikotin, Ernährung, Alkohol und Bewegung geben388. Der hauptsächliche Gegenstand der Gesundheitsuntersuchungen dient nach § 25 Abs. 1 SGB V der Früherkennung von Herz-
Kreislauf- und Nierenerkrankungen sowie der Zuckerkrankheit. Zur Früherkennung
von Krebserkrankungen müssen versicherte Frauen gemäß § 25 Abs. 2 SGB V mindestens 20 Jahre alt und Männer mindestens 45 Jahre alt sein. Einzelheiten über die
Gesundheitsuntersuchungen hat der Gemeinsame Bundesausschuss in entsprechenden Richtlinien geregelt, zu deren Erlass er nach § 25 Abs. 4, 5 SGB V auch berechtigt ist389. Diese Gesundheitsuntersuchungen stellen keine Sach- oder Geldleistungen, sondern soziale Dienstleistungen dar.
Versicherte Kinder haben nach § 26 SGB V bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres Anspruch auf Untersuchungen sowie nach Vollendung des 10. Lebensjahres auf
eine Untersuchung zur Früherkennung von Krankheiten, die ihre körperliche oder
geistige Entwicklung in nicht geringfügigem Maße gefährden. Die Vorschrift steht
384 Siehe 2. Teil, C. I. 5.
385 KK-Höfler, SGB V, § 24a Rn. 7.
386 Der Anspruch auf diese Gesundheitsuntersuchung besteht allerdings nach § 25 Abs. 1 SGB V
lediglich in einem Leistungsintervall von zwei Jahren für Versicherte, die das 35. Lebensjahr
vollendet haben.
387 BSGE 51, 115 (117); KK-Höfler, SGB V, § 25 Rn. 3.
388 Wannagat-Mrozynski, § 25 SGB V Rn. 7.
389 Abgedruckt im BArBl 1989/10 S. 44; 1991/2 S. 32; KK-Höfler, SGB V, § 25 Rn. 4; Wannagat-Mrozynski, § 25 SGB V Rn. 7.
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damit im Zusammenhang mit § 25 SGB V390. Das Leistungsangebot umfasst neben
solchen Untersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten nach § 26 Abs. 1 Satz
2 SGB V auch eine intensive Inspektion der Mundhöhle. Auch bei diesen Untersuchungen geht es nicht um Sachen oder Geldzahlungen, so dass auch diese Untersuchungen soziale Dienstleistungen darstellen.
3. Leistungen bei Krankheit
Kernbereich der Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung sind die Leistungen bei Krankheit. Diese sind in den §§ 27 bis 52 SGB V geregelt. Tritt der Versicherungsfall der Krankheit ein, haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung
und gegebenenfalls auf die Gewährung von Krankengeld391. Diese stellen mit Ausnahme von der Arznei-, Verband- und Hilfsmittelversorgung überwiegend soziale
Dienstleistungen dar. Hospizleistungen sowie die Gewährung eines Krankengeldes
nach §§ 44 bis 52 SGB V stellen hingegen Geldleistungen dar, weil es sich dabei um
eine einmalige oder dauernde Zahlung von Geld an den Leistungsberechtigten handelt. Ein Anspruch auf Krankengeld besteht gemäß § 44 SGB V, wenn die Krankheit die Versicherten arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse
stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung
behandelt werden. Diese wirtschaftliche Absicherung der Versicherten ergänzt damit
die Krankenbehandlung der §§ 27 ff. SGB V.
III. SGB VI (Gesetzliche Rentenversicherung)
Die Sozialleistungen der gesetzlichen Rentenversicherung sind im zweiten Kapitel,
also den §§ 9 bis 124 SGB VI, geregelt. Sie unterteilen sich in Leitungen zur Teilhabe, Renten, Zusatzleistungen, Serviceleistungen und Leistungen an Berechtigte im
Ausland.
1. Leistungen zur Teilhabe
Die Leistungen zur Teilhabe sind in den §§ 9 bis 32 SGB VI kodifiziert. Danach
erbringt der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, Übergangsgeld,
ergänzende und sonstige Leistungen als Leistungen zur Teilhabe. Im Rahmen dieser
Vorschriften verweist das SGB VI in der Regel auf die konkreten Vorschriften des
SGB IX. Diese Leistungen werden nach § 9 SGB VI erbracht, um den Auswirkun-
390 Wannagat-Mrozynski, § 26 SGB V Rn. 1.
391 Siehe zu den Leistungen der Krankenbehandlung 2. Teil, C. I. 6.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Müssen soziale Dienstleistungen öffentlich ausgeschrieben werden? Die Frage wird dahingehend beantwortet, dass nicht alle sozialen Dienstleistungen unter das Vergaberecht fallen. Teilweise handelt es sich bei sozialen Dienstleistungen um vergaberechtsfreie Dienstleistungskonzessionen.
Die Autorin analysiert die Auftraggebereigenschaft der Sozialleistungsträger und untersucht ausführlich, welche sozialen Dienstleistungen dem Vergaberecht unterliegen und welche als Dienstleistungskonzessionen einzuordnen sind. Abschließend werden die Anforderungen an die konkrete Auftragsvergabe dargestellt.
Das Werk wendet sich nicht nur an wissenschaftlich interessierte Leser, sondern auch an Personen und Körperschaften, die praktisch mit der Beschaffung sozialer Dienstleistungen betraut sind. Mit der präzisen Herausarbeitung der einzelnen sozialen Dienstleistung und deren detailliert begründeten vergaberechtlichen Einordnung, leistet die Arbeit einen wichtigen Beitrag für die Beschaffung sozialer Dienstleistungen und ist damit für den Praktiker in besonderem Maße geeignet.