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IV.) Verbot der Marktmanipulation, § 20 a WpHG
1.) Alte Rechtslage und neuer Maßstab
Öffentliche Rückerwerbsverfahren sind, wie mehrfach ausgeführt, regelmäßig mit
abnormalen Kursanstiegen verbunden. Hiermit ist die Frage aufgeworfen, ob der
Rückkauf möglicherweise mit einem nach § 20 a WpHG erheblichen marktmanipulativen Element verbunden sein kann.
Nach § 13 der KuMaKV1011, die nunmehr durch § 11 MaKonV1012 außer Kraft
gesetzt ist, war der Erwerb eigener Aktien noch gänzlich von dem Verbot nach § 20
a I 1 WpHG ausgenommen, soweit er im Einklang mit § 71 AktG erfolgte1013. Diese
Gleichschaltung von aktien- und wertpapierhandelsrechtlicher Regelung erfolgt
jedoch auf Basis der neuen Konzeption des § 20 a WpHG nicht mehr. Vielmehr ist
der Erwerb eigener Aktien hiernach nur noch in den (engen) Grenzen der safe harbour-Regelung des § 20 a III WpHG i.V.m. EG-VO 2273/2003 vom Manipulationsverbot ausgenommen, so dass für die verbleibenden Fälle - und dies gilt aus den
bereits oben im Zusammenhang mit § 14 II WpHG angeführten Gründen für öffentliche Rückerwerbsverfahren generell1014 - grundsätzlich im Wege einer Einzelfallbetrachtung untersucht werden muss, ob sie dem Verbot nach § 20 a I, II WpHG unterfallen1015.
2.) Verbotstatbestand, § 20 a I WpHG
a) Tätigen und Verschweigen von Angaben gem. § 20 a I 1 Nr. 1 WpHG
§ 20 a I 1 Nr. 1 WpHG behandelt Marktmanipulationen in Form eines bestimmten
Informationsverhaltens. Verboten ist demnach die Tätigung unrichtiger oder irreführender bewertungserheblicher Angaben über Umstände, sofern diese Angaben ein
Kursbeeinflussungspotential aufweisen. Genauso ist unter diesen Voraussetzungen
das Verschweigen solcher Umstände entgegen bestehender Rechtsvorschriften unzulässig.
1011 Verordnung zur Konkretisierung des Verbotes der Kurs- und Marktpreismanipulation (Ku-
MaKV) vom 18. November 2003, BGBl. I, 2300.
1012 Verordnung zur Konkretisierung des Verbots der Marktpreismanipulation (Marktmanipulations-Konkretisierungsverordnung - MaKonV) vom 1. März 2005, BGBl. I, 515.
1013 Mit Bedenken ggü. dieser Regelung bereits Pfüller/Weber, WM 2003, 2245, 2254; Fleischer,
ZIP 2003, 2045, 2053.
1014 Vgl. soeben S. 195.
1015 Vgl. Singhof/Weber, AG 2005, 549, 563.
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Die Gefahr, dass Marktteilnehmer durch ein bestimmtes Informationsverhalten
über den wahren Wert eines Wertpapiers getäuscht werden, besteht generell auch im
Zusammenhang mit dem Erwerb eigener Aktien. Für den hier interessierenden Unterfall öffentlicher Rückerwerbsverfahren ist in dieser Hinsicht zu beachten, dass das
Informationsverhalten der Gesellschaft (nach richtiger Auffassung1016) in bedeutendem Umfang durch das WpÜG vorgegeben wird. Die übernahmerechtlichen Vorschriften zwingen die rückerwerbende Gesellschaft zur Veröffentlichung transaktionserheblicher Daten und Umstände. Dies gilt besonders im Hinblick auf die umfangreichen Informationen, die nach § 11 WpÜG (i.V.m. § 2 WpÜG-AngebotsVO)
in die Angebotsunterlage aufzunehmen sind1017. Ausweislich der Gesetzesbegründung zum WpÜG besteht der Zweck der Angebotsunterlage schließlich u.a. auch
darin, die Angebotsadressaten und die Öffentlichkeit über Inhalt und Ziele des Angebots zu informieren1018. Die Informationsverpflichtung, die das WpÜG der rückerwerbenden Gesellschaft vorschreibt, weist damit tatsächliche Berührungspunkte
mit dem informationsbezogenen Verbot des § 20 a I 1 Nr. 1 WpHG auf. Dies gilt
nicht nur im Hinblick darauf, dass unrichtige oder irreführende Angaben - insbesondere in der Angebotsunterlage - neben ihrer übernahmerechtlichen Absicherung
(vgl. § 12 WpÜG) ebenso im Hinblick auf § 20 a I 1 Nr. 1 i.V.m. §§ 38 ff. WpHG
relevant sein können; darüber hinaus ist auch die Nichtangabe von nach dem WpÜG
geforderten Informationen ggf. ein für § 20 a I 1 Nr. 1 WpHG erhebliches Verschweigen von Umständen „entgegen bestehender Rechtsvorschriften“1019.
b) Manipulative Geschäfte und Täuschungen, § 20 a I 1 Nr. 2, 3 WpHG
§ 20 a I 1 Nr. 2 WpHG verbietet die Vornahme von Geschäften, die geeignet sind,
falsche oder irreführende Signale für das Angebot, die Nachfrage oder den Börsenoder Marktpreis von Finanzinstrumenten zu geben oder ein künstliches Preisniveau
herbeizuführen. § 20 a I 1 Nr. 3 WpHG verbietet „sonstige Täuschungshandlungen“
mit Kurseinwirkungspotential1020. Anders als die soeben behandelte informationsgestützte Manipulation in § 20 a I 1 Nr. 1 WpHG erfassen die Nr. 2 und 3 der Vorschrift somit in erster Linie sog. handelsgestützte Manipulationen1021. In diesem
1016 Vgl. hierzu bereits umfassend S. 99 ff.
1017 Vgl. zum Umfang der bei öffentlichen Rückerwerbsangeboten gem. § 11 WpÜG (i.V.m. § 2
WpÜG-AngebotsVO) zu veröffentlichenden Angebotsunterlage bereits detailliert S. 134 ff.
1018 Begr RegE, BT-Drucks. 14/7034, S. 41.
1019 Vgl. Schwark, in: Schwark, Kapitalmarktrechtskommentar, § 20 a WpHG Rn. 19 (mit Fn.
62), der als Beispiel die nach § 10 WpÜG bestehende Pflicht zur Veröffentlichung der Angebotsentscheidung anführt.
1020 Nach der neuen gesetzlichen Konzeption ist nunmehr auf tatbestandlicher Ebene das besondere Absichtselement bei Täuschungshandlungen entfallen, vgl. Begr RegE, BT-Drucks.
15/3174, S. 27.
1021 Zur Systematisierung der verschiedenen Manipulationstechniken vgl. Vogel, in: Assmann/Schneider, WpHG, vor 20 a Rn. 20 ff.
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Zusammenhang stellt sich die Frage, ob ggf. die Durchführung eines öffentlichen
Rückerwerbsverfahrens an sich einem dahingehenden Vorwurf der Marktmanipulation ausgesetzt werden kann.
Ganz allgemein ist für eine Kursmanipulation entscheidend, dass auf Seiten der
Marktteilnehmer eine unzutreffende Vorstellung über den Wert eines Wertpapiers
erzeugt wird1022. Erst hierdurch wird eine Gefahr für den Kapitalmarkt begründet,
denn das Vertrauen der Marktteilnehmer ist erschüttert, wenn der Bewertung der
Aktie und einer möglicherweise hierauf basierenden Anlageentscheidung ein falsches Bild zugrunde gelegt wird. Das Marktmanipulationsverbot zielt vor diesem
Hintergrund auf die Wahrheit der Preisbildung ab1023. Ganz augenscheinlich ist dies
im Hinblick auf die Herbeiführung eines falschen oder irreführenden Signals (§ 20 a
I 1 Nr. 2 1. Alt. WpHG) sowie die Vornahme einer sonstigen Täuschungshandlung
(§ 20 a I 1 Nr. 3 WpHG). Aber auch für die Schaffung eines künstlichen Preisniveaus (§ 20 a I 1 Nr. 2 2. Alt. WpHG) kann nichts anderes gelten. „Künstlich“ kann
in diesem Zusammenhang ebenfalls nur bedeuten, dass ein solches Preisniveau erzeugt wird, das auf unzutreffenden kurserheblichen Informationen der Marktteilnehmer beruht. Andernfalls würde dem dargestellten Regelungshintergrund des § 20
a I WpHG widersprochen und § 20 a I 1 Nr. 2 2. Alt. WpHG zudem zu einem an
dieser (versteckten) Stelle ganz offensichtlich nicht gewollten Auffangtatbestand für
jegliche Geschäftstätigkeiten mit Eignung zur Kursbeeinflussung aufgewertet. Für
das hier zugrunde gelegte Verständnis spricht auch die Auffangfunktion des § 20 a I
1 Nr. 3 WpHG1024; selbst hiernach ist aber eine zur Preisbeeinflussung geeignete
Täuschungshandlung vorausgesetzt1025.
Nach dem Gesagten könnte die Durchführung eines öffentlichen Rückerwerbsverfahrens nur dann mit einem falschen oder irreführenden Signal, dem Hervorrufen
eines künstlichen Preisniveaus oder einer sonstigen Täuschungshandlung in Verbindung gebracht werden, wenn der Rückerwerb in irgendeiner Weise über den („wahren“) Wert der Aktie hinwegtäuschen würde.
Was nun das Hervorrufen von Fehlvorstellungen auf Seiten der Anleger betrifft,
dürfte die Hauptgefahr beim Erwerb eigener Aktien generell darin begründet liegen,
dass der Markt die entstehende Nachfrage nach den Aktien der Gesellschaft fehlinterpretiert und fälschlicherweise als Anlageentscheidung Dritter einordnet1026. In
diesem Zusammenhang ist insbesondere auch die Frage nach der Abgrenzung zwi-
1022 Kaiser, WM 2002, 1557, 1563.
1023 Begr RegE, BT-Drucks. 14/8017, S. 89, 98; Möller, WM 2002, 309, 310.
1024 Vgl. schon Schwark, in: Schwark, Kapitalmarktrechtskommentar, § 20 a WpHG Rn. 23;
hierfür sprechen die systematische Stellung und der Wortlaut des § 20 a I 1 Nr. 3 WpHG.
1025 Durch die zusätzliche Verwendung des Begriffs „sonstige“ wird überdies indiziert, dass auch
die anderen Tatbestände des § 20 a I WpHG ein Täuschungsmoment beinhalten müssen.
1026 Vgl. von Rosen/Helm, AG 1996, 434, 439; Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, § 71
Rn. 12; Hirte, 5.95. Bezzenberger, Rn. 155.
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schen zulässiger Kurspflege und unzulässiger Kursmanipulation durch einen Aktienrückerwerb aufgeworfen. Jedoch bestehen gerade im Bereich der hier interessierenden öffentlichen Rückerwerbsverfahren, bei denen der Aktienerwerb im Gegensatz
zum börslichen Rückkauf nicht anonym erfolgt, im Hinblick auf die bezeichnete
Fehlvorstellung der Anleger kaum Gefahren. Durch die detaillierten Veröffentlichungspflichten nach dem WpÜG ist sichergestellt, dass den Marktteilnehmern die
wesentlichen Konditionen des Rückerwerbs sowie der Ablauf und Ausgang des
Bieterverfahrens offengelegt werden. Der Markt weiß daher die gesteigerte Nachfrage nach den Aktien der rückerwerbenden Gesellschaft einzuschätzen und wird in
dieser Hinsicht keinen falschen Vorstellungen unterworfen. Dass öffentliche Rückerwerbsverfahren regelmäßig dennoch einen Kursanstiegs zur Folge haben, ist (zum
Teil) bereits Folge marktimmanenter Mechanismen, in deren Ansehung bei Offenlegung des Rückkaufs aber insbesondere nicht von einem „künstlich“ hervorgerufenen
Preisniveau i.S.d. § 20 a I 1 Nr. 2 2. Alt. WpHG gesprochen werden kann. So sorgt
etwa bereits der Preisdruck, der dadurch entsteht, dass die Gesellschaft die eigenen
Aktien von den Aktionären mit den niedrigsten reservation values zurückkauft,
gleichsam automatisch dafür, dass die Aktien der Gesellschaft im Anschluss zu
einem höheren Preis gehandelt werden.
Aus dem Vorstehenden sollte jedoch nicht voreilig geschlossen werden, dass eine
Marktmanipulation überhaupt nur im Wege des börslichen Rückkaufs in Frage
kommt1027. Bedenken können sich im Hinblick auf eine verbotene Marktmanipulation im Zusammenhang mit einem öffentlichen Rückerwerbsverfahren insbesondere
immer noch insoweit ergeben, als der Markt ein solches als Signal für die Unterbewertung des Unternehmens auffasst und demzufolge der Kurs der Aktie steigt. Hierin liegt, wie bereits dargelegt, immerhin auch ein (wenn nicht das) Hauptmotiv für
den Erwerb eigener Aktien. Zwar kann ein dementsprechendes Signal im Einzelfall
durchaus kapitalmarktpolitisch wünschenswert sein, namentlich wenn hierdurch der
Kurswert schneller an die tatsächlichen Gegebenheiten angepasst werden kann1028.
Da in diesem Fall keine falsche Vorstellung hervorgerufen wird, liegt nach den oben
aufgezeigten Grundsätzen auch kein für § 20 a I WpHG erheblicher Tatbestand vor.
Bedenklich ist dagegen jedoch die unzutreffende Signalisierung einer Unterbewertung; in diesem Fall kommt prinzipiell ein Verstoß gegen das Manipulationsverbot i.S.d. § 20 a I 1 Nr. 2 1. Alt und Nr. 3 WpHG in Betracht. Gleichwohl wird man
einen solchen Verstoß nur annehmen können, wenn sich der Vorstand öffentlich auf
die Signalisierung einer nachweislich nicht bestehenden Unterbewertung beruft.
Unter anderen Voraussetzungen dürfte es dem Rückkauf an der maßgeblichen objektiven Signaleignung i.S.d. § 20 a I 1 Nr. 2 1. Alt WpHG bzw. dem Täuschungs-
1027 So aber Lüken, S. 274.
1028 Vgl. hierzu noch ausführlicher S. 234 f.
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wert i.S.d. § 20 a I 1 Nr. 3 WpHG fehlen1029. Es kann dann nicht der Gesellschaft
angelastet werden, dass der Markt aus dem Rückerwerb schließt, dass es um den
Wert der Aktie nicht so schlecht bestellt sein kann. Dies gilt erst recht in den Fällen,
in denen der Rückerwerb ganz öffentlich auf einen anderen Grund, wie etwa die
Ausschüttung liquider Mittel oder den Aufbau einer Akquisitionswährung, gestützt
wird1030. Wollte man dies alles anders sehen, so hätte dies zur Folge, dass letztlich
jedes öffentliche Rückerwerbsverfahren, das nicht im Zusammenhang mit einer -
überdies auch nur ex post feststellbaren - aktuellen Unterbewertung durchgeführt
wird, ein falsches Signal für den Wert der Aktie und somit eine Marktmanipulation
darstellen würde. Die hiermit verbundene weitgehende Einschränkung aktiengesetzlich zulässiger Aktienrückerwerbe widerspräche jedoch in nicht hinnehmbaren Maße
dem Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung, denn insbesondere der aus Gründen
der Unternehmensflexibilisierung durch das KonTraG eingefügte § 71 I Nr. 8 AktG
lässt den Erwerb eigener Aktien in bedeutend großzügigeren Grenzen zu. Wenn es
auch prinzipiell nicht ausgeschlossen ist, dass das Kapitalmarktrecht infolge seines
eigenständigen Schutzstandards zusätzliche und über das Aktienrecht hinausgehende
Anforderungen an den Erwerb eigener Aktien stellt, so kann der Gesetzgeber eine
dermaßen weitreichende praktische Eindämmung dieses Instruments durch das
WpHG kaum gewollt haben. In diesem Zusammenhang gilt es auch zu beachten,
dass immerhin bis vor Kurzem der nach § 71 AktG zulässige Erwerb eigener Aktien
noch gänzlich von dem Verbot des § 20 a I WpHG ausgenommen war (§ 13 Ku-
MaKV).
3.) Ausnahmetatbestand für zulässige Marktpraktiken, § 20 a II WpHG
§ 20 a II WpHG statuiert für das Verbot gem. § 20 a I 1 Nr. 2 WpHG eine Ausnahme, wenn die Handlung mit der zulässigen Marktpraxis vereinbar ist und der Handelnde über legitime Gründe verfügt. Voraussetzung ist eine Anerkennung der
Marktpraxis durch die BaFin, die auch ex post erfolgen kann1031. Im Zusammenhang
mit dem Aktienrückkauf wurde im Schrifttum bereits auf ein Bedürfnis hingewiesen, bestimmte Erscheinungsformen als zulässige Marktpraxis i.S.d. § 20 II WpHG
anzuerkennen1032.
Für die hier interessierenden öffentlichen Rückerwerbsverfahren ist ein solches
Bedürfnis jedoch nicht ersichtlich. Hierfür ist auf die oben stehenden Ausführungen
zu § 20 a I 1 Nr. 2 WpHG zu verweisen. Dort wurde dargelegt, dass die Offenlegung
1029 Vgl. bereits zu § 20 a I 1 Nr. 2 WpHG a.F. Vogel, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 20 a Rn.
123.
1030 Möglicherweise ist die Ermächtigung gem. § 71 I Nr. 8 AktG auch auf einen solchen Zweck
begrenzt.
1031 Zum Verfahren und eingehenderen Kriterien für die Anerkennung vgl. §§ 7-10 MaKonV.
1032 Vgl. Singhof/Weber, AG 2005, 549, 563; Lüken S. 275 f.
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des Rückkaufverfahrens gemäß der Pflichten nach dem WpÜG dafür Sorge trägt,
dass Marktmanipulationen i.S.d. § 20 a I 1 Nr. 2 WpHG in ganz erheblichem Maße
die Grundlage entzogen ist. Ganz regelmäßig ist die Durchführung öffentlicher
Rückerwerbsverfahren damit keinem entsprechenden Manipulationsvorwurf auszusetzen, so dass der (zulässige) flexible unternehmerische Umgang mit diesem Instrument nicht eingeschränkt ist. Den verbleibenden Manipulationsgefahren sollte
dadurch Rechnung getragen werden, dass der BaFin auf Basis der gebotenen Einzelfallbetrachtung eine uneingeschränkte Kontrollmöglichkeit verbleibt.
V.) Mitteilungspflichten nach §§ 21 ff. WpHG
Zuletzt ist zu untersuchen, ob und in welchem Umfang sich auf Basis der §§ 21 ff.
WpHG Mitteilungspflichten für die rückerwerbende Gesellschaft ergeben können1033.
§ 21 I WpHG verpflichtet im Falle einer Erreichung, Über- oder Unterschreitung
von Stimmrechtsanteilen von 3, 5, 10, 15, 20, 25, 30, 50 oder 75 % an einem börsennotierten Emittenten mit dem Herkunftsland Deutschland zu einer Mitteilung an
den betroffenen Emittenten sowie an die BaFin1034. Die Frage, ob auch die rückerwerbende Gesellschaft eine solche Mitteilungspflicht trifft, wird in der Literatur
nicht einheitlich beantwortet1035. Die besseren Gründe sprechen hier für ein Nein.
Der Gesetzeswortlaut knüpft explizit an das Bestehen von Stimmrechten an, die aber
im Falle eigener Aktien wegen § 71 b AktG gerade nicht bestehen1036. Zwar wird
von den Vertretern der Gegenansicht vorgebracht, die Aktionäre hätten auch im
Falle des Rückerwerbs ein Interesse an einer Offenlegung1037. Ein solches jedoch
durch § 21 I WpHG zu befriedigen, würde eine Überspannung dieser Vorschrift
1033 Im Zusammenhang mit den Meldepflichten der §§ 21 ff. WpHG werfen eigene Aktien noch
zwei weitere Fragen auf, die jedoch Meldepflichten von Dritten betreffen und somit in dieser
Arbeit nicht näher untersucht werden sollen. So geht es zum einen darum, ob eigene Aktien
wegen § 71 b AktG von der Gesamtzahl der Stimmrechte i.S.d. § 21 I 1 WpHG abgezogen
werden müssen (vgl. hierzu etwa Widder/Kocher, AG 2007, 13, 13 f.; Möller, Rn. 356; zudem Begr RegE, BT-Drucks. 13/9712, S. 30). Zum anderen stellt sich die Frage, ob eigene
Aktien einem meldepflichtigen Dritten gem. § 22 I Nr. 1 WpHG zugerechnet werden können
(vgl. hierzu etwa Widder/Koch, AG 2007, 13, 14 ff.).
1034 § 15 WpHG ist durch das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 5. Januar 2007 im
Hinblick auf die Schwellenwerte sowie das Herkunftsstaatsprinzip der Transparenzrichtlinie
angepasst worden, vgl. dazu Begr RegE, BT-Drucks. 16/2498, S. 34; zu den Änderungen etwa auch Bosse, DB 2007, 39, 39 ff.
1035 Für eine Mitteilungspflicht: Benckendorff, S. 291 f.; Schneider, in: Assmann/Schneider,
WpHG, § 21 Rn. 34; Schäfer, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 47
Rn. 66. Dagegen: Schäfer, WM 1999, 1345, 1350; Widder/Kocher, AG 2007, 13, 14 ff.; Möller, Rn. 354 ff.; Lüken, S. 255; wohl auch Johannsen-Roth, S. 278.
1036 Vgl. zu diesem Wortlautargument Widder/Kocher, AG 2007, 13, 15 f.
1037 Vgl. soeben die entsprechenden Nachweise in Fn. 1035.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Öffentliche Angebote zum Erwerb eigener Aktien erfreuen sich – dem US-amerikanischen Vorbild folgend – auch in Deutschland zunehmender Beliebtheit. Basierend auf der fortschreitenden Modernisierung des europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrechts haben sich die rechtlichen Rahmenbedingungen in Deutschland in dieser Hinsicht in den letzten Jahren stetig weiterentwickelt.
Mit einem vergleichenden Blick in die USA, und angelehnt an die Erscheinungsformen und Hintergründe öffentlicher Rückkaufverfahren in der Wirtschaftspraxis, analysiert und hinterfragt die vorliegende Arbeit den geltenden Rechtsrahmen sowie die einschlägige Verwaltungspraxis. Einen Schwerpunkt stellt die vom Autor geforderte Anwendung des WpÜG auf öffentliche Rückerwerbsangebote dar. Zudem spricht sich der Autor unter Verweis auf Missbrauchspotentiale im Zusammenhang mit dem Erwerb eigener Aktien gegen eine Liberalisierung nach US-amerikanischem Vorbild, und dabei insbesondere gegen die An- bzw. Aufhebung der derzeit geltenden 10%-Bestandgrenze für eigene Aktien, aus.
Der Autor ist als Rechtsanwalt im Bereich M&A und Gesellschaftsrecht in einer international ausgerichteten Wirtschaftskanzlei in Stockholm tätig.