268 Das Sozio-ökonomische Panel (SOEP)
Abhängige Variable im Untersuchungsmodell zum Gründungserfolg ist die
dichotom konstruierte Variable einer drei Jahre überlebenden freiberuflichen
Gründung. Der Tabelle 55 ist die theoriegeleitete Zuordnung der einzelnen Variablen sowie ihre Kodierung und die Referenzgrößen zu entnehmen. Das Untersuchungsmodell bildet die Grundlage für die folgenden multivariaten Tests.
Wie zur Gründungsaktivität liegen der Aufbau und die Struktur des Untersuchungsmodells im Sinne des Betrachters und ist nicht abschließender Natur.
Dies gilt im vorliegenden Modellaufbau für die Zuordnung der geografischen
Angaben ins mikro-soziale Umfeld wie für die personenbezogenen humankapitaltheoretischen Annahmen als spezifischen einzeln aufgeführten Ansatz.
4.4.5 Multivariate Ergebnisse zum Gründungserfolg
Die multivariaten Ergebnisse zum freiberuflichen Gründungserfolg mit dem
Messkriterium eines dreijährigen Überlebens der Gründung wurden auf der
Grundlage des gepoolten SOEP-Datensatzes mit einem Logit-, Probit- und
Relogitschätzer berechnet. Zwar liefern Logit- und Probitschätzer für den Bereich mittlerer Erfolgsquoten ähnliche Ergebnisse, sollen aber in der gemeinsamen Darstellung dem Vergleich und einer besseren Einschätzung der Ergebnisse
auch kleinerer Gruppen dienen. Bevorzugt interpretiert wird das Relogitmodell,
welches nicht nur für seltene Ereignisse sondern insbesondere auch für kleine
Stichproben eignet (vgl. Kap. 4.3.5).
Die Tabelle 56 präsentiert die multivariaten Ergebnisse des Logit-, Probit- und
Relogitmodells zu den dreijährigen Überlebenswahrscheinlichkeiten freiberuflicher Gründungen auf Grundlage des gepoolten SOEP-Datensatzes (1992-2002).
Ein höheres Alter hat einen positiven Einfluss auf die dreijährige Überlebenswahrscheinlichkeit einer freiberuflichen Gründung. Die Ergebnisse sind sowohl
im Logit- und Probit- als auch im Relogitmodell hoch signifikant. Alle Modelle
zeigen einen nichtlinearen Effekt des Alters auf die Überlebenswahrscheinlichkeit der Gründung (vgl. Tab. 56). Die Ergebnisse bestätigen die Annahmen zur
ersten Hypothese des Gründungserfolges, dass ein höheres Alter der Gründerperson einen positiven Einfluss auf die Überlebenswahrscheinlichkeit hat.
Keinen signifikanten Einfluss auf die Überlebenswahrscheinlichkeit hat das Geschlecht der Gründer. Gegenüber den Männern als Referenz weisen die freiberuflichen Gründerfrauen keinen signifikanten Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit eines dreijährigen Überlebens aus. Die zweite Hypothese zum Gründungserfolg, nach der Männer gegenüber den Frauen bessere Chancen auf ein Überleben
ihrer Gründung haben, wird nicht bestätigt.
Keine signifikanten Einflussgrößen zeigen sich auch im mikro-sozialen Umfeld
beim Familienstand der Gründer. Gegenüber der Referenz der „ledigen Gründer“ weisen die „verheirateten Gründer“ zwar ein negatives Vorzeichen im
Koeffizienten auf, haben aber weder im Logitmodell noch im Probitmodell eine
Das Sozio-ökonomische Panel (SOEP) 269
annährend signifikante Größenordnung. Damit werden die Annahmen aus der
dritten Hypothese zum fehlenden Einfluss des Familienstandes auf die Wahrscheinlichkeit des dreijährigen Überlebens der Gründung bestätigt.
Tabelle 56: Ergebnisse des Logit-, Probit- und Relogitmodells, gepoolter
SOEP-Datensatz 1992-2002
Theorieansatz/ Modell Logit Probit Relogit
Endogene Variable: Gründer drei
Jahre überlebt (Ja/Nein) Koeffiz. P-Val. Koeffiz. P-Val. Koeffiz. P-Val.
Konstante -16,597 .014 -1,024 .009 -12.663 0.009
Personenbezogene Ansätze
Alter .999*** .004 .609*** .003 .711*** .002
Alter2 -1,131*** .004 -.691*** .003 -.803*** .002
Frauen .241 .722 .183 .652 .187 .722
Mikro-soziales Umfeld
Familienstand (Ref: ledig)
verheiratet zus. -.898 .195 -.510 .207 -.646 .249
Anzahl Kinder HH .265 .368 .142 .408 .181 .483
Ostdeutschland 1,011 .199 .560 .223 .704 .264
Allgemeines Humankapital
Schulabschluss (Ref: Haupt)
Realschule -1,258 .351 -.604 .362 -.805 .495
Abitur -1,515 .206 -.754 .196 -.956 .353
Hochschulabschluss -1,828** .028 -.883** .028 -1.318** .034
Spezifisches Humankapital
berufl. Tätigk. vor Gründ. (Ref: Ang.)
nicht Erwerbstätig -3,655** .036 -2,161** .030 -2,385** .094
Arbeitslos -2,364 .198 -1,392 .181 -1,48 .348
Beamter -2,879* .066 -1,686* .055 -1,843 .169
Unternehmer -3,102* .066 -1,813* .056 -2,019 .181
Betriebsbezogenes Umfeld
Zufriedenheit mit der Arbeit Ü .838 .166 .502 .163 .606 .210
Pers. Bruttoeinkommen .001 .289 .001 .272 .001 .358
Kammerberuf -0,651 .445 -.366 .475 .485 .412
Berufsgruppe (Ref. Künstler)
Freie Heilberufe 3,037*** .004 1,803*** .003 2,146** .015
Freie Rechts/Wirtschafts. 1,37 .182 .800 .191 1.026 .193
Freie Tech./Naturw. 2,215** .018 1,314** .016 1,612** .030
Chi-Quadrat 37,983 38,521
p-Value .006 .005
n 104 104
Quelle: Eigene Tabelle und Berechnungen. SOEP 1992-2002.
Die Anzahl der Kinder in den freiberuflichen Gründerhaushalten hat ebenfalls
keinen signifikanten Einfluss auf die Überlebenswahrscheinlichkeit. Zu diesem
Ergebnis kommen sowohl das Probit- als auch das Logitmodell. Bestätigt wird
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damit die vierte Hypothese, wonach ein fehlender Einfluss durch die Anzahl der
Kinder im Haushalt auf die Überlebenswahrscheinlichkeit angenommen wurde.
Nach den deskriptiven Ergebnissen zum geografischen Wohnort der Gründer
zeigen sich überraschender weise weder im Logit-, Probit- noch im Relogitmodell signifikante Werte. Gegenüber der Referenz westdeutscher Gründer zeigt
sich zur Überlebenswahrscheinlichkeit ostdeutscher Gründer kein signifikanter
Einfluss. Damit wird die fünfte Hypothese zum freiberuflichen Gründungserfolg, nach der eine Herkunft aus den ostdeutschen Bundesländern einen negativen Einfluss auf die Überlebenswahrscheinlichkeit hat, nicht bestätigt. Darüber
hinaus werden auch die besseren Überlebensquoten ostdeutscher Gründer aus
den deskriptiven Ergebnissen nicht durch die multivariaten Analysen zur Überlebenswahrscheinlichkeit gestützt.
Zum allgemeinen Humankapital wurden die Größen des Schulabschlusses und
des Hochschulabschlusses untersucht. Bei den höchsten Schulabschlüssen zeigt
sich für die freiberuflichen Gründer mit einem Realschulabschluss und Abitur
gegenüber der Referenz eines Hauptschulabschlusses kein signifikanter Einfluss
auf die dreijährige Überlebenswahrscheinlichkeit der Gründung.
Einen signifikant negativen Einfluss auf die Überlebenswahrscheinlichkeit weist
ein Hochschulabschluss auf. Hier zeigt sich deutlich in allen Modellen ein negativer Einfluss für das Überleben innerhalb der ersten drei Jahre. Obwohl die
Signifikanzgröße im Relogitmodell leicht abnimmt, überrascht dieses Ergebnis
vor dem Hintergrund der freiberuflichen Merkmale und Charakteristika. So ist
für eine Vielzahl der Freien Berufe ein Hochschulabschluss Voraussetzung für
die Berufsausübung. Allerdings zeichnet sich schon in den deskriptiven Ergebnissen eine sehr hohe Überlebensquote bei den Freiberuflern ohne Hochschulabschluss, aber dafür mit einer Gesundheits- oder Fachoberschulausbildung, ab.
Deren hohe Überlebensquote sowie die generell mit 104 Gründerpersonen geringe Fallzahl resultieren in einem signifikant negativen Einfluss der Hochschulabsolventen auf die freiberufliche Überlebenswahrscheinlichkeit aus.
Somit finden die humankapitaltheoretischen Annahmen aus den Hypothesen
zum Schul- und Hochschulabschluss keine Bestätigung.
Beim spezifischen Humankapital wird der Einfluss einer vorhergehenden beruflichen Tätigkeit auf die Überlebenswahrscheinlichkeit einer freiberuflichen
Gründung untersucht. Gegenüber der Referenz der Angestellten weisen alle anderen Einflussgrößen ein negatives Vorzeichen im Koeffizienten aus. Dies gilt
für die Ergebnisse aller drei Schätzer. Ein signifikant negativer Einfluss geht im
Logit- und Probitmodell von einer vorhergehenden nicht Erwerbstätigkeit auf
Fünf-Prozent-Niveau sowie dem Beamtenstatus und einer vorhergehenden selbständigen Tätigkeit auf Zehn-Prozent-Niveau aus. Mit Ausnahme der zuvor
arbeitslosen Gründer haben alle gegenüber dem Angestelltenstatus getesteten
Größen einen signifikant negativen Einfluss auf die Überlebenswahrscheinlichkeit. Anders im Relogitmodell, hier zeigt sich ausschließlich bei den zuvor
Das Sozio-ökonomische Panel (SOEP) 271
Nicht-Erwerbstätigen ein signifikant negativer Einfluss auf die Überlebenswahrscheinlichkeit. Allerdings ist bei der Interpretation der Ergebnisse die numerische Größenordnung zu beachten. So stellen die vor der Gründung als Angestellte tätige Gründerpersonen die mit Abstand größte Gruppe dar. Das Ergebnis
kann die achte Hypothese zum Gründungserfolg nicht bestätigen. Angenommen
wurde ein positiver Einfluss auf die freiberufliche Überlebenswahrscheinlichkeit
durch eine vorhergehende Tätigkeit als Selbständiger. Ebenfalls nicht bestätigt
wurde die zehnte Hypothese. Hier wurde ein negativer Einfluss auf die Überlebenswahrscheinlichkeit durch eine vorhergehende Arbeitslosigkeit erwartet.
Bestätigt wurden die elfte und zwölfte Hypothese, wonach ein negativer Einfluss von einer vorhergehenden nicht Erwerbstätigkeit und durch eine Beamtentätigkeit auf die Überlebenswahrscheinlichkeit ausgeht.
Aus dem betriebsbezogenen Umfeld der freiberuflichen Gründer wurden der
Einfluss des Einkommens, der Kammerberufe und der Berufsgruppen auf die
dreijährige Überlebenswahrscheinlichkeit der Gründung getestet.
Das persönliche Bruttoeinkommen der freiberuflichen Gründer im ersten Jahr
nach der Gründung hat keinen signifikanten Einfluss auf deren Überlebenswahrscheinlichkeit. Das Ergebnis überrascht zwar vor dem Hintergrund der deskriptiv gewonnenen Erkenntnisse zu den Überlebensquoten, ist aber nicht unplausibel, da gerade in der Startphase höhere Aufwendungen auf die freiberuflichen
Gründer zukommen. Damit wird die dreizehnte Hypothese, nach der ein höheres
Einkommen die Überlebenswahrscheinlichkeit der Gründer ansteigen lässt, nicht
bestätigt.
Hinsichtlich der Berufsgruppen zeigen sich deutlich differenzierende Ergebnisse. Gegenüber den Freien künstlerischen, pädagogischen und publizistischen
Berufen zeigt sich bei den Freien Heilberufen und den Freien technischen und
naturwissenschaftlichen Berufen ein positiver Einfluss auf die dreijährige Überlebenswahrscheinlichkeit einer freiberuflichen Gründung. Die Ergebnisse sind
im Probit- und Logitmodell signifikant und zu den Freien Heilberufen hochsignifikant. Im Relogitmodell zeigt sich ein etwas abweichendes Bild. Hier bewegt
sich die Signifikanz beider Einflussgrößen auf einem 5 Prozentniveau. Lediglich
die Freien rechts- und wirtschaftsberatenden Berufe weisen gegenüber den Freien künstlerischen, pädagogischen und publizistischen Berufen keine Signifikanz
auf. Hier sticht insbesondere der positive Einfluss der Freien Heilberufe auf die
Überlebenschancen freiberuflicher Gründer heraus. Die Ergebnisse bestätigen
die Annahmen eines positiven Einflusses der Freien Heilberufe und der Freien
technischen und naturwissenschaftlichen Berufe auf die Überlebenswahrscheinlichkeit der fünfzehnten und siebzehnten Hypothese.
In der Gesamtschau liefern die Ergebnisse des Logit-, Probit- und Relogitmodells mit dem berichtigten SOEP-Datensatz (1992 bis 2002) einige zentrale Einflussgrößen für eine dreijährige freiberufliche Überlebenswahrscheinlichkeit der
Gründerpersonen. So geht ein positiver Einfluss auf die freiberufliche Überle-
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benswahrscheinlichkeit von einem höheren Alter der Gründerperson sowie von
einer Gründung in der Berufsgruppe der Freien Heilberufe und der Freien technischen und naturwissenschaftlichen Berufe aus. Die Tabelle 57 gibt einen
Überblick zu den positiven und negativen signifikanten Einflussgrößen auf eine
dreijährige freiberufliche Überlebenswahrscheinlichkeit.
Tabelle 57: Überblick der positiven und negativen signifikanten Einflussgrößen auf die freiberufliche Überlebenswahrscheinlichkeit,
gepoolter SOEP-Datensatz 1992-2002
Einflussrichtung
Signifikante Einflussgrößen auf die freiberufliche
Überlebenswahrscheinlichkeit
Positiv
ein höheres Alter
die Freien Heilberufe
die Freien technischen und naturwissenschaftlichen Berufe
Negativ
ein Hochschulabschluss
eine vorhergehende nicht Erwerbstätigkeit
eine vorhergehende Beamtentätigkeit
eine vorhergehende selbständige Tätigkeit
Quelle: Eigene Tabelle. SOEP 1992-2002.
Signifikant negativ wird die Überlebenswahrscheinlichkeit von den Größen eines Hochschulabschlusses, einer vorhergehenden nicht Erwerbstätigkeit, einer
vorhergehenden Beamtentätigkeit sowie von einer vorhergehenden selbständigen Tätigkeit beeinflusst.
4.4.6 Zwischenfazit
Aus den Ergebnissen des Logit-, Probit- und Relogitmodells zu den demografischen Einflussgrößen aus den personenbezogenen Ansätzen werden die hypothetischen Annahmen zum Alter der Gründer bestätigt. So zeigt ein mittleres
Alter einen hoch signifikanten positiven Einfluss auf die dreijährige Überlebenswahrscheinlichkeit der freiberuflichen Gründer. Dabei wirkt sich offenbar
nicht nur eine längere Schul- und Hochschulausbildung auf das Alter der
Gründer, sondern insbesondere berufsspezifische Ausbildungsformen wie die
Gesundheitsschule oder Fachoberschule auf ein höheres Alter der Gründer aus.
In Verbindung mit dem spezifischen Humankapital, d.h. den zuvor gesammelten
einschlägigen Berufserfahrungen, steigt das Alter der Gründerpersonen weiter
an. Letztlich wirkt sich eine solche Vita der freiberuflichen Gründer positiv auf
die späteren Überlebenschancen aus. Bestätigt werden somit die humankapitaltheoretischen Annahmen.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die Arbeit verfolgt die theoretische, methodische und empirisch fundierte Analyse des freiberuflichen Gründungsgeschehens. Um die Fragestellung “Welche Determinanten beeinflussen die Gründungsaktivität und den Gründungserfolg von Freiberuflern?“ wird das Spektrum über die Phasen vor der Gründung bis zur Etablierung der freiberuflichen Tätigkeit am Markt erfasst.
Auf Grundlage des SOEP-Panels und einer Onlineerhebung tragen die Ergebnisse zu einem Erkenntnisgewinn des freiberuflichen Gründungsgeschehens bei. Gewürdigt wird dabei insbesondere die Praxis mit vielen neuen Ergebnissen aus den empirisch neu gewonnenen Daten zum Gründungsgeschehen der Freien Berufe.
Dr. Peter Paic studierte BWL und Ökonomie in Hamburg. 2008 Promotion an der Leuphana Universität Lüneburg. Zurzeit ist er Referent im Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik (LDS NRW) in Düsseldorf.