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IV. Zwischenergebnis
Für die Schaffung einer einheitlichen europäischen Dienstleistungsaufsicht verfügt
der europäische Gesetzgeber nicht über die notwendigen Kompetenzen. Gleichwohl
kann durch die Richtlinie, insbesondere die Vorgaben zur Verwaltungszusammenarbeit, erheblich auf die Berufsaufsicht Einfluss genommen werden. Die Mitgliedstaaten werden hierdurch auch im Rahmen der Berufsaufsicht zur Zusammenarbeit verpflichtet. Diese Vorgabe lässt sich dabei auf die Art. 40, 47 Abs. 1 und 2 Satz 1 und
3 sowie Art. 55 EG stützen.
Die Pflicht zu Amtshilfe und Verwaltungszusammenarbeit kann die Voraussetzung für eine gemeinsame Koordination der Berufsaufsicht und damit für eine Angleichung der nationalen Aufsichtssysteme in Europa schaffen. Dies beruht auf der
Gewährleistung einheitlicher Rahmenbedingungen für die Verwaltungszusammenarbeit. Es entsteht hierdurch ein Level-Playing-Field der Verwaltungszusammenarbeit. Dieses betrifft in erste Linie die Praxis der Berufsanerkennung, hat aber auf
Grund der Amtshilfe- und Unterrichtungs-pflichten der Art. 8 und 56 auch Ausstrahlungswirkung auf die Berufsaufsicht. Gemäß dem Prinzip der negativen Rechtsangleichung besteht so eine Möglichkeit der Harmonisierung im Bereich der Berufsaufsicht. Dies lässt sich als neues europäisches Harmonisierungskonzept erkennen.
Es bleibt jedoch die Schwierigkeit einer Vereinheitlichung der Begriffsverständnisse. Die Amtshilfeleistung verlangt nach europäischer Vorgabe einen umfassenden
Informationsaustausch. Für eine gleichmäßige Anwendungspraxis wäre jedoch die
Erarbeitung einheitlicher Kooperationsstandards bzw. Leitlinien für die Verwaltungszusammenarbeit erforderlich. Ähnlich der europäischen Berufsordnung für
Ärzte776 hinsichtlich einheitlicher Verhaltenskodizes, sollten auch für die Aufsichtsarbeit europäische Maßstäbe entwickelt werden.
Gleichwohl wird die Effektivität der Dienstleistungsaufsicht immer von der Effektivität des jeweiligen nationalen Aufsichtssystems abhängen. So kann auch dem
effet utile – Gebot nur im Rahmen der nationalen Kompetenzen Folge geleistet werden.
Hinzuweisen ist schließlich auf Anwendungsunterschiede bzw. Aufsichtslücken,
die dadurch entstehen können, dass die Zuständigkeit der Aufsichtsbehörden im
Aufnahmemitgliedstaat gemäß Art. 5 Abs. 3 erst ab dem Vorliegen eines schwerwiegenden beruflichen Fehlers beginnt. Der jeweilige Mitgliedstaat entscheidet
darüber, wann ein solcher vorliegt. Auch dies erschwert die Möglichkeit von Vorgaben für eine „Europäische Berufsaufsicht“. Für Deutschland muss die Aufsicht über
776 Vgl. Grundsätze Ärztlicher Ethik (Europäische Berufsordnung) der internationalen Konferenz
der Ärztekammern von 1987 / 1995, abrufbar unter: http://infomed.mds-ev.de/sindbad.nsf/
778bf5d6b54bb45fc1256e9f004097fb/5a6bd59a934b519480256d96000087f6/$FILE/EU-
Berufsordnung.pdf, Stand: 9.3.2007; vlg. auch hinsichtlich der Psychotherapeuten den Code
of Ethics der European Federation of Psychologists’ Associations (EFPA), abrufbar unter:
http://www.efpa.be/, Stand: 9.3.2007.
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EU-Dienstleister hinsichtlich Berufsvergehen, denen nur mit einer Rüge entgegengetreten werden könnte, unterbleiben. Insofern kann nicht von einem schwerwiegenden beruflichen Fehler i.S. des Art. 5 Abs. 3 ausgegangen werden.
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References
Zusammenfassung
Die Arbeit widmet sich der Einflussnahme der Berufsanerkennungsrichtlinie 2005/36/EG auf die Berufsaufsicht über Ärzte und Psychotherapeuten in Deutschland und Großbritannien. Im Rahmen dessen erfolgt eine Auseinandersetzung mit den europäischen Harmonisierungskonzepten und dem Rechtskonzept der Berufsanerkennungsrichtlinie. Die Autorin erörtert die Auswirkungen einzelner Richtlinienvorschriften nach ihrer Umsetzung, insbesondere auf die deutschen Heilberufekammern. Sie analysiert dabei insbesondere die von der Richtlinie vorgegebene Verwaltungszusammenarbeit im Bereich der Berufsaufsicht sowie amtshaftungsrechtliche Aspekte, die sich im Rahmen der Aufsichtsarbeit der Berufskammern stellen.