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3.2.2 Makrotheoretische Faktoren
Die Diskussion der mikrotheoretischen Theorien und Modelle hat eher uneinheitliche
und insgesamt wenig befriedigende Ergebnisse erbracht. Sie müssen daher eine Ergänzung erfahren. Oben (v. a. in Kapitel 2.2) ist erläutert worden, dass das Handeln
von Akteuren (und damit auch jenes von Richtern und Gerichten) immer eingebunden ist in institutionelle Strukturen und Handlungskonstellationen, die individuelles
und kollektives Handeln zugleich ermöglichen und beschränken können. Um verfassungsgerichtliches Agieren erklären zu können, müssen daher auch die institutionellen Mechanismen und Strukturen näher betrachtet werden, die das (kollektive) Handeln von Verfassungsgerichten beeinflussen. Der Analysefokus rückt damit von der
individuellen Ebene der Richter auf die kollektive des Gerichts und fragt nicht mehr
danach, aus welchen Motiven individuelles richterliches Handeln erklärt werden
kann, sondern danach, welche institutionellen Makrofaktoren das (kollektive) Agieren eines Verfassungsgerichts beeinflussen. Vor allem zwei institutionelle Ebenen
sind entscheidend für die Art und Weise, in der Verfassungsgerichte in liberalen
Demokratien agieren: ihre eigene institutionelle Ausstattung sowie die institutionellen
Anreizstrukturen, die auf ihre Umgebung wirken. Während erste den Gerichten die
prinzipiell vorhandenen Machtressourcen zuweist, entscheidet die zweite darüber,
wann und unter welchen Umständen diese Ressourcen eingesetzt werden können.
Das institutionelle Design von Verfassungsgerichten kann zunächst anhand dreier
Dimensionen unterschieden werden, die über die Rolle der Gerichte im politischen
Prozess entscheiden (vgl. Ginsburg 2003: 35): erstens anhand der institutionellen
Unabhängigkeit des Gerichts (die vor allem über die Komposition der Gerichte und
die Unabhängigkeit ihrer Richter analysiert werden kann), zweitens anhand der
institutionellen Stärke des Gerichts (Gerichtszugang und Kompetenzen) und drittens
anhand der Auswirkungen der gerichtlichen Entscheidungen auf die politische Umwelt.
Institutionelle Unabhängigkeit: Komposition der Gerichte und Unabhängigkeit
seiner Richter
Die institutionelle Unabhängigkeit der Verfassungsgerichtsbarkeit kann als ein entscheidender Faktor für die Wirkmächtigkeit eines Gerichts im politischen Prozess
eines Landes verstanden werden. Nur dann, wenn Richter und Gerichte hinreichend
unabhängig von politischer Einflussnahme agieren können, kann ein Verfassungsgericht seiner zentralen Aufgabe, der verfassungsrechtlichen Kontrolle der Demokratie, adäquat nachkommen. Wie unabhängig ein Gericht agieren kann, hängt sowohl
von der Art der Komposition des Gerichts als auch von seiner Isolierung von politischem Druck ab.
Angesichts der Machtfülle moderner Verfassungsgerichte kann unterstellt werden, dass rationale politische Akteure bestrebt sein werden, entweder möglichst
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unparteiische Richterinnen und Richter zu berufen, oder mehr oder weniger offen
danach streben, Richter zu benennen, welche die politische Grundhaltung der Berufenden teilen. Welches Richterwahlverfahren konkret gewählt wird, hängt wesentlich von den Machtverhältnissen zum Zeitpunkt der Verfassungsverabschiedung und
den dann in der Verfassung (und den ausführenden Gesetzen) vorgesehenen Verfahren ab, wie Tom Ginsburg gezeigt hat (Ginsburg 2003: 34 ff.; siehe auch Stephenson
2003): Sind zum Zeitpunkt der Verfassungsgebung die zukünftigen Machtverhältnisse schwer abschätzbar, wird eher ein konsensuales Richterwahlverfahren gewählt
werden, weil der „Schatten der Zukunft“ hinreichend groß ist. Rechnet ein zum
Zeitpunkt der Verfassungsgebung dominierender Akteur jedoch damit, auch in Zukunft strukturelle politische Mehrheiten stellen zu können, wird das Verfassungsdesign eher auf ein Bestellungsverfahren durch einfache Mehrheiten hinauslaufen.
Grundsätzlich scheint plausibel, dass die Aussicht auf politisch „neutralere“ Richter mit steigendem Mehrheitserfordernis für die Wahl der Richter zunimmt. Wenn
ein Wahlverfahren Supermajoritäten zur Berufung eines Richters vorsieht (also in
der Regel auch oppositionelle Akteure an der Auswahl der Richter beteiligt werden
müssen), ist damit eine höhere Wahrscheinlichkeit verknüpft, dass nicht Parteigänger der jeweils regierenden Mehrheiten ins Richteramt gelangen, sondern politisch
gemäßigtere und neutralere Kandidaten. Das US-amerikanische Wahlverfahren, in
dem Kandidaten auf Vorschlag des Präsidenten mit einfacher Mehrheit durch den
Senat gewählt werden, ist auch deshalb in Zeiten gleichgerichteter Mehrheiten im
Weißen Haus und Kongress mit solch harten politischen Auseinandersetzungen
verknüpft, weil Interessen der parlamentarischen Minderheit in diesem Auswahlprozess nur schwer (höchstens durch Filibuster im Senat) zur Geltung gebracht werden
können. Anders verhält es sich etwa in der Bundesrepublik, wo durch das stark konsensorientierte Verfahren mit erforderlichen Zweidrittelmehrheiten in Bundestag
und Bundesrat in der Regel politisch als gemäßigt geltende Personen zu Richtern am
Bundesverfassungsgericht gewählt werden (ausführlich hierzu Kapitel 4).
Die konkrete Art und Weise der Richterauswahl lässt sich in drei Klassen unterteilen (vgl. Ginsburg 2003: 43 f.): „professionelle“ Auswahlverfahren (die aber in
Reinform empirisch praktisch nicht vorkommen), kooperative Auswahlmechanismen und repräsentative Auswahlmethoden.60 Bei „professionellen“ Auswahlverfahren bestimmen Gerichte und Justiz weitgehend autonom, wer in ein oberstes Gericht
entsandt werden soll. Kooperative Auswahlverfahren verlangen die Entscheidung
von mindestens zwei unabhängigen demokratischen Gewalten, die im Zusammenspiel einen Kandidaten ernennen oder wählen müssen. In präsidentiellen Systemen
geschieht dies häufig auf Vorschlag des Präsidenten und mit Zustimmung der Legis-
60 In einigen wenigen Fällen existiert auch ein „exklusives Ernennungsverfahren“ durch nur
einen Akteur, etwa in Japan (Ernennung alleine durch die Regierung) oder in Taiwan oder Irland (Ernennung durch den Präsidenten; im letzten Fall wird zwar mitunter die Zustimmung
der Legislative benötigt, nicht selten ist der Präsident aber gleichzeitig Führer der größten Parlamentspartei, so dass eine wirksame Kontrolle seiner Ernennungen nicht stattfindet; vgl. für
den Fall Taiwan Ginsburg 2003).
126
lative, in parlamentarischen Systemen erfordert dieses „sequenzielle Verfahren“
(Hönnige 2007: 107) häufig die Zustimmung beider Parlamentskammern.61 Der
repräsentative Mechanismus wiederum gewährt unterschiedlichen Instanzen ein
autonomes Ernennungs- oder Wahlrecht, ohne dass für diese Entscheidung die Kooperation einer anderen Instanz vonnöten ist.
Die Aufteilung der Richtersitze im „repräsentativen Modell“ auf verschiedene zur
Ernennung befugte Instanzen soll sowohl die Legitimation der Ernannten als auch die
accountability des Gerichtes insgesamt erhöhen. Im Vergleich zum kooperativen Modus ist hier aber von einer geringeren Unabhängigkeit der Gewählten auszugehen, da
die Richter nicht konsensual bestimmt werden müssen, sondern jede Instanz für sich
„ihre“ Sitze im Gericht besetzen kann. Ginsburg nennt dieses Modell daher treffend
eine „mutually assured politization“ (Ginsburg 2003: 44). Zwar könnte die Nominierung eines „neutralen“ Kandidaten durch eine demokratische Instanz auch einen anderen Akteur informell dazu bewegen, neutrale Richter zu ernennen, sodass auch dieses
Design zu einer moderateren Richterauswahl führen kann. Die Wahrscheinlichkeit
dafür ist aber deutlich geringer als bei kooperativen Auswahlverfahren, da hier die
Akteure nicht institutionell zur Kooperation gezwungen werden, sondern kooperatives
Verhalten der Freiwilligkeit der beteiligten Akteure anheim gestellt bleibt.62
Konsensorientierte Auswahlverfahren erhöhen also die Wahrscheinlichkeit unparteiischer Richter im höchsten Richteramt sowie die Verantwortlichkeit und accountability der Richter und des Gerichts insgesamt. Für das Verhältnis zwischen Verfassungsgericht und Gesetzgeber ist aber zudem entscheidend, wie unabhängig die
Richter nach ihrer Berufung sind. Vor allem die institutionelle Stellung und Unabhängigkeit der Richter nach ihrer Berufung ist aussagekräftig für den Handlungsspielraum, über den ein Verfassungsgericht im demokratischen Prozess verfügt –
und somit auch wichtig zur Erklärung richterlichen Aktivismus’ oder richterlicher
Zurückhaltung.
Entscheidend für die tatsächliche Arbeit eines Gerichtes ist damit, über welche
Mechanismen Verfassungsrichter nach ihrer Wahl von politischem Druck isoliert
werden. Hier sind vor allem die Regelungen zur Amtszeit, zur Ab- oder Wiederwahl
von Richtern und Möglichkeiten zur Überstimmung von Gerichtsentscheidungen
relevant.
61 Das kooperative Auswahlverfahren soll eine hohe Legitimation der Richterwahl sichern. Diese
wird aber dann konterkariert, wenn Präsident und Parlamentsmehrheit der gleichen politischen
Partei angehören oder beide Häuser des Parlamentes politisch gleichgerichtete Mehrheiten
aufweisen.
62 Der Modus der Richterauswahl lässt sich nicht nur nach den beteiligten Instanzen unterscheiden, sondern auch nach dem Auswahlmodus und den jeweils erforderlichen Mehrheiten.
Grundsätzlich lassen sich drei Arten von Auswahlmechanismen differenzieren (Stone Sweet
2000: 46): erstens solche, in denen Richter ausschließlich ernannt werden, ohne dass andere
Instanzen an der Ernennung beteiligt werden müssen; zweitens solche, in denen eine Wahl
durch eine oder mehrere Instanzen stattfindet, sowie drittens Mischsysteme, in denen Richter
sowohl ernannt als auch gewählt werden.
127
Bezüglich der richterlichen Amtszeit versprechen solche Modelle die größte richterliche Unabhängigkeit, die die Amtszeiten der Richter auf Lebenszeit bzw. auf
eine festgelegte Zeitdauer ohne Wiederwahlmöglichkeit festschreiben (vgl. auch
Crowe/Karpowitz 2007). In diesen beiden Varianten besteht für Richter in der Regel
kein Anreiz, ihre Entscheidungen an den Präferenzen und Interessen politischer
Mehrheiten auszurichten, die für eine Wiederwahl andernfalls vielleicht gebraucht
würden. Als eher nachteilige institutionelle Ausgestaltungen müssen solche Modelle
gelten, die entweder Wiederwahlmöglichkeiten oder gar Abberufungswahlen für
Richter vorsehen, wie dies in einigen US-Bundesstaaten der Fall ist (Ginsburg 2003:
43). Letzteres erhöht zweifellos die Gefahr, dass Richter entweder wegen inhaltlich
nicht genehmer Urteile abberufen werden, oder dass ihre Unabhängigkeit von vorne
herein dadurch eingeschränkt ist, dass sie schon bei der Urteilsfindung die Möglichkeit einer Abwahl einkalkulieren müssen (vgl. Croley 1995). Aber auch bei bloßer
Wiederwahlmöglichkeit besteht die Gefahr, dass sich Richter gezwungen sehen, ihre
Urteilsfindung an den Interessen einer antizipierten Mehrheit auszurichten. Richter
werden umso unabhängiger agieren können, je länger ihre Amtszeit – bei Unmöglichkeit ihrer Wiederwahl – dauert.63
Ob Richter ihres Amtes enthoben werden können und, falls ja, welche Instanzen
eine Amtsenthebung mit welcher Mehrheit beschließen können, beeinträchtigt zusätzlich die institutionelle Unabhängigkeit von Verfassungsgerichten. Meist können
Richter dann ihres Amtes enthoben werden, wenn sie sich des Amtsmissbrauchs
schuldig gemacht haben oder wenn sie aus gesundheitlichen Gründen ihr Amt nicht
mehr ausüben können. Allerdings bestehen erhebliche Unterschiede dahingehend,
ob in diesen Fällen das jeweils betroffene Gericht selbst über eine Amtsenthebung
entscheiden muss oder ob politische Akteure über die Absetzung der Richter (mit-)
entscheiden können. Ist letzteres – möglicherweise sogar mit einfacher Mehrheit
oder durch Entscheidung des Staatsoberhauptes – der Fall, ist ein politischer Missbrauch des Amtsenthebungsverfahrens nicht prinzipiell ausgeschlossen und die
Unabhängigkeit des Verfassungsgerichts potentiell eingeschränkt.
Ein weiteres sehr wirkmächtiges Instrument zur Disziplinierung eines Verfassungsgerichts stellt die Möglichkeit dar, Verfassungsgerichtsurteile zu überstimmen und
Normen, die von diesem annulliert worden sind, wieder in Kraft zu setzen. Besteht
eine solche institutionelle Möglichkeit für politische Akteure, müssen Gerichte dies
bei ihrer Urteilsfindung berücksichtigen, wollen sie nicht Gefahr laufen, durch häufige
Überstimmung ihrer Urteile an institutioneller Legitimität einzubüßen (vgl. die Diskussion in Abschnitt 3.2.1). Eine solche Regelung beeinträchtigt zwangsläufig auch
die faktische Unabhängigkeit der Gerichte. Mitunter behält der Gesetzgeber die Kompetenz, Urteile des Verfassungsgerichts zu überstimmen. Ein solches Modell war in
63 Kürzere Amtszeiten sind meist mit Wiederwahlerfordernissen verknüpft, wodurch die Abhängigkeit der Richter vom Wohlwollen des Elektorats erhöht und ihre Unabhängigkeit (zumindest potentiell) verringert wird (vgl. hierzu auch Kapitel 4).
128
Polen zwischen 1988 und 199764 in Kraft und ist es noch heute in der Mongolei und in
bestimmten Anwendungsfällen auch in Portugal (Art. 279 (2) der portugiesischen
Verfassung); auch der Brasilianische Senat kann ein vom Supreme Court als verfassungswidrig erkanntes Gesetz nach Artikel 52 (X) der Verfassung wieder in Kraft
setzen (Ginsburg 2003: 41 f.). Unter solchen institutionellen Umständen werden die
oben diskutierten Annahmen der strategischen Ansätze deutlich plausibler; allerdings
ist eine Suprematie des Gesetzgebers über Entscheidungen eines Obersten Gerichtes –
außer in den angeführten Ländern – empirisch nicht gegeben.
Ein letzter wichtiger Disziplinierungsmechanismus für Verfassungsgerichte besteht in der finanziellen Ressourcenzuweisung durch politische Entscheidungsträger.
Für die Unabhängigkeit von Verfassungsgerichten spielt es eine große Rolle, ob sie
beispielsweise mit einem eigenen Titel im Haushaltsplan eines Staates verbucht
werden und über die Höhe ihrer benötigten Ressourcen selbst befinden können oder
ob sie dem Haushalt des Justizministeriums zugeordnet sind und dieses über die
Ressourcen des Verfassungsgerichts entscheiden kann. Wenn der Justizminister
zudem auch dienstrechtliche Weisungsbefugnisse über die Richter eines Verfassungsgerichts besitzt, ist die institutionelle Unabhänghängigkeit eines solchen Gerichts zusätzlich eingeschränkt.
Das Richterwahlverfahren und die Mechanismen, die ein Verfassungsgericht und
seine Richter vor politischem Druck schützen, sind also entscheidend für die institutionelle Unabhängigkeit eines Verfassungsgerichts. Wie ein Gericht mit dieser Unabhängigkeit umgehen kann, ist vor allem durch seine institutionelle Kompetenzausstattung und die Regelungen zum Gerichtszugang bestimmt.
Institutionelle Stärke: Kompetenzausstattung und Gerichtszugang
Welche Rolle Verfassungsgerichte im politischen Leben eines Landes spielen können, hängt neben ihrer institutionellen Unabhängigkeit auch von ihrer institutionellen Stärke ab – also davon, mit welchen Rechten und Kompetenzen die Gerichte
ausgestattet sind und welche Akteure und Instanzen überhaupt Zugang zum Verfassungsgericht haben. Ein Gericht, das zwar mit umfangreichen Kompetenzen ausgestattet ist, aber von nur wenigen Akteuren angerufen werden kann, wird weniger
wirkmächtig sein als ein Gericht, das vielleicht mit weniger Kompetenzen ausgestattet ist, dafür aber durch eine größere Anzahl von Personen oder Instanzen „eingeschaltet“ werden kann.
64 Die aktuelle polnische Verfassung vom 2. April 1997 kannte zudem eine Übergangsbestimmung, nach der bis zwei Jahre nach Inkrafttreten der Verfassung Urteile des polnischen Verfassungsgerichtshofs, die Gesetze vor 1997 betrafen, durch den Sejm mit Zweidrittelmehrheit
zurückgewiesen werden konnten (vgl. Verfassung der Republik Polen vom 2. April 1997, Artikel 239 (1)). Eine solche Übergangsregelung ist aber als weniger problematisch anzusehen,
da sie lediglich für „Altfälle“ konzipiert war und mit dem Jahre 1999 ausgelaufen ist.
129
Bezüglich der Kompetenzausstattung von Verfassungsgerichten lassen sich sechs
grundlegende Verfahrens- und Kompetenztypen unterscheiden, mit denen Verfassungsgerichte ausgestattet sein können (vgl. Brünneck 1992: 36 ff.): Inzidentkontrollen, Kompetenzkonflikte, präventive Normenkontrollen, konkrete Normenkontrollen, abstrakte Normenkontrollen und (individuelle) Verfassungsbeschwerden.
Inzidentkontrollen sind typisch für das amerikanische Modell der Verfassungsgerichtsbarkeit (aber nicht nur für dieses; siehe hierzu ausführlicher Kapitel 4). Hier
werden alle Bürger in die Lage versetzt, Gesetze, Verwaltungshandeln und Gerichtsentscheidungen im Rahmen normaler Gerichtsverfahren auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin überprüfen zu lassen. Gerichte aller Ebenen prüfen hier „inzident“ (also „beiläufig“, „nebenbei anfallend“), ob die Gesetzesnormen, die sie zur Entscheidung des
konkreten Falls anzuwenden haben, mit der Verfassung vereinbar sind oder nicht.
Eine zweite wichtige Kompetenz von Verfassungsgerichten besteht in der Entscheidung von Kompetenzstreitverfahren. Gerade in föderalen Staaten ist die Entscheidung von vertikalen Kompetenzstreitigkeiten weit verbreitet, da häufiger über die
Kompetenzabgrenzung zwischen nationaler und subnationaler Ebene entschieden
werden muss. Fast alle Verfassungsgerichte besitzen zudem die Kompetenz zur Beilegung horizontaler Kompetenzkonflikte zwischen obersten Staatsorganen oder zwischen Staatsorganen und politischen Akteuren (Organstreit) (vgl. Brünneck 1992: 37).
Präventive Normenkontrollen gehören dagegen deutlich seltener zur verfassungsgerichtlichen Kompetenz. Sie sind auch theoretisch nicht unproblematisch, weil sie
befürchten lassen, dass sie den Gesetzgeber tendenziell von seiner Sorgfaltspflicht zu
verfassungskonformer Gesetzgebung entlasten und das Gesetzgebungsverfahren in
die Länge ziehen (ebd.). Hinzu tritt, dass in manchen Systemen mit präventiver Normenkontrolle (z. B. in Frankreich) eine nachträgliche Normenkontrolle ausgeschlossen ist, so dass nachlässige Gesetzgebung einerseits und präventive Prüfung durch ein
Verfassungsgericht unter Zeitdruck andererseits die Implementierung verfassungsdivergenter Gesetze wahrscheinlicher macht. Besitzt ein Verfassungsgericht lediglich
die Kompetenz zur Ex-ante-Kontrolle, ist es institutionell eher als dritte Parlamentskammer (so jedenfalls Ginsburg 2003: 39) anzusehen. Wie das Beispiel des französischen Verfassungsrates zeigt, kann aber auch diese „dritte Parlamentskammer“ erhebliches Gewicht im Regierungsprozess eines Landes besitzen (vgl. Stone 1992).
Die wichtigsten institutionellen verfassungsgerichtlichen Kompetenzen bestehen
in der Möglichkeit, konkrete und abstrakte Normenkontrollen sowie individuelle
Verfassungsklagen zu verhandeln und zu entscheiden. Während die konkrete Normenkontrolle die Vorlage eines Streitfalles durch ein untergeordnetes Gericht voraussetzt, können abstrakte Normenkontrollen nur von „besonders qualifizierten
Antragstellern“ (Brünneck 1992: 39) ausgehen, die ohne konkreten Rechtsstreit ein
Normenkontrollverfahren beantragen können. In ihrer faktischen Wirkung nicht
weniger bedeutend sind die Verfassungsbeschwerdeverfahren, die in der Regel eine
persönliche Betroffenheit des antragstellenden Bürgers von Gesetzesmaßnahmen
oder Verwaltungshandeln zur Voraussetzung einer erfolgreichen Klage machen.
Eine spezifische Form der Verfassungsbeschwerde ist die Urteilsverfassungsbe-
130
schwerde, die nach Ausschöpfung des ordentlichen Rechtswegs eine Beschwerde
gegen ergangene Urteile vorsieht, wenn durch diese individuelle Grundrechte verletzt worden sind.
Neben diesen verfassungsgerichtlichen Kernkompetenzen können Gerichte über
eine größere Anzahl weiterer Kompetenzen verfügen, etwa im Bereich des objektiven Verfassungsschutzes, wozu beispielsweise Entscheidungen über Parteiverbote,
Anklagen von Amtsträgern oder die Wahlgerichtsbarkeit zählen. Mitunter besitzen
Verfassungsgerichte zudem die Kompetenz, überstaatliche Normen und völkerrechtliche Verträge anhand der nationalen Verfassung zu überprüfen.
Ein grundlegendes Unterscheidungsmerkmal der verschiedenen Normenkontrollsysteme ist die Regelung des Gerichtszugangs. Ob Verfassungsgerichte die ihnen
institutionell zukommenden Kompetenzen auch ausüben können, entscheidet sich
unter anderem dadurch, wie offen oder geschlossen der Zugang zum jeweiligen
Gericht ausgestaltet ist. Da kein Verfassungsgericht (oder Oberstes Gericht) in der
Regel von sich aus („ex officio“) tätig werden kann, sondern von anderen Akteuren
angerufen werden muss, sind für die tatsächliche Stärke der Gerichte im politischen
Leben ihres Landes die Zugangsmöglichkeiten höchst relevant.
Empirisch lässt sich ein Kontinuum zwischen sehr beschränkten Zugangsverfahren und sehr offenen institutionellen Verfahren feststellen. Während das ursprüngliche österreichische Modell von 1920 nur den Zugang für Bundes- oder Landesregierungen eröffnete oder in der französischen V. Republik bis 1974 lediglich der
Staatspräsident und die Vorsitzenden der Nationalversammlung und des Senates
antragsberechtigt waren, eröffnet das ungarische Rechtssystem sogar solchen Bürgern den Zugang zum Verfassungsgericht über abstrakte Verfassungsklagen oder
Popularklagen, die von einer Regelung nicht selbst betroffen sind (vgl. Ginsburg
2003: 36; Stone 1992; Stone Sweet 2000). Föderale politische Systeme erhöhen
zudem sowohl die potentielle Anzahl von Streitpunkten (z. B. zwischen Bundesebene und Landesebene) als auch die Anzahl antragsberechtigter Akteure (vgl. zur empirischen Ausgestaltung der Zugangsmöglichkeiten ausführlich Kapitel 4).
Die Varianz im Gerichtszugang bleibt nicht ohne Auswirkung auf die Tätigkeit
eines Verfassungsgerichts. Je weiter gefasst der Zugang zu einem Gericht und je
größer die Anzahl der antragsberechtigten Akteure ist, desto wahrscheinlicher wird
es, dass ein Gericht mit einem bestimmten Streitfall befasst wird. Anders gesagt: Je
geringer die Zugangsbeschränkungen, umso größer ist die Anzahl derjenigen Akteure, die über den Umweg des Verfassungsgerichts zum „nachträglichen Vetospieler“
werden können bzw. das Gericht selbst zum tatsächlichen Vetospieler machen können. Damit hat die Zugangsregelung unmittelbaren Einfluss darauf, mit welchen
(und auch: mit wie vielen) Fällen sich ein Gericht befassen kann oder muss. Etwas
anders liegt der Fall nur, wenn ein Gericht – wie etwa der US-Supreme Court – über
ein freies Annahmeverfahren verfügt und somit selbst entscheiden kann, welche
Fälle es anhört und entscheidet. Die meisten Verfassungsgerichte sind aber nicht mit
dieser institutionellen Wahlmöglichkeit ausgestattet, so dass die Zugangsregelung
für die Häufigkeit der Befassung eines Gerichtes von zentraler Bedeutung ist.
131
In der Einschätzung der Zugangsregelung lässt sich einmal mehr zwischen normativen und empirischen Gesichtspunkten unterscheiden: Demokratietheoretisch ist zu
begrüßen, wenn möglichst vielen Institutionen und Individuen der Zugang zur Normenkontrolle (oder zur Überprüfung exekutiver Akte) ermöglicht wird. Gerade in der
Bundesrepublik, aber auch in Ungarn oder Spanien, hat die Möglichkeit zur Verfassungsbeschwerde wohl nicht unwesentlich zum hohen Ansehen und der Legitimität
des Verfassungsgerichts beigetragen. Obwohl detaillierte empirische Studien hierzu
ausstehen, erscheint es nicht unplausibel anzunehmen, dass auch die Legitimation des
demokratischen Rechtsstaates insgesamt davon profitiert, wenn möglichst vielen
Bürgern die Gelegenheit gegeben wird, juristisch gegen als ungerechtfertigt empfundene politische oder verwaltungsrechtliche Akte vorzugehen. Die Drohung mit dem
sprichwörtlichen „Gang nach Karlsruhe“ lässt sich nicht nur als ausgeprägtes Querulantentum interpretieren, sondern auch als Vertrauen in das Funktionieren des
Rechtsstaates (vgl. zum deutschen Fall ausführlicher Kapitel 5 und 6).
Empirisch betrachtet führt die Öffnung des Klagerechts aber zu einer unter Effizienzgesichtspunkten möglicherweise zu bedauernden Zunahme von Vetopunkten und -akteuren. Das „alte“ französische Modell vor 1974 kannte nach der Verabschiedung eines Gesetzes mit drei antragsberechtigten Akteuren nur wenige
potentielle Vetospieler – über das Institut der Verfassungsbeschwerde kommen in
der Bundesrepublik oder in Ungarn einige Millionen potentielle Antragsteller
hinzu. Es sollen hier Vor- und Nachteile der jeweiligen Opportunitätsstrukturen
nicht gegeneinander abgewogen werden; festgehalten werden kann aber, dass mit
der Offenheit des Zugangs in jedem Fall auch die Bedeutung des Verfassungsgerichts für den politischen Prozess zunimmt und das Gewicht der Verfassungsgerichtsbarkeit steigt.
Die Einflussmöglichkeiten eines Gerichts variieren mit seiner institutionellen
Struktur, seiner Unabhängigkeit, seiner Kompetenzausstattung und den Zugangsmöglichkeiten. Ein Gericht wird dann mit mehr Fällen befasst sein, wenn es neben
konkreten auch abstrakte Normenkontrollen entscheiden kann, wenn der Zugang
nicht nur über den Gerichtsweg, sondern auch über Anträge von Verfassungsorganen oder Bürgerklagen erfolgen kann und wenn nicht nur Ex-ante-, sondern auch
Ex-post-Kontrollen von Gesetzen möglich sind. Zudem wird die Anzahl der zu entscheidenden Fälle steigen, wenn ein Gericht nicht selbst in einem freien Annahmeverfahren darüber entscheiden kann, welche Fälle überhaupt zu hören (und zu entscheiden) sind. Kann es dies nicht, ist nicht nur wahrscheinlich, dass mehr Fälle
gehört und entschieden werden, sondern dass tendenziell auch mehr Gesetzesnormen überprüft und in der Folge als verfassungswidrig erklärt werden. Die Erweiterung des Zugangsrechts zum französischen Verfassungsrat im Jahr 1974 stellt ein
anschauliches Beispiel dar: Alleine die Ausdehnung des Antragsrechts auf parlamentarische Minderheiten hat die Justizialisierung französischer Politik immens
vorangetrieben (vgl. Stone 1992).
132
Entscheidungsfolgen und Implementierung
Nicht nur die Kompetenzausstattung und der Zugang zum Gericht sind wichtige
Faktoren für die Stärke eines Verfassungsgerichts, sondern auch die Frage, welche
Konsequenzen aus einer gerichtlichen Entscheidung folgen. Die Machtfülle von
Verfassungsgerichten unterscheidet sich unter anderem dadurch, ob sie Gesetze
lediglich an die Legislative zurück überweisen können oder ob sie gleich ein Gesetz
als mit der Verfassung unvereinbar und/oder nichtig erklären können. Im zweiten
Fall sind die gerichtlichen Kompetenzen zweifellos gewichtiger als im ersten. Aber
auch dann, wenn Verfassungsgerichte Gesetze „nur“ an die Legislative zurückverweisen, können sie einen gewichtigen Einfluss auf die Politikformulierung haben:
Besitzen Gerichte beispielsweise die Möglichkeit der Unvereinbarkeitserklärung
(wie etwa das deutsche Bundesverfassungsgericht), erhöht sich die Wahrscheinlichkeit inhaltlicher Vorgaben an den Gesetzgeber, wie ein verfassungskonformes Gesetz aussehen könnte oder gar auszusehen hat (vgl. zu den Auslegungsmöglichkeiten
des Bundesverfassungsgerichts und seinen Auswirkungen auf die Gesetzgebung
z. B. Jekewitz 1980; Säcker 1995; Ossenbühl 2001; Blasberg 2003). Durch solche
spezifischen Arten der Auslegung (Unvereinbarkeitserklärung, verfassungskonforme
Auslegung) können Verfassungsgerichte zu einem genuin „politischen“ Mitspieler
werden, der nicht nur über die Geltung oder Nichtgeltung eines Gesetzes befindet,
sondern den Gesetzgeber über bestimmte inhaltliche Vorgaben zusätzlich in seiner
Entscheidungsfreiheit einschränkt und zukünftig bindet.
Auf der anderen Seite zeigen Studien zu Verfassungsgerichten in jungen Demokratien, dass sich Verfassungsgerichte immer dann eines „gemäßigten“ Urteils (in
Form von Unvereinbarkeitserklärungen oder verfassungskonformen Auslegungen)
bedienen, wenn ihre eigene Legitimität noch nicht so weit gefestigt ist, dass sie
durch Nichtigerklärung eines Gesetzes eine öffentliche Konfrontation mit dem Gesetzgeber riskieren wollten oder könnten (vgl. Schwartz 2000; Sadurski 2002; Ginsburg 2003). Die Wahl dieser Instrumente kann also insbesondere in jungen Demokratien als strategische Antwort auf fehlende Machtressourcen und mangelnde Legitimität verstanden werden. In etablierten Demokratien kann sie Ausdruck eines
„schonenden Umgangs“ mit dem Gesetzgeber sein, aber auch mitunter den Wunsch
nach inhaltlicher Mitgestaltung des in Frage stehenden Gesetzes zum Ausdruck
bringen. Wenn die oben getroffene Annahme stimmt, dass ein Verfassungsgericht
per se als Akteur zwischen Recht und Politik agiert, dem gemeinsam mit dem Gesetzgeber die Ausgestaltung der Verfassung obliegt, ist gegen einen „demokratischen Dialog“ zwischen Verfassungsgericht und Gesetzgeber wenig einzuwenden.
Allerdings wäre dann aus normativer Sicht darauf zu achten, dass Gerichte nicht
„positive Gesetzgebung“ im Sinne Hans Kelsens65 betreiben, indem sie in ihren
65 Hans Kelsen unterscheidet zwischen „positiver Gesetzgebung“ und „negativer Gesetzgebung“.
Positive Gesetzgebung meint freie und kreative Gesetzgebung durch die Legislative, die lediglich durch die prozeduralen Vorgaben der Verfassung beschränkt sein sollte. Unter negativer
133
Urteilen zu weitgehende inhaltliche Vorentscheidungen treffen, die der Gesetzgeber
dann nur noch zu vollziehen hat.66
In der Diskussion der mikrotheoretischen Modelle ist oben (Abschnitt 3.2.1)
schon ausführlich dargestellt worden, dass als eine wichtige Voraussetzung für die
Durchsetzung und Implementierung von Verfassungsgerichtsurteilen in der politischen Realität die empirische Legitimation der Gerichte in der Bevölkerung gelten
muss. Die dort vorgetragenen Argumente sollen hier nicht wiederholt werden, sondern nur noch einmal daran erinnert werden, dass diese Legitimation (oder ein Mangel an Legitimation) nicht nur für das individuelle strategische Handeln von Richtern handlungsleitend sein kann, sondern auch für den Kollektivakteur Verfassungsgericht. Da dieser als Gericht auf die Implementierung seiner Urteile durch
politische Akteure angewiesen ist, wird er sich nur dann gegen Implementierungswiderstände durchsetzen können, wenn eine Verweigerung der Implementierung für
politische Akteure „kostspielig“ ist. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn das Verfassungsgericht über eine hohe empirische Legitimation verfügt und diese auch im
„Implementierungskonflikt“ aktualisieren kann.
Faktoren der Interaktion zwischen Verfassungsgericht und Gesetzgeber
Neben den im letzten Abschnitt diskutierten mikrotheoretischen Faktoren haben
auch die in diesem Abschnitt betrachteten strukturell-institutionellen Faktoren
einen Einfluss auf das Agieren von Verfassungsgerichten. Nicht betrachtet worden
ist bislang aber das Interaktionsverhältnis zwischen Gericht und Gesetzgeber im
engeren Sinne oder, anders gesagt, die Interaktion zwischen Verfassungsgerichtsbarkeit und Politik. Es ist schon darauf hingewiesen worden, dass Verfassungsgerichte in der Regel nicht „ex officio“ tätig werden können, sondern von anderen
Akteuren (politischen Akteuren, Gerichten, Bürgern) angerufen werden müssen.
Damit diese ein Verfassungsgericht anrufen können, auch dies ist schon thematisiert worden, muss ihnen der Zugang zum Gericht institutionell eröffnet sein. Nicht
Gesetzgebung versteht Kelsen die Annullierung von Normen durch Verfassungsgerichte. Gerichte wirken durch negative Gesetzgebung an der Gesetzgebung mit (und sind dadurch genau
genommen auch Teil der gesetzgebenden Gewalt). „Die Aufhebung eines Gesetzes hat den
gleichen generellen Charakter wie die Erlassung eines Gesetzes. Aufhebung ist ja nur Erlassung mit einem negativen Vorzeichen gleichsam“ (Kelsen 1976: 80).
Bettermann verkennt diese grundlegende Unterscheidung Kelsens, wenn er den Begriff der
„negativen Gesetzgebung“ als „unberechtigte Unterstellung einer Grenzverletzung“ durch ein
Gericht zurückweist (vgl. Bettermann 1982). Mitnichten meint der Begriff eine Grenzüberschreitung, sondern gerade die Erfüllung der durch das Rechtssystem zugewiesenen Aufgaben.
66 Aus rechtsstaatlicher Sicht kann allerdings problematisch sein, wenn die Annullierung eines
als verfassungswidrig erkannten Gesetzes aus „politisch-pragmatischen“ Gründen unterbleibt,
wie dies in manchen jungen Demokratien zu beobachten ist (vgl. Ginsburg 2003: 41). In solchen Fällen laufen Verfassungsgerichte Gefahr, den notwendigen „demokratischen Dialog“ zu
einem „Rechte-Bargaining“ degenerieren zu lassen.
134
thematisiert worden sind bislang die Gründe, aus denen heraus Akteure ein Verfassungsgericht tatsächlich anrufen. Diese Gründe können vielfältig sein: Bürger beispielsweise werden dann den Weg der Verfassungsbeschwerde beschreiten, wenn
sie sich durch ein Gerichtsurteil oder einen Exekutivakt in ihren Grundrechten
beeinträchtigt oder verletzt sehen. Untergeordnete Gerichte wiederum rufen ein
Verfassungsgericht in der Regel dann an, wenn sie einen Fall auf Grundlage eines
Gesetzes zu entscheiden haben, das sie für verfassungswidrig halten. Wie aber
verhält es sich mit politischen Akteuren? Wann suchen diese den Weg zum Verfassungsgericht?
Insbesondere Alec Stone Sweet (vgl. Stone 1995; Stone Sweet 1999, 2000) hat zu
dieser Frage gewichtige Überlegungen vorgelegt, die kurz rekapituliert werden sollen. Seiner Auffassung nach sind vor allem drei Faktoren verantwortlich für die Art
und Weise der Interaktion zwischen Verfassungsgerichten und Gesetzgebern (Stone
Sweet 2000: 50 ff.): erstens der Modus der Normenkontrolle, zweitens das Ausmaß,
in dem eine parlamentarische Mehrheit den Status quo der Gesetzgebung zu verändern versucht, und drittens die Dichte bereits vorhandener richterlicher Urteile. Letzte bestimmen maßgeblich, welche Gesetzesänderungen von der Legislative überhaupt als „machbar“ wahrgenommen und in Angriff genommen werden.
Rechtssysteme mit abstrakter Normenkontrolle, so Stone, erhöhen die Wahrscheinlichkeit zur Politisierung des Rechts auf der einen und zur Justizialisierung
von Politik auf der anderen Seite, da sie insbesondere für parlamentarische Oppositionsfraktionen den Anreiz erhöhen, verlorene parlamentarische Entscheidungen
über den Weg des Verfassungsgerichts doch noch zu korrigieren. Dies kann zwar
auch auf dem Weg konkreter Normenkontrolle erfolgen, der ordentliche Gerichtsweg ist aber sowohl zeitaufwändig wie kostspielig. Damit verringert sich der Anreiz
für politische Akteure, über dieses Verfahren Gesetze überprüfen zu lassen (eine
andere Rationalität kann allerdings Einzelpersonen unterstellt werden, die über den
ordentlichen Rechtsweg oder Verfassungsbeschwerden individuelle Rechtsbelange
gesichert sehen wollen). Dies bedeutet freilich nicht, dass nicht auch über konkrete
Normenkontrollverfahren oder Verfassungsbeschwerden Gesetze einer Überprüfung
unterzogen und mitunter als verfassungswidrig erklärt werden (vgl. hierzu auch die
Kapitel 5 und 6 dieser Untersuchung); die Möglichkeit zur abstrakten Normenkontrolle erhöht den Anreiz für ein Normenkontrollverfahren aber erheblich. Nochmals
verschärft wird dieser Anreiz in föderalen Systemen, wenn, wie etwa in der Bundesrepublik über den Weg des Bund-Länder-Streits, eine „oppositionelle“ Landesregierung Bundesgesetze über den Umweg Karlsruhe aushebeln kann.
Die Wahrscheinlichkeit einer solchen abstrakten Normenkontrolle steigt, so die
zweite Annahme Stone Sweets (vgl. Stone Sweet 2000: 52 ff.), mit der „Radikalität“
eines Gesetzesvorhabens. Je weiter sich ein Gesetz vom bestehenden Status quo
entfernt, umso eher werden solche Akteure, die besonders von der bisherigen Statusquo-Regelung profitiert haben, das Gesetz über eine Verfassungsklage zu verhindern
versuchen. Oder anders formuliert: Ein Akteur wird dann gegen ein Gesetz klagen,
wenn der neue Status quo weiter von seinem Idealpunkt entfernt liegt als der Status
135
quo ante. Hinter dieser grundsätzlich plausiblen Annahme steht die Vermutung, dass
durch radikale Reformen existierende Rechtsnormen, althergebrachte Grundsätze
oder politische Praktiken so weit verändert werden, dass der Anreiz für einen im
politischen Prozess unterlegenen Akteur steigt, den verfassungsgerichtlichen Weg in
der Hoffnung zu beschreiten, die Veränderungen doch noch zu verhindern. In den
Worten von Stone (ebd.: 52): „The more a political system produces radical reforms,
the more it will produce a complex set of constitutional disputes that the constitutional courts will be asked to resolve.”
Stimmt diese Annahme, müssten umgekehrt in politischen Systemen mit dichter
Vetoakteursstruktur weniger verfassungsgerichtliche Verfahren zu beobachten sein als
in solchen mit weniger Vetoakteuren, da Vetospieler bereits im normalen Policy-
Prozess weitreichende Status-quo-Veränderungen verhindern können; in Ermangelung
von Status-quo-Veränderungen würde ein Verfassungsrechtsstreit dann nicht mehr
nötig. Systeme mit abstrakter Normenkontrolle ermöglichen also weitere Vetooptionen: Ein Verfassungsgericht kann über diesen Weg auch durch solche interessierte
Akteure – etwa eine Oppositionsfraktion im Parlament – angerufen werden, die
zunächst gar keine Vetospieler im Tsebelisschen Sinne sind. Annulliert das Verfassungsgericht das betreffende Gesetz nachträglich tatsächlich, hätte sich die Oppositionsfraktion über den Umweg des Verfassungsgerichts erfolgreich als Vetospieler
„aktualisiert“.
Insbesondere in Ländern, in denen insgesamt wenige Vetomöglichkeiten für die
Opposition bestehen, ist daher eine stärkere „Nutzung“ dieses Verfahrens zu erwarten. In solchen Fällen hingegen, in denen die vor dem Verfassungsgericht antragsberechtigten Akteure bereits im Gesetzgebungsprozess Vetomöglichkeiten besitzen, ist
eine geringere Anzahl abstrakter Normenkontrollen zu erwarten (Stone Sweet 2000:
54).67
Drittens spielt für das Verhältnis von Regierung, Opposition und Gerichten die
bereits vorhandene Rechtsprechung in einem bestimmten Policyfeld eine Rolle
(ebd.: 55). Wie in einer Art „Feedback-Schleife“ wirken die von politischen Akteuren angestrengten Gerichtsurteile einschränkend auf die Handlungsmöglichkeiten
zukünftiger Mehrheiten. Je mehr verfassungsgerichtliche Urteile in einem bestimmten Politikfeld ergangen sind, desto geringer wird der Handlungsspielraum für einen
67 Ein wichtiger Faktor für das Ausmaß der Status-quo-Veränderung im Gesetzgebungsprozess
kann der Wechsel von einer „linken“ zu einer „rechten“ Regierung (oder vice versa) nach
längerer Oppositionszeit sein (Stone Sweet 2000: 54 f.). Je länger eine neue Regierung zuvor in der Opposition gewesen ist, um so eher wird sie „radikale“ Änderungen in Gesetzesform gießen wollen. Wenn dem so ist (und die institutionellen Bedingungen dies zulassen),
müsste nach einem Regierungswechsel ein Anstieg oppositioneller Klagen zu beobachten
sein. Im bundesdeutschen Fall lässt sich dies beispielsweise für den Regierungswechsel von
Schwarz-Gelb zu Rot-Grün nach 1998 zumindest für einige herausgehobene Vorhaben der
neuen Regierung (z. B. Zuwanderung, gleichgeschlechtliche Partnerschaften, Hochschulreform) zeigen (vgl. Kneip 2007a und ausführlich die Kapitel 5 und 6). Über den Erfolg solcher oppositionellen Klagen ist damit aber noch nichts ausgesagt (vgl. für den deutschen
Fall Stüwe 1997 und die Kapitel 5 und 6 dieser Untersuchung).
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zukünftigen Gesetzgeber. Der mögliche „oppositionelle“ Sieg vor Gericht wird so
schnell zum Pyrrhussieg, wenn hierüber die Justizialisierung der Politik weiter vorangetrieben wird und die Handlungsoptionen für jede zukünftige Regierung verringert werden. Zudem steigt die Gefahr der „Autolimitation“ des Gesetzgebers, wenn
parlamentarische Mehrheiten angesichts vorliegender oder auch nur antizipierter
Urteile bestimmte Gesetzesvorhaben in der Vermutung verfassungsrechtlicher Unvereinbarkeit gar nicht erst in Angriff nehmen.
Empirische Untersuchungen
Bevor im folgenden Abschnitt die Diskussion der hier analysierten Erklärungsmodelle für verfassungsgerichtliches Handeln zusammenfassend abgeschlossen wird,
soll zuvor ein kurzer Blick auf bislang vorliegende empirische Studien geworfen
werden, die sich innerhalb dieses neo-institutionalistischen Analyserahmens mit
dem Verhältnis von Verfassungsgerichtsbarkeit und Politik beschäftigt haben. Drei
Arbeiten sind besonders hervorzuheben: jene von Arend Lijphart, von Nicos Alivizatos und von George Tsebelis.
Arend Lijphart (Lijphart 1999) untersucht in seiner berühmten Studie „Patterns of
Democracy“ für 36 Länder unter anderem den Zusammenhang von judicial review
und der Rigidität der Verfassung und findet einen moderaten statistischen Zusammenhang zwischen beidem: Je schwieriger eine Verfassung zu verändern ist, so
Lijphart (ebd.: 216 ff.), desto stärker üben Gerichte ihre Normenkontrollkompetenzen
aus. Diese Beobachtung, die statistisch allerdings auf recht wackligen Füßen steht,68
trifft sich mit den oben diskutierten theoretischen Annahmen, dass Gerichte dann
wenig strategische Rücksicht auf den Gesetzgeber nehmen müssen, wenn es diesem
institutionell nur schwer möglich ist, Gerichtsurteile über Verfassungsänderungen zu
revidieren. Wie Lijphart zeigt, reicht in fast allen der von ihm untersuchten 36 Fälle
eine einfache Mehrheit zur Änderung der Verfassung nicht aus; Ausnahmen sind
lediglich Island, Israel, Neuseeland und das Vereinigte Königreich (ebd.: 220). Seine
Untersuchung bestätigt also die oben getroffene Annahme, dass Verfassungsgerichte
zumindest nicht in dem Sinne strategisch agieren (müssen), dass sie eine Überstimmung ihrer Urteile durch Änderung der Verfassungen zu befürchten hätten.
Eine zweite wichtige Untersuchung ist die von Nicos Alivizatos (vgl. Alivizatos
1995). Dieser testete eine Reihe unabhängiger Variablen zur Untersuchung des
Ausmaßes von judicial review in Demokratien. Nach seinen Ergebnissen spielen vor
allem drei Variablen eine wichtige Rolle zur Erklärung verfassungsgerichtlichen
Agierens: Das Ausmaß der Dezentralisierung, die links-rechts-Polarisierung des
Parteiensystems und die Vetospielerstruktur eines politischen Systems. Die Ergeb-
68 Lijphart selbst räumt ein, dass dieser Zusammenhang statistisch nicht sonderlich stark ist
(Lijphart 1999: 229). Zudem bennent er sechs prominente „Ausreißer“, zu denen unter anderem auch die Bundesrepublik Deutschland gehört (ebd: 230).
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nisse scheinen die oben diskutierten theoretischen Annahmen weitgehend zu bestätigen: Eine stärkere Dezentralisierung eines Gemeinwesens erhöht die Wahrscheinlichkeit von Kompetenzstreitigkeiten zwischen nationalstaatlicher Ebene und untergeordneten Einheiten; in unitarischen Staaten können solche Fälle nicht auftreten,
müssen also auch nicht durch ein Verfassungsgericht entschieden werden. Der Einfluss des Polarisierungsgrades des Parteiensystems erscheint ebenso plausibel: In
polarisierten Parteiensystemen wird die jeweils regierende Partei stärkere Statusquo-Änderungen herbeizuführen bemüht sein als in weniger polarisierten Systemen.
Der Anreiz für eine Oppositionspartei, gegen diese Status-quo-Änderung zu klagen,
wird also – wenn die institutionellen Möglichkeiten dazu gegeben sind – steigen.
Das dritte Ergebnis der Untersuchung ist hingegen überraschend: Entgegen den
hier getroffenen Annahmen steigt mit der Anzahl der Vetospieler auch die Aktivität
eines Verfassungsgerichtes. Aus den oben diskutierten Gründen hätte mit höherer
Anzahl von Vetospielern die Aktivität des Gerichtes eigentlich sinken müssen, da
davon ausgegangen worden ist, dass Gerichte insgesamt mit weniger Fällen befasst
werden, wenn Gesetzesvorhaben bereits im Gesetzgebungsprozess verhindert werden konnten. Eine Erklärung für dieses Ergebnis könnte darin liegen, dass Alivizatos
die Offenheit des Gerichtszugangs nicht operationalisiert und getestet hat. Zu überprüfen wäre, ob jenseits der institutionellen Vetospieler andere relevante politische
Akteure Zugang zum Verfassungsgericht haben, die Normenkontrollverfahren anstrengen können, obwohl sie keinen nominellen Vetospieler-Status besitzen. So ist
beispielsweise die Zustimmung einer oppositionellen Parlamentsfraktion, einer einzelnen oppositionellen Landesregierung oder gar eines einzelnen Bürgers zu einem
Gesetz nicht erforderlich – nichtsdestotrotz haben sie etwa im bundesdeutschen Fall
die Möglichkeit, über Normenkontrollverfahren oder Verfassungsbeschwerden ein
Gesetz zu Fall zu bringen. Mit anderen Worten: Die Menge der Vetospieler ist nicht
notwendigerweise identisch mit der Menge der antragsberechtigten Akteure für ein
Normenkontrollverfahren, sodass die Variable „Zugang zum Gericht“ aussagekräftiger wäre als die bloße Anzahl der Vetoakteure. Dies würde zumindest solche Fälle
wie Österreich oder Spanien erklären helfen, die relativ aktive Verfassungsgerichte
besitzen, aber nur zwei (Österreich) bzw. einen (Spanien) Vetospieler aufweisen; in
beiden Ländern ist der Gerichtszugang relativ breit gestaltet, sodass sehr viele Akteure (Exekutive, Opposition, Ombudsmann, normale Bürger usw.) für eine Aktivierung des Verfassungsgerichts sorgen können (vgl. hierzu ausführlich Kapitel 4).
Alivizatos selbst erklärt den von ihm beobachteten Zusammenhang damit, dass
eine höhere Anzahl von Vetospielern den Gesetzgebungsprozess potentiell blockiere, sodass ein größerer Handlungsspielraum für verfassungsgerichtliches Handeln
eröffnet würde. Diese Annahme vermag jedoch auch deshalb nicht zu überzeugen,
weil ja zunächst einmal ein (neues) Gesetz (mit Zustimmung der Vetospieler) verabschiedet sein muss, gegen das dann geklagt werden kann. Allenfalls könnte die Anzahl der Vetoakteure insofern eine Rolle spielen, als diese für mögliche Verfassungsänderungen zur Überstimmung verfassungsgerichtlicher Urteile benötigt werden. Dann würde wieder das oben diskutierte Argument greifen, dass Verfassungs-
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gerichte umso freier agieren können, je schwieriger sich eine Änderung der Verfassungsnormen für die politischen Akteure gestaltet.
Zuzustimmen ist hingegen der Annahme Alivizatos’, dass in spezifischen (aber
empirisch wohl nur sehr seltenen) Situationen bestimmte Akteure politisch heikle
Themen lieber durch ein Verfassungsgericht entschieden sehen als sich selbst dem
Risiko elektoraler Abstrafung auszusetzen. Eine solche Handlungsorientierung hat
dann aber weniger mit der Anzahl der Vetospieler zu tun als vielmehr damit, dass
Akteure unabhängig von der Vetospielerkonstellation mitunter über die Aktivierung
des Gerichtes blame avoidance bei unpopulären Maßnahmen betreiben wollen.69
Ein dritter empirischer Test neo-institutionalistischer Annahmen ist von George
Tsebelis selbst durchgeführt worden. Tsebelis hat die von Lijphart, Alivizatos und
Cooter/Ginsberg (vgl. Alivizatos 1995; Cooter/Ginsburg 1996; Lijphart 1999) verwandten Indikatoren einer Zweitanalyse mit unterschiedlichen Rechenmodellen
unterzogen, die zu folgenden Ergebnissen führte (Tsebelis 2000: 234 ff.): Die Anzahl der Vetospieler als Erklärungsvariable für verfassungsgerichtliches Handeln
scheint statistisch einigermaßen signifikant, allerdings nicht mit den Daten von
Lijphart und auch dann nicht, wenn bestimmte Daten von Cooter und Ginsburg
verwendet werden. Die Polarisierung des Parteiensystems war lediglich für die
Daten von Alivizatos signifikant, nicht aber für die anderen Datensätze; ebenso
nicht-signifikant war die Art des Rechtssystems (common-law- oder civil-law-
System). Für alle Daten signifikant erwies sich aber der Dezentralisierungsgrad des
Gemeinwesens. Dieser und die Anzahl der Vetospieler stellen daher nach Tsebelis’
Auffassung wichtige Variablen zur Erklärung richterlicher Aktivität dar, wobei
auch hier die theoretische Erklärung für die Relevanz der Vetospieler weitgehend
offen bleibt.
Als robuste Erklärungsvariable für verfassungsgerichtliche Aktivität lässt sich
daher aus den empirischen Studien lediglich die föderale Struktur eines Staates ableiten. Der Test der Vetospielervariable konnte ebenso wenig überzeugen wie die
Faktoren „Rechtssystem“ oder „Politisierung des politischen Systems“. Nicht getestet wurden bislang allerdings die von Stone Sweet angeführten Variablen „abstrakte
Normenkontrolle“ und „Ausmaß der Status-quo-Veränderung“, die zumindest einige
theoretische Plausibilität für sich beanspruchen können.
3.3 Fazit
Welche Schlüsse lassen sich nun aus dem bisher Diskutierten hinsichtlich der Begründung und Erklärung richterlicher Kontrollhandlungen ziehen und welche der
69 Ein Beispiel wäre etwa die AWACS-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE
90, 286 ff.), bei der die FDP-Fraktion gegen die unter ihrer Mitwirkung beschlossene Beteiligung an AWACS-Aufklärungsflügen der Bundeswehr über der Adria klagte und so die Verantwortung für den ersten Out-of-Area-Einsatz der Bundeswehr nach Karlsruhe abschob.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Verfassungsgerichte sind machtvolle Akteure und zentrale Mitspieler in fast allen liberalen Demokratien. Gleichwohl wird ihre Demokratiekompatibilität mitunter in Frage gestellt, wenn sie – demokratisch vergleichsweise schwach legitimiert – in demokratische Prozesse intervenieren.
Der vorliegende Band analysiert die spezifischen Funktionen, die Verfassungsgerichte für demokratische Regierungssysteme erbringen und argumentiert, dass Verfassungsgerichte nicht nur keine Gegenspieler demokratischer Politik sind, sondern dass sie für demokratisches Regieren schlichtweg konstitutiv sind. Anhand einer umfassenden Analyse der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der letzten 55 Jahre wird empirisch belegt, dass das höchste deutsche Gericht in der Vergangenheit überaus demokratiefunktional agiert und damit wesentlich zur hohen Qualität der bundesdeutschen Demokratie beigetragen hat.
Sascha Kneip ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung Demokratieforschung des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB).