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II. TRIPs - Übereinkommen
Mit dem Übereinkommen zur Errichtung der Welthandelsorganisation, dem „Agreement establishing the World Trade Organization“ (WTO), im Jahre 1994 erstreckte
sich deren Tätigkeitsbereich auch auf den Schutz der handelsbezogenen Rechte des
geistigen Eigentums. In diesem Zusammenhang wurde auch das Übereinkommen
über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums, das „Agreement
on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights“ („TRIPs - Übereinkommen“) abgeschlossen.145 Innerhalb seines Anwendungsbereiches verpflichtet das
TRIPs - Übereinkommen die Mitgliedstaaten unter anderem, gleich der RBÜ, zur
Inländerbehandlung und Meistbegünstigung und sieht ebenfalls gesicherte Mindestrechte vor.146 Die für die Beurteilung der nationalen Schranken relevante Bestimmung ist dabei Art. 13 TRIPs, in der es wörtlich heißt:
„Die Mitglieder begrenzen Beschränkungen und Ausnahmen von ausschließlichen Rechten auf
bestimmte Sonderfälle, die weder die normale Auswertung des Werkes beeinträchtigen noch
die berechtigten Interessen des Rechtsinhabers unzumutbar verletzen.“
Mit dieser Formulierung zog der aus der RBÜ, dort Art. 9 Abs. 2, bekannte Dreistufentest weiter in das internationale Urheberrecht ein. In dem TRIPs - Übereinkommen wird der Anwendungsbereich des Dreistufentests über das Vervielfältigungsrecht hinaus auf alle vom TRIPs - Übereinkommen erfassten Rechte erweitert. Die
Regelung des Art. 13 TRIPs ist aber nicht als unabhängige Ausnahme zu den in der
RBÜ geregelten Möglichkeiten zur Beschränkung der Mindestrechte aufzufassen,
sondern sie ist ein zusätzliches Erfordernis für alle nach der RBÜ zulässigen
Schranken.147 Hinter der Bestimmung stand wohl der Gedanke, eine zu weitreichende Auslegung der Schranken nach der RBÜ zu verhindern, so dass sie aus diesem
Grund als eine Art „Sicherheitsnetz“ angesehen wird.148
Von großem Interesse in diesem Kontext sind die am 27.07.2000 anlässlich eines
konkreten streitigen Verfahrens festgelegten Auslegungsgrundsätze der TRIPs -
Schiedsstelle hinsichtlich der drei einzelnen Stufen des Dreistufentests.149 Im Hin-
145 BGBl. 1994 II, Nr. 40, S. 1443 ff. und S. 1565 ff. – die englischen Texte sowie S. 1625 ff.
und S. 1730 ff. – die deutschen Übersetzungen; siehe auch das einschlägige deutsche Zustimmungsgesetz vom 30.08.1994, BGBl. 1994 II, S. 1438 ff.
146 Das TRIPs Übereinkommen regelt neben den Urheber- und verwandten Schutzrechten auch
eine Reihe von gewerblichen Schutzrechten. Das Urheberrecht findet sich in Art. 9 - 15
TRIPs.
147 Cohen Jehoram stellt dabei klar, dass es sich bei Art.13 TRIPs nicht um eine „Bern-Minus-“,
sondern um eine „Bern-Plus-Vorschrift“ handelt, in: GRUR Int. 2001, 807, 808, Vgl. dazu
auch Duggal, TRIPs - Übereinkommen und internationales Urheberrecht, S. 75; Poeppel, Die
Neuordnung der urheberrechtlichen Schranken, S. 109; Senftleben, in: GRUR Int. 2004, S.
200, 203.
148 V. Lewinski, in : Loewenheim, Hdb. des UrhR, § 57, Rn. 74; dieselbe, in: GRUR Int. 1997,
S. 667, 676.
149 Art. 64 TRIPs verweist für internationale Streitigkeiten auf das im Rahmen der Neugründung
der WTO vereinbarte und für WTO – Mitglieder bindende Streitbelegungsverfahren (das sog.
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blick auf die Voraussetzung der Begrenzung auf „bestimmte Sonderfälle“ führte die
TRIPs - Schiedsstelle dabei aus, dass daraus nicht die Notwendigkeit zu entnehmen
sei, jede erdenkliche Situation, auf die die Ausnahme Anwendung finden könnte,
genau zu definieren. Ausreichend sei vielmehr, dass der Anwendungsbereich der
Ausnahme bekannt und spezifiziert ist, so dass ein hinreichendes Maß an Rechtssicherheit gewährt sei. Die Formulierung verlange aber insbesondere nach einer Begrenzung des Anwendungsbereiches sowohl in quantitativer als auch in qualitativer
Hinsicht.150
III. WIPO – Urheberrechtsverträge (WCT und WPPT)
Etwas über zwei Jahre nach dem Abschluss des TRIPs - Übereinkommens, am
20.12.1996, wurden im Rahmen der WIPO zwei weitere internationale Verträge
zum Urheberrechtsschutz und zum Schutz der ausübenden Künstler und Tonträgerhersteller abgeschlossen.151 Der WIPO - Urheberrechtsvertrag (WIPO Copyright
Treaty – WCT) und der WIPO - Vertrag über Darbietungen und Tonträger (WIPO
Performances and Phonograms Treaty – WPPT) sind das Ergebnis der vom 02.12. -
20.12.1996 in Genf abgehaltenen Diplomatischen Konferenz mit Delegierten von
mehr als 120 Staaten über bestimmte Fragen des Urheberrechts und verwandter
Rechte.152 Diese beiden Abkommen sind auf internationaler Ebene die Grundlage
für die Behandlung der „digitalen Agenda“ des Urheberrechts.153 Durch das Gesetz
vom 10.08.2003 hat die Bundesrepublik Deutschland den beiden Verträgen zugestimmt.154 Das Ziel der Vertragsparteien ist der Präambel beider Verträge zu entnehmen, in der es im Satz 5 bzw. Satz 4 wortgetreu heißt:
„Die Vertragsparteien – (…) in Erkenntnis der Notwendigkeit, ein Gleichgewicht zwischen
den Rechten der Urheber (bzw. der ausübenden Künstler und Tonträgerhersteller [WPPT]) und
dem umfassenderen öffentlichen Interesse, insbesondere Bildung, Forschung und Zugang zu
DSU), das seinerseits wiederum teilweise auf Streitbeilegungsvorschriften des GATT verweist. Wenn die in dem Streitbeilegungsverfahren vorgeschriebene 60-tägige Konsultationsphase erfolglos bleiben sollte, kann die Einsetzung eines Schiedsgerichts verlangt werden,
das in einem straffen Zeitrahmen über die Streitigkeit zu entscheiden hat. Im Einzelnen dazu:
Goldmann, in: GRUR Int. 1999, S. 504, 509 f. sowie ausführlich zum Streitbeilegungsverfahren: Dörmer, in: GRUR Int. 1998, S. 919, 920 f.
150 Vgl. die Ausführungen von Cohen Jehoram, in: GRUR Int. 2001, S. 807, 808. Zum Dreistufentest im Einzelnen unter C), S. 59 ff.
151 WIPO steht dabei für „World Intellectual Property Organization”, die Weltorganisation für
geistiges Eigentum, die im Jahre 1967 gegründet wurde, um die Rechte an immateriellen Gütern weltweit zu fördern, vgl. www.wipo.int.
152 Katzenberger, in: Schricker, UrhR, Vor §§ 120 ff., Rn. 51.
153 Reinbothe, in: ZUM 2002, S. 43, 45. Der WCT war ursprünglich das „Protokoll zur Berner
Übereinkunft“ und kann daher als Fortsetzung der alten Übereinkunft verstanden werden, die
das Ziel verfolgt, neue Situationen abzudecken, die durch die Informationsgesellschaft entstanden sind, vgl. Cohen Jehoram, in: GRUR Int. 2001, S. 806, 808 f.
154 BGBl. 2003 Teil II, Nr. 20, S. 754.
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References
Zusammenfassung
In Bildung und Wissenschaft ist der Einsatz vielfältiger Medien, insbesondere auch unter Rückgriff auf modernste Techniken, unentbehrlich. In diesen Bereichen treffen die widerstreitenden Interessen von Nutzern und Rechteinhabern vor allem unter fiskalischen Gesichtspunkten in sensiblem Maße aufeinander. Dem Gesetzgeber obliegt es, mittels der urheberrechtlichen Schranken zwischen ihnen eine ausgewogene Balance zu schaffen. Die Autorin zeigt auf der Basis einer eingehenden Interessenanalyse unter Berücksichtigung von Rechtsprechung und Literatur die geltende Rechtslage auf, würdigt sie kritisch und entwickelt Reformansätze, besonders auch im Hinblick auf das urheberrechtliche Öffentlichkeitsverständnis.