136
4. Kapitel: Das System der quotengestützten certificati verdi
Mit der Einführung des quotengestützten Zertifikatesystems im Jahr 1999 hat Italien
von der seit 1992 bestehenden Förderung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen durch Einspeisevergütungen671 Abstand genommen. Waren die certificati verdi
dann zunächst das einzige allgemeine staatliche Förderinstrument, traten in den
Jahren 2005 und 2008 flankierend Einspeisevergütungssysteme für den Bereich
Fotovoltaik sowie für Kleinanlagen hinzu.672 Als maßgebliches Fördersystem für
mittlere und große Anlagen bildet das Quotensystem dennoch nach wie vor das
zentrale Element der Förderung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen in Italien.
Abschnitt A dieses Kapitels gilt einem Überblick über die charakteristischen Unterschiede von Quotenmodellen, der eine bessere Einordnung des italienischen quotengestützten Zertifikatemodells ermöglichen soll.673 Anschließend werden die Entstehung des italienischen Systems der certificati verdi (B), die Quotenverpflichtung
nach dem Decreto Bersani (C) sowie alle Aspekte der certificati verdi und ihrer
Übertragung (D) untersucht, bevor abschließend die wichtigsten Erkenntnisse als
Grundlage der folgenden europarechtlichen Untersuchung zusammengefasst werden
(E).
A. Grundlagen von quotengestützten Zertifikatemodellen
Die Einführung einer Verpflichtung zu Lasten bestimmter Wirtschaftssubjekte,
entsprechend den von ihnen verbrauchten bzw. erzeugten Mengen von Strom aus
konventionellen Energiequellen eine bestimmte Menge an Strom aus erneuerbaren
Energiequellen zu erwerben oder zu erzeugen, soll eine Nachfrage nach solchem
Strom bzw. grünen Zertifikaten generieren.674 Die Zertifikate verbriefen den beson-
671 Siehe unten S. 186 ff.
672 Siehe hierzu unten S. 191 ff.
673 Für eine umfassende rechtsvergleichende Analyse siehe Himmer, Energiezertifikate in den
Mitgliedstaaten der Europäischen Union, passim; zum Vergleich der wirtschaftlichen Vorund Nachteile von Quoten- und Einspeisetarifmodellen siehe Lienert/Wissen, ZfE 2006,
133 ff., Vogel/Weber, ZfE 2006, 233 ff. sowie Ragwitz, Assessment and optimisation of renewable energy support schemes in the European electricity market, S. 33 ff.
674 Allg. zu Quotenmodellen siehe Schneider, in: ders./Theobald, Handbuch zum Recht der
Energiewirtschaft, § 18, Rn. 41 ff.; Drillisch, Quotenregelung für regenerative Stromerzeugung, S. 8 ff.; ders., Quotenmodell für regenerative Stromerzeugung, S. 39 ff; ders., ZfE
1999, 251 ff.; zur ökonomischen Analyse von Quotenmodellen siehe Himmer, Energiezertifikate in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, S. 29 mit zahlreichen Nachweisen sowie
S. 36 ff.
137
deren Beitrag zum Umweltschutz, der mit der Stromerzeugung aus erneuerbaren
Energiequellen verbunden ist.675 Es handelt sich hierbei ökonomisch betrachtet um
ein komplexes Instrument der Mengensteuerung zur Beseitigung von Fehlallokationen, die aus der Differenz von privaten und sozialen Kosten entstehen.676
Derzeit fördern in der EU sieben Mitgliedstaaten die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen zumindest teilweise mittels eines quotengestützten Zertifikatemodells – Belgien, Italien, Polen, Schweden, das Vereinigte Königreich, Lettland und Rumänien.677 Die dabei vorgeschriebenen Quotenverpflichtungen unterscheiden sich insbesondere in Bezug auf die Adressaten und Begünstigten der
Quotenverpflichtung sowie die Bezugsgröße der Quote, die Möglichkeiten der Quotenerfüllung und die Sanktionen bei Nichterfüllung der Quote. Zudem unterscheiden
sich der Inhalt, die Funktion, die Rechtsnatur und die Handelbarkeit der Zertifikate.
Gemäß dem in der ökonomischen Literatur entwickelten Verursacherprinzip678
sollen die Verursacher von negativen externen Kosten wirtschaftlich für die von
ihnen verursachten Schäden zur Verantwortung gezogen werden.679 Je nach Betrachtungsweise kommen verschiedene Adressaten als Verursacher der Schäden in Betracht. Nach einer Ursachenanalyse im Sinne einer strikten Betrachtung der Kausalitätskette sind die Erzeuger konventionellen Stroms als Urheber der negativen Umweltauswirkungen, insbesondere der Freisetzung von Kyotogasen, als Adressaten
der Quotenverpflichtung heranzuziehen.680 Geht man indessen von einer Gesamtverantwortung aller an der Wertschöpfungskette beteiligten Akteure für den Umweltschutz aus, so können auch die Übertragungs- und Verteilernetzbetreiber, Stromlieferanten und Stromverbraucher herangezogen werden.681 Die Wahl des jeweiligen
Adressaten birgt je nach der konkreten Ausgestaltung des Systems682 Vor- und
Nachteile.683
Zur Erfüllung der Quote kommen nur zwei Möglichkeiten684 in Betracht. Entweder kann der Adressat die Verpflichtung unmittelbar durch den Nachweis der Erzeu-
675 Drillisch, ZfE 1999, 251, 255.
676 Vgl. Himmer, Energiezertifikate in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, S. 41
m. w. N.
677 Ragwitz, Assessment and optimisation of renewable energy support schemes in the European
electricity market, S. 16.
678 Vgl. Maurer, Umweltbeihilfen und Europarecht, S. 83 f.
679 Vgl. Drillisch, ZfE 1999, 251, 256.
680 Himmer, Energiezertifikate in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, S. 43 m. w. N.
681 Vgl. Espey, Internationaler Vergleich energiepolitischer Elemente zur Förderung von regenerativen Energien in ausgewählten Industrieländern, S. 56; Drillisch, ZfE 1999, 251, 259 f.
682 Siehe hierzu unten S. 146.
683 Vgl. zu diesen Himmer, Energiezertifikate in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union,
S. 43 m. w. N.
684 Laut Schneider sind es drei Möglichkeiten. Neben den beiden genannten komme noch der
Ankauf von Strom aus erneuerbaren Energiequellen und die parallele Übertragung der dazugehörigen Zertifikate in Betracht. Schneider, in: ders./Theobald, Handbuch zum Recht der
Energiewirtschaft, § 18, Rn. 43; Schneider, in: Hendler/Marburger/Reinhardt/Schröder,
Energierecht zwischen Umweltschutz und Wettbewerb, 71, 82 f.
138
gung oder des Erwerbs von Strom aus erneuerbaren Energiequellen erfüllen685 oder
durch die Vorlage grüner Zertifikate. Es kommt auch die Verbindung beider Möglichkeiten in Frage. Die vorgelegten Zertifikate werden in der Regel annulliert. Sie
müssen nicht verkörpert sein und können auch in rein elektronischer Form existieren.
Die Erfüllung der Quotenverpflichtung muss zudem in irgendeiner Form nachzuweisen und kontrollierbar sein.686 Die faktische Ausgestaltung dieses Nachweises
hat gewichtige wirtschaftliche Folgen und beeinflusst die Glaubwürdigkeit eines
quotengestützten Zertifikatesystems. So erfordert die Überprüfung der tatsächlichen
Erfüllung der Quotenverpflichtung die Errichtung von Kontrollinstanzen und verursacht dementsprechend Bürokratie und Kosten. Die Glaubwürdigkeit des Quotensystems ist aber nur dann gewahrt, wenn eine Manipulation des Nachweises im
Prinzip ausgeschlossen werden kann und im Falle der Nichterfüllung Sanktionen
eingeleitet werden.687
Die Zertifizierung geht von der Prämisse aus, dass Strom aus erneuerbaren Energiequellen gegenüber Strom aus fossilen Energiequellen einen gewissen Mehrwert
aufweist. Dieser Mehrwert liegt makroökonomisch in einer stärkeren Diversifizierung der Energiequellen eines Landes und damit in der Erhöhung der Versorgungssicherheit, der vermiedenen Umweltbelastung und der Entwicklung einer zukunftsorientierten Industriesparte.688 Alle diese positiven Attribute der Stromerzeugung
aus erneuerbaren Energiequellen sind sog. externe positive Effekte, die sich jedoch
nicht unmittelbar vermarkten lassen. Die Vermarktung wird erst durch die Konstruktion der Verkörperung der positiven Effekte bzw. der durch die Stromerzeugung aus
erneuerbaren Energiequellen im Gegensatz zur Stromerzeugung aus konventionellen
Energiequellen vermiedenen externen Kosten689 durch Zertifikate ermöglicht. Die
differierenden Umweltbeiträge der verschiedenen erneuerbaren Energiequellen können über Wertigkeitsfaktoren oder eine unterschiedliche Dauer der Berechtigung zur
Zertifikatezuweisung berücksichtigt werden. Auf dem gleichen Wege können marktferne Technologien aus strategischen Gründen gefördert werden.690
Die Zertifikate werden in der Regel für eine bestimmte Bezugsmenge von Strom
aus erneuerbaren Energiequellen ausgestellt. Durch die Bezugsmenge wird auch der
sachliche Anwendungsbereich der Zertifikate bestimmt. Wird eine große Bezugsmenge, wie z. B. 100 MWh, gewählt, so sind Anlagen, die jährlich weniger als diese
Menge Strom erzeugen, von der Zertifizierung ausgeschlossen. Zu entscheiden ist
bei der Ausgestaltung eines quotengestützten Zertifikatesystems auch, ob sich die
685 Sog. „physische Quotenerfüllung”, vgl. Himmer, Energiezertifikate in den Mitgliedstaaten
der Europäischen Union, S. 44 m. w. N.
686 Komorowski, Quotenmodelle zur Förderung erneuerbarer Energien, S. 50.
687 Lorenzoni/Pecchio, in: Lorenzoni/Zingale, Le fonti rinnovabili di energia, 19, 38.
688 Vgl. Himmer, Energiezertifikate in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, S. 35
m. w. N.
689 Vgl. Forleo, Rassegna giuridica dell’energia elettrica 2006, S. 203, 211.
690 Vgl. hierzu Drillisch, ZfE 1999, 251, 257 und 259.
139
Zertifizierung auf die Nettostromerzeugung oder auf die in das Netz eingespeiste
Menge beziehen soll.691
Auch der Inhalt der Zertifikate kann variieren. Sie werden in der Regel mit einer
Nummer versehen und geben Aufschluss über den Erstinhaber, den eingesetzten
Energieträger und die eingesetzte Technologie, den Standort und die Kapazität der
Anlage, den Aussteller, das Ausstellungsdatum und die Gültigkeitsdauer.692 Funktionell dokumentieren die Zertifikate zunächst die Erzeugung oder Einspeisung einer
bestimmten Menge von Strom aus erneuerbaren Energiequellen in das Netz.693 Der
Verkauf der Zertifikate soll den Erzeugern von Strom aus erneuerbaren Energiequellen den Mehraufwand vergüten, den diese durch die im Vergleich zu Strom aus
fossilen Energiequellen teurere Elektrizitätserzeugung zu tragen haben. Die Zertifikate dienen schließlich auch der Separierung zwischen der produzierten Elektrizität
selbst und den zusätzlichen Vorteilen des Stroms aus erneuerbaren Energiequellen,
die in Form der grünen Zertifikate selbständig vermarktet werden können.694 Diese
Trennung des Stroms von den positiven Effekten der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen führt auch dazu, dass die Zertifikate – zumindest potenziell –
im Gegensatz zum Strom selbst keinen Handelsbarrieren wie der Netzkapazität
unterliegen und dementsprechend auf einem größeren Markt gehandelt werden können.695
Quotensysteme erfordern eine wirksame Kontrolle der Zertifizierung und der
Quotenerfüllung, mithin auch eine für die Kontrolle zuständige neutrale Instanz.696
Der bürokratische Aufwand und die Kosten, die sich aus den Kontrollaufgaben ergeben, werden als Kritikpunkte gegen Quotenmodelle vorgebracht. Der Aufwand
des Kontrollsystems hängt dabei maßgeblich von seiner konkreten Ausgestaltung ab.
Das Kontrollsystem variiert maßgeblich je nach dem Adressaten der Quotenverpflichtung. Sanktionen für die Quotenverpflichteten bei Nichterfüllung stellen einen
wesentlichen Baustein in einem Quotenmodell dar. Sie haben die Aufgabe, einen
ausreichenden Anreiz zur Erfüllung der Quotenverpflichtung zu schaffen.697 Als
Sanktionen sind insbesondere Bußgelder weit verbreitet, die in der Höhe deutlich
variieren können.698 Wie die Analyse des italienischen Modells zeigen wird, kommen aber auch drastischere Maßnahmen wie der völlige oder zeitweise Ausschluss
vom Stromhandel in Betracht. Die Höhe der Strafen hat erhebliche Auswirkungen
auf die Nachfrage und damit mittelbar auch auf den Preis der grünen Zertifikate.
691 Drillisch, ZfE 1999, 251, 259.
692 Vgl. Himmer, Energiezertifikate in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, S. 37
m. w. N.
693 Sog. „Nachweisfunktion“, ebenda, S. 38 m. w. N.
694 Sog. „Finanzierungsfunktion“, vgl. ebenda, S. 39 m. w. N.
695 Vgl. Forleo, Rassegna giuridica dell’energia elettrica 2006, 203, 211; Himmer, Energiezertifikate in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, S. 37 m. w. N.
696 Schneider, in: ders./Theobald, Handbuch zum Recht der Energiewirtschaft, § 18, Rn. 43.
697 Drillisch, ZfE 1999, 251, 264.
698 Vgl. zur allgemeinen Ausgestaltung von Sanktionsregelungen Himmer, Energiezertifikate in
den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, S. 45 f.
140
Werden die Sanktionen zu niedrig angesetzt, bilden sie gleichsam ein faktisches
Limit für den Marktpreis und regen die Unternehmen dazu an, die Quotenverpflichtung nicht zu erfüllen, wodurch dem Fördermechanismus seine Grundlage entzogen
wird.699 Sie sollten daher so hoch angesetzt werden, dass sie deutlich schädlichere
Folgen für das Unternehmen haben als das gesetzmäßige Verhalten. Nur so kann die
Einhaltung der Quotenverpflichtung erreicht werden.700 Gleichzeitig ist der Gesetzgeber verpflichtet, das Prinzip der Verhältnismäßigkeit zu wahren und Sanktionen
zu statuieren, die sich in das Gesamtgefüge des Ordnungsrechtes einfügen.
Nach der wirtschaftlichen Theorie bildet sich der Preis auf einem Zertifikatemarkt
gemäß der durch die der Quotenverpflichtung generierten Nachfrage701 nach einer
bestimmten Anzahl von grünen Zertifikaten. Er müsste der Differenz aus den Erzeugungskosten der neuen Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen und dem Marktpreis für Strom entsprechen.702 Eine freie Preisbildung ist
daher grundsätzlich ein Hauptziel von Zertifikatemodellen, um gerade diesen Idealpreis erreichen zu können, und sie wird gleichzeitig als Vorteil dieses Systems gepriesen.703 Je freier sich der Preis bilden kann, desto größer können gleichzeitig die
Schwankungen der Zertifikatepreise aufgrund von kurzfristigen Änderungen der
Preisbildungsfaktoren sein. Starke Preisschwankungen beeinträchtigen jedoch die
langfristige Berechenbarkeit des zu erwartenden Einkommens eines Erzeugers von
Strom aus erneuerbaren Energiequellen aus dem Verkauf der grünen Zertifikate und
damit dessen Investitionssicherheit – ein Hauptkritikpunkt an Zertifikatemodellen.
Es werden daher Instrumente genutzt, um die Preisschwankungen zu reduzieren und
damit die Investitionssicherheit in einem Zertifikatesystem zu erhöhen. So kann
durch die Festlegung von gesetzlichen Mindestpreisen für grüne Zertifikate das
Risiko auf ein bestimmtes Maß reduziert werden. Eine lange Gültigkeitsdauer erhöht
die Gesamteinnahmen aus dem Verkauf der grünen Zertifikate und macht die langfristigen Investitionen rentabler. Das sog. Banking ermöglicht es den Inhabern von
Zertifikaten, diese über einen gewissen Zeitraum hinweg zu behalten, insbesondere
wenn die Nachfrage gerade gering und der Preis dementsprechend niedrig ist.704 Das
Gegenstück zum Banking ist das Borrowing. In diesem Fall können Zertifikate verkauft werden, die der Erzeuger erst in der Zukunft erhalten wird. Das Banking und
699 Vgl. Forleo, Rassegna giuridica dell’energia elettrica 2006, 203, 217 f.
700 Vgl. Drillisch, ZfE 1999, 251, 264; Schneider, in: ders./Theobald, Handbuch zum Recht der
Energiewirtschaft, § 18, Rn. 44; Madlener/Stagl, Sozio-ökologisch-ökonomische Beurteilung
handelbarer Zertifikate und garantierter Einspeisetarife für Ökostrom, verfügbar im Internet
unter www.project-artemis.net/docs/madstag_vienna2001_iewt2001.pdf, S. 4.
701 Vgl. Nicoletti, Il diritto dell’economia 2/2004, 367, 374.
702 Vgl. Forleo, Rassegna giuridica dell’energia elettrica 2006, 203, 212; siehe zur Preisbildung
im Detail Rinaldi, Rivista dei dottori commercialisti 4/2005, 651, 659 f.; auch Morthorst, Energy Policy 2000, 1085.
703 Ragwitz, Assessment and optimisation of renewable energy support schemes in the European
electricity market, S. 54.
704 Vgl. zum Banking Drillisch, ZfE 1999, 251, 266; Marroni, Certificati verdi, certificati bianchi e mercato delle emissioni: strumenti di incentivazione per l’energia sostenibile, verfügbar
unter www.legacoop.coop/energia/docs/marroni0906.pdf, S. 8.
141
das Borrowing reduzieren die Fluktuation der Preise indem diese Mechanismen
kurzfristige Veränderungen der Nachfrage oder des Angebotes abfedern, sie ermöglichen jedoch gleichzeitig Spekulationen auf dem Markt.705 Der Freiheit der Preisbildung drohen indessen auch Gefahren, die gänzlich unerwünscht sind. So können
– auch z. B. infolge einer noch nicht vollständigen Liberalisierung der Elektrizitätsmärkte – einzelne Anbieter eine marktbeherrschende Stellung im Bereich einer oder
mehrerer erneuerbarer Energiequellen innehaben und diese auf dem Markt zur Erzielung eines überhöhten Zertifikatepreises einsetzen.706
B. Entstehungsgeschichte und Zielsetzung des italienischen Fördersystems
Die Einführung des quotengestützten Zertifikatesystems707 stellte einen Bruch mit
der bisherigen Förderung durch den CIP 6/92708 dar.709 Die Einführung der Quotenverpflichtung durch den Decreto Bersani ist dabei in den Zusammenhang der energiepolitischen Grundlagen des Weißbuchs der italienischen Regierung einzuordnen
(I). Die hinter der Förderregelung stehenden energiepolitischen Zielsetzungen entsprechen denjenigen auf europäischer Ebene (II). Innerhalb des Decreto Bersani
nahm die Förderung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen nur eine Nebenrolle ein. Erst die Umsetzung des Art. 11 Decreto Bersani durch Ministerverordnungen
und Beschlüsse der AEEG hat den darin normierten Vorgaben die erforderliche
Detailschärfe verliehen (III).
I. Das italienische Weißbuch
Durch Punkt 2.4 Beschluss des CIPE Nr. 137/98710 wurden die zuständigen Minister
der italienischen Regierung beauftragt, ein Weißbuch zur künftigen Nutzung der
erneuerbaren Energiequellen vorzulegen. Mit der Umsetzung des Beschlusses wurde
die Kommission für nachhaltige Entwicklung711 betraut. Im organisatorischen Rah-
705 Vgl. zum Banking und zum Borrowing Ragwitz, Assessment and optimisation of renewable
energy support schemes in the European electricity market, S. 144 ff.; Forleo, Rassegna giuridica dell’energia elettrica 2006, 203, 219.
706 Vgl. Forleo, Rassegna giuridica dell’energia elettrica 2006, 203, 217.
707 Einen Überblick über das System in deutscher Sprache gewähren Puopolo/Geffers, in: AEEC,
Der Energiebinnenmarkt in Europa, 307 ff.
708 Siehe hierzu unten S. 186 ff.
709 De Angelis/Gallo, RdE 2004, 247, 250 f.
710 Siehe hierzu oben Fn. 83.
711 Commissione per lo sviluppo sostenibile. Es handelt sich hierbei um eine Kommission, die
durch eine Verordnung des Ministerpräsidenten vom 20. März 1998 eingesetzt und durch eine Arbeitsgruppe aus Delegierten von 11 Ministerien unterstützt wurde.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die Steigerung des Anteils der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung spielt für die Verbesserung der Versorgungssicherheit und die Erreichung der Klimaschutzziele der Europäischen Union eine herausragende Rolle. Den hierfür maßgeblichen Rechtsnormen der einzelnen Mitgliedstaaten kommt deshalb besondere Bedeutung zu.
Der Autor analysiert detailliert die Vorschriften der Republik Italien. Die Darstellung der energiewirtschaftlichen Grundlagen und der energierechtlichen Rahmenbedingungen bildet den Ausgangspunkt für die anschließende Untersuchung der Förderregelungen. Im Mittelpunkt der Betrachtung stehen das Zertifikatesystem und die verschiedenen Einspeisetarifsysteme für Kleinanlagen und den Bereich der Fotovoltaik. Die eingehende Prüfung der Vereinbarkeit der italienischen Regelungen mit dem Europarecht und ein partieller Vergleich mit dem EEG schließen die Darstellung ab.