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ff) Gesellschafterliche Treuepflicht
Eine Entscheidungsalternative des Testamentsvollstreckers betreffend seine Stimmabgabe im Rahmen einer Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluss besteht
nicht, wenn die gesellschafterliche Treuepflicht, an die auch der Testamentsvollstrecker gebunden ist, eine entsprechende Stimmabgabe erfordert. Eine Verpflichtung
des Testamentsvollstreckers, der Kapitalerhöhung unter Ausschluss des Bezugsrechts zuzustimmen, ist unter Treuegesichtspunkten beispielsweise für den Fall
anzunehmen, wenn die Maßnahme für den Fortbestand der Gesellschaft erforderlich
ist und dem zustimmungsunwilligen Gesellschafter daraus keine Nachteile entstehen.447
Dabei ist zu beachten, dass nicht jeder noch so geringe Nachteil den Gesellschafter bzw. im Falle angeordneter Verwaltungsvollstreckung den Testamentsvollstrecker zur Zustimmungsverweigerung berechtigt.448 Unterfällt im Ergebnis die Kapitalerhöhung unter Ausschluss des Bezugsrechts im Falle einer Sanierung des Unternehmens der gesellschafterlichen Treuepflicht, da sie beispielsweise die einzig
verbleibende Möglichkeit ist, das Unternehmen zu retten, ist die Stimmabgabe des
Testamentsvollstreckers entsprechend geboten.
III. Beteiligung des Testamentsvollstreckers an der Umwandlung einer AG
in eine GmbH
1. Umfang der Mitwirkung
Da die Verwaltungsvollstreckung an Anteilen einer Kapitalgesellschaft im Vergleich
zu Personengesellschaftsbeteiligungen in der Regel wirkungsvoller ist,449 wird in der
Beratungspraxis häufig die Überführung der unternehmerischen Beteiligung in die
Rechtsform einer Kapitalgesellschaft empfohlen.450 Besteht die der Testamentsvollstreckung unterliegende Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft in Form der
(„kleinen“) AG und soll die Rechtsform der („kleinen“) AG in diejenige einer
GmbH umgewandelt werden, stellt sich die soweit ersichtlich in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bisher ungeklärte Frage, inwieweit der Testamentsvollstrecker
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447 BGHZ 98, 276, 279; MünchKommAktG/Peifer, 2. Aufl., § 186 Rn 75
448 BGH NJW 1987, 3192, 3193
449 Bengel/Reimann/Mayer, Testamentsvollstreckung, 3. Aufl., Kap. 5 Rn 142
450 Lorz, Unternehmensrecht, S. 211 m.w.N.; Frank, Die „kleine“ AG, S. 238; Dörrie, ZEV 1996,
370 weist ebenfalls auf „unliebsame“ Grenzen der Testamentsvollstreckung an Personengesellschaftsbeteiligungen hin.
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ohne Zustimmung des Erben an einer Umwandlung einer („kleinen“) AG in eine
GmbH mitwirken kann.451
Eine AG kann gemäß §§ 190 Abs. 1, 191 Abs. 1 Nr. 2 UmwG durch Formwechsel per Umwandlungsbeschluss der Hauptversammlung die Rechtsform der GmbH
erlangen. Gehören zum Nachlass Aktien, nimmt der Testamentsvollstrecker die
Stimmrechte, die aus den Aktien erwachsen, in der Hauptversammlung wahr. Bei
der formwechselnden Umwandlung einer AG in eine GmbH ist der Verwaltungsvollstrecker damit auch an dem gemäß § 193 Abs. 1 UmwG erforderlichen Umwandlungsbeschluss beteiligt. Der Umwandlungsbeschluss allein vermag die
Rechtsform noch nicht zu ändern. Allerdings bindet der Umwandlungsbeschluss, der
u.a. die Satzung der GmbH feststellt, sämtliche Anteilsinhaber und ist zugleich Anweisung an den Vorstand als Vertretungsorgan der AG, den Beschluss durchzuführen, wenn die gemäß § 193 Absätze 2 und 3 UmwG erforderlichen Zustimmungserklärungen vorliegen.452 Die GmbH entsteht mit ihrer Eintragung in das Handelsregister (§ 202 Abs. 1 Nr. 1 UmwG).
2. Erbrechtliche Schranken
a) Verstoß gegen das Verbot unentgeltlicher Verfügungen gemäß
§ 2205 S. 3 BGB
Durch die Eintragung der neuen Rechtsform der GmbH besteht das Unternehmen in
der im Umwandlungsbeschluss bestimmten Rechtsform der GmbH weiter (§ 202
Abs. 1 Nr. 1 UmwG). Der Gesellschaftererbe als Aktionär der AG als dem formwechselnden Rechtsträger wird nach erfolgter Umwandlung an der GmbH nach den
für diese Rechtsform geltenden Vorschriften beteiligt.453 Durch die Beteiligung am
Umwandlungsbeschluss (§ 193 Abs. 1 UmwG) als privatautonomer Entscheidung
wird über die Aktien im Sinne des § 2205 S. 3 BGB verfügt.454 Mit Umwandlung
einer AG in eine GmbH durch Eintragung des Formwechsels in das Handelsregister
stehen dem Gesellschaftererben nunmehr GmbH-Anteile zu. Diese wiederum können im Wege der notariell beurkundeten Abtretungserklärung gemäß § 15 Abs. 3
GmbHG übertragen werden.
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451 Bei einer börsennotierten AG geht mit der Umwandlung in die Rechtsform einer GmbH
zugleich der Verlust der Börsenfähigkeit einher, sogenanntes „unechtes“ Delisting oder Delisting auf „kaltem“ Weg, vgl. Hüffer AktG, 8. Aufl., § 119 Rn 26. Auf die Frage, inwieweit
der Testamentsvollstrecker an einem sogenannten „echten“ Delisting durch Widerruf der
Börsenzulassung mitwirken kann, wird im Folgenden unter E.IV. näher eingegangen.
452 Kallmeyer/Zimmermann UmwG, 3. Aufl., § 193 Rn 14
453 Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist gegeben, soweit die Beteiligung nach UmwG
entfällt, vgl. §§ 202 Abs. 1 Nr. 2 S. 1, 207, 209, 211 UmwG.
454 Zum Begriff der Verfügung siehe unter B. III. 2. a) aa)
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References
Zusammenfassung
Das Werk untersucht die Zulässigkeit der Testamentsvollstreckung an Aktien sowie die Machtbefugnisse des Testamentsvollstreckers für den praktisch bedeutsamen Fall, dass seiner Verwaltung Aktien unterstellt sind. Besondere Bedeutung kommt dabei der Frage zu, inwieweit der Testamentsvollstrecker ohne Zustimmung des Erben tätig werden und beispielsweise an der Gründung einer AG, an deren Umwandlung in eine GmbH oder an einem Börsengang einer nicht konzernierten AG mitwirken kann. Abschließend widmet sich die Autorin der Frage, inwieweit die Ämter „Testamentsvollstrecker“ und „Vorstandsmitglied einer AG“, deren Aktien der Verwaltung durch den Testamentsvollstrecker unterstellt sind, miteinander vereinbar sind.