81
E) Ausübung der Verwaltungs- und Vermögensrechte durch den
Testamentsvollstrecker
I. Gründungsbeteiligung entsprechend den Grundsätzen des GmbH-Rechts
Ist Verwaltungsvollstreckung angeordnet, obliegt dem Testamentsvollstrecker die
Verwaltung der Unternehmensanteile des Erben. Aus dem materiellen Aktienbegriff
ergeben sich neben den versammlungsgebundenen Aktionärsrechten372 Verwaltungs- und Vermögensrechte wie beispielsweise das Recht auf Teilnahme an der
Hauptversammlung gemäß § 118 Abs. 1 AktG, das Auskunftsrecht gemäß § 131 ff.
AktG, das Stimmrecht nach §§ 12 Abs. 1, 133 ff. AktG, das Recht zur Anfechtung
von Hauptversammlungsbeschlüssen (§ 243 Abs. 1 AktG) sowie das Recht auf Beteiligung am Gewinn, vgl. § 58 Abs. 4 AktG.373 Die wenigen Rechte wie das Recht
zur Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen, die Geltendmachung der
Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen sowie das aktienrechtliche Strafrecht, die den Aktionären außerhalb der Hauptversammlung zustehen, dienen vor
allem der Kontrolle der in der Hauptversammlung gefassten Beschlüsse und der
durch den Vorstand erteilten Auskünfte und Informationen.374 Im Folgenden soll der
Frage nachgegangen werden, ob der Testamentsvollstrecker befugt ist, sich auch
ohne Zustimmung des Erben an der Gründung einer („kleinen“) AG zu beteiligen.
Bei einer GmbH-Gründung wird dem Testamentsvollstrecker in erster Linie mit
Rücksicht auf die mögliche persönliche Haftung der Gesellschafter nach § 24
GmbHG teilweise von vornherein die Befugnis abgesprochen, sich ohne Zustimmung des Erben als Gründer an dem Abschluss des Gesellschaftsvertrags der GmbH
zu beteiligen.375 Die h.M. dagegen bejaht die Möglichkeit der Beteiligung des Testamentsvollstreckers an der Gründung einer GmbH für den Fall, dass sowohl die
Aufbringung des Stammkapitals aus dem Nachlass gesichert ist, als auch eine Haftung des Gesellschaftererben gemäß §§ 3 Abs. 2, 19 oder 24 GmbHG nicht in Betracht kommt, was insbesondere bei Aufbringung der Stammeinlagen sämtlicher
Gesellschafter vor Gründung nicht der Fall ist.376
______________________
372 Vgl. hierzu Überblick bei Frank, ZEV 2002, 390.
373 Henn, BB 1982, 1185; Seibert/Kiem/Schüppen, Handbuch kleine AG, 5. Aufl., Rn 4.421
374 Henn, BB 1982, 1185, 1190
375 Baumbach/Hueck/Hueck/Fastrich, GmbHG, 18. Aufl., § 1 Rn 47; Scholz/Emmerich,
GmbHG, 10. Aufl., § 2 Rn 48a
376 BGH WM 1958, 1199; BayObLG NJW 1976, 1692, 1693; Haegele/Winkler, Testamentsvollstrecker, 16. Aufl., S. 208; Staudinger/Reimann, BGB, § 2205 Rn 146; Zimmermann, Testamentsvollstreckung, 2. Aufl., S. 376
82
Zur Beantwortung der Frage nach der Zulässigkeit einer Beteiligung des Testamentsvollstreckers an der Gründung einer AG ist den Argumenten der h.M. in Bezug auf die Mitwirkungsbefugnis des Testamentsvollstreckers an der Gründung
einer GmbH zu folgen.377 Kann die Stammeinlage vollumfänglich bereits bei Gründung der Gesellschaft aus Nachlassmitteln erbracht werden, ist die Frage der Verantwortlichkeit der Gründer im Sinne des § 46 AktG rein theoretischer Natur.378 Der
Testamentsvollstrecker kann dann in eigener Verantwortung entscheiden, ob eine
Maßnahme wie die Gründung einer AG wirtschaftlich geboten und für den verwalteten Nachlass, insbesondere dessen Mehrung, vorteilhaft und sinnvoll ist.379 Andere
Pflichten außer der Pflicht zur Leistung der Kapitaleinlage gemäß § 3 Abs. 2 AktG,
die aus Nachlassmitteln erfolgen muss, dürfen dem Gesellschaftererben in der
Gründungssatzung allerdings nicht ohne dessen Zustimmung auferlegt werden.
II. Umfang der Wahrnehmung der Vermögensrechte aus der Aktie
1. Dividendenrecht als mitgliedschaftlicher Gewinnanspruch
a) Problemstellung
Auch das Dividendenrecht als mitgliedschaftlicher Gewinnanspruch unterliegt als
Vermögensrecht des Erbenaktionärs bei angeordneter Testamentsvollstreckung der
Verwaltung durch den Testamentsvollstrecker.380 Gemäß § 58 Abs. 4 AktG hat jeder
Aktionär Anspruch auf den Bilanzgewinn, soweit er nicht nach Gesetz oder Satzung,
durch Hauptversammlungsbeschluss nach § 58 Abs. 3 AktG oder als zusätzlicher
Aufwand auf Grund des Gewinnverwendungsbeschlusses von der Verteilung unter
den Aktionären ausgeschlossen ist. Im Rahmen des Gewinnverwendungsbeschlusses
kann die Hauptversammlung nach Feststellung des Jahresabschlusses durch Vorstand und Aufsichtsrat gemäß §§ 174 Abs. 1 Nr. 3, 58 Abs. 3 AktG beschließen,
(weitere) Beträge aus dem Bilanzgewinn in Gewinnrücklagen einzustellen. Hiermit
geht zugleich der Ausschluss der Verwendung der Beträge für die Gewinnausschüttung an die Gesellschafter einher.381
Der Gewinnanspruch ist das wichtigste mit der Aktie verbundene Vermögensrecht des Gesellschafters.382 Gemäß § 60 Abs. 1 AktG bestimmen sich die Anteile
______________________
377 Staudinger/Reimann, BGB, § 2205 Rn 143; Zimmermann, Testamentsvollstreckung, 2. Aufl.,
S. 376
378 Zimmermann, Testamentsvollstreckung, 2. Aufl., S. 376
379 Vgl. BGHZ 25, 275, 283; BayObLG, NJW 1976, 1692
380 Frank, ZEV 2002, 390, 391; Lenz, GmbHR 2000, 927, 928; Mayer, ZEV, 2002, 209, 210 ;
Priester, FS Stimpel (1985), S. 463, 473
381 Seibert/Kiem/Schüppen/Schüppen, Handbuch kleine AG, 5. Aufl., Rn 4.425
382 KölnKommAktG/Lutter, 2. Aufl., § 58 Rn 79; GroßKommAktG/Henze, 4. Aufl., § 58 Rn 85
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Das Werk untersucht die Zulässigkeit der Testamentsvollstreckung an Aktien sowie die Machtbefugnisse des Testamentsvollstreckers für den praktisch bedeutsamen Fall, dass seiner Verwaltung Aktien unterstellt sind. Besondere Bedeutung kommt dabei der Frage zu, inwieweit der Testamentsvollstrecker ohne Zustimmung des Erben tätig werden und beispielsweise an der Gründung einer AG, an deren Umwandlung in eine GmbH oder an einem Börsengang einer nicht konzernierten AG mitwirken kann. Abschließend widmet sich die Autorin der Frage, inwieweit die Ämter „Testamentsvollstrecker“ und „Vorstandsmitglied einer AG“, deren Aktien der Verwaltung durch den Testamentsvollstrecker unterstellt sind, miteinander vereinbar sind.