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der Fremdbestimmung entzogen ist.185 Dies ergibt sich weniger aus dem Wortlaut
des § 8 Abs. 5 AktG als vielmehr aus der zugrunde liegenden aktienrechtlichen
Ausprägung des in § 717 S. 1 BGB ausgedrückten allgemeinen Rechtsgedankens.186
Dennoch vermag das Abspaltungsverbot im Ergebnis der Anordnung der Testamentsvollstreckung an Aktien nicht entgegen zu stehen.187 Der Grundsatz der Einheitlichkeit der Mitgliedschaft und damit der Schutzbereich des Abspaltungsverbots
sind in Fällen angeordneter Testamentsvollstreckung nicht betroffen, denn die
Rechtsausübungsmacht verbleibt insgesamt in der Hand des Testamentsvollstreckers.188 Bei der Anordnung der Testamentsvollstreckung handelt es sich nicht um
eine rechtsgeschäftliche Übertragung von Mitgliedschaftsbefugnissen und damit
nicht um eine unzulässige Abspaltung von (Einzel-)Rechten von der Mitgliedschaft.189 Die mit der rechtsgeschäftlichen Übertragung von Einzelbefugnissen verbundene Gefahr einer Verselbstständigung einzelner Befugnisse ist im Falle der
angeordneten Testamentsvollstreckung an Aktien als einem gesetzlich geregelten
und gerichtlicher Kontrolle unterliegenden privatrechtlichen Institut nicht gegeben.190
Wenn man hingegen mit dem BGH bei angeordneter Testamentsvollstreckung einen Verstoß gegen das Abspaltungsverbot dennoch bejahen wollte, muss jedenfalls
vor dem Hintergrund der Testamentsvollstreckung als anerkanntem Institut der
Rechtsordnung davon ausgegangen werden, dass es sich bei der Anordnung der
Testamentsvollstreckung an Aktien um eine gesetzlich normierte Ausnahme vom
Abspaltungsverbot handelt, die nicht im Widerspruch zu den materiellen Wertungen
des Abspaltungsverbots steht.191
2. Testamentarische Beschränkung der Verwaltungsmacht auf
Einzelbefugnisse aus der Aktie
Ein Verstoß gegen das Abspaltungsverbot kommt auch für den Fall der zulässigen
testamentarischen Beschränkung der Verwaltungsmacht auf Einzelbefugnisse aus
______________________
185 Hüffer AktG, 8. Aufl., § 8 Rn 30 mit Nachweis BGH NJW 1987, 780; Münch-
KommAktG/Heider, 3. Aufl., § 8 Rn 89
186 Hüffer AktG, 8. Aufl., § 8 Rn 30
187 MünchKommBGB/Zimmermann, 4. Aufl., § 2205 Rn 36; Priester, FS Stimpel (1985), S. 463,
467
188 BGHZ 108, 187, 199; Mayer, ZIP 1990, 976, 979; Philippi, Testamentsvollstreckung, S. 23;
Priester, FS Stimpel (1985), S. 436, 476; Ulmer, NJW 1990, 73, 81; Ulmer/Schäfer,
ZHR 1996, 413, 439
189 Bommert, BB 1984, 178, 128; MünchKommBGB/Zimmermann, 4. Aufl., § 2205 Rn 37;
Priester, FS Stimpel (1985), S. 463, 467
190 OLG Hamm BB 1965, 511; Bommert, BB 1984, 178, 182; Philippi, Testamentsvollstreckung,
S. 26
191 BGH DB 1976, 2295, 2298
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der Aktie gemäß § 2208 Abs. 1 S. 1 BGB nicht in Betracht. Zwar nimmt der Testamentsvollstrecker in diesem Fall nur einzelne Mitgliedschaftsrechte wahr, während
die anderen Mitgliedschaftsrechte beim Gesellschaftererben verbleiben, so dass es
zu einer mit der Abspaltung im rechtstechnischen Sinne vergleichbaren Situation
kommt. Aus Gründen der Rechtssicherheit bestehen vor dem Hintergrund des Abspaltungsverbots jedoch keine Bedenken gegen die Ausübung von Einzelbefugnissen durch den Testamentsvollstrecker. Beruht die Stimmberechtigung des Testamentsvollstreckers bei angeordneter Verwaltungsvollstreckung auf einem gesetzlichen Verwaltungsrecht, so ergeben sich ihre Grenzen aus dem gesetzlich
festgelegten Zweck der Verwaltung.192 Vor diesem Hintergrund ist es nicht gerechtfertigt, das als solches von der Rechtsordnung anerkannte und weitgehend gesetzlich
normierte Institut der Testamentsvollstreckung gesellschaftsrechtlich einzuengen,
indem man den Erblasser der Gestaltungsmöglichkeit des § 2208 Abs. 1 S. 1 BGB
beraubt, sobald es um Unternehmensanteile als Nachlassbestandteil geht.193
Ein Verstoß gegen das Abspaltungsverbot ist jedoch dann gegeben, wenn dem
Testamentsvollstrecker lediglich die Stimmrechte aus den Anteilen zur Verwaltung
übertragen werden.194 Ist Testamentsvollstreckung an den Unternehmensanteilen
angeordnet, fällt die Stimmrechtsausübung als Verwaltungshandlung automatisch in
den Bereich der Aufgaben und Befugnisse des Testamentsvollstreckers.195 Eine
abspaltende Testamentsvollstreckung, nach der dem Erben die Mitgliedschaft verbleibt, während allein die Stimmrechte der Verwaltung durch den Testamentsvollstrecker unterliegen, gibt es nicht.196
IV. Erfordernis der Zustimmung der übrigen Gesellschafter
1. Zustimmungserfordernis im Recht der Personengesellschaften
a) Grundsätze der Zulässigkeit der Testamentsvollstreckung
Während der BGH die Zulässigkeit der Dauertestamentsvollstreckung über einen
Kommanditanteil in einer Entscheidung aus dem Jahr 1989 vollumfänglich als zulässig anerkannt hat,197 wird die Verwaltungstestamentsvollstreckung über den An-
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192 Fleck, FS Fischer (1979), S. 107, 122
193 Philippi, Testamentsvollstreckung, S. 25
194 Hüffer AktG, 8. Aufl., § 134 Rn 21, § 133 Rn 17
195 BGH NJW 1959, 1820, 1821; Hüffer AktG, 8. Aufl., § 134 Rn 31; a.A. OLG Hamm BB 1956,
511 (Ausübung des Stimmrechts aus einem GmbH-Anteil)
196 Hüffer AktG, 8. Aufl., § 134 Rn 31; MünchKommBGB/Zimmermann, 4. Aufl., § 2205 Rn 31;
Schmidt/Lutter/Spindler AktG, § 134 Rn 61; Frank, ZEV 2002, 389, 390; a.A. OLG Hamm
BB 1956, 511
197 BGHZ 108, 187; OLG Hamm NJW 1989, 1696
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Das Werk untersucht die Zulässigkeit der Testamentsvollstreckung an Aktien sowie die Machtbefugnisse des Testamentsvollstreckers für den praktisch bedeutsamen Fall, dass seiner Verwaltung Aktien unterstellt sind. Besondere Bedeutung kommt dabei der Frage zu, inwieweit der Testamentsvollstrecker ohne Zustimmung des Erben tätig werden und beispielsweise an der Gründung einer AG, an deren Umwandlung in eine GmbH oder an einem Börsengang einer nicht konzernierten AG mitwirken kann. Abschließend widmet sich die Autorin der Frage, inwieweit die Ämter „Testamentsvollstrecker“ und „Vorstandsmitglied einer AG“, deren Aktien der Verwaltung durch den Testamentsvollstrecker unterstellt sind, miteinander vereinbar sind.