100 Kapitel 3: Repatriierungsstrategien
Kapitel 3:
Repatriierungsstrategien
I. Repatriierung
Wenn in der internationalen Steuerrechtsliteratur von »Bringing it all back
home«345 oder »Coming home to America«346 die Rede ist, geht es um die
Fragestellung der Repatriierung von U.S.-amerikanischen Gewinnen aus
dem Ausland.347 Das Thema ist u.a. deswegen kontrovers, weil Repatriierungen zu U.S.-amerikanischen Muttergesellschaften aufgrund der nach
U.S.-amerikanischem Steuerrecht anzuwendenden Anrechnungsmethode
einen höheren steuerlichen Aufwand verursachen als Repatriierungen in
Länder, die der Freistellungsmethode folgen.
Daher spielen Repatriierungsüberlegungen eine ganz entscheidende
Rolle in der Steuerplanung multinationaler U.S.-amerikanischer Unternehmen. Sie sind auch wichtig für die U.S.-amerikanische Steuerverwaltung,
kann sie doch in aller Regel Gewinne ausländischer Tochterkapitalgesellschaften erst im Moment der Repatriierung besteuern.
Nicht zuletzt hängen auch die einzelnen Volkswirtschaften von repatriiertem Kapital ab, welches Wachstums- und Wohlfahrt erhöhen kann.
Insgesamt sind Repatriierungen aus Sicht eines multinationalen U.S.amerikanischen Unternehmens daher zweischneidig. Auf der einen Seite
verschaffen sie der Muttergesellschaft in den Vereinigten Staaten Liquidität, Investitionsmöglichkeiten und Macht. Auf der anderen Seite wird vormals von der U.S.-amerikanischen Besteuerung abgeschirmtes Einkommen durch die Repatriierung zum ersten Male der Besteuerung in den Vereinigten Staaten unterworfen.
Oft ist jedoch eine direkte Repatriierung von Einkünften aus einem europäischen Land nicht der steueroptimale Weg. Dies gilt insbesondere
dann, wenn kein Doppelbesteuerungsabkommen vorhanden ist, oder die
Mindestanforderungen für eine Quellensteuerreduktion in einem einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommen nicht erfüllt werden. Aus diesem
Grunde bietet sich die Repatriierung von Gewinnen unter Einbeziehung
von Holdinggesellschaften an.
Obwohl es zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten ein
Doppelbesteuerungsabkommen gibt, welches sogar seit kurzem einen
345 Blessing, Earnings Repatriations Under the U.S. Jobs Act, Tax Notes International
2004, Vol. 36, 625.
346 Hines/Hubbard, Dividend Repatriations by U.S. Multinationals (1989).
347 Das Wort »Repatriierung« entstammt dem lateinischen Word »repatriare«, welches bedeutet »etwas nach Hause zurückführen«.
I. Repatriierung 101
Nullquellensteuersatz für Dividendeneinkünfte ermöglicht, gelten diese
Überlegungen auch für die Repatriierung von U.S.-amerikanischen Gewinnen aus Deutschland, denn der Nullquellensteuersatz für Dividendeneinkünfte ist gem. Art. 10 Nr. 3(a) DBA Deutschland-USA an hohe Hürden
geknüpft (80%ige Beteiligung, 12-monatige Haltefrist und Erfüllung der
LoB-Klausel).348 Die möglichen Repatriierungsrouten werden schematisch
in Abbildung 13 dargestellt.
Abbildung 13: Repatriierung aus Deutschland
Eine Analyse von PricewaterhouseCoopers kam im Jahre 2003 zu dem
Ergebnis, dass der durchschnittliche Repatriierungssteuersatz von multinationalen U.S.-amerikanischen Unternehmen bei lediglich 3,7% lag.349
Da das U.S.-amerikanische Anrechnungssystem für Gewinnrepatriierungen aus Niedrigsteuerländern eher abschreckend wirkt, spricht Einiges
dafür, dass dieser niedrige Steuersatz damit im Zusammenhang steht, dass
die repatriierten ausländischen Gewinne meist aus Hochsteuerländern
stammen.
Zudem kommt, dass in den letzten Jahren Anreize für die Repatriierung
von ausländischen Gewinnen geschaffen wurden. Der stärkste Impuls
348 Siehe eine ausführliche Darstellung in Kapitel 9(V.)(3.).
349 Unveröffentlichte Analyse von PriceWaterhouseCoopers auf der Basis von Daten
des IRS aus dem Jahre 1999 zitiert in: Kostenbauder, Statement Before the Senate
Finance Committee on July 15, 2003, S. 10; Ensign, Testimony Before the Senate
Finance Committee on July 15, 2003, S. 4.
? %
Repatriierung von U.S. Gewinnen aus Deutschland
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wurde durch das »Sunset Law« in § 965 IRC geschaffen, welches noch im
Detail beschrieben wird.350
A. Formen der Repatriierung
Es gibt einen starken empirischen Beweis dafür, dass Dividendenzahlungen von ausländischen Tochtergesellschaften an ihre Muttergesellschaft als Repatriierungsmittel weit verbreitet, umfangreich und beständig
sind.351
Wenngleich Dividendenrepatriierungen die üblichste Form der Repatriierung sind, sind sie nicht der einzige Weg. Vielmehr sind Zins- und Lizenzzahlungen ebenfalls wichtige Repatriierungsformen.352 Vor allem beinhaltet die Zinszahlung einer Tochter- an eine Muttergesellschaft den Vorteil, dass diese als Betriebsaufwendung bei der Tochtergesellschaft abzugsfähig ist.353 Auch Lizenzzahlungen als Repatriierungsmittel können
vorteilhaft sein, wenn es im Rahmen der einschlägigen Verrechnungspreisregelungen gelingt, Gewinne zur Muttergesellschaft zu verlagern.354 Zudem sind die ausländischen Quellensteuern auf Zins- und Lizenzzahlungen
eher moderat und können daher häufig vollständig in den Vereinigten Staa-
350 Siehe Kapitel 3(I.)(G.).
351 Allerdings gibt es gegenwärtig einen Trend, weniger Dividenden auszuschütten.
Siehe Desai/Foley/Hines, Dividend Policy inside the Multinational Firm (2003),
EFA 2002 Berlin Meetings Presented Paper, S. 12-13. Im Jahre 1994 schütteten
30% der ausländischen U.S.-amerikanischen Tochtergesellschaften Dividenden an
die Spitzeneinheit aus, verglichen mit 40% im Jahre 1982. Siehe Desai/Foley/
Hines, Dividend Policy inside the Multinational Firm (2003), EFA 2002 Berlin
Meetings Presented Paper, Abbildung 3. Damit einher geht der Trend, dass viele
Unternehmen weniger Dividenden an ihre Anteilseinger ausschütten. Siehe Fama/
French, Disappearing Dividends (2000), CRSP Working Paper No. 509, S. 26-28,
deren Studie ergab, dass Dividendenausschüttungen von 55% im Jahre 1982 auf
30% im Jahre 1994 sanken. Eine Übersicht über empirische Beobachtungen hinsichtlich des Ausschüttungsverhaltens ausländischer Tochtergesellschaften zur
U.S.-amerikanischen Spitzeneinheit geben Hartzell/Titman/Twite, Why do forms
hold so much cash ? (2005), AFA 2006 Boston Meetings Paper, S. 7. Ferner, Hines,
The Case against Deferral, National Tax Journal 1999, Vol. 52, No. 3, 385, 389.
352 Empirische Beobachtungen zeigen, dass es fundamentale Unterschiede zwischen
den Branchen bei der Frage gibt, wie Gewinne repatriiert werden. Während Repatriierungen via Zins- und Lizenzzahlungen im Handel wenig verbreitet sind, sind
diese sehr wichtig im Dienstleistungssektor. Siehe Hines/Hubbard, Dividend
Repatriations by U.S. Multinationals (1989), S. 16, 17; Hines, The Case against
Deferral, National Tax Journal 1999, Vol. 52, No. 3, 385, 389, 390.
353 Vgl. Altshuler, Recent Developments in the Debate of Deferral, Tax Notes 2000,
255, 261.
354 Siehe Hines/Hubbard, Dividend Repatriations by U.S. Multinationals (1989), S. 6.
I. Repatriierung 103
ten angerechnet werden.355 Daher bietet sich diese Form der Repatriierung
vor allem für die U.S.-amerikanischen Muttergesellschaften an, die Anrechnungsüberhänge erzeugt haben.
Trotz der Tatsache, dass Dividendenausschüttungen oft nicht das steueroptimale Repatriierungsmittel sind,356 repatriieren multinationale U.S.amerikanische Unternehmen einen großen Teil ihrer ausländischen Gewinne mittels Dividendenausschüttungen.357 Diese Phänomen ist unter
dem Begriff »Dividend Puzzle« bekannt und Gegenstand umfangreicher
wissenschaftlicher Forschung.358
B. Gründe für die Repatriierung
Die Hauptgründe für die Repatriierung ausländischer Gewinne sind:
Finanzierung von Investitionen und
Liquiditätsbedarf (z.B. für Dividendenausschüttungen an Anteilseigner).359
Wie bereits mit dem Phänomen des »Dividend Puzzle« beschrieben,360
liegt die Hauptmotivation im Zusammenhang mit Repatriierungen
nicht notwendigerweise in der Reduzierung der Steuerlast. Tatsächlich gibt es empirische Beweise dafür, das Unternehmen eine Vielfalt
an steuererhöhenden Transaktionen durchführen, um andere Ziele zu
verfolgen. Eines dieser anderen Ziele ist die Kontrolle und Beobach-
355 Dies gilt so lange wie der ausländische Körperschaftsteuersatz höher ist als die
Quellensteuersätze. Siehe Hines/Hubbard, Dividend Repatriations by U.S. Multinationals (1989), S. 7.
356 Altshuler/Grubert, Repatriation Taxes, Repatriation Strategies and Multinational
Financial Policy, Journal of Public Economics 2003, Vol. 87, 73, 74.
357 Im Jahre 1989 repatriierten multinationale U.S.-amerikanische Unternehmen 60%
ihrer ausländischen Gewinne in Form von Dividenden. Siehe Hines/Hubbard, Dividend Repatriations by U.S. Multinationals (1989), S. 8.
358 Siehe Auerbach, Wealth Maximization and the Cost of Capital, Quarterly Journal
of Economics 1979, Vol. 93, 433ff.; Hartman, Tax Policy and Foreign Direct
Investment, National Tax Journal 1984, Vol. 37, No. 4, 475, S. 4-7; Bradford, The
Incidence and Allocation Effects of a Tax on Corporate Distributions, Journal of
Public Economics 1981, Vol. 15, 1-6. Nach einer Ansicht ist das sog. »Dividend
Puzzle« auch damit zu erklären, dass von Dividendenausschüttungen ein Signal
der Profitabilität ausgeht. Siehe Bhattacharya, Imperfect Information, Dividend
Policy, Bell Journal of Economics 1979, Vol. 10, 259, 260ff.; Bratton, The New
Dividend-Puzzle, Georgetown Law Journal 2005, Vol. 93, 845-896.
359 Vgl. Brumbaugh, Tax Exemption for Repatriated Foreign Earnings (2003), Summary.
360 Im Detail oben Kapitel 3(I.)(A.).
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die internationale Steuerplanung mit Holdinggesellschaften ist für multinationale Konzerne häufig lohnenswert. Allerdings gilt es vielerlei Fallstricke zu beachten. Der Autor stellt nicht nur die Grundlagen dieser Art von Steuerplanung dar, sondern präsentiert Strukturen, die sowohl für Praktiker als auch für Wissenschaftler von großem Interesse sind.
Spätestens wenn ein U.S.-amerikanischer Investor einen Gewinn in Deutschland realisiert hat, muss er eine Entscheidung darüber treffen, wie er den Gewinn verwendet. Hierfür gibt es drei Alternativen: Erstens, den Gewinn in Deutschland oder Europa zu reinvestieren, um diesen von der U.S.-amerikanischen Besteuerung abzuschirmen, zweitens, den Gewinn aus Europa heraus in einen Drittstaat zu leiten, um ihn dort zu investieren und von der U.S.-amerikanischen Besteuerung abzuschirmen oder drittens, die Gewinne in die Vereinigten Staaten zu repatriieren. Für die letzte Option gibt es gute Gründe. Diesen widmet sich das Werk, indem es zwei Dutzend Holdingstandorte analysiert, die eine steueroptimale Repatriierung von U.S.-Gewinnen aus Deutschland ermöglichen.
Die Dissertation wurde mit dem Gerhard-Thoma-Ehrenpreis 2009, dem Rudolf-Haufe-Nachwuchsförderpreis 2009 und dem Esche Schümann Commichau Förderpreis 2009 ausgezeichnet.