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parallele Irreführung der Verbraucher oftmals ausscheidet605, sofern kein tatsächlicher Nachweis hierfür vorliegt. Im Ergebnis ist deshalb der pauschale Verweis auf
den Vorrang des Markenrechts nicht geeignet, die europarechtlichen Richtlinienvorgaben dahingehend zu modifizieren, dass hierdurch markenrechtlich nicht geschützte
Kennzeichen nicht erfasst sein sollen606.
4. Schutz nach § 3 UWG
Des Weiteren kommt bei kennzeichenrechtlich nicht geschützten Marken eine
Anwendung der Generalklausel des § 3 UWG in Betracht. Insofern muss anhand des
konkreten Einzelfalls untersucht werden, ob besondere Unlauterkeitsmomente feststellbar sind. Dies ist etwa dann der Fall, wenn ein Marktteilnehmer durch sein Verhalten in verwerflicher Absicht auf die Herbeiführung einer Verwechslungsgefahr
abzielt607 oder wenn durch die Benutzung eines ungeschützten Zeichens eine Rufausbeutung bezweckt wird608. Insofern gilt auch für ungeschützte Kennzeichen, dass ein
Vorrang des Markenrechts einen Rückgriff auf § 3 UWG nicht pauschal verhindern
kann.
5. Zusammenfassung und Ergebnis
Im Rahmen eines Schutzes markenrechtlich nicht geschützter Marken kommt der
Rechtsfigur der Ausstattungsanwartschaft weiterhin eine zentrale Bedeutung zu. Insbesondere werden durch sie keine markenrechtlichen Wertungen umgangen, sodass
eine »besondere Vorsicht« bei ihrer Anwendung nicht notwendig ist.
Markenrechtlich ungeschützte Marken genießen des Weiteren einen Irreführungsschutz nach den §§ 3, 5 UWG, welchem der Vorrang des Markenrechts nicht entgegensteht. Dies entspricht auch den Vorgaben des europäischen Gesetzgebers, welcher
mit Art. 6 II a) RL 2005/29/EG auch eine Irreführung hinsichtlich der betrieblichen
Herkunft, d.h. eine Verwechslungsgefahr, im Zusammenhang mit kennzeichenrechtlich ungeschützten Marken erfasst.
Schließlich ist stets auch anhand der konkreten Umstände im Einzelfall zu prüfen, ob
ein Schutz nach § 3 UWG in Betracht kommt, welcher nicht pauschal unter Berufung
auf die Begrenzungswirkung des Markenrechts verweigert werden kann.
605 Vgl. Steinbeck, WRP 2006, 632ff., 637, mit Hinweis auf BPatG GRUR 2005, 777ff. – Nutella/Natalla.
606 S.o., 130ff.; vgl. Sack, WRP 2004, 1405ff., 1423, welcher darauf hinweist, dass letztlich der EuGH
über eine parallele Anwendbarkeit entscheiden müsse; so auch Ströbele/Hacker, 8. Auflage, § 2 Rn.
22.
607 Sack, WRP 2004, 1405ff., 1423.
608 BGH GRUR 1997, 754ff., 755 – grau/magenta; BGH GRUR 1969, 190ff., 191 – halazon.
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V. Wettbewerbsrechtlicher Nachahmungsschutz von Kennzeichen im Rahmen des
»ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes«, § 4 Nr. 9 UWG
Eines der schwierigsten und in der Praxis relevantesten Problemfelder im Zusammenhang mit der Betrachtung des Verhältnisses des Markenrechts zum Wettbewerbsrecht
stellt der ergänzende wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz dar609. Diese unter Geltung des § 1 UWG a.F. anerkannte Fallgruppe wurde im Rahmen der Neufassung des
UWG vom 3. Juli 2004 erstmals in § 4 Nr. 9 UWG kodifiziert. Am Grundsatz der
Nachahmungsfreiheit außerhalb sondergesetzlicher Immaterialgüterrechte wurde
dabei jedoch ausdrücklich festgehalten610. Danach bleibt die Nachahmung einer nicht
unter Sonderschutz stehenden Leistung, wobei es sich auch um Kennzeichen handeln
kann611, grundsätzlich wettbewerbsrechtlich dann zulässig, wenn keine besonderen
Umstände festgestellt werden können, welche eine Unlauterkeit der Nachahmung zu
begründen vermögen 612. Die wichtigsten Unlauterkeitsumstände hat der Gesetzgeber
dabei in § 4 Nr. 9 a) bis c) UWG kodifiziert.
Da die im Rahmen der Tatbestände der § 4 Nr. 9 a) und b) UWG relevanten Aspekte
der Herkunftstäuschung und Rufausbeutung auch im Markenrecht im Rahmen von
§ 14 II Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG Eingang gefunden haben613, stellt sich die Frage, ob
durch die Gewährung von auf § 4 Nr. 9 a) und b) UWG gestützten wettbewerbsrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit kennzeichenrelevanten Sachverhalten,
markenrechtliche Wertungen unterlaufen werden614, bzw. ob dem Grundsatz der
Nachahmungsfreiheit durch das MarkenG besondere Grenzen gesetzt werden. Zu
berücksichtigen ist dabei insbesondere, dass diese wettbewerbsrechtlichen
Anspruchsgrundlagen den Schutz einer Leistung zum Gegenstand haben, d.h. die in
einem Produkt steckende Leistung – sofern die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen – gegen unmittelbare Übernahme oder unlautere Nachahmung schützen. Demgegenüber schützt das Markenrecht allein das Interesse des Markeninhabers daran,
die Herkunft seiner Waren oder Dienstleistungen erkennbar zu machen, schafft
jedoch kein ausschließliches Auswertungs- oder Benutzungsrecht an der Ware
selbst615.
Bei einer Betrachtung muss dabei zunächst unterschieden werden zwischen Nachahmungsgegenständen, welche zwar wettbewerbsrechtlich im Rahmen des ergänzenden
wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes, jedoch nicht markenrechtlich schutzfähig
sind. Hiervon sind wiederum Erzeugnisse zu unterscheiden, welche neben einem
ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz zugleich auch einem Markenschutz zugänglich sind.
609 Bornkamm, GRUR 2005, 97ff., 101; Steinbeck, FS Ullmann, 415ff., 419.
610 Vgl. Gesetzesbegründung, BT-Drs. 15/1487, 18.
611 BGH GRUR 2003, 973ff., 974 – Tupperwareparty.
612 BGH GRUR 2003, 973ff., 974 – Tupperwareparty.
613 Vgl. juris-PK-UWG/Ullmann, § 4 Nr. 9 Rn. 12; Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 4 Nr. 9.9f.
614 Steinbeck, FS Ullmann, 409ff.
615 Vgl. Plaß, WRP 2002, 181ff., 189; deutlich zwischen Marken- und Leistungsschutz differenzierend
BGH GRUR 2003, 332ff., 336 – Abschlussstück.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Wann ist ein Markenschutz durch das UWG möglich? Welche Fallgruppen bestehen an der Schnittstelle des Marken- und Lauterkeitsrechts und wie sind diese rechtlich zu behandeln? Diesen Fragen, mit denen Praktiker auf dem Gebiet des Gewerblichen Rechtsschutzes regelmäßig konfrontiert werden, stellt das Werk eine umfassende Gesamtdarstellung gegenüber. Es behandelt die relevanten Fallgruppen, in denen sich die Anwendungsbereiche des Markengesetzes und des UWG überschneiden können und beschäftigt sich mit der Frage des Verhältnisses der beiden Rechtsgebiete zueinander, insbesondere ob sich ein Markeninhaber zum Schutz seines Kennzeichens sowohl auf das Marken- als auch auf das Wettbewerbsrecht berufen kann.