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c) Ergebnis
Aus den obigen Ausführungen ergibt sich, dass das Kriterium einer »qualifizierten
betrieblichen Herkunftsangabe« unter dem MarkenG mangels zuverlässiger Abgrenzungskriterien gegenüber einer »einfachen betrieblichen Herkunftsangabe« überholt
ist, da auch einfache Herkunftsangaben in einen Irreführungsschutz miteinbezogen
werden können. Hierdurch wird auch kein unverhältnismäßiger Eingriff in die Dispositionsfreiheit des Markeninhabers begründet, da insbesondere in Bezug auf Lizenzen
eine Irreführung über die bloße Lizenzierung hinausgehen muss. Schließlich steht ein
Irreführungsschutz nach § 5 UWG auch nicht im Widerspruch zu einem Vorrang des
Markenrechts, da die Tatbestandsvoraussetzung einer wettbewerbsrechtlichen Irreführung nicht mit dem Kriterium einer kennzeichenrechtlichen Verwechslungsgefahr
gleichgesetzt werden kann. Folglich besteht für nicht bekannte eingetragene Marken
ein Irreführungsschutz nach § 5 UWG.
2. Unlautere Rufausbeutung und Rufbeeinträchtigung nicht bekannter Marken
»Normalen« eingetragenen Marken, welche keinen relevanten Bekanntheitsgrad
i.S.v. § 14 II Nr. 3 MarkenG aufweisen, bleibt im Falle von Rufausbeutung und Rufbeeinträchtigung, sofern keine Verwechslungsgefahr vorliegt, ein markenrechtlicher
Schutz versagt. Insbesondere ist § 14 II Nr. 3 MarkenG weder unmittelbar noch analog anwendbar, da nicht bekannten Marken anders als bekannten Marken nicht von
vornherein eine den letzteren stets anhaftende Ausstrahlungswirkung über den ihnen
eigenen Waren- und Dienstleistungsbereich hinaus enthalten. Dies wiederum ist bei
bekannten Marken stets Grund für die Verletzungshandlungen.
a) Zulässigkeit des Schutzes nicht bekannter Marken durch das UWG
In der Praxis sehen sich Markeninhaber, deren Kennzeichen sich lediglich bei einem
Teil des angesprochenen Publikums einen guten Ruf erworben haben, sodass keine
Qualifizierung als bekannte Marke möglich ist, immer wieder damit konfrontiert, dass
Dritte einen derartigen Ruf für den Absatz ihrer eigenen Produkte auszunutzen versuchen. Dies ist insbesondere bei in Marktnischen bzw. in speziellen Marktsegmenten
benutzten Kennzeichen der Fall, welche nur einer bestimmten Gruppe innerhalb der
angesprochenen Verkehrskreise bekannt sind. Eine Rufausbeutung einer nicht
bekannten Marke impliziert folglich schon dem Wortsinn nach, dass zumindest eine
gewisse Bekanntheit der betreffenden Marke festgestellt werden kann543.
Ist der Anwendungsbereich des § 6 I UWG eröffnet, so kann sich der Markeninhaber
gegen die unlautere Ausnutzung oder Beeinträchtigung der Wertschätzung bzw. nach
RL 97/55/EG des Rufs seiner nicht bekannten Marke zur Wehr setzen, da § 6 II Nr. 4
543 S.o. im Zusammenhang mit dem Irreführungsschutz, 114f.
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UWG die Voraussetzung einer Bekanntheit nicht vorsieht544. Liegen die Voraussetzungen des § 6 I UWG nicht vor, kann außerhalb einer vergleichenden Werbung ein
Anspruch nach den §§ 3, 4 Nr. 7 UWG545 bzw. nach der Generalklausel des § 3 UWG
vorliegen. Des Weiteren kann ein Schutz einer nicht bekannten Marke durch den
wettbewerbsrechtlichen Nachahmungsschutz nach § 4 Nr. 9 b) UWG erfolgen, da
nach diesen Vorschriften für einen Rufausbeutungsschutz eine markenrechtliche
Bekanntheit gleichfalls nicht erforderlich ist546.
Dieser Rückgriff auf das allgemeine Wettbewerbsrecht wird jedoch von einem Teil
der Literatur abgelehnt, da ein Schutz nicht bekannter Marken eine grundsätzliche
Umgehung markenrechtlicher Wertungen sei547. Eine Ausdehnung des Schutzes
gegen Rufausbeutung bzw. Rufbeeinträchtigung auf nicht bekannte Marken führe zu
einer Umgehung des § 14 II Nr. 3 MarkenG, da diese Vorschrift Bekanntheit des Zeichens beim angesprochenen Publikum voraussetze und ein Schutz nicht bekannter
Marken weder der Wertung des Gesetzgebers noch der Rechtsprechung entspräche,
welche im Rahmen früherer, auf § 1 UWG basierender Entscheidungen ebenfalls auf
die Bekanntheit der Marken abgestellt habe548.
Aus der Verankerung eines Sonderschutzes bekannter Marken wettbewerbsrechtlicher Prägung im MarkenG lässt sich jedoch keineswegs ein Wille des Gesetzgebers
ableiten, nicht bekannte Marken gegen eine Rufschädigung und -ausbeutung gänzlich
schutzlos zu stellen. Da § 14 II Nr. 3 MarkenG nur die Ausnutzung oder Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft bzw. die Wertschätzung einer geschäftlichen
Bezeichnung voraussetzt, nicht aber das Vorliegen einer unlauteren Behinderung
prüft, bleibt Raum für die Anwendung des Wettbewerbsrechts, wenn die unlautere
Behinderung im Vordergrund steht549. Es ist keine Rechtfertigung dafür ersichtlich,
den Inhaber der nicht bekannten Marke gegenüber derartigen Handlungen schutzlos
zu stellen, da ein Schutzbedürfnis unabhängig vom Bekanntheitsgrad besteht550. Vielmehr muss im Einzelfall geprüft werden, inwiefern markenrechtliche Wertungen, d.h.
insbesondere die Privilegierung eines Sonderschutzes der bekannten Marke, umgangen werden. Da der Schutz durch das MarkenG dem Inhaber einer bekannten Marke
umfassendere Ansprüche im Falle einer Verletzung ermöglicht als dem Inhaber einer
nicht bekannten Marke, welcher für Ansprüche aus dem UWG zudem die Hürde der
Voraussetzung eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses überwinden muss, bleibt
die bekannte Marke weiterhin privilegiert. Es handelt sich beim Schutz nicht bekannter Marken gegen eine vorsätzliche Rufschädigung ohne Verwechslungsgefahr mithin
um eine echte Schutzlücke des MarkenG551. Nicht bekannte Kennzeichen sind als
544 S.o., 89.
545 S.o., 92.
546 Vgl. hierzu u. 133ff.
547 Ströbele/Hacker, § 14 Rn. 208; Helm, GRUR 2001, 291ff., 293.
548 Helm, GRUR 2001, 291ff., 293.
549 Vgl. OLG München GRUR 2000, 518f., 519; vgl. Ingerl/Rohnke, § 14 Rn. 885; Deutsch, WRP 2000,
854ff., 857.
550 Vgl. diesbezüglich OLG Köln NJWE-WettbR 2000, 214ff., 217, welches eine klare Trennung der
Prüfung von Rufausbeutung und unlauterer Behinderung der nicht bekannten Marke vornimmt.
551 Vgl. Ingerl/Rohnke, §14 Rn. 885.
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»normale« Marken in gleichem Maße wie bekannte Marken schutzwürdig und
schutzbedürftig. Insoweit liegt folglich kein Sachverhalt vor, für den das Markenrecht
bereits eine spezielle Regelung geschaffen hätte552.
b) Unlautere Rufausnutzung einer nicht bekannten Marke
Eine unlautere Rufausnutzung einer nicht bekannten Marke setzt zunächst voraus,
dass die betreffende Marke überhaupt vom Inhaber im geschäftlichen Verkehr benutzt
wurde und hierdurch einen gewissen Ruf erlangt hat, welchem eine Werbewirkung
und Ausstrahlung für das in Frage stehende Warengebiet zukommt553. Keine Auswirkungen hat dabei die Tatsache, dass der Markeninhaber bislang keine Schritte zur
Verwertung des Rufes seiner Marke außerhalb des bisherigen Warenbereichs bzw. im
Bereich des Markenverletzers unternommen hat554. Weitere Voraussetzung ist, dass
die gewisse Bekanntheit, bzw. das beim angesprochenen Publikum erworbene Ansehen geeignet ist, den Absatz anderer Waren bzw. derer des Markenverletzers zu fördern. So hat der BGH in der Entscheidung »Salomon« entschieden, dass das Ansehen
der unter der Kennzeichnung »Salomon« vertriebenen Wintersportartikel beim Publikum nicht geeignet war, den Absatz von Tabakwaren unter identischem Kennzeichen
zu fördern555. Dem Markeninhaber obliegt entsprechend eine Darlegungspflicht,
inwiefern die verletzte Marke beim Publikum eine besondere Gütevorstellung auslöst
oder einen hohen Werbewert hat, den ein unbefugter Dritter zur Empfehlung seiner
eigenen Ware ausbeuten könnte556.
c) Unlautere Rufbeeinträchtigung einer nicht bekannten Marke
Demgegenüber ist eine unlautere Rufbeeinträchtigung einer Marke schon ab einem
Bekanntheitsgrad denkbar, welcher allein noch nicht für eine Rufausnutzung ausreichend wäre. Dies liegt darin begründet, dass es in einem solchen Fall nicht auf die
Ausstrahlungswirkung eines Kennzeichens innerhalb und außerhalb des Bereichs der
beanspruchten Waren und Dienstleistungen ankommt. Darüber hinaus decken sich
die Interessenlagen bei einer unlauteren Rufbeeinträchtigung unabhängig davon, ob
es sich um eine bekannte oder eine unbekannte Marke handelt. Hier wie dort geht es
dem Inhaber um die Abwehr negativer Einflüsse auf ein positives Markenimage, mag
es auch bei einer nicht bekannten Marke nur bei einem geringen Teil des angesprochenen Publikums bestehen. Ob der beklagte Kennzeicheninhaber daneben in Schädigungsabsicht gehandelt hat, muss nicht nachgewiesen werden, da es bereits ausreicht,
wenn im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zur Feststellung der Unlauterkeit die
552 Vgl. OLG Köln NJWE-WettbR 2000, 214ff., 217 – Blitzrezepte.
553 BGH GRUR 1991, 465ff., 466 – Salomon.
554 Vgl. BGH GRUR 1994, 808ff., 811 – Markenverunglimpfung I; obwohl BGH GRUR 1991, 465ff.,
466 – Salomon auf die Möglichkeiten einer Verwertung eingeht, lässt sich daraus noch nicht schlie-
ßen, dass eine unterlassene Verwertung negative Auswirkungen für die Anspruchsdurchsetzung hat.
555 BGH GRUR 1991, 465ff., 466 – Salomon.
556 OLG Köln NJWE-WettbR 2000, 214ff., 217 – Blitzrezepte.
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objektive Möglichkeit der Schädigung in Betracht kommt557. Eine entsprechende
Absicht kann dabei einen ausreichenden zusätzlichen Umstand darstellen, welcher die
Annäherung an ein Kennzeichen unlauter erscheinen lässt558.
3. Zusammenfassung und Ergebnis
a) Schutz nicht bekannter Marken gegen Irreführung
Ungeachtet der Vorrangthese des Markenrechts vor dem Wettbewerbsrecht sind eingetragene nicht bekannte Marken wettbewerbsrechtlich gegen Irreführung geschützt.
In den Irreführungsschutz nach den §§ 3, 5 UWG sind dabei auch einfache Herkunftsangaben mit einzubeziehen, da die Privilegierung von »qualifizierten Herkunftsangaben« durch die vom BGH vertretene Lehre der qualifizierten Herkunftsangabe angesichts der Unsicherheiten bei der Unterscheidung zwischen einer einfachen und einer
qualifizierten Angabe nicht gerechtfertigt ist559. Hierdurch erfolgt kein unverhältnismäßiger Eingriff in die Dispositionsfreiheit des Markeninhabers.
b) Unlautere Rufausbeutung und -beeinträchtigung nicht bekannter Marken
Eingetragenen nicht bekannten Marken kann unter der Anwendung des UWG ein
Schutz gegen unlautere Rufausbeutung und -beeinträchtigung zukommen. Die Heranziehung eines wettbewerbsrechtlichen Schutzes kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, da bei einem ersichtlichen Schutzbedürfnis des Inhabers einer nicht
bekannten Marke keine Rechtfertigung ersichtlich ist, diesen in derartigen Konstellationen schutzlos zu stellen.
IV. UWG-Schutz markenrechtlich nicht geschützter Marken
1. Allgemein
Das MarkenG greift als sondergesetzlicher Kennzeichenschutz nur ein, wenn eine der
Voraussetzungen des § 4 MarkenG vorliegt, d.h. wenn eine Eintragung nach § 4 Nr. 1
MarkenG vorgenommen wurde, eine Benutzung im Inland stattfand, welche zur Verkehrsgeltung beim Publikum führte (§ 4 Nr. 2 MarkenG) oder wenn eine notorische
Bekanntheit auch ohne Benutzung nach Art. 6bis PVÜ vorliegt. Der Markenschutz
durch Verkehrsgeltung wurde unter dem WZG als Ausstattungsrecht anerkannt und
557 Vgl. BGH GRUR 1994, 808ff., 811 – Markenverunglimpfung I; BGH GRUR 1991, 465ff., 468 –
Salomon m. Anmerkung Rohnke.
558 BGH GRUR 1997, 754ff., 755 – grau/magenta.
559 S.o., 114ff.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Wann ist ein Markenschutz durch das UWG möglich? Welche Fallgruppen bestehen an der Schnittstelle des Marken- und Lauterkeitsrechts und wie sind diese rechtlich zu behandeln? Diesen Fragen, mit denen Praktiker auf dem Gebiet des Gewerblichen Rechtsschutzes regelmäßig konfrontiert werden, stellt das Werk eine umfassende Gesamtdarstellung gegenüber. Es behandelt die relevanten Fallgruppen, in denen sich die Anwendungsbereiche des Markengesetzes und des UWG überschneiden können und beschäftigt sich mit der Frage des Verhältnisses der beiden Rechtsgebiete zueinander, insbesondere ob sich ein Markeninhaber zum Schutz seines Kennzeichens sowohl auf das Marken- als auch auf das Wettbewerbsrecht berufen kann.