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besteht eine kumulative Anspruchskonkurrenz zu den genannten markenrechtlichen
Ansprüchen.
Ungeachtet der nunmehr durch die Rechtsprechung des EuGH in der Entscheidung
»Davidoff/Gofkid« ermöglichten Schließung der Schutzlücke hinsichtlich bekannter
Marken im Ähnlichkeitsbereich ist ein wettbewerbsrechtlicher Schutz weiterhin dann
möglich, wenn keine zeichenmäßige Benutzung vorliegt.
Bei der Prüfung von Ansprüchen gegen eine Annäherung an bekannte Marken ist zu
berücksichtigen, dass die Rechtsprechung des EuGH zum Ähnlichkeitsbegriff i.S.v.
Art. 5 II MarkenRL entgegen derjenigen des BGH eine Ausweitung der Ähnlichkeit
bewirkt, welche eine Vielzahl von zuvor wettbewerbsrechtlich behandelten Fälle nunmehr in den Bereich des MarkenR bringt. Ein Rückgriff auf das Lauterkeitsrecht kann
nur dann erfolgen, wenn besondere, eine Unlauterkeit begründende Umstände vorliegen.
III. UWG-Schutz eingetragener, aber nicht bekannter Marken
Nicht bekannte Marken werden von § 14 MarkenG nur innerhalb des Ähnlichkeitsbereichs geschützt. Hinzukommt, dass nach der hier vertretenen Auffassung nur die
Benutzung einer fremden Marke »als Marke« von § 14 MarkenG erfasst wird501.
Somit stehen dem Markeninhaber gegen eine unberechtigte Benutzung seiner eingetragenen, aber nicht bekannten Marke aus dem MarkenG selbst der Anspruch aus § 14
II Nr. 1 MarkenG bei Doppelidentität und der aus § 14 II Nr. 2 MarkenG im Falle
einer Verwechslungsgefahr zur Verfügung.
Daneben können jedoch zusätzlich ein wettbewerbsrechtlicher Schutz nach dem
Irreführungsverbot sowie ein Schutz gegen Rufausbeutung und -beeinträchtigung
möglich sein.
1. Schutz nicht bekannter Marken gegen Irreführung
Marken weisen entsprechend ihrer Funktion als Individualisierungsmittel auf ein
bestimmtes Unternehmen hin. Neben der markenrechtlichen Verletzungsklage als
Individualschutz gegen Verwechslung kommt deshalb der Rückgriff auf die Anwendung des Irreführungsverbots nach § 5 UWG als kollektivrechtlicher Schutz in
Betracht. Die Benutzung eines verwechslungsfähigen Zeichens kann nämlich
zugleich zu einer wettbewerbsrechtlich relevanten Irreführung über die betriebliche
Herkunft, sowie über die Beschaffenheit der gekennzeichneten Produkte führen. Die
irreführende Markenbenutzung stellt dabei einen Tatbestand dar, der nach gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben bezüglich irreführender (vergleichender) Werbung im
501 S.o., 26ff.
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nationalen Recht verankert werden musste502. Dies wiederum führt zur grundlegenden Frage des Verhältnisses von Wettbewerbs- und Kennzeichenrecht bei innerhalb
und außerhalb des Kernbereichs der Verwechslungsgefahr liegenden Beeinträchtigungen der Interessen von Markeninhabern.
Keine Probleme bereitet demgegenüber die Anwendung des Irreführungsverbots im
Falle einer Marke, welche in Verbindung mit der gekennzeichneten Ware eine irreführende Wirkungsaussage transportiert, wie z.B. »Rheumalind« für eine Bettdecke,
wenn diese weder eine therapeutische noch eine schmerzlindernde Wirkung für
Rheumapatienten hat503. Gleiches gilt für das Kennzeichen Grippomed für ein Erkäl tungsmedikament, welches nicht gegen die Grippe wirkt504. Da in diesen Fällen die
Marke selbst stets täuschend eingesetzt wird, greift bereits das Eintragungshindernis
des § 8 II Nr. 4 MarkenG ein.
Nachfolgend soll zunächst der wettbewerbsrechtliche Schutz von Kennzeichen mittels § 5 UWG im Rahmen der Lehre von den qualifizierten Herkunftsangaben dargestellt werden, um sodann eine Einbeziehung auch einfacher betrieblicher Herkunftsangaben in den wettbewerbsrechtlichen Irreführungsschutz und dessen Verhältnis
zum Markenrecht zu untersuchen.
a) Die Lehre von der qualifizierten betrieblichen Herkunftsangabe
Reichsgericht505 und Reichspatentamt506 entwickelten hinsichtlich einer Irreführung
des Publikums über die betriebliche Herkunft durch die Kennzeichnung von Waren
die sog. Lehre von der qualifizierten betrieblichen Herkunft. Hiervon sind Fallkonstellationen erfasst, in denen das Publikum mit einer unbefugt benutzten Kennzeichnung besondere Gütevorstellungen verbindet, so z.B. bei einem Kennzeichen für Ski bindungen, eine besonders geschätzte technische Konstruktion dieser Bindungen
erwartet507. Ist dies nicht der Fall, kann dies im Einzelfall zu einem Verstoß gegen das
Irreführungsverbot des § 5 UWG führen.
Die Lehre basiert auf der Vorstellung, dass zwar durch jede Kollision zweier Kennzeichen eine Verwechslungsgefahr hinsichtlich der betrieblichen Herkunft erzeugt
wird, dies jedoch noch nicht in jedem Fall zu einer gravierenden bzw. wettbewerbsrechtlich relevanten Verletzung des Abnehmer- und Allgemeininteresses führt508. Der
BGH folgte dieser Ansicht in ständiger Rechtsprechung, nach der ein Irreführungsverbot nur dann in Betracht kommt, wenn es sich bei dem betroffenen Kennzeichen
um eine qualifizierte Angabe über die betriebliche Herkunft handelt, d.h. um ein Zeichen, mit dem das angesprochene Publikum eine besondere Gütevorstellung verbin-
502 Vgl. Art. 3a RL 450/84/EWG; Henning-Bodewig, Die Neuordnung des Markenrechts in Europa, 184f.
503 BGH GRUR 1991, 848ff. – Rheumalind.
504 Vgl. hierzu die Nachweise bei Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 5 Rn. 4.182ff.
505 Vgl. RGZ 55, 34ff. – Germania; RGZ 101, 25ff. – Bärenmarke; RG GRUR 1939, 486 – Original Bergmann.
506 Vgl. die Nachweise bei Kur, GRUR 1989, 240ff., Fn. 14.
507 BGH GRUR 1965, 676ff., 677f. – Nevada.
508 Kur, GRUR 1989, 240ff., 241 m.w.N.
115
det509. Voraussetzung für die Entwicklung einer derartigen Vorstellung ist jedoch,
dass es sich bei den kollidierenden Zeichen nicht um gänzlich anonyme bzw. unbekannte Zeichen handelt, da erst durch eine gewisse Bekanntheit im Verkehr besondere
Gütevorstellungen entstehen können.
Handelte es sich folglich bei der Verletzungshandlung nicht nur um eine betriebliche
Herkunftstäuschung, sondern auch um eine damit verbundene Qualitätstäuschung,
führte dies dazu, dass auch eine Klagebefugnis für sonstige Mitbewerber sowie für
Verbände nach § 8 III UWG besteht510. Je nach den zugrundeliegenden Umständen
handelt es sich somit beim wettbewerbsrechtlichen Irreführungsschutz im Einzelfall
um einen über den individualrechtlichen Kennzeichnungsschutz hinausgehenden
Schutz. Hierdurch soll die Gefahr der Umgehung von Wertungen des Sonderschutzrechts vermieden werden. Irreführungsschutz kommt daher nur dann in Betracht,
wenn die betriebliche Herkunftsangabe als solche markenrechtlichen Schutz
genießt511.
Sind dagegen keine besonderen Gütevorstellungen beim Publikum ersichtlich, wird
nach herrschender Meinung ein wettbewerbsrechtlicher Irreführungsschutz abgelehnt, da die Verbraucherinteressen bei einem bloßen Hinweis auf die betriebliche
Herkunft nicht berührt seien512. Des Weiteren wird die Verweigerung eines wettbewerbsrechtlichen Schutzes in diesem Fall dadurch erklärt, dass sie die Anerkennung
der Warenzeichenlizenz stützen sollte, welche im WZG nicht geregelt war und deshalb als lediglich schuldrechtliche Einwilligung in die Benutzung des Zeichens angesehen wurde513. Eine Anwendung von § 5 UWG auf jeden Fall einer Zeichenkollision
würde dazu führen, dass in die Dispositio nsfreiheit des Markeninhabers schwerwiegend eingegriffen werden könnte, und dieser z.B. an der Lizenzierung und an der Duldung verwechslungsfähiger Zeichen mittels Abgrenzungsvereinbarungen mit Dritten
gehindert wäre514.
b) Anwendung der Lehre von den qualifizierten Herkunftsangaben unter Geltung
des MarkenG?
Der BGH hat den Rückgriff auf das Irreführungsverbot bei qualifizierten Herkunftsangaben in seinen Entscheidungen »grau/magenta«515 von 1997 und »Vossius & Partner«516 aus dem Jahre 2002 auch nach der Reform des Kennzeichenrechtes ohne dies-
509 BGH GRUR 1952, 577ff., 581 – Zwilling; BGH GRUR 1959, 25ff., 29 – Triumph; BGH GRUR
1965, 676ff., 677f. – Nevada; BGH GRUR 1966, 267ff., 270 – White Horse; BGH GRUR 1967, 89ff.,
91 – Lady Rose; BGH GRUR 1970, 528ff., 531 – Migrol; BGH GRUR 1990, 68ff., 69 – Vogue-Ski;
BGH GRUR 2002, 703, 705 – Vossius & Partner.
510 BGH GRUR 1966, 267ff., 270 – White Horse.
511 BGH GRUR 1966, 267ff., 270 – White Horse; BGH GRUR 1997, 754ff., 755 – grau/magenta.
512 Kur, GRUR 1989, 240ff., 241.
513 Vgl. Bornkamm, FS v. Mühlendahl, 9ff., 11.
514 Vgl. Bornkamm, FS v. Mühlendahl, 9ff., 11.
515 BGH GRUR 1997, 754ff. – grau/magenta.
516 BGH GRUR 2002, 703ff. – Vossius & Partner.
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bezügliche Besonderheiten übernommen 517. Insbesondere ging der BGH nicht darauf
ein, inwieweit sich dies mit dem Vorrang des Markenrechts im Zuge seiner auf die
»MacDog«-Entscheidung folgenden Rechtsprechungsentwicklung vereinbaren lässt.
In der Literatur wird demgegenüber vertreten, dass es allein Sache des Markeninhabers sei, über die Verfolgung von Kennzeichenrechtsverletzungen zu entscheiden,
weshalb der wettbewerbsrechtliche Schutz aus §§ 3, 5 UWG regelmäßig verdrängt
würde518. Nach Auffassung von Bornkamm verstößt eine parallele Anwendung gegen
den Vorrang des Markenrechts. Eine Ausnahme könne und müsse nur dann gemacht
werden, wenn der Markeninhaber eine bestimmte Eigenschaft der angebotenen
gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen durch eigene Erklärungen fest im
Verkehrsverständnis verankert hat519.
Fraglich ist deshalb, ob diese Auffassung, die vom Reichsgericht unter der Prämisse
entwickelt wurde, dass das Wettbewerbsrecht gegenüber dem Markenrecht den Status
einer höheren Ordnung inne hat520, in der vom BGH angewandten oder in modifizierter Form im derzeitigen Gefüge von Kennzeichen und Wettbewerbsrecht noch ihre
Berechtigung hat bzw. ob eine parallele Anwendung von Irreführungsschutz und
Kennzeichenrecht möglich ist.
aa) Einbeziehung auch einfacher Herkunftsangaben in den Irreführungsschutz
Gegen die Versagung eines wettbewerbsrechtlichen Irreführungsschutzes auch einfacher Herkunftsangaben wird vorgebracht, dass es sich dabei um einen wenig überzeugenden Kompromiss handelt, der weder den Zuweisungsgehalt des Kennzeichenrechts respektiert, noch die Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise konsequent unterbindet521. Zwischen der einfachen und der qualifizierten Herkunftsangabe
sei keine klare Trennung möglich. Hieraus resultieren völlig unterschiedliche Auffas sungen bezüglich der Anforderungen an die Gütevorstellungen, welche von einer
regelmäßig vorhandenen Gütevorstellung bis zur Forderung von 50 % Durchsetzungsgrad reichen522.
Dass diese Kritik zutrifft, wird nicht zuletzt daran deutlich, dass von der Rechtsprechung bislang keine klaren Kriterien herausgearbeitet wurden, wann von einer qualifizierten Herkunftsvorstellung beim Publikum ausgegangen werden kann, da die hierfür erforderliche allgemeine Wertschätzung im Einzelfall empirisch geprüft werden
muss. Des Weiteren ist fraglich, ob es insbesondere unter Geltung des MarkenG überhaupt noch möglich ist, rechtlich eine Trennlinie zwischen einer nicht bekannten
517 Wobei anzumerken ist, dass die »grau/magenta«-Entscheidung aus der Zeit vor der Entwicklung eines
generellen Vorrangs des Kennzeichenrechts vor dem UWG infolge der »MacDog«-Entscheidung
liegt und die Entscheidung »Vossius & Partner« nur einen namensrechtlichen Streit betraf; die Fortführung der Theorie der qualifizierten Herkunft basierte auch darauf, dass aufgrund der nunmehr
möglichen Markenlizenz eine Irreführung des Verkehrs über die betriebliche Herkunft hingenommen
werden muss.
518 Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 5 Rn. 1.77.
519 Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 5 Rn. 4.213.
520 RGZ 97, 90ff., 93 – Pecho/Pechose; RGZ 111, 192 – Goldina; Fezer, MarkenR, Einl. Rn 5.
521 Bornkamm, FS v. Mühlendahl, 15.
522 Vgl. Nachweise bei Kur, GRUR 1989, 240ff., 241.
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benutzten Marke zu ziehen, der die Verbraucher über die Herkunft hinaus einen
besonderen Qualitätshinweis entnehmen, während demgegenüber insbesondere gänzlich »anonymen« Marken unterstellt wird, dass sie keine über die Herkunftsangabe
hinausgehende Angaben enthalten können. Diese Ansicht übersieht, dass jede
benutzte Marke neben der Herkunftsfunktion gegenüber dem angesprochenen Publikum auch eine Werbe- und Garantiefunktion erfüllen kann. In der Vorstellung des
Verbrauchers besteht der Hinweis auf die Produktidentität aus einer Vielzahl von
praktisch nicht voneinander unterscheidbaren Elementen523. So kann allein schon das
Design einer Bildmarke oder die begriffliche Bedeutung einer Wortmarke einen psychologischen Effekt auf den Konsumenten haben. Entsprechend kann davon ausgegangen werden, dass jede Marke bezüglich der gekennzeichneten Ware in der Vorstellung der Verbraucherkreise ein auf die Qualität bezogenes Element enthält, ungeachtet der Tatsache, wie konkret bzw. greifbar dieses sein mag. Dies wird auch durch
den zeichenrechtlichen Grundsatz untermauert, dass jede Marke eine für den Verbraucher unverzichtbare Orientierungshilfe enthält524.
Im Ergebnis stellt sich das Problem einer Trennung zwischen einfachen und qualifizierten betrieblichen Herkunftsangaben folglich gar nicht, da es einer derartigen Trennung nicht bedarf und auch einfache betriebliche Herkunftsangaben einem Irreführungsschutz unterstellt werden können. Nur hierdurch wird ausreichend berücksich tigt, dass das wettbewerbsrechtliche Irreführungsverbot unter Geltung des neuen
UWG insbesondere auch den Schutz der Marktgegenseite, d.h. der Verbraucher,
gleichberechtigt neben dem der sonstigen Mitbewerber bezweckt und den Verbraucherverbänden eine kollektive Klagebefugnis eröffnet525. Andernfalls könnten mit
Hilfe des Wettbewerbsrechts nicht dagegen vorgegangen werden, dass Verbrauchern
eine identische oder sehr ähnliche Kopie des gewünschten Produktes verkauft wird,
und zwar nur deshalb, da aufgrund einer angeblich nicht ausreichenden Bekanntheit
des nachgeahmten »Originals« ein wettbewerbsrechtlicher Irreführungsschutz per se
ausgeschlossen wäre526. Hierfür spricht auch, dass die Europäische Gemeinschaft in
Art. 95 III, 153 EG als Schutzziel ein »hohes Verbraucherschutzniveau« fordert und
der deutsche Gesetzgeber in § 5 II Nr. 1 UWG explizit einen Irreführungsschutz hinsichtlich Angaben über die betriebliche Herkunft verankert hat527. Auf Einwände, ein
Irreführungsschutz auch bei einfachen betrieblichen Herkunftsangaben greife über
Gebühr in das Kennzeichenrecht des Markeninhabers ein, soll im Folgenden eingegangen werden.
523 Vgl. Kur, GRUR 1989, 240ff., 241.
524 Vgl. Kur, GRUR 1989, 240ff., 241.
525 Sack, WRP 2004, 1405ff., 1421; in diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die Voraussetzungen einer Klagebefugnis, insbesondere das notwendige Wettbewerbsverhältnis, die Geltendmachung wettbewerbsrechtlicher Ansprüche gegen eine irreführende Benutzung von Marken von vornherein einschränken.
526 Man bedenke vor allem die Gesundheitsgefahren bei nachgeahmten Produkten im Pharmazeutiksektor; im Einzelfall wäre jedoch noch ein Anspruch des Markeninhabers nach § 14 II Nr. 1 u. 2 MarkenG gegeben.
527 Vgl. auch Art 6 II a) RL 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken, nach welchem eine
Geschäftspraxis dann irreführend ist, wenn eine Verwechslungsgefahr mit Kennzeichen eines Mitbewerbers begründet wird und hierdurch eine Verbraucherbeeinflussung stattfindet.
118
bb) Kein unverhältnismäßiger Eingriff in die Dispositionsfreiheit des Marken inhabers
Gegen einen Irreführungsschutz aufgrund betrieblicher Herkunftstäuschungen, gleich
ob qualifiziert oder nicht, wird vorgebracht, er führe zum widersprüchlichen Ergebnis, dass ein Markeninhaber aufgrund der außerhalb seiner Kontrolle liegenden Klagebefugnis Dritter, bei der Verwendung seines Kennzeichens eingeschränkt sei. Dies
sei in der Praxis insbesondere dann zu befürchten, wenn der Markeninhaber ein bislang unter einer bestimmten Marke vertriebenes Produkt z.B. mit geänderter Rezeptur
oder geänderten technischen Merkmalen vertreibt. Auch bei einer Lizenzvergabe,
sowie bei der Entscheidung über die Verfolgung von Markenrechtsverletzungen sei
ein Eingriff in die Dispositionsfreiheit des Markeninhabers zu befürchten, da in diesen Fällen Dritte unter Berufung auf § 5 UWG gestützte Ansprüche bezüglich der
Kennzeichnung geltend machen könnten. Die Einschränkung des Markeninhabers sei
dabei umso größer je wertvoller das Kennzeichen sei528.
Diese Bedenken greifen nicht durch. Zwar kann auch bei Verwendung einer rechtmä-
ßig erteilten Lizenz eine nach § 5 UWG unzulässige Irreführung über die betriebliche
Herkunft vorliegen. Dies aber nur dann, wenn eine Irreführung festgestellt werden
kann, die über die bloße Lizenzierung hinausgeht, da eine solche vom Verkehr aufgrund § 30 I MarkenG und der nunmehr anerkannten Garantiefunktion hingenommen
werden muss529. Ein darüber hinausgehender Verstoß kann jedoch dadurch vermieden werden, dass besondere Beziehungen zwischen Lizenzgeber und Lizenznehmer
bestehen, die die gleiche Qualität der Ware gewährleisten530. Dies ist in der Praxis der
Lizenzvereinbarungen in der Regel der Fall, da diese in ihrer Ausgestaltung und
Durchführung die Interessen der Allgemeinheit berücksichtigen muss531, zumal die
wettbewerbsrechtlichen Regeln einen ausreichenden Spielraum bieten, um eine wirtschaftlich nicht mehr tragbare Verpflichtung zu einer gleich bleibenden Qualität auszuschließen532. Hinzukommt, dass dem Lizenzgeber regelmäßig daran gelegen ist,
seine Marke nicht durch mindere Qualität der mit ihr gekennzeichneten Produkte zu
beschädigen.
Auch wird der Zeicheninhaber nicht unverhältnismäßig an der Duldung verwechslungsfähiger Zeichen und damit am Abschluss von markenrechtlichen Abgrenzungsvereinbarungen gehindert533. Solche werden in der Regel nämlich immer nur dann
eingegangen, wenn der Abstand zwischen den mit den kollidierenden Kennzeichen
benutzten Waren oder Dienstleistungen ausreichend groß ist. Scheiden jedoch tatsächliche Überschneidungen im Verkehr aus, ist entsprechend auch kein Täuschungsrisiko feststellbar534.
528 Bornkamm, FS v. Mühlendahl, 15.
529 Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 5 Rn. 1.80.
530 Baumbach/Hefermehl, 22. Auflage, § 3 Rn. 265.
531 BGH GRUR 1966, 375ff. – Meßmer Tee II.
532 Vgl. Kur, Die Neuordnung des Markenrechts in Europa, 190ff., 196.
533 Vgl. Schricker, GRUR 1967, 634ff., 637; Knaak, GRUR 1981, 386ff., 392.
534 Winter, GRUR 1977, 467ff., 468; vgl. allgemein zu Abgrenzungsvereinbarungen, v. Bomhard/Harte-
Bavendamm, GRUR 1998, 530ff.
119
Schließlich wird auch das Interesse des Markeninhabers nicht beeinträchtigt, mit
einem Markenverletzer als eventuellem Lizenznehmer ins Gespräch zu kommen,
wenn dieser gleichzeitig durch Dritte mittels wettbewerbsrechtlicher Vorschriften in
Anspruch genommen wird. Sollten die von Dritter Seite geltend gemachten Ansprüche erfüllt sein, so verdienen die Interessen der Allgemeinheit vor einer Irreführung
nämlich Vorrang vor den kommerziellen Interessen des Markeninhabers. Dies gilt
gleichermaßen für den Fall, dass eine Abgrenzungsvereinbarung durch die
Anspruchsstellung Dritter scheitert, da sie dann auch nicht geeignet gewesen wäre,
eine konkrete Irreführungsgefahr auszuschließen.
Somit ist der Einwand unbegründet, der Irreführungsschutz würde die dem Zeichen inhaber vom Gesetz eingeräumten Verfügungsmöglichkeiten konterkarieren.
cc) Stellt parallele Anwendung den Vorrang des Markenrechts in Frage?
Zu berücksichtigen ist des Weiteren, dass kennzeichenrechtliche Verwechslungsgefahr und wettbewerbsrechtliches Irreführungsverbot unterschiedliche Begriffe darstellen, die nicht deckungsgleich sind. So erfasst die markenrechtliche Verwechslungsgefahr nur solche Fehlvorstellungen im geschäftlichen Verkehr, die aus der Verwendung von Kennzeichen resultieren und sich auf die betriebliche Zuordnung der
jeweiligen Waren und Dienstleistungen beziehen, weshalb die kennzeichenrechtliche
Verwechslungsgefahr als engerer gefasster Begriff grundsätzlich weniger Sachverhalte als die wettbewerbsrechtliche Irreführungsgefahr erfasst. Darüber hinaus müs sen zur Annahme einer Irreführung nach dem UWG die angesprochenen Verkehrskreise unmittelbar in ihrem wirtschaftlichen Verhalten, d.h. in wettbewerbsrechtlich
relevanter Weise, beeinflusst werden535. Diese Voraussetzung erschwert die Feststellung einer Irreführung gegenüber einer markenrechtlichen Verwechslungsgefahr
erheblich. Hinzukommt, dass es sich bei letzterer um eine Rechtsfrage handelt, welche einer formellen Beweisaufnahme nicht zugänglich ist. Zwar ist für eine Irreführung nach § 5 UWG die bloße Gefahr einer solchen ausreichend, welche bezüglich
ihrer Feststellung durch die Rechtsprechung in der Tendenz immer mehr normativen
Vorgaben folgt. Anders als im Markenrecht kann der Nachweis tatsächlicher Fehlzurechnungen jedoch nicht regelmäßig als entbehrlich bezeichnet werden536. Letztlich
geht es damit bei der wettbewerbsrechtlichen Irreführung um eine Frage, deren Vorliegen als Tatfrage überprüft werden kann 537. Somit kann die Beurteilung der Verwechslungsgefahr die autonome Prüfung einer Irreführungsgefahr grundsätzlich nicht
ersetzen, was in der Konsequenz dazu führt, dass der Automatismus ausgeschlossen
ist, bei Vorliegen einer Verwechslungsgefahr gleichzeitig eine Irreführungsgefahr
anzunehmen.
Selbst wenn man – worauf an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden soll –
davon ausgeht, dass die Irreführungsgefahr in der Rechtsprechung mit steigender
535 RegE UWG, BT Drs. 15/1487, 19; BGH GRUR 2003, 628ff., 630 – Klosterbrauerei; Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 5 Rn. 2.169.
536 Kur, GRUR 1989, 240ff., 246.
537 Bornkamm, FS v. Mühlendahl, 9ff., 20.
120
Tendenz als Rechtsfrage aufgefasst wird und damit zukünftig parallel zur Prüfung der
zeichenrechtlichen Verwechslungsgefahr eine Prüfung der Irreführungsgefahr zu
erwarten steht538, wird dies nicht automatisch zu parallelen marken- und wettbewerbsrechtlichen Ansprüchen führen.
Die wie bereits angesprochen bei einer Irreführung nach § 5 UWG, nicht aber für eine
markenrechtliche Verwechslungsgefahr zu prüfende Relevanz sowie die nach den
§§ 3, 5 UWG zu prüfende Erheblichkeit einer Irreführung können diesbezüglich als
wirksames Korrektiv angesehen werden, welches geeignet ist, eine praktikable Trennung zwischen den Rechtsgebieten zu bewirken. So kann bei Vorliegen der Voraussetzungen einer irreführenden Werbung nicht automatisch auf eine Erheblichkeit der
Irreführung der Verbraucher geschlossen werden. Vielmehr sind unter anderem die
Höhe der Irreführungsquote und das Maß der wettbewerblichen Relevanz, die Zahl
der derart umworbenen Kunden sowie die Ausräumung einer Fehlvorstellung bei
näherer Betrachtung des Angebots relevant539. Gleiches gilt für die Prüfung eines
Nachteils der Mitbewerber. Dieser Nachteil hängt von Art, Schwere, Häufigkeit oder
Dauer des Wettbewerbsverstoßes ab. So reicht es nicht aus, einen geringfügigen Wettbewerbsverstoß zu begründen540.
Sind diese Voraussetzungen jedoch gegeben, handelt es sich um eine Irreführung,
welche die Interessen der Allgemeinheit berührt, d.h. welche über die Individualinteressen des Markeninhabers hinausgehend auch den Wettbewerb berührt. Würden demnach allein die Interessen des Wettbewerbs berücksichtigt, so opferte man den durch
die UWG-Reform beabsichtigten Verbraucherschutz zugunsten einer Ausdehnung
des Kennzeichenschutzes, nämlich einer erweiterten Dispositionsfreiheit des Markeninhabers zu Lasten des Verbrauchers. Letztlich zeigt die Forderung Bornkamms nach
einer ausnahmsweisen Möglichkeit der Geltendmachung wettbewerbsrechtlicher
Ansprüche wegen Verstoßes gegen das Irreführungsverbot nach § 5 UWG, trotz
Ablehnung einer parallelen Anwendung541, dass eine solche nicht zwangsläufig zu
Widersprüchen führt. Es ist nämlich nicht nachvollziehbar, warum im Falle einer
Aussage, dass die beworbenen Zigarren immer aus Kuba kommen im gegensätzlichen
Fall eine Irreführung vorliegt, während bei einer auch nur unterschwelligen Aussage,
wie z.B. »auf die Qualität unseres Produktes können sie vertrauen«, kein Irrefüh rungsschutz der Marktgegenseite möglich sein soll.
Aus den obigen Ausführungen folgt zugleich, dass sich bei einer Aufgabe der »Theorie der qualifizierten Herkunftsangaben« und einer Einbeziehung auch einfacher
betrieblicher Herkunftsangaben in den Irreführungsschutz nach § 5 UWG im Hinblick auf eine Umsetzung der Richtlinie 2005/29/EG im Vergleich zu dem im UWG
2004 enthaltenen Irreführungsschutz keine wesentlichen Änderungen ergeben542.
538 Vgl. Omsels, GRUR 2005, 548ff., 558.
539 Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 3 Rn 56.
540 Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 3 Rn 58.
541 Bornkamm, FS v. Mühlendahl, 9ff., 20.
542 So auch Henning-Bodewig, GRUR Int 2007, 986ff., 988.
121
c) Ergebnis
Aus den obigen Ausführungen ergibt sich, dass das Kriterium einer »qualifizierten
betrieblichen Herkunftsangabe« unter dem MarkenG mangels zuverlässiger Abgrenzungskriterien gegenüber einer »einfachen betrieblichen Herkunftsangabe« überholt
ist, da auch einfache Herkunftsangaben in einen Irreführungsschutz miteinbezogen
werden können. Hierdurch wird auch kein unverhältnismäßiger Eingriff in die Dispositionsfreiheit des Markeninhabers begründet, da insbesondere in Bezug auf Lizenzen
eine Irreführung über die bloße Lizenzierung hinausgehen muss. Schließlich steht ein
Irreführungsschutz nach § 5 UWG auch nicht im Widerspruch zu einem Vorrang des
Markenrechts, da die Tatbestandsvoraussetzung einer wettbewerbsrechtlichen Irreführung nicht mit dem Kriterium einer kennzeichenrechtlichen Verwechslungsgefahr
gleichgesetzt werden kann. Folglich besteht für nicht bekannte eingetragene Marken
ein Irreführungsschutz nach § 5 UWG.
2. Unlautere Rufausbeutung und Rufbeeinträchtigung nicht bekannter Marken
»Normalen« eingetragenen Marken, welche keinen relevanten Bekanntheitsgrad
i.S.v. § 14 II Nr. 3 MarkenG aufweisen, bleibt im Falle von Rufausbeutung und Rufbeeinträchtigung, sofern keine Verwechslungsgefahr vorliegt, ein markenrechtlicher
Schutz versagt. Insbesondere ist § 14 II Nr. 3 MarkenG weder unmittelbar noch analog anwendbar, da nicht bekannten Marken anders als bekannten Marken nicht von
vornherein eine den letzteren stets anhaftende Ausstrahlungswirkung über den ihnen
eigenen Waren- und Dienstleistungsbereich hinaus enthalten. Dies wiederum ist bei
bekannten Marken stets Grund für die Verletzungshandlungen.
a) Zulässigkeit des Schutzes nicht bekannter Marken durch das UWG
In der Praxis sehen sich Markeninhaber, deren Kennzeichen sich lediglich bei einem
Teil des angesprochenen Publikums einen guten Ruf erworben haben, sodass keine
Qualifizierung als bekannte Marke möglich ist, immer wieder damit konfrontiert, dass
Dritte einen derartigen Ruf für den Absatz ihrer eigenen Produkte auszunutzen versuchen. Dies ist insbesondere bei in Marktnischen bzw. in speziellen Marktsegmenten
benutzten Kennzeichen der Fall, welche nur einer bestimmten Gruppe innerhalb der
angesprochenen Verkehrskreise bekannt sind. Eine Rufausbeutung einer nicht
bekannten Marke impliziert folglich schon dem Wortsinn nach, dass zumindest eine
gewisse Bekanntheit der betreffenden Marke festgestellt werden kann543.
Ist der Anwendungsbereich des § 6 I UWG eröffnet, so kann sich der Markeninhaber
gegen die unlautere Ausnutzung oder Beeinträchtigung der Wertschätzung bzw. nach
RL 97/55/EG des Rufs seiner nicht bekannten Marke zur Wehr setzen, da § 6 II Nr. 4
543 S.o. im Zusammenhang mit dem Irreführungsschutz, 114f.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Wann ist ein Markenschutz durch das UWG möglich? Welche Fallgruppen bestehen an der Schnittstelle des Marken- und Lauterkeitsrechts und wie sind diese rechtlich zu behandeln? Diesen Fragen, mit denen Praktiker auf dem Gebiet des Gewerblichen Rechtsschutzes regelmäßig konfrontiert werden, stellt das Werk eine umfassende Gesamtdarstellung gegenüber. Es behandelt die relevanten Fallgruppen, in denen sich die Anwendungsbereiche des Markengesetzes und des UWG überschneiden können und beschäftigt sich mit der Frage des Verhältnisses der beiden Rechtsgebiete zueinander, insbesondere ob sich ein Markeninhaber zum Schutz seines Kennzeichens sowohl auf das Marken- als auch auf das Wettbewerbsrecht berufen kann.