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Hinsichtlich eines wettbewerbsrechtlichen Kennzeichenschutzes ist dabei zunächst zu
berücksichtigen, dass zwar aufgrund der Ausweitung des Begriffsverständnisses viele
Sachverhalte vom Markenrecht erfasst werden, welche selbst nach der Einführung des
MarkenG noch außerhalb des Markenrechts eingeordnet wurden. Jedoch verbleiben
durch das Festhalten an diesem Erfordernis als Tatbestandsmerkmal des § 14 II MarkenG weiterhin kennzeichenrechtlich relevante Sachverhalte, bei denen markenrechtliche Ansprüche mangels Benutzung als Marke ausscheiden. Als Beispiel hierfür
kann der Ausgangsfall der EuGH Entscheidung »Opel/Autec« angeführt werden, in
welchem, wie vom EuGH aus dem Vorlagebeschluss bereits gefolgert71, das vorlegende Gericht markenrechtliche Ansprüche gegen die Anbringung fremder Marken
auf Modellfahrzeugen schließlich verneinte72.
2. Doppelidentität i.S.v. § 14 II Nr. 1 MarkenG, Art. 9 I lit. a) GMV
Nach § 14 II Nr. 1 MarkenG, Art. 9 I lit. a) GMV, Art. 5 I lit. a) MarkenRL kann der
Inhaber einer geschützten Marke einem Dritten untersagen, ohne seine Zustimmung
im geschäftlichen Verkehr ein mit ihr identisches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die mit denjenigen identisch sind, für die seine Marke Schutz
genießt. Liegt ein Fall der sog. »Doppelidentität« vor, ist die unbefugte Benutzung der
Marke durch einen Dritten rechtswidrig, ohne dass es der Feststellung einer Verwechslungsgefahr bedarf73. Zwar besteht nach Art. 16 I 2 TRIPS-Abkommen bei
Benutzung identischer Marken für identische Waren eine Vermutung für eine Verwechslungsgefahr, was jedoch den Vertrieb von Originalware durch einen Dritten
nicht erfasst. Demgegenüber setzt der absolute Identitätsschutz des § 14 II Nr. 1 MarkenG jedoch das Erfordernis der Verwechslungsgefahr nicht voraus. So wurde bereits
unter dem WZG allein durch unbefugte Benutzung eines identischen Zeichens eine
Zeichenverletzung angenommen, ohne dass es auf das Bestehen einer Verwechslungsgefahr nach § 31 WZG ankam. Insbesondere ist ein Identitätsirrtum des Verbrauchers keine rechtliche Voraussetzung einer Markenrechtsverletzung nach § 14 II
Nr. 1 MarkenG. Da der Identitätsschutz der Marke als absoluter Schutz ausgestaltet
ist74, besteht auch dann Markenschutz, wenn dem Verbraucher die Benutzung einer
identischen Marke für identische Produkte bekannt ist75.
Der Verzicht auf das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr hat Auswirkungen auf
verschiedene Sachverhalte, die dadurch in den Anwendungsbereich des Markenrechts
kommen. Wichtigste Folgerung hieraus ist, dass auch der Vertrieb von Originalware
eine identische Zeichenbenutzung darstellt.
Bei Parallelimporten kann der Markeninhaber entsprechend unter Hinweis auf eine
vorliegende Doppelidentität den Import in das betroffene Schutzland abwehren, was
71 EuGH GRUR 2007, 318ff., Rn. 24 – Opel/Autec.
72 LG Nürnberg NJOZ 2007, 4377ff. – Opel/Autec.
73 Vgl. Sack, WRP 1998, 1127ff., ders. GRUR 1996, 663ff., 664; Fezer, MarkenR, § 14 Rn. 74f.
74 S. Gesetzesbegr. BT-Drucks. 12/6581, S. 71.
75 Vgl. Fezer, MarkenR, § 14 Rn. 75.
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ihm ansonsten mangels Verwechslungsgefahr versagt wäre. Ebenso verhält es sich bei
Reimporten, einem Umpacken von Originalware sowie einer Bewerbung derselben.
In sämtlichen Fällen ist jedoch die Erschöpfungseinrede des § 24 MarkenG zu beachten76.
Des Weiteren ist der Verletzungstatbestand der Doppelidentität relevant für die
Anwendung des Markenrechts im Bereich der vergleichenden Werbung, da durch den
Wettbewerber im Rahmen eines Vergleiches zumeist eine Benutzung identischer
Zeichen erfolgt77.
3. Markenschutz außerhalb des Ähnlichkeitsbereichs, § 14 II Nr. 3 MarkenG
Nach § 14 II Nr. 3 MarkenG ist es Dritten untersagt, ohne Zustimmung des Inhabers
einer Marke im geschäftlichen Verkehr ein mit der Marke identisches Zeichen oder
ähnliches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die nicht denen ähnlich sind, für die die Marke Schutz genießt. Dies gilt, wenn es sich dabei um eine im
Inland bekannte Marke handelt und die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der bekannten Marke ohne rechtfertigenden Grund in
unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt.
Mit der Einführung dieser Vorschrift ging dementsprechend die Frage einher, ob dem
Wettbewerbsrecht in den einschlägigen Fallkonstellationen daneben ein Anwendungsbereich verbleibt oder ob die relevanten Sachverhalte von vornherein markenrechtlich erfasst werden78.
a) Schutz gegen kennzeichenmäßige Benutzung (»Dimple«-Konstellation)
Vor der Aufnahme dieser Regelung in das MarkenG bzw. der Europäisierung des
Markenrechts durch die MarkenRL wurde in Deutschland ein Schutz berühmter Marken in ständiger Rechtsprechung aus der Generalklausel des Wettbewerbsrechts oder
aber bei Ermangelung eines für § 1 UWG a.F. notwendigen Wettbewerbsverhältnisses aus § 823 I BGB unter dem Aspekt eines rechtswidrigen Eingriffs in das Recht am
Unternehmen hergeleitet79.
Mit der »Dimple«-Entscheidung erweiterte der BGH 1985 den Schutz berühmter
Marken gegen Verwässerungsgefahr auch auf bekannte Marken außerhalb des
Gleichartigkeitsbereichs. Er gewährte dem Inhaber der bekannten Whisky-Marke
»Dimple« einen Löschungsanspruch gegen einen Dritten, welcher sich ein identisches
Zeichen für Putzmittel und Herrenkosmetik hatte eintragen lassen80. Der BGH stellte
dabei fest, dass der gute Ruf der Marke »Dimple« wirtschaftlich selbständig verwertbar sei, zumal der Beklagte zunächst beabsichtigte, eine hochwertige Herrenkosme-
76 Vgl. Sack, WRP 2004, 1405ff., 1407.
77 Vgl. Harte/Henning/Sack, § 6 Rn. 186.
78 Vgl. ausführlich Krings, GRUR 1996, 624ff.
79 Vgl. Sack, WRP 1985, 459ff.; Fezer, MarkenR, § 14 Rn., 441ff.
80 BGH GRUR 1985, 550ff. – Dimple m. Anm. Tilmann.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Wann ist ein Markenschutz durch das UWG möglich? Welche Fallgruppen bestehen an der Schnittstelle des Marken- und Lauterkeitsrechts und wie sind diese rechtlich zu behandeln? Diesen Fragen, mit denen Praktiker auf dem Gebiet des Gewerblichen Rechtsschutzes regelmäßig konfrontiert werden, stellt das Werk eine umfassende Gesamtdarstellung gegenüber. Es behandelt die relevanten Fallgruppen, in denen sich die Anwendungsbereiche des Markengesetzes und des UWG überschneiden können und beschäftigt sich mit der Frage des Verhältnisses der beiden Rechtsgebiete zueinander, insbesondere ob sich ein Markeninhaber zum Schutz seines Kennzeichens sowohl auf das Marken- als auch auf das Wettbewerbsrecht berufen kann.