265
ist.1551 In der Anfangsphase werden vor allem die Interessen der Gründer befriedigt,
indem die Gründung kostengünstig, schnell und unbürokratisch funktioniert. Das dicke
Ende wird aber kommen, wenn aufgrund von Publizitätspflichtverletzungen die Gesellschaft gelöscht wird und die Geschäftsführer umfassend wegen wrongful trading in Anspruch genommen werden. Der Gläubigerschutz wird somit ebenfalls gewährleistet, nur
eben in einer anderen Phase der Geschäftstätigkeit, nämlich wenn der Schaden bereits
entstanden ist.1552 Um der strikten Gesellschafterhaftung zu entgehen, ist es von großer
Bedeutung, qualifizierte Beratung in England einzuholen. Die daraus entstehenden
immens hohen Beratungskosten haben sich noch nicht überall herumgesprochen.1553
Der derzeitige, oft postulierte Siegeszug der Limited scheint mehr auf die Werbung1554
und fehlenden Sprachbarrieren, als auf die Vorteile der Rechtsform für die kleinen und
mittleren Unternehmen zurückzuführen zu sein.1555
C. Die Rechtsökonomie hybrider Rechtsformen
Die Reformbestrebungen und Gesetzesvorschläge sind alle von dem Gedanken geprägt,
getreu dem amerikanischen Vorbild kleine, börsenunabhängige Rechtsformen zu
schaffen, welche die Vorteile der Kapital- mit denen der Personengesellschaften
verbinden können. Dabei steht im Vordergrund, den kleinen und mittleren Unternehmen
eine scheinbar „preiswerte“ Haftungsbeschränkung mit der Möglichkeit der umfassenden Kontrolle über die Geschäftsführung verkaufen zu wollen, um Unternehmensgründungen zu fördern.1556 Insbesondere die Diskussion um das deutsche
Mindestkapitalerfordernis ist von diesen Bestrebungen geprägt. Denn das Erfordernis
wirkt sich ausschließlich auf die Gründung kleiner Unternehmen aus. Für größere
Unternehmen, deren Eigenkapitalbedarf 25.000 Euro ohnehin übersteigt, ist das
Erfordernis irrelevant.1557 Damit stellt sich die Frage, inwieweit es überhaupt aus
ökonomischer Sicht vorteilhaft ist, dass plötzlich ein Kleinunternehmer, der sein Geschäft zuvor in einer general partnership, limited partnership oder oHG bzw. KG
betrieben hatte, nunmehr das Privileg der beschränkten Haftung scheinbar gefahr- und
mühelos genießen kann.
Bereits in den Ausführungen zum deutschen und US-amerikanischen Recht wurde
darauf hingewiesen, dass die Verbindung von beschränkter Haftung, Kontrolle über die
1551 Statt vieler nur Priester, ZIP 2005, 921, 922; Zöllner, 1, 13; Fastrich, DStR 2006, 656, 658.
1552 Siehe Ries, AnwBl. 2006, 53; zu den Einzelheiten des englischen Gläubigerschutzes vgl. Schall,
ZIP 2005, 965 ff.
1553 Wicke, ZNotP 2006, 322, 323.
1554 Siehe dazu die Beispiele bei Kallmeyer, DB 2004, 636.
1555 Siehe insbesondere Zöllner, GmbHR 2006, 1, 2–3.
1556 Vgl. nur Triebel/Otte, ZIP 2006, 311 ff.; ähnlich Gehb/Drange/Heckelmann, NZG 2006, 87, 90;
Gehb/Heckelmann, GmbHR 2006, R. 394; dazu auch Teichmann, NJW 2006, 2444.
1557 Vgl. Eidenmüller/Engert, GmbHR 2005, 433, 434.
266
Gesellschaft und Inhaberschaft bei börsenunabhängigen Kleinunternehmen aus
ökonomischer Sicht fragwürdig ist. Nun hat aber die aufgezeigte Entwicklung in den
USA vordergründig belegt, dass die Evolution im Gesellschaftsrecht hin zur Rechtsform
mit beschränkter Haftung für jedermann ökonomisch sinnvoll sein muss. Denn nach der
zumindest im Kapitalmarktrecht anerkannten race to the top-These1558 würden sich
ineffiziente Regelungen in einem effizienten Markt nicht behaupten können. Ein Siegeszug der hybriden Rechtsformen wäre dann nicht möglich gewesen. Gleichwohl ist es
sehr fraglich, inwieweit sich eine solche These auf die Rechtsformen mit beschränkter
Haftung für die Kleinunternehmen und den Mittelstand übertragen lässt.1559 Denn
solche Unternehmen sind dadurch geprägt, dass Inhaberschaft und Geschäftsführung
zusammenfallen. Dadurch entfällt jedoch auch eine der maßgeblichen Rechtfertigungsgründe der traditionellen Sichtweise zur beschränkten Haftung und somit eine
der Grundüberlegungen der race to the top-These.
Ob Haftungsbeschränkungen für kleine Unternehmen, in denen Inhaberschaft und
Geschäftsführungsmacht zusammenfällt, überhaupt ökonomisch effizient sind oder ob
es vielleicht in praktischer Hinsicht sogar irrelevant ist, ob einem solchen Unternehmen
gesetzlich eine Haftungsbeschränkung gewährt wird, behandelt der abschließende Teil.
Lässt sich der erste Aspekt negativ oder der zweite Aspekt positiv beantworten, wären
weite Bereiche der derzeitigen Reformdiskussion überflüssig.
I. Die beschränkte Haftung bei Publikumsgesellschaften
Bevor auf die ökonomische Effizienz von Haftungsbeschränkungen für kleine börsenunabhängige Unternehmen eingegangen wird, sollen kurz die bisher anerkannten
Erklärungsmodelle in Bezug auf die institutionellen Haftungsbeschränkungen bei
börsennotierten Kapitalgesellschaften dargestellt werden.
Wie bereits erörtert, wird die These von der absoluten nationalökonomischen Notwendigkeit einer unbeschränkten Haftung heute grundsätzlich abgelehnt.1560 Vielmehr
wird die abstrakte Rechtfertigung von institutionellen Haftungsbeschränkungen weder
in den USA1561 noch in Deutschland angezweifelt.1562 Es finden sich zwar Äußerungen,
1558 Grundlegend Winter, 6 J.Legal Stud. 251 ff. (1977); ders., Government and Corporation (1978);
ähnlich Ribstein/Kobayashi, 25 J.Legal Stud. 131, 149–50 (1996); Fischel, 79 Nw.U.L.Rev. 913,
920, 944 (1982); Easterbrook, 9 Del.J.Corp.L. 540 (1984); Romano, 107 Yale L.J. 2359, 2383 ff.
(1998); dies., 2 Theoretical Inquiries L. 387, 493–544 (2001).
1559 Easterbrook/Fischel, 38 Stan.L.Rev. 271 (1986); dies., Economic Structure of Corporate Law, S.
56 (1991).
1560 Vgl. Eucken, Grundsätze, S. 254 ff.; Böhm, Ordnung der Wirtschaft, S. 37 f., 127 f.
1561 Vgl. statt vieler Easterbrook/Fischel, 52 U.Chi.L.Rev. 89, 93, 97 (1985); dies., The Economic
Structure of Corporate Law, S. 41–44 (1991); Ribstein, 50 Md.L.Rev. 80, 94 (1991); Smith, S.
568.
267
dass sich die Vorteile der nur beschränkt haftenden Gesellschafter und die Nachteile der
Gläubiger letztendlich die Waage halten,1563 es überwiegen aber die Ansichten, nach
denen die institutionellen Haftungsbeschränkungen im Wesentlichen ökonomische Vorteile bieten.1564 So wird allgemein geltend gemacht, dass die Haftungsbeschränkung
einen Anreiz zur Unternehmensinitiative schaffe bzw. durch die Risikobegrenzung der
Unternehmer der Investitionsförderung diene.1565 Insgesamt hat sich die Meinung
durchgesetzt, dass die Haftungsbeschränkungen im Wirtschaftsrecht „offenbar wirtschaftlich und sozial nützlich“1566 sind.1567
Dennoch lohnt es sich, zumindest ansatzweise über diese eher pauschalen
Bekenntnisse zur Haftungsbeschränkung hinauszugehen.1568 Dabei wird dem US-amerikanischen Ansatz der normativen ökonomischen Analyse gefolgt, die als Ziel im
Wesentlichen die gesamtwirtschaftlich möglichst optimale Ausgestaltung der Rechtsordnungen im Sinne einer effizienten Ressourcenallokation verfolgt.1569 In Bezug auf
die ökonomische Effizienz von Haftungsbeschränkungen im Kapitalgesellschaftsrecht
sind insbesondere vier Hauptargumente zu nennen.1570 Sämtliche der Argumente1571
basieren auf der eingangs aufgestellten Trennungsthese,1572 nach der eine beschränkte
1562 Begründungen für diese Annahme sind zwar, zumindest im juristischen Bereich, kaum zu finden,
so zutreffend Lehmann, ZGR 1986, 345, 350; siehe aber die Überlegungen von Wiedemann, GesR
I, S. 543 f.; ausführlich auch Bitter, S. 150 ff.
1563 So z. B. in den USA bei Ekelund/Tollison, 11 Bell.J.Econ. 715 (1980); Meiners/Mofsky/Tollison, 4
Del.J.Corp.L. 351 (1979).
1564 Vgl. Easterbrook/Fischel, Economic Structure of Corporate Law, S. 41 (1991); dazu Oh, 55
Rutgers L.Rev. 389 Fn. 83 (2004).
1565 Easterbrook/Fischel, 52 U.Chi.L.Rev. 89, 93, 97 (1985); dies., Economic Structure of Corporate
Law, S. 41–44 (1991); Carney, Limited Liability, S. 659, 670 ff.; auch bereits Smith, S. 568 ("This
total exemption from trouble and from risk, beyond a limited sum, encourages many people to
become adventurers in joint stock companies, who would upon no account, hazard their fortunes in
any private copartnery"). Weitere Ansichten aus dem deutschsprachigen Schrifttum basieren
vornehmlich auf rechtsethischen Argumenten (Wüst, JZ 1992, 710 ff.) auf Aspekten der
Kapitalsammelfunktionen (Erlinghagen, GmbHR 1962, 169, 175) oder auf dem Gedanken der
berechtigten Risikoverteilung zwischen Unternehmer und Gläubiger zu Lasten des
Letztgenannten. (Kübler, NJW 1993, 1204).
1566 Vgl. grundlegend Manne, 53 Va.L.Rev. 259 (1967); aus Deutschland siehe Lutter, in: GmbH-
Konzern, S. 183, 185; dazu auch Fleischer, ZGR 2001, 1 ff..
1567 Siehe statt vieler Easterbrook/Fischel, Economic Structure of Corporate Law, S. 41–59 (1991).
1568 Eine vollständige Untersuchung der ökonomischen Rechtfertigung von Haftungsbeschränkungen
würde nicht nur den Umfang der Arbeit sprengen, sondern auch der Zielsetzung der Bearbeitung
nicht gerecht werden. Siehe dazu aber Bruns, Haftungsbeschränkungen, 2003; Roth, ZGR 1986,
371 ff.
1569 Vgl. Easterbrook/Fischel, Economic Structure of Corporate Law, 1991; Posner, Economic
Analysis of Law, 5. Auflage 1998.
1570 Dabei hängen die Argumente mit der amerikanischen „Theory of the Firm“ zusammen. Vgl. dazu
den grundlegenden Artikel von Jensen/Meckling, 3 J.Fin.&Econ. 305 (1976).
1571 Die folgenden Argumente sind entnommen aus Easterbrook/Fischel, Economic Structure of
Corporate Law, 1991; Posner, Economic Analysis of Law, 1998; Manne, 53 Va.L.Rev. 259 (1967)
und der Zusammenfassung bei Freedman, 63 Modern L.Rev. 317, 327 ff. (2000).
1572 Berle/Means, Modern Corporation and Private Property, 1932.
268
Haftung auf die strikte Trennung zwischen Inhaberschaft und Geschäftsführung angewiesen ist.1573
Erstens reduziert die beschränkte Haftung der Aktionäre die Notwendigkeit,
umfassend und kostenintensiv die Geschäftsführung zu kontrollieren.1574 Denn je
kleiner das Risiko für den Aktionär ist, desto weniger macht es ökonomisch Sinn,
finanzielle Ressourcen zur Überwachung des Managements aufzuwenden. Die Gefahr
ist, dass die Kosten den potentiellen Verlust übersteigen würden und dadurch das volkswirtschaftlich erwünschte Risikokapital verringert wird.
Zweitens bewirkt die beschränkte Haftung der Aktionäre auch, dass das wiederum
kostenintensive Bedürfnis entfällt, die anderen Anteilseigner zu kontrollieren.1575 Denn
die Vermögensverhältnisse der übrigen Anteilseigner sind für eine beschränkt haftende
Person irrelevant. Im Gegensatz dazu spielt die Vermögensausstattung der Gesellschafter einer Rechtsform ohne Haftungsbeschränkungen sehr wohl eine Rolle, da
etwaige finanzielle Ausfälle von den solventen Gesellschaftern getragen werden
müssen.
Drittens fördert die beschränkte Haftung die Verkehrsfähigkeit von Gesellschaftsanteilen.1576 Aktien werden immer zu einem festen Preis gehandelt, der unabhängig von
dem jeweiligen Käufer oder Verkäufer ist. Wäre mit der Aktie aber nicht die beschränkte Haftung verbunden, würde der Preis zudem durch die etwaige Solvenz des
Käufers bzw. des jeweiligen Inhabers bestimmt. Zudem werden Transaktionskosten
reduziert, die ansonsten durch die Verhandlungen über den Preis entstehen würden. Der
Preis der Anteile wird somit allein vom Markt bestimmt.1577 Dadurch entfallen zunächst
wieder erhebliche Kosten, die notwendig wären, um den jeweiligen Preis des Unternehmens feststellen zu lassen. Zudem kontrolliert der Markt wiederum umfassend die
Geschäftsführung, indem eine schlechte Geschäftsführung mit fallenden Kursen bestraft
wird.1578 Der einzelne Aktionär muss dieses Kontrollgremium nicht bezahlen, was wiederum die volkswirtschaftliche Bereitstellung von Risikokapital fördert.
Viertens begünstigt die beschränkte Haftung die Diversifizierung der Vermögensmassen.1579 Durch Diversifizierung von Investitionen ist es möglich, das gesamte Risiko
eines Portfolios zu minimieren.1580 Minimierung des Risikos bedeutet aber auch wieder,
dass mehr Risikokapital bereitsteht, was wiederum einen volkswirtschaftlich erwünschten Effekt hat. In einem Haftungsregime, in dem die Anteilseigner unbeschränkt
1573 Zum Verhältnis zwischen Geschäftsführung und beschränkter Haftung auch Roth, ZGR 1986, 371,
372–73.
1574 Easterbrook/Fischel, 52 U.Chi.L.Rev. 89, 93–94 (1985).
1575 Easterbrook/Fischel, 52 U.Chi.L.Rev. 89, 95 (1985).
1576^ Easterbrook/Fischel, 52 U.Chi.L.Rev. 89, 95–96 (1985).
1577 Easterbrook/Fischel, 52 U.Chi.L.Rev. 89, 96 (1985).
1578 Easterbrook/Fischel, 52 U.Chi.L.Rev. 89, 96 (1985). Siehe zu den Aspekten auch Manne, 53
Va.L.Rev. 259, 266 (1967).
1579 Vgl. zum Diversifizierungsargument Manne, 53 Va.L.Rev. 259, 262 (1967).
1580 Dazu Macey, 73 Wash.U.L.Q. 433, 449 (1995) m. w. N.
269
haften müssten, ist eine Diversifizierung des Risikos nicht möglich. Vielmehr steigt das
Risiko proportional an, je mehr Investitionen vorgenommen wurden.1581 Die risikoreduzierende Diversifizierung wiederum hat aber auch zur Folge, dass das Management
risikoreichere Transaktionen eingehen kann, ohne das gesamte Vermögen der Eigner
des Unternehmens zu gefährden.1582 Die daraus entstehenden Unternehmensanreize und
der unternehmerische Wagemut sollen wiederum einen volkswirtschaftlichen Nutzen
bewirken.1583
Die simplifizierten Argumente1584 sind nicht unumstritten.1585 Insbesondere wird
immer wieder auf die fehlende Rechtfertigung der durch die beschränkte Haftung entstehenden Externalitäten hingewiesen.1586 Wie bereits aufgeführt existieren in diesem
Zusammenhang mehrere alternative Sicherungskorrektive, die als Korrelat einer
negativen Risikoallokation eingesetzt werden können. Von der volkswirtschaftlichen
Gefahr durch Externalitäten einmal abgesehen, lässt sich die Grundüberlegung der
obigen Ausführung jedoch nachvollziehen.
Dabei setzen sämtliche der aufgeführten Argumente die Trennung zwischen Inhaberschaft und Geschäftsführung voraus. Denn bei einer solchen Trennung überwiegen
die wirtschaftlichen Vorteile gegenüber der Gefahr einer negativen Risikoallokation.
Denn je weniger das Risiko des wirtschaftlichen Scheiterns von dem einzelnen Anteilseigner beherrschbar ist, desto mehr verliert der Gedanke der unbeschränkten Haftung an
Überzeugungskraft. Welchen Sinn hat unbeschränkte Haftung, wenn damit ohnehin
nicht erreicht werden kann, dass der Anteilseigner sorgsam agiert, weil er gar nicht an
der Geschäftsführung beteiligt ist? In einem solchen Fall die unbeschränkte Haftung anzunehmen würde eine volkswirtschaftlich erwünschte Bereitstellung unternehmerischen Risikokapitals verhindern.1587 Auf der anderen Seite lässt sich damit nicht
erklären, warum die beschränkte Haftung im Hinblick auf Unternehmen, in denen
Geschäftsführung und Inhaberschaft zusammenfallen, ebenfalls volkswirtschaftlichen
Nutzen haben soll. Die ökonomische Rechtfertigung von Rechtsformen, die ownership,
1581 Dazu ausführlich Easterbrook/Fischel, 52 U.Chi.L.Rev. 89, 97 (1985).
1582 Easterbrook/Fischel, 52 U.Chi.L.Rev. 89, 97 (1985); auch Halpern/Trebilcock/Turnbull, 30
U.Toronto L.J. 117, 125 (1980).
1583 Die Zusammenfassung der Argumente beansprucht in keiner Weise Vollständigkeit. Für eine
nähere Betrachtung wird auf die einschlägige Literatur verwiesen.
1584 In der deutschen Literatur wird der Ansatz von Posner und Easterbrook/Fischel teilweise belächelt,
da die beschränkte Haftung aus der Sicht der Aktionäre logischerweise einfach zu erklären ist.
Siehe z. B. Roth, ZGR 1986, 371, 372; siehe zum Haftungsprivileg der Aktionäre auch
insbesondere Grossfeld, Aktiengesellschaft, S. 109 ff. (1968).
1585 Vgl. Halpern/Trebilcock/Turnbull, 30 U.Toronto L.J. 117, 124 (1980); Landers, 42 U.Chi.L.Rev.
589 (1975); siehe auch Freedman, 63 Modern L.Rev. 317, 328 ff. m. w. N.
1586 Sowohl Easterbrook und Fischel als auch Posner entgegnen dem Vorwurf der Externalitäten
zumeist mit der Behauptung, dass eine negative Risikoverteilung nicht entstehen kann, weil
Haftungsbeschränkungen in einem effizienten Markt nur gegen einem gewissen Risikozuschlag
gewährt werden. Die Risikoallokation fließt demnach in das allgemeine Angebot-und-Nachfrage-
Modell mit ein. Externalitäten würden dadurch erst gar nicht entstehen können. Vgl. Posner, 43
U.Chi.L.Rev. 499, 503 (1976); Easterbrook/Fischel, 52 U.Chi.L.Rev. 89, 104 (1985).
1587 Easterbrook/Fischel, 52 U.Chi.L.Rev. 89, 111 (1985).
270
control und limited liability entgegen der Trennungsthese miteinander verbinden, ist
zweifelhaft.1588
II. Die generelle Irrelevanz gesetzlicher Haftungsbeschränkungen
Einer ökonomischen Analyse von Haftungsbeschränkungen für kleine börsenunabhängige Unternehmen könnte von vornherein entgegengehalten werden, dass es in
einem effizienten Markt generell irrelevant sei, welches Haftungsregime gewählt
werde.1589 Denn aufgrund von individualvertraglichen Abreden könnte es möglich sein,
jegliches Haftungsregime für jeden Einzelfall gesondert festzulegen.1590 Wählt ein
Gründer zum Beispiel die beschränkte Haftung als Gesellschaftsform, wird der marktbeherrschende Gläubiger häufig darauf bestehen, dass persönliche Garantien, wie Bürgschaften, eingeräumt werden.1591 Dadurch wird im Ergebnis wieder eine Unternehmensform mit unbeschränkter Haftung erreicht und opportunistisches Verhalten
bzw. moral hazards werden reduziert. Würde aber ein Unternehmen zum Beispiel nur
mit einer unbeschränkten Haftung ausgestattet sein, könnte das Unternehmen im Einzelfall darauf bestehen, vertraglich das Haftungsregime der beschränkten Haftung zu
wählen. Dabei wird in beiden Fällen eine der Parteien ein Risikopremium für das
Privileg der beschränkten Haftung zahlen müssen. Im Ergebnis würde immer das Haftungsregime gewählt werden, das einer Partei den größten wirtschaftlichen Wert
zuordnet.1592 Eine anfängliche gesetzliche Intervention würde daran nichts ändern.1593
Auf große Kapitalgesellschaften lassen sich diese Überlegungen nicht übertragen. Denn
die Transaktionskosten für die Anteilseigner wären ökonomisch unverhältnismäßig
hoch, wenn mit jedem Gläubiger einzeln über Haftungsbeschränkungen verhandelt
werden müsste.1594 In Bezug auf die durch die Reformdebatte im Mittelpunkt stehenden
kleinen und mittleren Unternehmen sind die Aspekte zumindest diskussionswürdig,
denn in Gesellschaften mit wenigen Anteilseignern1595 fallen die Transaktionskosten für
Individualabreden zumeist gering aus.1596
1588 Vgl. Manne, 53 Va.L.Rev. 259, 262 ff. (1967); Halpern/Trebilcock/Turnbull, 30 U.Toronto L.J.
117, 148 (1980). Anders wohl Meiners/Mofksy/Tollison, 4 Del.J.Corp.L. 351, 364 (1979).
1589 So insbesondere Meiners/Morfsky/Tollinson, 4 Del.J.Corp.L. 351 ff. (1979).
1590 Meiners/Morfsky/Tollinson, 4 Del.J.Corp.L. 351, 361 (1970).
1591 Meiners/Morfsky/Tollinson, 4 Del.J.Corp.L. 351, 361–62 (1979); dazu auch Rutledge, 51
S.D.L.Rev. 417, 436–37 (2006).
1592 Meiners/Morfsky/Tollinson, 4 Del.J.Corp.L. 351, 361 ff. (1979)
1593 Die Überlegungen gleichen erheblich den Aspekten des Coase Theorem. Siehe dazu Coase, The
Problem of Social Cost, 3 J.L.&Eccon. 1 ff. (1960).
1594 Dagegen aber Meiners/Morfsky/Tollinson, 4 Del.J.Corp.L. 351, 362–64 (1979).
1595 Vgl. die Statistik zur Anzahl der Gesellschaften bei deutschen GmbHs bei Karsten, GmbHR 2006,
57, 58.
1596 Siehe insbesondere Halpern/Trebilcock/Turnbull, 30 U.Toronto L.J. 117, 148 (1980).
271
Dennoch vermögen auch diese Argumente nur so lange zu überzeugen, wie angenommen wird, dass sämtliche beteiligten Interessen eine gleiche Stellung im Markt
haben und in der Lage sind, gleichberechtigte Verhandlungen zu führen. In der Realität
scheitert die Theorie an den Punkten, anhand derer auch dem privatautonomen Selbstschutz eine umfassende gläubigerschützende Funktion abgesprochen wurde. Es ist nicht
von der Hand zu weisen, dass es eine Vielzahl von unterschiedlichen Marktgruppen
gibt, die keineswegs in der Lage sind, „on arm’s length“ über ein jeweiliges Haftungsregime zu verhandeln.1597 Ein Markt kann deshalb niemals perfekt sein.1598 Zu erwähnen sind nur die deliktischen Opfer,1599 schlecht beratenen Gläubiger, finanziell
schwachen und unerfahrenen Gläubiger oder auch finanziell schwachen und unerfahrenen Unternehmen. Auf der anderen Seite stehen die marktbeherrschenden
Gläubiger, wie zum Beispiel die erwähnten Hausbanken oder Großabnehmer wie große
Einkaufsketten. Von einer gleichberechtigten Verhandlungsbasis, die das gesetzliche
Haftungsregime obsolet macht, kann kaum gesprochen werden. Im Ergebnis würde das
darauf hinauslaufen, dass ein Gleichgewicht zwischen Gläubiger- und Unternehmensinteressen nicht mehr möglich wäre. Schwache Gläubiger würden aufgrund der
fehlenden Verhandlungsmacht grundsätzlich nur noch mit Unternehmen kontrahieren,
die als Haftungsregime die beschränkte Haftung in den Vertragsverhandlungen durchsetzen würden. Starke Gläubiger hingegen würden grundsätzlich das Haftungsregime
der unbeschränkten Haftung durchsetzen. Um eine solche Verteilungsungerechtigkeit zu
verhindern, ist es notwendig, gesetzliche Rahmenbedingungen für die jeweiligen
Haftungsregime von Anfang an festzulegen. Dabei muss der Gesetzgeber zum einen
gewährleisten, dass nur seriöse Gründer in den Genuss der beschränkten Haftung
kommen, um die schwachen Gläubiger, die keine persönlichen Sicherheiten aushandeln
können, zu schützen. Zum anderen ist es zum Schutz sämtlicher Marktteilnehmer notwendig, bestimmte Kapitalerhaltungsvorschriften oder verhaltensbezogene Haftungsnormen mit dem Prinzip der beschränkten Haftung zu koppeln, um dem Opportunismus
der Gesellschafter vorzubeugen.
Dem kann auch nicht entgegnet werden, dass große marktbeherrschende Gläubiger
derart Druck auf die Unternehmen ausüben, dass sie unabhängig von ihrem Haftungsregime eine adäquate Kapitalausstattung beibehalten, wodurch auch die kleinen
Gläubiger geschützt sind, so dass es irrelevant ist, welches Haftungsregime von dem
Unternehmen in den Vertragsverhandlungen gewählt wurde.1600 Die Großbank hat kein
1597 Zutreffend Hamilton/Ribstein, 54 Wash.& Lee L.Rev. 687, 697 (1997).
1598 Siehe Armour, 63 Modern L.Rev. 355, 357 (2000).
1599 Vgl. zu deliktischen Gläubigern Halpern/Trebilcock/Turnbull, 30 U.Toronto L.J. 117, 144–47
(1980); Hansman/Kraakman, 100 Yale L.J. 1879 (1991); Leebron, 91 Colum.L.Rev. 1565 (1991);
Armour, 63 Modern L.Rev. 355, 362 (2000).
1600 So aber Ribstein, 70 Wash.U.L.Q. 417, 439 (1992).
272
Interesse daran, die schwachen Gläubiger mitzuschützen.1601 Vielmehr ist genau das
Gegenteil der Fall. Durch persönliche Verpflichtungen der Unternehmer, gekoppelt an
dingliche Sicherheiten, bleibt für die schwachen Gläubiger, die als Haftungsregime
keine unbeschränkte Haftung durchsetzen konnten, weniger Vermögensmasse als
zuvor.1602 Das Haftungsregime dem Markt zu überlassen führt dazu, dass der Inhaber
eines Unternehmens versuchen wird, seine großen Gläubiger mit persönlichen
Garantien gerade auf Kosten der schwachen Gläubiger zufriedenzustellen.1603
Das vom Gesetzgeber anfänglich eingeführte Haftungsregime ist somit von größter
Bedeutung, um einen angemessenen Risikoausgleich zwischen den betroffenen Marktteilnehmern herzustellen. Von einer Irrelevanz kann kaum gesprochen werden. Dementsprechend wird im nächsten Abschnitt näher darauf eingegangen, ob gesetzlich
statuierte Haftungsbeschränkungen den von der Reformdiskussion betroffenen kleinen,
nicht börsennotierten Gesellschaften wirtschaftliche Vor- oder Nachteile bringen.
III. Ökonomische Folgen der beschränkten Haftung für „jedermann“
Seit jeher gibt es die Meinung, dass das Privileg der beschränkten Haftung kleinen,
börsenunabhängigen Unternehmen grundsätzlich nicht zur Verfügung stehen sollte.1604
Als Begründung wird zumeist angeführt, dass unvernünftige Gründer vorschnell eine
Gesellschaft mit einem beschränkten Haftungsregime gründen würden und dadurch
nicht nur sich, sondern auch die Allgemeinheit schädigen.1605 Andere hingegen vertreten
die Ansicht, dass es viel zu schwierig sei, in den Genuss der beschränkten Haftung zu
kommen.1606 Dabei seien Kleinunternehmer sogar mehr als Aktionäre auf die
beschränkte Haftung angewiesen, da ein Kleinunternehmer zumeist nicht diversifizieren
kann, sondern mit seinem gesamten Hab und Gut im Unternehmen steckt und somit
Gefahr läuft, alles zu verlieren.1607 Über diese eher allgemein formulierten ökonomischen Erklärungsansätze hinausgehende Aussagen sind in Bezug auf die beschränkte Haftung von Kleinunternehmen nicht zu finden.1608 Die ökonomische
1601 Dieser Erkenntnis verschließt sich insbesondere Ribstein seit Jahren. Siehe z. B. Ribstein, 70
Wash.U.L.Q. 417, 434 ff. (1992); ders., 50 Md.L.Rev. 80 ff. (1991); ders., 73 Wash.U.L.Q. 369
(1995). Siehe dazu aber insbesondere Hillman, 70 Wash.U.L.Q. 477, 485 ff. (1992).
1602 Siehe dazu die umfangreiche Studie von Binks/Ennew, 9 Small Bus.Econ. 167 (1997) ("The
Relationship Between UK Banks and their Small Business Customers").
1603 Vgl. dazu auch Leebron, 91 Colum.L.Rev. 1565 (1991); Hillman, 70 Wash.U.L.Q. 477, 487
(1992).
1604 Siehe z. B. Mitchell, 63 Tulane L.Rev. 1143 (1989); ausführlich aus historischer Sicht siehe
Freedman, Small Business and Corporate Form: Burden or Privilege?, 57 Modern L.Rev. 555
(1994); dazu auch Leyendecker, GmbHR 2008, 302 ff.
1605 Vgl. dazu Freedman, 63 Modern L.Rev. 317, 327 (2000) m. w. N.
1606 Ribstein, 50 Md.L.Rev. 80 ff. (1991); ders., 73 Wash.U.L.Q. 369 (1995).
1607 Zu dem Aspekt auch Lutter, AG 1998, 375; Eidenmüller/Engert, GmbHR 2005, 433, 434;
Kleindiek, ZGR 2006, 335, 338; Teichmann, NJW 2006, 2444, 2445.
1608 Siehe aber die Ansätze von Eidenmüller/Engert, GmbHR 2005, 433, 434 ff.
273
Analyse des Rechts beschränkt sich im Wesentlichen auf große Publikumsgesellschaften.1609 Dennoch wird vermehrt angenommen, dass Kleinunternehmen und
Personen, die mit den Kleinunternehmen in geschäftliche Beziehung treten, generell
nicht von der beschränkten Haftung profitieren.1610
Zunächst bringt das Haftungsprivileg gesellschaftsintern keine Vorteile für die
Anteilseigner. Denn kleine, börsenunabhängige Unternehmen bestehen zumeist aus
wenigen Gesellschaftern, die zugleich die Geschäftsführerposition im Unternehmen
innehaben.1611 Wenn die Kapitalgeber aber mit erheblicher unternehmerischer Entscheidungsgewalt ausgestattet sind, entfallen die Kosten, die sonst zur Überwachung
des Managements notwendig gewesen wären. Zudem entstehen keine großen Kosten,
die anderen Anteilseigner zu kontrollieren, weil in der Mehrzahl der Fälle die Anzahl
der Gesellschafter überschaubar ist. Aufgrund der Tatsache, dass die Kapitalgeber auch
direkt an den Entscheidungsprozessen im Unternehmen beteiligt sind, ist eine
umfassende Diversifizierung nicht notwendig.1612 Außerdem wäre sie zumeist sogar
nicht möglich, weil in kleinen und mittleren Unternehmen häufig persönliche Garantien
von verhandlungsstarken Gläubigern verlangt werden, die jegliche Risikodiversifizierung zwangsläufig ausschließen.1613 Daneben scheidet eine Diversifizierung
aus tatsächlichen Gründen aus, weil die freie Übertragbarkeit von Gesellschaftsanteilen
zumeist beschränkt wird, damit zukünftige Anteilseigner mit der bestehenden Geschäftsführung harmonieren.1614 Die beschränkte Haftung hat zumindest oberflächlich
betrachtet keine direkten finanziellen Vorteile für die Gesellschafter in Bezug auf die
interne Unternehmensstruktur.
Im Verhältnis zu Dritten jedoch gewährleistet die Haftungsbeschränkung den Vorteil
für die Anteilseigner, dass das unternehmerische Risiko auf die Gläubiger verlagert
wird, da die Gesellschafter im Fall des Scheiterns des Unternehmens gerade nicht
persönlich in Anspruch genommen werden können. Gerade deshalb ist jedoch die Gefahr groß, dass der beschränkt haftende Kleinunternehmer die Risikoallokation zwischen Gesellschaftern und Allgemeinheit empfindlich stört.1615 Ein einzelner beschränkt
haftender geschäftsführender Gesellschafter wird größere Anreize haben, risikoreiche
Transaktionen durchzuführen, deren Scheitern sich auf die Kosten der Allgemeinheit
verlagert. Denn in einem Unternehmen mit wenigen geschäftsführenden Gesellschaftern
geht der wirtschaftliche Nutzen einer Transaktion direkt in die Tasche der
1609 Siehe Freedman, 63 Modern L.Rev. 317, 331 m. w. N.
1610 Z. B. Halpern/Trebilcock/Turnbull, 30 U.Toronto L.J. 117, 125, 148 (1980); Easterbrook/Fischel,
52 U.Chi.L.Rev. 89, 111 (1985); dies., 38 Stan.L.Rev. 271, 273–77 (1986);
1611 Vgl. in Bezug auf die GmbH die Studie von Karsten, GmbHR 2006, 57, 58–59; auch dies., 38
Stan.L.Rev. 271, 271 (1986).
1612 Easterbrook/Fischel, 52 U.Chi.L.Rev. 89, 110 (1985); anders aber Leebron, 91 Colum.L.Rev.
1565, 1628 (1991).
1613 Siehe dazu Freedman, 63 Modern L.Rev. 317, 332 (2000).
1614 Easterbrook/Fischel, 52 U.Chi.L.Rev. 89, 110–11 (1985).
1615 Easterbrook/Fischel, 38 Stan.L.Rev. 271, 278 (1986).
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Gesellschafter, der Verlust aufgrund der Haftungsbeschränkung aber nicht.1616 Somit ist
die Gefahr von unvorsichtigen und risikoreichen Geschäften (moral hazards)
unverhältnismäßig höher als bei großen Publikumsgesellschaften.1617 Der volkswirtschaftlich erwünschte unternehmerische Wagemut kann in kleinen börsenunabhängigen Gesellschaften zu übertriebenen Risikoanregungen führen.1618 Da die Anteile an solchen Unternehmen nicht öffentlich gehandelt werden, fehlt es an einer
effektiven Kontrolle der unternehmerischen Leistung durch einen öffentlichen Markt.
Dadurch ist es möglich, selbst bei wirtschaftlich unrentablen Unternehmen einen Großteil des Risikos direkt auf die Gläubiger zu verlagern.1619 Diese wirtschaftlich unerwünschte Risikoverlagerung hat zwei wesentliche Konsequenzen.
1. Gefahr der Negativauslese
Zum einen sind sich die Gläubiger bewusst, dass das Privileg der beschränkten Haftung
bei Unternehmen, die Geschäftsführung und Inhaberschaft miteinander verbinden, zu
Externalitäten führen kann. Dementsprechend wird ein Gläubiger versuchen, wirtschaftlich erfolgversprechende und damit „gute“ von „schlechten“ Unternehmen zu
separieren.1620 Eine Haftungsbeschränkung für „jedermann“, wie in der derzeitigen
Reformdebatte vermehrt vorgeschlagen wird, macht das Privileg insbesondere für aussichtslose Unternehmensgründungen attraktiv.1621 Dadurch muss der Markt eine
Negativauslese treffen. Dabei ist es jedoch erforderlich, umfassende Informationen über
das Unternehmen zu erhalten. Die Gründer jedoch verfügen regelmäßig über weit mehr
Informationen als die möglichen Gläubiger. Wenn diese Informationsasymmetrie nicht
kosteneffizient ausgeglichen werden kann, versagt der Markt. Weil die Gefahr für die
Gläubiger zu groß ist, an ein unrentables Unternehmen zu geraten, ist es wahrscheinlich,
dass auch wirtschaftlich rentable Unternehmen keine Finanzierungshilfen erhalten.1622
Dem könnte man natürlich entgegenwirken, wenn man gesetzlich umfangreiche
Offenlegungspflichten, wie zum Beispiel bei der Limited, einführt. Dadurch wären
zumindest die Kosten zur Informationsbeschaffung für die Gläubiger gering.
Gleichzeitig aber ist die Gefahr speziell bei den in Frage kommenden Kleinunternehmen groß, dass die Einhaltung der Informationspflichten so erhebliche Kosten
1616 Eidenmüller/Engert, GmbHR 2005, 433, 435; Leyendecker, GmbHR 2008, 302, 305.
1617 Easterbrook/Fischel, 52 U.Chi.L.Rev. 89, 111 (1985); aus dem deutschsprachigen Schrifttum zum
moral hazards Problem siehe Eidenmüller, JZ 2001, 1041, 1048; Eidenmüller/Engert, GmbHR
2005, 433, 435; Fleischer, ZGR 2004, 437, 446 f.; Kleindiek, ZGR 2006, 335, 338.
1618 Ähnlich Eidenmüller/Engert, GmbHR 2005, 433, 435.
1619 Eidenmüller/Engert, GmbHR 2005, 433, 435. Aus dem englischsprachigen Schrifttum auch
Freedman, 63 Modern L.Rev. 317, 332 (2000).
1620 Eidenmüller/Engert, GmbHR 2005, 433, 435.
1621 Zutreffend Fastrich, DStR 2006, 656, 657; ähnlich Wilhelmi, GmbHR 2006, 13, 21.
1622 Eidenmüller/Engert, GmbHR 2005, 433, 435.
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mit sich bringt, dass der vordergründige Nutzen der Haftungsbeschränkung wieder
aufgewogen wird.1623 Dieser Gesichtspunkt wurde bereits in der zuvor erwähnten
Befragung von GmbH-Gründern im Jahre 2006 deutlich. Dort hatten sich über 12 % der
Gründer gerade aufgrund der umfangreichen und kostenträchtigen Publizitätspflichten
gegen eine Limited entschieden.1624 Zudem werden dem einfachen Gläubiger auch umfangreiche Informationspflichten nichts nutzen, weil die regelmäßige Kenntnisnahme
und Analyse der Bilanz regelmäßig zu aufwendig und zu komplex für die Alltagsgeschäfte sein werden.1625
2. Gefahr einer Störung der Verteilungsgerechtigkeit
Zweitens bewirkt die Gefahr von moral hazards bei börsenunabhängigen Kleinunternehmen mit beschränkter Haftung eine Störung der Verteilungsgerechtigkeit unter
den Gläubigern. Wirtschaftlich starke Gläubiger wissen um das Risiko in Bezug auf
Unternehmen, deren beschränkt haftende Anteilseigner auch die Geschäftsführungsbefugnisse innehaben. Demzufolge werden sie ein Risikopremium für das Privileg der
beschränkten Haftung verlangen. Dieses wird insbesondere in per-sönlichen Garantien
der Anteilseigner liegen. Dabei werden hauptsächlich verhandlungsstarke Kreditinstitute versuchen, das Haftungsregime der beschränkten Haftung vertraglich abzubedingen. Durch eine individuelle Vertragsgestaltung entstehen jedoch hohe Transaktionskosten. Bei kleinen Krediten ist dann die Gefahr groß, dass die Banken davon absehen,
überhaupt in geschäftlichen Kontakt mit dem Unternehmen zu treten, weil die
Transaktionskosten die kleine Gewinnmarge übersteigen. Zum anderen aber wird durch
eine individuelle Vertragsgestaltung der kleine, schwache Gläubiger einen Großteil des
Risikos tragen müssen. Denn ein verhandlungsschwacher Gläubiger ist nicht in der
Lage, vertraglich auf persönlichen Garantien oder dinglichen Sicherheiten zu bestehen.
Da der starke Gläubiger dazu aber fähig ist, verringert sich die Vermögensmasse, auf
die der kleine Gläubiger im Ernstfall zurückgreifen kann. Demzufolge bewirkt die
beschränkte Haftung bei Kleinunternehmen im Wesentlichen, dass der erfahrene, marktbeherrschende Gläubiger „gewinnt“, die kleinen dagegen „verlieren“. Das Resultat ist
eine Störung der volkswirtschaftlich erwünschten Verteilungsgerechtigkeit, die bei
einem Kleinunternehmen mit unbeschränkter Haftung nicht entstehen würde.1626
1623 So z. B. Dierksmeier/Scharbert, BB 2006, 1517, 1521, 1523; Eidenmüller/Engert, GmbHR 2005,
43, 435; Freedman, 63 Modern L.Rev. 317, 333 (2000).
1624 Vgl. Bayer/Hoffmann, GmbHR 2007, 414, 416.
1625 So auch Fastrich, DStR 2006, 656, 662.
1626 Deshalb lehnen viele Stimmen im US-amerikanischen Schrifttum die beschränkte Haftung für
sämtliche Kleinunternehmen ab. Vgl. dazu Callison, 26 J.Corp.L. 951, 961–81 (2001); Hillman,
70 Wash.U.L.Q. 477, 478–87 (1992); Vestal, 28 Del.J.Corp.L. 877, 880–81 (2003). Anders aber
z. B. Rands, 49 S.M.U.L.Rev. 15, 17 (1995) ("The private sector frequently desires a form of
276
Insgesamt lässt sich sagen, dass die Verbindung von umfassender Geschäftsführungsmacht und dem Prinzip der beschränkten Haftung bei börsenunabhängigen Kleinunternehmen weder den Anteilseignern erhebliche Vorteile verschafft noch volkswirtschaftlich erwünscht ist. Demzufolge sollte eine klare Trennung
gemacht werden, wann ein Unternehmen das Privileg der beschränkten Haftung
erhalten darf und wann nicht. Generell sämtliche Unternehmensformen mit dem
vermeintlichen Schutzschild der beschränkten Haftung zu versehen ist aus volkswirtschaftlicher Sicht nicht erstrebenswert.1627 Es muss eine klare Kontrolle des
Zugangs zum Markt der beschränkten Haftung stattfinden. Insbesondere Kleinunternehmen sollten weiterhin mit einem unbeschränkten Haftungsregime ausgestattet
werden.1628 Eine Verbindung von Inhaberschaft, beschränkter Haftung und Geschäftsführungsmacht sollte nur gewährt werden, wenn sich die Gründer einer strengen
Seriositätsprüfung unterziehen. Die beschränkte Haftung nunmehr jedermann zugänglich machen zu wollen ist unter ökonomischen Gesichtspunkten grundsätzlich abzulehnen.
IV. Widerspruch zur Entwicklung in den USA?
Die These steht scheinbar im Widerspruch zum dargestellten Erfolg der LLC in den
USA. Denn vorausgesetzt, der Wettbewerb in den USA führt zu einem race to the
top,1629 ist also effizient, müsste der Siegeszug der kleinen börsenunabhängigen Gesellschaften mit beschränkter Haftung ebenfalls die ökonomische Effizienz der Verbindung
von control, ownership und limited liability belegen.1630 Das ist aber nicht der Fall.
Zwar wurde dargelegt, dass die Entwicklung der LLC in den USA den empirischen
Studien von Prof. Romano gleicht und damit ein Indiz für den Wettbewerb unter den
Rechtsordnungen darstellt.1631 Es besteht aber mittlerweile Einigkeit, dass die Verbreitung der LLC weder das Ergebnis eines klassischen race-to-the-top noch eines raceto-the-bottom ist.1632 Vielmehr basiert die Erfolgsstory der hybriden Gesellschaftsform
business organization that will entail limited liability for investors and is treated as a conduit for
federal income tax purpose.").
1627 Statt vieler nur Hillman, 70 Wash.U.L.Q. 477, 478–87 (1992); Vestal, 28 Del.J.Corp.L. 877,
880–81 (2003).
1628 So im Ergebnis Halpern/Trebilcock/Turnbull, 30 U.Toronto L.J. 117, 146–48 (1980).
1629 Siehe Easterbrook/Fischel, Economic Structure of Corporate Law, 18, 40 ff. (1991); Romano, 1
J.L.Econ & Org. 225, 265–73 (1985); Winter, 6 J.Legal Studies 251 (1977); ders., 89
Colum.L.Rev. 1526 (1989).
1630 So insbesondere Ribstein, der im Siegeszug der LLC seine These bestätigt sieht, dass die
beschränkte Haftung für sämtliche Rechtsformen die effiziente Lösung darstellt. Vgl. Ribstein, 70
Wash.U.L.Q. 417, 470 ff. (1992); ders., 73 Wash.U.L.Q. 369, 406 ff. (1995).
1631 Allerdings ist anzuzweifeln, ob die These von Romano sich vollständig auf hybride Rechtsformen,
die Geschäftsführungsmacht und Inhaberschaft verbinden, übertragen lässt. Siehe dazu Macey, 73
Wash.U.L.Q. 433, 445 (1995).
1632 Siehe Bratton/McCahery, 54 Wash.&Lee L.Rev. 629, 633, 667 (1997).
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auf einer kausalen Verknüpfung von lokalen Angebots- und Nachfragegruppen und
leistet dadurch keinen Beitrag zu der Frage, ob hybride Gesellschaftsformen
ökonomisch effizient sind.1633 Die LLC ist zum Beispiel im Wesentlichen nur das Ergebnis eines erfolgreichen Lobbyismus.1634 So ist heute anerkannt, dass insbesondere
marktbeherrschende Unternehmer und deren rechtlicher Beistand enormen Druck auf
die Gesetzgebung der einzelnen Bundesstaaten ausgeübt haben, damit die steuerlich
günstige LLC ins Leben gerufen wurde.1635 Studien belegen, dass die Schnelligkeit, mit
der Regelungen zur LLC erlassen wurden, im erheblichen Maße auf den Druck von
Wirtschaftsanwälten, Steuerberatern und einflussreichen Unternehmern und gerade
nicht auf die ökonomische Effizienz der Rechtsform zurückzuführen ist.1636 Die
Interessen der schwachen oder Deliktsgläubiger wurden aber in den Gesetzgebungsbestrebungen nicht berücksichtigt.1637
Das Ergebnis steht im Einklang mit anerkannten Prinzipien der klassischen Public
Choice Theory1638. Die Gesetzgebung in den USA wird erheblich von verschiedenen
Interessengruppen gelenkt, die durch eine umfangreiche Lobbyarbeit direkten Einfluss
auf die Gesetzgebung nehmen können.1639 Dabei hängt der Erfolg der jeweiligen
Gruppe im Wesentlichen davon ab, ob die Gruppe in der Lage ist, eine kosteneffiziente
Lobby zu bilden , um ihren Willen gemeinsam kundzutun. Die Lobby ist effizient, wenn
die Kosten, die benötigt werden, um die Gruppe zu formen, niedriger ausfallen als die
Gewinne, die durch die gewollte Gesetzgebung erreicht werden.1640 Deliktische Opfer
oder schwache Marktteilnehmer, die nicht fähig sind, eine einflussreiche Lobby zu
bilden, bleiben mit ihren Interessen dann meist außen vor.1641
Nach der überwiegenden Ansicht spiegelt sich insbesondere der letztgenannte Aspekt
in der Verbreitung der hybriden LLC wider.1642 Eine ökonomisch erwünschte Verteilungsgerechtigkeit wurde durch die Schaffung der LLC somit nicht erreicht. Dann
kann der von Lobbyisten beschleunigte Siegeszug der Gesellschaftsform aber auch nicht
1633 Bratton/McCahery, 54 Wash.&Lee L.Rev. 629, 665–70 (1997).
1634 Siehe Levmore, 70 Wash.U.L.Q 489, 492 (1992).
1635 Goforth, 45 Syracuse L.Rev. 1193, 1198 (1995).
1636 Vgl. Macey, 73 Wash.U.L.Q. 433, 453–54 (1995); ähnlich Macey/Miller, 65 Tex.L.Rev. 469, 492
(1987). Selbst Ribstein gibt den Einfluss starker Interessenverbände zu. Siehe Ribstein, 70
Wash.U.L.Q. 417, 474 (1992).
1637 Levmore, 70 Wash.U.L.Q. 489, 492 ff. (1992); Macey, 73 Wash.U.L.Q. 433, 435–38 (1995).
1638 Zur Public Choice Theory grundlegend: Buchanan/Tullock, The Calculus of Consent (1962); vgl.
auch Tollison, Public Choice and Legislation, 74 Va.L.Rev. 339 (1988); zur Interest-Group Theory
siehe Peltzman, 19 J.L.&Econ. 211 (1976); Becker, 98 Q.J.Econ. 371, 386 (1983).
1639 Siehe die klassischen Beiträge von Peltzman, 19 J.L.&Econ. 211 (1976); Becker, 98 Q.J.Econ.
371, 386 (1983).
1640 Die Erklärungen sind stark vereinfacht. Für eine ausführliche Analyse wird auf die einschlägigen
Werke verwiesen.
1641 Vgl. Macey, 73 Wash.U.L.Q. 433, 452 (1995) m. w. N.
1642 Vgl. insbesondere Levmore, 70 Wash.U.L.Q 489, 492 (1992); Macey, 73 Wash.U.L.Q. 433, 452
(1995); auch Freedman, 63 Modern L.Rev. 317, 351 (2000) m. w. N.
278
als ökonomisch effizient bezeichnet werden.1643 Nun verwundert es kaum, dass die
derzeitige Diskussion über die vollständige Deregulierung des bestehenden Gesellschaftsrechts, inklusive der Abschaffung des Mindestkapitals, im Wesentlichen von
Wirtschaftsanwälten geführt wird, die das Problem zumeist aus der Sicht von Großunternehmen sehen.1644 Die schwachen Gläubiger, wie Handwerker, kleine Lieferanten
und Arbeitnehmer, bleiben dabei meist auf der Strecke.1645 Gerade deshalb sollte die
dargestellte US-amerikanische Entwicklung im Gesellschaftsrecht nicht unbedacht
übernommen werden.
D. Abschließende Würdigung
Es wurde gezeigt, dass die ökonomische Effizienz der beschränkten Haftung bei
Kapitalgesellschaften überwiegend anerkannt ist. Dabei basiert die wesentliche
Überlegung auf der These, dass bei börsennotierten Kapitalgesellschaften ownership
und control strikt voneinander getrennt sind. Die durch eine solche Trennung
regelmäßig entstehenden Kosten für die Überwachung des Managements werden mit
dem Privileg der beschränkten Haftung und der damit verbundenen Möglichkeit der
Diversifizierung am Kapitalmarkt aufgewogen. Auf börsenunabhängige Kleinunternehmen lassen sich diese Effizienzüberlegungen jedoch nicht übertragen. Vielmehr
wurde gezeigt, dass die Nachteile der beschränkten Haftung bei solchen Unternehmen
überwiegen. Die Haftungsbeschränkungen werden in diesem Fall zu einer volkswirtschaftlich unerwünschten Negativauslese führen, zu erhöhten Transaktionskosten und
letztlich zu einer erheblichen Störung der Verteilungsgerechtigkeit unter den Marktteilnehmern. Das bestehende unternehmerische Risiko wird regelmäßig auf schwache
Gläubiger verlagert werden, die am wenigsten fähig sind, es zu tragen. Haftungsbeschränkungen bei nicht börsennotierten Kleinunternehmen werden im Wesentlichen
die marktbeherrschenden Gläubiger bevorzugen und den kleinen, schwachen Gläubigern abträglich sein. Eine Rechtsform zu erschaffen, die gerade Kleinunternehmern das
Privileg der beschränkten Haftung kostengünstig und ohne eine strikte Zugangskontrolle gewährt, ist deshalb unter ökonomischen Gesichtspunkten abzulehnen.
Aus diesem Grunde ist es notwendig, klare Grenzen zu ziehen, ab wann einem Unternehmen die beschränkte Haftung gewährt wird. Sämtliche Gesellschaftsformen
nunmehr mit dem Privileg der beschränkten Haftung auszustatten, um Unter-
1643 Siehe Levmore, 70 Wash.U.L.Q 489, 492 (1992); anders wohl Macey, 73 Wash.U.L.Q. 433, 454
(1995), der behauptet auch Lobbyisten würden volkswirtschaftlich effizient arbeiten. Siehe zu den
Aspekten allgemein Roe, 109 Harv.L.Rev. 641 ff. (1996). Generell zu Effizienz und
Gesellschaftsrecht vgl. Deakin/Hughes, 20 Company Lawyer 212 (1999).
1644 Siehe z. B. Bäuml/Gageur, StuB 2005, 477; Haarmann, BB 2004, 1; Mellicke, GmbHR 2003, 793,
807; Triebel/Otte, ZIP 2006, 1321.
1645 Nicht verwunderlich ist daher, dass es insbesondere Notare sind, die im Rahmen der Debatte die
Gegenposition vertreten. Vgl. Priester, DB 2005, 1315 m. w. N.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die Einheit von Herrschaft und Haftung beherrschte in Deutschland wie in den USA lange Zeit die Diskussion über den Sinn und Unsinn der beschränkten Haftung im Gesellschaftsrecht. Um opportunistischem Handeln von herrschenden Gesellschaftern entgegenzuwirken, wurde die beschränkte Haftung nur gegen einen Verlust von Mitwirkungsbefugnissen in der Gesellschaft gewährt. Eine Trennung von Herrschaft und Haftung war nicht möglich. In Deutschland wurde dieses Dogma durch die atypische KG bereits frühzeitig durchbrochen. In den USA trat eine solche Entwicklung erst vollständig in den letzten Jahrzehnten ein. In jüngster Zeit entstand in den europäischen Rechtsordnungen ein neuer Reformprozess, der maßgeblich durch die Bestrebungen geprägt war eine mindestkapitallose Gesellschaftsform mit beschränkter Haftung zu kreieren, in der die Gesellschafter die Kontrolle über die Gesellschaft ausüben können.
Das Werk zeigt die die Ursachen für diese Entwicklung sowie die rechtlichen und ökonomischen Konsequenzen einer Durchbrechung des Grundsatzes einer Einheit von Herrschaft und Haftung im Gesellschaftsrecht auf und hinterfragt diese im Hinblick auf den weltweiten Markt der Gesellschaftsrechte.