235
2. Die Entwicklung in Bayern
a) Allgemeine Entwicklung
Bis zum 1. September 1992 waren die kommunalen Krankenhäuser in Bayern
fast ausschließlich als Regiebetriebe organisiert.614 1995 wurde den Kommunen die Möglichkeit eingeräumt, ihre Krankenhäuser entweder als Regiebetrieb, als Eigenbetrieb, in einer Rechtsform des privaten Rechts und als Neuerung auch in der Rechtsform des selbständigen Kommunalunternehmens zu
betreiben.615 Auch für Bayern gilt, dass weiter zurückreichende Daten in
Bezug auf die Rechtsformentwicklung nicht verfügbar sind. Aus den verfüg baren Daten ist jedoch ersichtlich, dass der seit 1992 stattfindende Umwandlungsprozess auch in Bayern weit fortgeschritten ist und seit Ende der neunziger Jahre nochmals forciert wurde.
Im Vergleich zum bundesdeutschen Durchschnitt ist der bereits oben dargestellte relativ hohe Anteil der Einrichtungen in öffentlich-rechtlicher Rechtsform zu beachten. Werden im Bundesschnitt nur knapp über ein Drittel der
Einrichtungen in öffentlicher Rechtsform betrieben, so liegt dieser Anteil in
Bayern bei knapp 60%, im Betten-Anteil bei knapp 80%.
Auch für Bayern werden seit 2002 die Rechtsformen der öffentlich-rechtlichen Krankenhäuser erfasst, so dass ein erster Trend erkennbar wird. Dieser
Trend besteht auch in Bayern zuungunsten der rechtlich-unselbständig
geführten Einrichtungen. Wurden 2002 noch rund 60% der Einrichtungen in
öffentlich-rechtlicher Trägerschaft in diesen Rechtsformen betrieben (35%
des Gesamtmarktes, vgl. Abbildung 31), so lag dieser Anteil 2004 nur noch
bei rund 51% (29% des Gesamtmarktes, vgl. Abbildung 33). Noch stärker war
der Rückgang in Bezug auf den Bettenanteil. Standen 2002 noch knapp 63%
der Betten in rechtlich-unselbständig geführten Einrichtungen (48% des
Gesamtmarktes, vgl. Abbildung 34), so lag dieser Wert 2004 nur noch bei
rund 50% (39% des Gesamtmarktes, vgl. Abbildung 36).
Deutlich an Bedeutung gewonnen haben hingegen die selbständigen Einrichtungen, insbesondere das selbständige Kommunalunternehmen. Ihr Anteil
stieg von rund 19% in 2002 auf knapp 25% in 2004 (von 11% auf 14% des
Gesamtmarktes, vgl. Abbildungen 31 und 33), in Bezug auf die Bettenzahl
von rund 21% in 2002 auf knapp 30% in 2004 (von 16% auf 23% des Gesamtmarktes, vgl. Abbildungen 34 und 36). Deutlich seltener konnten die öffentlichen Einrichtungen in privatrechtlicher Rechtsform von dieser Umstrukturierung profitieren. Ihr Anteil stieg nur leicht von rund 21% in 2002 auf knapp
24% in 2004 (entsprechend von 12% auf 14% des Gesamtmarktes), ihr Anteil
614 Bayerischer Kommunaler Prüfungsverband, Geschäftsbericht 2001, S. 75.
615 Art. 25 Abs. 1 BayKrG.
236
an der Bettenzahl von knapp 16% auf knapp 20% (entsprechend von 12% auf
15% des Gesamtmarktes).
Insgesamt kann demnach konstatiert werden, dass der öffentlich-rechtliche
Sektor im Krankenhauswesen in Bayern erheblich stärker ausgeprägt ist als
im Bundesdurchschnitt. Ebenso vollzieht sich die – auch in Bayern feststellbare – Veränderung innerhalb des Sektors der Krankenhäuser in öffentlichrechtlicher Trägerschaft anders als im Bundesdurchschnitt. In Bayern konnten
die öffentlich-rechtlich-selbständigen Einheiten erheblich stärker von den
Verlusten der unselbständigen Einrichtungen profitieren. Dies gilt insbesondere für ihren Anteil an den vorgehaltenen Betten.
Tabelle 8 – Quelle: Bay. Landesamt für Statistik, Krankenhäuser in Bayern,
Grund- u. Kostendaten 2002/2003/2004.
Einrichtungen öffR-Einrichtungen
Jahr freigemeinn. private E. in privatr.Form
öffR-unselbst
öffR-selbst
2002 57 113 48 138 44
2003 57 115 51 129 46
2004 53 113 53 113 55
Tabelle 9 – Quelle : Bay. Landesamt für Statistik, Krankenhäuser in Bayern,
Grund- u. Kostendaten 2002/2003/2004.
Betten öffR-Einrichtungen
Jahr freigemeinn. private E. in privatr.Form
öffR-unselbst
öffR-selbst
2002 10.765 8.456 10.030 39.756 13.533
2003 10.726 8.510 10.624 36.319 15.899
2004 9.906 8.753 11.945 30.856 18.214
Abbildung 31 – Quelle: Bay. Landesamt für Statistik, KHer in Bayern,
Grund- und Kostendaten 2002. Grafik: O. Kellmer.
Abbildung 32 – Quelle : Bay. Landesamt für Statistik, KHer in Bayern,
Grund- und Kostendaten 2003. Grafik: O. Kellmer.
237
Abbildung 33 – Quelle: Bay. Landesamt für Statistik, KHer in Bayern,
Grund- und Kostendaten 2004. Grafik: O. Kellmer.
Abbildung 34 – Quelle: Bay. Landesamt für Statistik, KHer in Bayern,
Grund- und Kostendaten 2002. Grafik: O. Kellmer.
238
Abbildung 35 – Quelle: Bay. Landesamt für Statistik, KHer in Bayern,
Grund- und Kostendaten 2003. Grafik: O. Kellmer.
Abbildung 36 – Quelle: Bay. Landesamt für Statistik, KHer in Bayern,
Grund- und Kostendaten 2004. Grafik: O. Kellmer.
239
240
b) Rechtsform und Trägergruppen
Im Folgenden soll der Sektor der Krankenhäuser in öffentlich-rechtlicher
Rechtsform in Abhängigkeit zu den jeweiligen Trägergruppen genauer untersucht werden.
Auffällig ist hierbei zunächst, dass die ausdifferenzierten Zahlen des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung zwar in der Summe,
jedoch nicht inhaltlich vollständig deckungsgleich mit den globaleren Zahlen
des Statistischen Bundesamtes sind. Insbesondere der Anteil der selbständigen öffentlich-rechtlichen Einrichtungen deckt sich nicht mit dem Anteil der
Selbständigen Kommunalunternehmen. Ebenso verhält es sich mit den Einrichtungen in privater Rechtsform. Woraus diese leichte Differenz resultiert,
konnte nicht festgestellt werden.
Inhaltlich ist erkennbar, dass die Landkreise die Hauptträger der öffentlichen
Krankenhäuser sind (vgl. Abbildungen 37 und 38); sie betreiben 57% dieser
Krankenhäuser. Die Landkreise haben auch am umfänglichsten von der Möglichkeit der Rechtsform-Umwandlung seit 1992 Gebrauch gemacht. In der
Literatur wird insoweit vermutet, dass dies mit größerem politischen Druck
wegen größerer wirtschaftlicher Probleme zusammenhänge.616 Nur noch
knapp 40% der Einrichtungen werden in den Rechtsformen der Regie- oder
Eigenbetriebe geführt, während knapp 20% als selbständige Kommunalunternehmen und knapp 41% in einer privaten Rechtsform betrieben werden. Eine
vergleichbare Struktur ist auf der Ebene der kreisfreien Städte und der Zweckverbände zu beobachten, wenn auch die Anzahl der Einrichtungen hier jeweils
viel geringer ist. Die Bezirke und Gemeinden sind dagegen noch relativ konservativ in der Rechtsformwahl. Die Bezirke, die immerhin rund 19% der
öffentlichen Krankenhäuser betreiben, wählen als Rechtsformen überwiegend
Regie- und Eigenbetriebe; nur zwei Kliniken werden als Kommunalunternehmen geführt.617 Erst Ende des Jahres 2005 fand eine Umwandlung von vier
Einrichtungen in eine private Rechtsform statt.
Die jeweilige Rechtsform ist auch in Bayern eng mit der Größe des Krankenhauses gemessen an der Bettenzahl verknüpft. Die kreisfreien Städte sind die
Träger der größten Krankenhäuser; innerhalb dieser Gruppe sind die selbständigen Kommunalunternehmen die größten Einrichtungen mit durchschnittlich
knapp 1.000 Betten pro Einrichtung. Auch bei den Zweckverbänden sind die
selbständigen Kommunalunternehmen mit durchschnittlich knapp 650 Betten
eher die größeren Einrichtungen.
616 Bayerischer Kommunaler Prüfungsverband, Geschäftsbericht 2001, S. 75.
617 Es sind die Bezirkskliniken Mittelfranken, AöR, Ansbach, und die Kliniken und Heime des
Bezirks Oberfranken, AöR, Bayreuth.
241
Abbildung 37 – Quelle: Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen, 2006. Grafik: O. Kellmer. Stand 31.12.2005
Krankenhäuser (BY) nach Rechtsformen und Trägergruppen
0
20
40
60
80
100
120
140
Sonstige (= RB) 0 0 0 0 0 0 8
Private 1 9 56 4 2 0 0
SKU 1 3 25 0 4 0 0
Eigenbetrieb 1 5 30 24 4 0 0
Regiebetrieb 6 3 16 13 3 4 0
Gemeinden Kreisfr. Stadt Landkreise Bezirke Zweckverbände Stiftungen KH des Freistaates oder der LVA
Abbildung 38 – Quelle : Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen, 2006. Grafik: O. Kellmer. Stand 31.12.2005
Betten (BY) nach Rechtsformen und Trägergruppen
0
5.000
10.000
15.000
20.000
25.000
Sonstige (= RB) 885
Private 125 6.284 9.772 766 640
SKU 50 2.843 4.406 2.579
Eigenbetrieb 50 2.739 5.107 3.335 1.601
Regiebetrieb 457 954 2.757 2.768 1.719 940
Gemeinden Kreisfr. Stadt Landkreise Bezirke Zweckverbände Stiftungen KH des Freistaates oder der LVA
242
IV. Ausblick und Resümee
Der gesamte Krankenhaussektor befindet sich in einer grundlegenden
Umbruchphase. Dies macht eine Trendaussage auf der Grundlage der bisherigen Entwicklung unsicher. Anhaltspunkte können insofern größere Untersu chungen von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften618 geben, deren Trendaussagen hier mit allen Vorbehalten und nicht ohne Skepsis kurz referiert werden
sollen.619 Nach diesen Untersuchungen, die einen Vorausblick teilweise bis in
das Jahr 2020 wagen,620 ist eine weitere einschneidende Änderung der Krankenhauslandschaft in der Bundesrepublik zu erwarten. So soll die Krankenhaus-Bettenanzahl pro 100.000 Einwohner in der Zeit bis 2020 auf 293 sinken,621 d. h. sich gegenüber dem Wert aus dem Jahr 2004 mehr als halbieren.
Dies wirke sich auch auf die Anzahl der selbständigen Krankenhäuser aus, die
von rund 2.200 im Jahr 2004 bis zum Jahr 2010 um rund 10%,622 bis in das
Jahr 2020 um knapp 25%623 sinken werde. Die übrigen Einrichtungen würden
ihr Geschäft entweder ganz aufgeben oder sich zu größeren, konkurrenzfähigen Netzwerken zusammenschließen.624 Die Hauptlast der Schließung der
Einrichtungen würden nach diesen Untersuchungen die kommunalen öffentli chen Krankenhäuser zu tragen haben. Bereits im Jahr 2010 sei zu erwarten,
dass die Anzahl der Kliniken in öffentlicher und in privater Hand einen
Gleichstand erreiche; beide Formen würden dann gut 30% der Krankenhäuser
ausmachen, während der Anteil der Einrichtungen in freigemeinnütziger Trägerschaft bei rund 40% relativ stabil bleibe.625 Bis in das Jahr 2020 sei jedoch
ein weiteres Absinken des Anteils der Einrichtungen in öffentlich-rechtlicher
Trägerschaft auf dann knapp 14%626 zu erwarten, während der Anteil der privaten Einrichtungen auf knapp 43%627 ansteige. Als Grund für diese vorausgesagte Entwicklung wird der verstärkte Trend zu kleineren Krankenhäusern
mit größeren Abteilungen angegeben. Die Bedingungen auf dem Gesund-
618 Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung (Hrsg.), Krankenhaus-Rating-
Report 2006 – Wege zu einer nachhaltig finanzierbaren Patientenversorgung ; Entwicklung
der deutschen Krankenhäuser bis 2010, Essen 2005; Sal. Oppenheim Research GmbH
(Hrsg.), Life Science Gesunde Erträge, Köln 2001.
619 Der Autor vermag nicht auszuschließen, dass die Untersuchungen der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften durch ein privatwirtschaftlich geprägtes Vorurteil beeinflusst sind.
620 Ernst & Young (Hrsg.), Gesundheitsversorgung 2020 – Konzentriert, marktorientiert,
saniert, Eschborn 2005.
621 Ernst & Young, http://www.ey.com/global/content.nsf/Germany/Presse_-_Pressemitteilungen_2005 -_Deutscher_Gesundheitsmarkt [Stand 23.01.2007].
622 Krankenhaus-Rating-Report 2006 (Fußn. 618), Executive Summary, S. 16.
623 Ernst & Young (Fußn. 621).
624 Ernst & Young (Fußn. 621).
625 Der Spiegel 17/2006, »Heilen am Fließband«, S. 140, 141 f.
626 Ernst & Young (Fußn. 621); Der Spiegel (Fußn. 625), S. 140, 141 f.
627 Das entspricht 675 Einrichtungen; Ernst & Young (Fußn. 621); Der Spiegel (Fußn. 625), S.
140, 141 f.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die Arbeit problematisiert die gegenwärtige Praxis einer materiellen und formellen Privatisierung weiter Bereiche der kommunalen Daseinsvorsorge. Im Ersten Teil wird als verfassungstheoretisches Problem der materiellen Privatisierung auf die Gefahr einer Erosion des Öffentlichen hingewiesen: auf die Tendenz zur Ausdünnung der demokratischen und sozialstaatlichen Legitimations- und Verantwortungsstrukturen. Im Zweiten Teil wird die These entwickelt, dass es sich bei der Wahl einer privatrechtlichen Organisationsform für öffentliches Handeln (formelle Privatisierung) nicht um eine rein rechtstechnische Frage, sondern um eine verfassungsrelevante Strukturentscheidung handelt, die einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung bedarf. Als eine flexible Handlungsform des öffentlichen Rechts und als geeignete Alternative zu privatrechtlichen Rechtsformen wird im Dritten Teil die Organisationsform des selbständigen Kommunalunternehmens vorgestellt. Die Leistungsfähigkeit dieser neuen öffentlich-rechtlichen Organisationsform wird sodann im Vierten Teil auf der Grundlage eines ausführlichen Rechtsformenvergleichs dargestellt und im Fünften Teil anhand einer rechtstatsächlichen Analyse der bayerischen Krankenhaus-Kommunalunternehmen konkretisiert. Von den rechtspolitischen Vorschlägen ist die Forderung nach einer Einführung einer direktiven Mitbestimmung im Kommunalunternehmen hervorzuheben.