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3. Verfassungsrechtliche Eckpfeiler der Antwortpflicht der Landesregierung
a. Das »Wie« der Antwort
In seiner Entscheidung vom 4. April 2003 hat der ThürVerfGH ausgeführt, dass es
der Landesregierung zukommt, über das »Wie« einer Antwort bzw. Erwiderung
eigenverantwortlich zu entscheiden.76
Dies wird man dahingehend zu interpretieren haben, dass die Landesregierung
gehalten ist, sich auf den Gegenstand der Frage einzulassen; ungeachtet des der
Regierung zukommenden Ermessensspielraums im Hinblick auf die Art und Weise
und des Umfangs der Antwort darf diese daher nicht derart nichtssagend ausfallen,
dass sie in der Sache einer Antwortverweigerung gleich- oder zumindest nahe
kommt.77
Dies folgt nicht zuletzt daraus, dass der Thüringer Verfassungsgerichtshof festgestellt hat, dass sich die Landesregierung, sofern sie sich nicht auf Art. 67 Abs. 3 S.
1 ThürVerf beruft, auch hier (d. h. mit Blick auf eine vorgängige Meinungsbildung,
Anm. des Verfassers) einer Anfrage nicht rundweg verweigern könne. Die Regierung darf mithin das parlamentarische Fragerecht nicht negieren, kann jedoch – dies
stellt den Umkehrschluss aus dieser Aussage dar – die Antwort jedenfalls partiell
verweigern, wenn dies mit Blick auf die ungeschriebenen Grenzen der Antwortverpflichtung der Regierung sachlich gerechtfertigt ist; das »Wie« der Beantwortung
kann mit anderen Worten auch Bedeutung erlangen im Hinblick auf den Umfang
der Antwort, was nicht zuletzt unter verfassungssystematischen Gesichtspunkten
daraus folgt, dass der Verfassungsgeber des Freistaats Thüringen – im Gegensatz zu
den Verfassungen Brandenburgs, Mecklenburg-Vorpommerns, Sachsens und Sachsen-Anhalts – auf eine Formulierung dahin gehend, dass eine gestellte Frage »vollständig« zu beantworten sei, verzichtet hat.
Dies macht deutlich, dass die Regierung im Hinblick auf die Frage, wie sie antwortet, über einen ganz erheblichen, eigenverantwortlich wahrzunehmenden Entscheidungsspielraum verfügt.78
Dieser der Landesregierung zukommende Entscheidungsspielraum unterscheidet
sich von dem durch Art. 67 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 ThürVerf geregelten Entscheidungsbereich, und zwar dadurch, dass es in dieser Bestimmung um das »Ob« einer Antwort
geht, während sich hingegen der eigenverantwortlich wahrzunehmende Entscheidungsspielraum auf das »Wie« der Erwiderung bezieht. Dies kann bei der Beantwortung der Anfrage nach § 92 Abs. 4 ThürKO Berücksichtigung finden.
76 ThürVerfGH, LKV 2003, S. 422/424.
77 J. Linck, in: Linck/Jutzi/Hopfe, Die Verfassung des Freistaats Thüringen, 1993, Art. 67, Rdnr. 4.
78 ThürVerfGH, LKV 2003, S. 422/424.
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b. »Unverzügliche« Beantwortung
Des Weiteren ist aufgrund von Art. 67 Abs. 1 ThürVerf die Landesregierung gehalten, parlamentarische Anfragen »unverzüglich« zu beantworten, was dahingehend
zu interpretieren sein dürfte, dass die Antwort der Regierung ohne schuldhaftes
Zögern gegeben werden muss.
Freilich kommt der Regierung auch insoweit ein erheblicher Ermessensspielraum zu. Dieser folgt nicht zuletzt daraus, dass beispielsweise der Umfang einer
Frage für deren Beantwortung von erheblicher Bedeutung ist. Eine kurze Frage zu
beantworten, kostet im Regelfall deutlich weniger Zeit als mehrere umfangreiche
Fragen.
c. Die korrekte und wahrheitsgemäße Wiedergabe von Tatsachen
Des Weiteren ist die Regierung verpflichtet, ». . . mitgeteilte Tatsachen korrekt wiederzugeben und deren Beurteilung in sachlicher Form vorzutragen.« 79 Zudem muss
sie wahrheitsgemäß antworten.80
In diesem Zusammenhang geht der Thüringer Verfassungsgerichtshof sogar
davon aus, dass die Regierung eine Antwort ablehnen kann, weil diese Antwort
wirklichkeitsgetreu nicht erfolgen kann; freilich ist dies dem Anfragenden zu erklären.81
Nur am Rande sei in diesem Zusammenhang angemerkt, dass eine Antwort auch
dann als nicht wirklichkeitsgetreu anzusehen sein wird, wenn sie aus dem Grund nur
unvollständig gegeben werden könnte, weil die Informationen, die der Regierung im
Rahmen der Rechtsaufsicht zugänglich sind, ihrerseits unvollständig und damit
nicht wirklichkeitsgetreu sind. Auch in einem solchen Fall könnte die Antwort der
Regierung daher verweigert werden.
79 BVerfGE 57, 1/8, mit Blick auf die Bundesregierung.
80 OVG Münster, DVBl. 1967, S. 51/54.
81 ThürVerfGH, LKV 2003, S. 422/424, unter Bezugnahme auf SaarlVerfGH, NVwZ-RR 2003, S. 81/
83.
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References
Zusammenfassung
Der Autor lotet das Verhältnis von parlamentarischem Fragerecht und Antwortverweigerungsrecht der parlamentarisch verantwortlichen Regierung näher aus. Er analysiert die Legitimation wie auch die Grenzen des Fragerechts der Abgeordneten, betont aber zugleich das Recht der Regierung, in bestimmten Fällen, namentlich bei einer missbräuchlichen Handhabung des Fragerechts, die Antwort auf parlamentarische Anfragen verweigern zu können. Das Werk dient zugleich als Leitfaden für die parlamentarische Praxis.
Nach der Einbettung des parlamentarischen Fragerechts in den Kontext des Kontrollfunktion des Parlaments untersucht der Verfasser mit einem ausführlichen Blick auf die Rechtslage im Freistaat Thüringen zunächst die inneren und äußeren Grenzen des parlamentarischen Fragerechts, bevor er die Antwortverpflichtung der Regierung näher konturiert. Anschließend werden die geschriebenen wie auch die ungeschriebenen Grenzen der Antwortpflicht der Regierung ausführlich behandelt, wobei der Aspekt der Funktionsfähigkeit der Regierung eine intensive Beachtung erfährt. Ein besonderes Augenmerk wird auf die Beantwortung der Frage gelegt, wann eine missbräuchliche Inanspruchnahme des parlamentarischen Fragerechts angenommen werden kann. In diesem Zusammenhang wird auch der Grundsatz der Organtreue näher erläutert.