Die rheinland-pfälzische Landtagswahl vom 13. März 2016: Populäre SPD-Ministerpräsidentin führt Rheinland-Pfalz in Ampel-Koalition

Heiko Gothe

doi:10.5771/0340-1758-2016-3-519

Contents
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- Titelei/Inhaltsverzeichnis
- 495–496 EDITORIAL Suzanne S. Schüttemeyer Suzanne S. Schüttemeyer 495–496
- 497–692 DOKUMENTATION UND ANALYSEN 497–692
  - 497–518 Die baden-württembergische Landtagswahl vom 13. März 2016: Es grünt so grün Oscar W. Gabriel, Bernhard Kornelius Oscar W. Gabriel, Bernhard Kornelius 497–518
  - 519–540 Die rheinland-pfälzische Landtagswahl vom 13. März 2016: Populäre SPD-Ministerpräsidentin führt Rheinland-Pfalz in Ampel-Koalition Heiko Gothe Heiko Gothe 519–540
  - 541–560 Die sachsen-anhaltische Landtagswahl vom 13. März 2016: Eingetrübte Grundstimmung, umgeschichtete Machtverhältnisse Everhard Holtmann, Kerstin Völkl Everhard Holtmann, Kerstin Völkl 541–560
  - 561–573 Der Ausbau des Frankfurter Flughafens – (k)ein Hindernis für die schwarz-grüne Koalition 2013 in Hessen? Eike-Christian Hornig Eike-Christian Hornig 561–573
  - 573–606 Wahl der Ministerpräsidenten von Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen von 1990 bis 2015 Richard Ley Richard Ley 573–606
  - 607–618 Vizepräsidenten in Landesparlamenten. Eine Bestandsaufnahme aus Anlass einer Verfassungsänderung in Brandenburg Werner Reutter Werner Reutter 607–618
  - 618–635 Mehr Unabhängigkeit und Professionalität von Abgeordneten durch Wissenschaftliche Dienste – Perspektiven für ein Landesparlament wie die Hamburgische Bürgerschaft Steffen P.J. Jänicke Steffen P.J. Jänicke 618–635
  - 636–656 Oberbürgermeister- und Landratswahlen zwischen struktureller Schwäche und kommunalpolitischer Erfahrung: eine Analyse der Direktwahlen in Sachsen von 1994 bis 2015 Hendrik Träger, Jan Pollex Hendrik Träger, Jan Pollex 636–656
  - 657–669 Partei oder Person? Parteispezifische Wahlmotive bei baden-württembergischen Kommunalwahlen Dominic Nyhuis Dominic Nyhuis 657–669
  - 670–692 Terrorismusbekämpfung als Waffe gegen Alltagskriminalität – Argumentation und Wirklichkeit der Vorratsdatenspeicherung in Deutschland Mathias Bug Mathias Bug 670–692
- 693–708 AUFSATZ 693–708
  - Parlamentswahl in der Diktatur: Eine Analyse des Wählerverhaltens auf Ebene der Land- und Stadtkreise bei der Reichstagswahl vom 12 . November 1933 Marc Debus Marc Debus
- 709–726 REZENSIONEN 709–726
- 727–732 ABSTRACTS 727–732
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ZParl Zeitschrift für Parlamentsfragen , page 519 - 540

Die rheinland-pfälzische Landtagswahl vom 13. März 2016: Populäre SPD-Ministerpräsidentin führt Rheinland-Pfalz in Ampel-Koalition

Autoren

Heiko Gothe

DOI
- doi.org/10.5771/0340-1758-2016-3-519
- ISSN: 0340-1758
- ISSN online: 0340-1758
Zusammenfassung

(1) Die Landtagswahl in Rheinland-Pfalz am 13. März 2016 wies erneut eine sehr hohe Volatilität auf - Resultat des Wahlerfolgs der rechtspopulistischen AfD und der Rekordeinbußen der Grünen. Darüber hinaus differenzierte sich das Parteiensystem auf fünf Parteien deutlich aus. Zudem kämpften erstmals bei einer Wahl in Deutschland zwei Frauen um das Amt der Regierungschefin. In einem auf die Spitzenkandidatinnen von SPD und CDU zugespitzten Wahlkampf setzte sich die SPD mit Ministerpräsidentin Malu Dreyer als stärkste Partei durch. Mit 36,2 Prozent legte sie zwar nur minimal zu, feierte dies allerdings als großen Erfolg, weil sie im Endspurt des Wahlkampfes die CDU auf den zweiten Platz verweisen konnte. Obwohl die CDU absolut Stimmen zulegte, scheiterte die Spitzenkandidatin Julia Klöckner ein zweites Mal an der SPD. Die Christdemokraten mussten mit 31,8 Prozent ihr prozentual schlechtestes Resultat in der rheinland-pfälzischen Wahlgeschichte hinnehmen. Wahlsieger war die AfD, die aus dem Stand heraus mit 12,6 Prozent drittstärkste Kraft wurde. Ebenfalls als Gewinner konnte sich die FDP fühlen, die mit 6,2 Prozent wieder im Landtag vertreten ist. Großer Wahlverlierer waren die Grünen, die nach Rekordeinbußen nur knapp den Wiedereinzug in den Landtag sichern konnten (5,3 Prozent, -10,1 Punkte). Infolgedessen besaß die rot-grüne Landesregierung keine Mehrheit mehr. (2) Die 16 . Wahlperiode war von der Stabsübergabe des als „Landesvater“ geltenden Ministerpräsidenten Kurt Beck an die langjährige Sozialministerin Dreyer und von der Diskussion über den Freizeitpark Nürburgring geprägt. Dreyer übernahm Anfang 2013 die Führung der rot-grünen Koalition. Die Flüchtlings- und Integrationspolitik dominierte seit September 2015 die Themenagenda und sorgte für eine häufig emotional geprägte Politisierung während des Wahlkampfs. Hinzu kam die starke Fokussierung auf die beiden Spitzenkandidatinnen. Als Folge stieg die Wahlbeteiligung auf 70,4 Prozent an. (3) Die SPD genoss bei ihren Kernthemen soziale Gerechtigkeit und Familienpolitik weiterhin großes Sachvertrauen. Die inhaltlich breite Aufstellung früherer Jahre ist jedoch verloren gegangen, denn bei den ökonomischen Themen und auch in der Bildungspolitik musste sie Vertrauensverluste hinnehmen. Zudem beklagten viele Bürger, dass ihre Sorgen bei der Flüchtlingsthematik nicht ernst genommen würden. Umso wichtiger war für die SPD, dass der Wechsel von Beck zu Dreyer gelungen war. Sie genoss größere Sympathien als ihr Vorgänger bei der Wahl zuvor und setzte sich so klar von ihrer CDU-Herausforderin ab. Auf der für die Wettbewerbsposition der SPD entscheidenden personellen Ebene punktete Dreyer in der Endphase des Wahlkampfs stärker und sorgte dafür, dass fast jeder zweite SPD-Wähler wegen ihr das Kreuz bei den Sozialdemokraten machte . (4) Julia Klöckner fiel die Profilierung gegen Ministerpräsidentin Dreyer schwer. Obwohl sich die CDU sachpolitisch stärker profilierte, kam sie gegen die sehr beliebte Amtsinhaberin nicht an . Dreyer war es zudem gelungen, mit einem radikalen Schlussstrich beim Nürburgring rechtzeitig vor dem Wahltermin der CDU die wichtigste Angriffsfläche zu nehmen. Hinzu kam in der Flüchtlingspolitik eine Doppelstrategie Klöckners aus Abgrenzung und Zustimmung zu Bundeskanzlerin Merkel, die eher für Irritationen als für Klarheit beim Umgang mit der Flüchtlingsthematik sorgte. (5) Der Eindruck mangelnder Responsivität der Parteien bezüglich der Sorgen der Bürger angesichts der Zuwanderung schuf die passenden Rahmenbedingungen für das gute Abschneiden der AfD. Deren großer Wahlerfolg basierte auf Wählerzuströmen aus allen politischen Richtungen und auf der Mobilisierung vieler ehemaliger Nichtwähler. Das Votum zugunsten der AfD war - im Unterschied zu den anderen Parteien - vorrangig durch die Flüchtlingsthematik bestimmt. Bei Arbeitern und Arbeitslosen überzeugte sie rund jeden Vierten. (6) Der FDP gelang der bemerkenswerte Sprung aus der außerparlamentarischen Opposition direkt in die Landesregierung. Ihr Zuwachs war durch den Fokus auf die Spitzenkandidatinnen der beiden großen Parteien begrenzt, weil bürgerliche Wähler nur durch die Stimmabgabe zugunsten der CDU einer Ministerpräsidentin Klöckner den Weg ebnen konnten. (7) Den Grünen gelang es ohne ein durch die Fukushima-Katastrophe geprägtes Themenumfeld nicht, die 2011 von der SPD gewonnenen Wähler auch bei dieser Wahl zu halten. Sie mussten nun ein Rekordminus verkraften und konnten nur knapp ihre parlamentarische Präsenz sichern . Auch die Grünen litten unter der Fokussierung auf das Duell Dreyer gegen Klöckner. (8) Bereits am Wahlabend machte Malu Dreyer ihre Präferenz für eine Ampel-Koalition deutlich. Die Koalitionsverhandlungen waren von großer Vertraulichkeit und Kompromissfähigkeit geprägt, weil sich die drei Parteien bewusst waren, dass vor allem FDP und Grüne die Ergebnisse vor ihrer Parteibasis zu rechtfertigen hatten. In dem auf neun Ministerien erweiterten Kabinett besetzt die SPD fünf, FDP und Grüne jeweils zwei Ressorts. (9) Nur drei Monate nach dem Wahltag kam die Landesregierung in Bedrängnis, weil der Verkauf des defizitären Regionalflughafens Hahn an einen chinesischen Investor wegen dessen Zahlungsunfähigkeit scheiterte. Da die CDU-Opposition Parallelen zum Nürburgring-Debakel sah, setzte sie ein Misstrauensvotum gegen Malu Dreyer an, das am 14 . Juli 2016 mit den Stimmen der Regierungskoalition abgelehnt wurde. Da nun ein neuer Investor gesucht werden muss, bevor im September 2016 dem Flughafen das Geld ausgeht, und die CDU sich die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses vorbehält52, wird „der Hahn“ noch länger Gegenstand der politischen Diskussion in Rheinland-Pfalz bleiben.
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