Die „Völkerrechtsfreundlichkeit“ der Bundesverfassung: Zum Zusammenspiel von Erzeugungs- und Aufnahmeebene

Oliver Diggelmann

doi:10.17104/0044-2348-2023-4-647

Contents
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- 561–564 Titelei/Inhaltsverzeichnis 561–564
- 565–578 Comment 565–578
  - History as a Problem? On the Historical Self-Perception of the Max Planck Institute for Comparative Public Law and Inter- national Law Philipp Glahé Philipp Glahé
- 579–924 Abhandlungen 579–924
  - 579–586 Völkerrechtsfreundliche Verfassung – Ein Grundsatz im deutsch-österreichisch-schweizerischen Rechtsvergleich Andreas Th. Müller, Werner Schröder Andreas Th. Müller, Werner Schröder 579–586
  - 587–608 Völkerrechtsfreundlichkeit – mehr als ein Lippenbekenntnis Anne Peters Anne Peters 587–608
  - 609–628 Verfassungsrechtliche Grundlagen der Völkerrechtsfreundlichkeit in Deutschland Mehrdad Payandeh Mehrdad Payandeh 609–628
  - 629–646 Verfassungsrechtliche Grundlagen der „Völkerrechtsfreundlichkeit“ – Österreich Markus Vašek Markus Vašek 629–646
  - 647–670 Die „Völkerrechtsfreundlichkeit“ der Bundesverfassung: Zum Zusammenspiel von Erzeugungs- und Aufnahmeebene Oliver Diggelmann Oliver Diggelmann 647–670
  - 671–694 Unmittelbare Anwendbarkeit von völkerrechtlichen Verträgen und Völkergewohnheitsrecht – Deutschland Hans-Georg Dederer Hans-Georg Dederer 671–694
  - 695–716 Landesbericht Österreich: Unmittelbare Anwendbarkeit von völkerrechtlichen Verträgen und Völkergewohnheitsrecht Karl Stöger Karl Stöger 695–716
  - 717–740 Völkerrechtsfreundlichkeit im schweizerischen Recht: Das Beispiel der unmittelbaren Anwendbarkeit von Völkerrecht Maria Stemmler Maria Stemmler 717–740
  - 741–760 Reichweite und Grenzen der völkerrechtskonformen Interpretation des Grundgesetzes Monika Polzin Monika Polzin 741–760
  - 761–782 Reichweite und Grenzen der völkerrechtskonformen Interpretation in Österreich Andreas Th. Müller Andreas Th. Müller 761–782
  - 783–804 Völkerrechtskonforme Auslegung aus schweizerischer Sicht: Ein Randphänomen? Evelyne Schmid Evelyne Schmid 783–804
  - 805–826 Rechtliche Auswirkungen des grundgesetzlichen Prinzips der Völkerrechtsfreundlichkeit auf das Verhältnis zwischen deutscher Rechtsordnung und Europäischer Menschenrechtskonvention Stefanie Schmahl Stefanie Schmahl 805–826
  - 827–846 Rechtliche Implikationen der Völkerrechtsfreundlichkeit: Sonderfall EMRK und EGMR – Österreich Katharina Pabel Katharina Pabel 827–846
  - 847–868 EMRK-Freundlichkeit der Bundesverfassung kritisch beleuchtet Helen Keller, Anja Dillena Helen Keller, Anja Dillena 847–868
  - 869–892 Völkerrechtsfreundlichkeit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Andreas Paulus Andreas Paulus 869–892
  - 893–902 Die Völkerrechtsfreundlichkeit der österreichischen Verfassung aus der Sicht der Verwaltung Helmut Tichy Helmut Tichy 893–902
  - 903–924 Die schweizerische Bundesversammlung und das Völkerrecht – Spurensuche zwischen Verfassungsrecht und politischer Praxis Martin Wyss Martin Wyss 903–924
- 925–948 Rezensionsaufsatz 925–948
  - Die Abwesenheit des Rechts bei kolonialem „Kulturgüterraub“, zugleich eine Besprechung von Gouaffo/ Savoy et al. (Hrsg.), Atlas der Abwesenheit: Kameruns Kulturerbe in Deutschland Gwinyai Machona Gwinyai Machona
- 949–962 Buchbesprechungen 949–962
  - Dann, Philipp, Feichtner, Isabel and von Bernstorff, Jochen (eds.): (Post)Koloniale Rechtswissenschaft Jan Klabbers Jan Klabbers
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Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht / Heidelberg Journal of International Law , page 647 - 670

Die „Völkerrechtsfreundlichkeit“ der Bundesverfassung: Zum Zusammenspiel von Erzeugungs- und Aufnahmeebene

Autoren

Oliver Diggelmann

DOI
- doi.org/10.17104/0044-2348-2023-4-647
- ISSN: 0044-2348
- ISSN online: 2942-3562
Zusammenfassung

Dieser Beitrag unterzieht das vorherrschende Narrativ einer relativ ausgeprägten Völkerrechtsfreundlichkeit der Schweizerischen Bundesverfassung einer Überprüfung. Es werden zwei Problemebenen unterschieden: jene der Erzeugung und jene der Aufnahme von Völkerrecht. Deren Verhältnis ist – so eine These des Beitrages – wie das Zusammenspiel korrespondierender Wasserbecken zu verstehen. Zwischen Grosszügigkeit auf der einen und Zurückhaltung auf der anderen Seite bestehen jeweils Zusammenhänge. Im Kern geht es vor allem darum, aussenpolitische Verlässlichkeit und innen- politische Legitimationserwartungen auszubalancieren. Der Beitrag konstatiert mit Blick auf die Schweiz zunächst auf der Erzeugungsebene hohe Hürden für die Eingehung neuer völkerrechtlicher Bindungen. Dies hängt vor allem mit dem Verfassungsentscheid für ausgebaute direktdemokratische Institutionen zusammen. Mit Blick auf die Aufnahmeebene lässt sich die Bundesverfassung als „gemässigt monistisch“ beschreiben. Der Grundentscheid für ein monistisches System wird vor allem durch die Praxis zum „self-executing“ Charakter völkerrechtlicher Bestimmungen und durch das Rangregime relativiert. Das etablierte Narrativ trägt insbesondere den hohen Hürden bei der Eingehung neuer Bindungen ungenügend Rechnung und bedarf der Korrektur.

Abstract

This article reviews the prevailing narrative in Switzerland on the relative openness of the Swiss Federal Constitution towards international law. Two aspects of the topic – which are interlinked – are distinguished: entering international legal obligations on the one hand and reception of international law by the domestic legal order on the other. The article argues that the relationship between the two resembles the relationship be-tween two corresponding pools of water. Generosity in one field leads to restraint in the other. The interplay of all relevant rules aims to find a workable balance between the reliability of Switzerland in external relations in one respect and domestic expectations of high democratic legitimacy of law in another. The article states that the hurdles with respect to entering new obligations are high. Direct democracy constitutes a very sub-stantive obstacle. Reception of international law by the domestic legal order, in con-trast, is relatively generous due to the “moderate monism” of the Swiss Federal Consti-tution. This monism is relativised to some extent, however, by the restrained Swiss practice with respect to the “self-executing” character of norms of international law and the rules and practice concerning collisions of international law with domestic rules. In sum, the well-established Swiss narrative substantively belittles the high hurdles for entering new obligations and needs some correction.
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