@article{2016:kieling:der_deutsc, title = {Der deutsche Sozialstaat als Sozialversicherungsstaat und seine Auswirkungen auf das Präventionsrecht}, year = {2016}, note = {Gesundheitspolitik wird in Deutschland hauptsächlich als Krankenversicherungs- politik verstanden. Wenn in deutschen Debatten von Gesundheit die Rede ist, geht es in den meisten Fällen um das Gesundheitswesen im engeren Sinne, also die nie- dergelassenen Ärzte und Krankenhäuser, und um die Krankenversicherung. Die Rechtswissenschaft spiegelt dieses Politikverständnis dort, wo „Gesundheitsrecht“ und „Recht auf Gesundheit“ im Sinne von „Krankenbehandlungsrecht“ und „Recht auf Heilbehandlung im Krankheitsfall“ verstanden werden.1 Aber diese Sichtweise herrscht nicht nur vor, wenn es um die Heilung von diagnostizierten Krankheiten - also um die Kuration - geht: Auch im Falle von Interventionen, die geeignet sind, das Auftreten einer Krankheit durch vorbeugende Strategien zu ver- hindern oder zu verringern,2 wird der Arzt als der zentrale Akteur betrachtet, des- sen Leistung von den Krankenkassen vergütet wird; auch Prävention3 also wird als Aufgabe von Arzt und Krankenversicherung angesehen. Vor diesem Hintergrund müsste man meinen, dass der Zugang zur Krankenversi- cherung entscheidend ist für den Gesundheitszustand des Einzelnen und in der Summe für den der Bevölkerung. Diese Annahme ist jedoch falsch, viel entschei- dender sind das gesundheitsrelevante Verhalten und insbesondere soziale Faktoren (wie etwa der sozioökonomische Status, Arbeitsbedingungen bzw. Arbeitslosigkeit und Umweltbedingungen).4 Angesichts dessen müsste man auch die Arbeitsmarkt-, die Bildungs- und die Umweltpolitik als Gesundheitspolitik begreifen und hier prä- ventive und gesundheitsförderliche Maßnahmen verankern. Gesundheitspolitik nach diesem Verständnis ist somit nicht Teil der Sozialpolitik, sondern Sozialpoli- tik ist gleichzeitig auch immer Gesundheitspolitik. Gesundheitspolitik und „Ge- sundheitsrecht“ dürften sich nicht nur mit der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) beschäftigen. Es gibt aber kein übergreifendes sozialpolitisches Konzept von Prävention und dementsprechend auch kein übergreifendes Recht in diesem Sinne.5 Die These dieses Beitrags lautet, dass es im Laufe der Zeit zu Pfadabhän- gigkeiten im deutschen Sozialstaat und im Recht gekommen ist, die dafür verant- wortlich sind, dass im Vordergrund von Überlegungen zur Gesundheit der Bevöl- kerung das Krankenversicherungssystem6 und nicht bevölkerungsbezogene Ansät- ze stehen, was gleichzeitig verhindert hat, dass es ein übergreifendes und umfassen- des Präventionsrecht gibt. Für diese Pfadabhängigkeit gibt es viele verschiedene Gründe. Inwieweit das Verfassungsrecht bzw. die Rechtsprechung des BVerfG hier Impulse gesetzt haben, evtl. sogar dafür verantwortlich sind, dass keine ande- ren Pfade beschritten wurden, ist Gegenstand dieses Beitrags.}, journal = {RW Rechtswissenschaft}, pages = {597--624}, author = {Kießling, Andrea}, volume = {7}, number = {4} }