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{89,7; 124,2}, so dass ein Anleiheinvestor über diesen Anlagehorizont auch mit
beträchtlichen positiven und negativen Wertänderungen rechnen muss.
Noch wesentlich ausgeprägter sind diese Wertänderungen bei einer Aktienanlage. Der Mittelwert wird durch die positive Drift der Aktienindizes bestimmt
und steigt im Falle deutscher Aktien durchschnittlich um 9,90% pro Jahr an, bei
einer weltweiten Aktienanlage beträgt dieser Anstieg 8,90% pro Jahr. Die
Standardabweichungen sind schon für eine 1-Jahresanlage mit 583,70 (Deutschland) und 399,00 (Welt) ganz beträchtlich und steigen bei fünf Jahren Anlagehorizont auf 2.052,8 beziehungsweise 1.295,7 an. Der Aktienindex Welt weist
sowohl eine geringere Wachstumsrate als auch eine niedrigere Schwankungsbreite auf. Die Relation von Wachstumsrate zu Standardabweichung ist für den
Welt-Aktienindex höher als für deutsche Aktien.
Dies zeigt sich auch an den Volatilitätszeitreihen, die aus gleitenden 12-
Monatswerten berechnet sind. Für beide Zeitreihen wird eine Zunahme über den
Prognosezeitraum vorhergesagt, die eine Annäherung an den jeweils deutlich
höher liegenden historischen Durchschnitt bewirkt. Die Volatilität des Aktienindex Deutschland ist wesentlich höher als die des Weltindex. Auch die Schwankungsbreite im Prognosezeitraum ist für die deutsche Volatilität erheblich größer.
Da beide Zeitreihen für die Bewertung von Put-Optionen verwendet werden, sind
die Put-Optionen auf deutsche Aktien unter sonst gleichen Bedingungen teuerer
als die für Aktien Welt.
3.4 Ergebnisse der Simulationen für die Anlagestrategien
3.4.1 Methoden der Performancemessung
Das in Abschnitt 3.3.3 dargestellte Modell wird für die Simulation von Anlagestrategien deutscher Stiftungen verwendet. Dazu werden – wie zuvor beschrieben
– für alle Variablen des Modells 10.000 simulierte Zeitreihen für den zukünftigen
Zeitraum von 1 bis 20 Quartalen erzeugt. Die prognostizierten Variablen – Zinsen, Dividendenrenditen, Anleiheindex, Aktienindizes und Volatilitäten – werden
dazu verwendet, verschiedene Anlagestrategien zu simulieren. Für jedes dieser
Portfolios liegen dann ebenfalls 10.000 Zeitreihen für die Periode von t + 1 bis
t + 20 Quartalen vor, auf deren Basis eine umfassende Analyse und Bewertung
der Strategien vorgenommen wird. Diese Portfoliobewertung erfolgt mithilfe von
bestimmten statistischen Kennzahlen, die speziell auf die Situation deutscher
Stiftungen angepasst werden.
Das klassische Performancemaß, das sich aus dem Capital Asset Pricing Model
(CAPM) ergibt, ist die Sharpe-Ratio. Es ist folgendermaßen definiert: ( )fSR rµ ?= ? ,
wobei µ der mittlere Ertrag des Portfolios ist, fr bezeichnet den risikolosen Zins
und ? ist die Standardabweichung, die das Risiko des Portfolios abbildet. Die
Sharpe-Ratio bemisst den Ertrag des Portfolios als Differenz zum risikolosen
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Zins und verwendet als Risikomaß die Volatilität des Portfolios. Im CAPM hat
das Marktportfolio, das alle risikobehafteten Anlageobjekte enthält, die höchstmögliche Sharpe-Ratio. Sie wird häufig dazu verwendet, den risikoadjustierten
Ertrag verschiedener Portfolios miteinander zu vergleichen. Unter den Annahmen, dass die Portfoliorenditen normal verteilt sind und keine weiteren
Faktoren außer dem Marktportfolio einen signifikanten Einfluss auf die
Portfoliorenditen haben, ist die Sharpe-Ratio das geeignete Performancemaß.
Für Stiftungen sind die Sharpe-Ratio und die Standardabweichung aus zwei
Gründen weniger gut geeignet, um die Performance beziehungsweise das Risiko
zu messen. Die stiftungsrechtlichen Bestimmungen zeigen, dass der Bestand des
Vermögens nominal oder real dauerhaft zu erhalten ist. Dadurch ist für den Vermögensmanager einer Stiftung das Portfoliorisiko asymmetrisch definiert, als
nominale oder reale Unterschreitung des Anfangsvermögens. Die Standardabweichung kann in diesem Falle nur dann als Riskomaß verwendet werden, wenn
die Portfoliorenditen normal verteilt sind. Der Stiftungsmanager hat den Anreiz,
die Dichtefunktion der Portfoliorenditen durch Absicherungsmaßnahmen (zum
Beispiel durch Put-Optionen, CPPI-Strategie) rechtsschief zu verteilen.61 Dadurch wird das Verlustpotenzial im Sinne extrem hoher Verluste vermindert,
während das Gewinnpotenzial weitgehend erhalten bleibt, da weiterhin sehr hohe
Gewinne möglich sind. In rechtsschiefen Verteilungen nimmt die Wahrscheinlichkeit für Ausprägungen unterhalb des Mittelwertes zu.
Für asymmetrische Renditeverteilungen sind sogenannte Downside-Risk-Maße
besonders gut geeignet. Sie werden auch als Lower-Partial-Moments (LPM) bezeichnet, da die Momente der Verteilung über Teilbereiche der Verteilung gemessen werden. LPM messen Risiko konkret als die Unterschreitung eines vorgegebenen Zielwertes. Die allgemeine Definition ist:
( ; ) [( ) ],
( ) ( )
n
n
z
n
LPM z F E z r r z
z r dF r
??
= ? ?
= ??
Dabei bezeichnet z den Zielwert, unterhalb dessen Risiko definiert ist; n ist ein
Parameter, der angibt, wie stark die Abweichungen vom Zielwert gewichtet werden. Für n = 0 gibt das Risikomaß an, wie häufig der Zielwert unterschritten
wird, bei n = 1 wird der Erwartungswert der Zielverfehlung berechnet und für
n = 2 die Varianz der Verteilung unterhalb Zielrendite.62
61 Siehe hierzu die Ausführungen in Abschnitt 3.3.2 zu dynamischen Anlagestrategien für Stiftungen,
bei denen sich in theoretischen Modellen CPPI-Strategien als optimal zur Absicherung von zukünftigen Zahlungsverpflichtungen erwiesen haben. Vgl. auch Schindler (2003), der erwähnt, dass
die rechtlichen Vorgaben ein betont vorsichtiges Anlageverhalten induzieren können, da der
Stiftungsvorstand für Vermögensverluste verantwortlich gemacht werden kann, nicht jedoch für entgangene Erträge.
62 Bawa (1978) und Fishburn (1977) haben gezeigt, dass ein höherer Wert von n einem höheren Grad an
Risikoaversion entspricht. Außerdem gibt es eine direkte Beziehung zwischen den Downside-Risk-
Maßen und den Entscheidungsregeln der stochastischen Dominanz. Bawa und Lindenberg (1977)
sowie Harlow und Rao (1989) entwickeln eine alternative Portfoliotheorie zum Markowitz-Ansatz,
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Für die Bewertung des Risikos der Anlagestrategien von Stiftungen werden alle
drei Risikomaße verwendet. Dabei wird für den Zielwert der Wert 100 verwendet, der den Anfangswert des Stiftungsvermögens angibt. Nominale oder
reale Ausprägungen des simulierten Vermögens unterhalb von 100 werden dann
entsprechend als Risiko definiert.
In den Ergebnistabellen der folgenden Abschnitte werden folgende Risikomaße
verwendet:
Risk1 = 0 (100)LPM
Risk2 = 1(100)LPM
Risk3 = 2 (100)LPM
Für die Bewertung der risikoadjustierten Performance werden drei Kennzahlen
genutzt, die auf Basis von Lower- und Upper-Partial-Moments berechnet werden.
Upper-Partial-Moments sind das Gegenstück der LPM-Maße und werden für
den Teil der Verteilung berechnet, der rechts vom Zielwert liegt. Damit bilden
die UPM-Maße die Ertragschancen der Anlagestrategie ab.
( ) [( ) ],
( ) ( )
n
n
n
z
UPM z E r z r z
r z dF r
+?
= ? ?
= ??
Folgende Performancemaße werden in den Ergebnistabellen abgebildet:
Perf1 = 1 1(100) / (100)UPM LPM
Perf2 = 1 2(100) / (100)UPM LPM
Perf3 = 2( 100) / (100)LPMµ ?
Hinzu kommt die Sharpe Ratio als viertes Performancemaß
Perf4 = ( ) /frµ ??
Performancemaß Nr. 1 wird auch als Universal Performance Measure bezeichnet. Im Zähler enthält es den Erwartungswert der Ertragschancen und im
Nenner den Erwartungswert der Verluste, jeweils definiert als Abweichung nach
oben beziehungsweise unten vom Zielwert 100. Eine ausführliche Beschreibung
der Eigenschaften findet sich beispielsweise in Keating und Shadwick (2002).
Das zweite Performancemaß unterscheidet sich vom ersten dadurch, dass als
Risikomaß die Wurzel aus LPM2 verwendet wird. Damit werden Unterschreitungen des Zielwertes stärker gewichtet. Performancemaß Nr. 2 eignet sich
daher für Investoren, die eine höhere Risikoaversion haben.
Performancemaß Nr. 3 ist die Sortino-Ratio. Es enthält als Zähler den mittleren
Ertrag (µ) des Portfolios abzüglich des Zielwertes z, der in unserem Fall gleich
100 ist. Durch diese andere Definition des Zählers unterscheidet es sich von Performancemaß Nr. 2. Während in Nr. 2 der Erwartungswert oberhalb des Zielbei der anstelle der Standardabweichung LPM-Maße zur Abbildung des Risikos verwendet werden.
Damit verfügen die LPM-Maße über eine solide Fundierung in der Entscheidungstheorie unter Unsicherheit.
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wertes verwendet wird, ist es bei Nr. 3 der Mittelwert abzüglich des Zielwertes.
Kaplan und Knowles (2003) definieren die neue Klasse der
Kappa-Performancemaße, für die die Sortino-Ratio ein Spezialfall darstellt.
Zum Vergleich wird ebenfalls – als viertes Performancemaß – die Sharpe-Ratio
verwendet, die in der Regel verzerrte Aussagen liefern dürfte, da die Verteilung
der simulierten Vermögenswerte nur in Ausnahmefällen der Normalverteilung
entspricht.
3.4.2 Reine Geldmarktanlage
Als erste Anlagestrategie wird eine reine Geldmarktanlage betrachtet; die Ergebnisse der Strategie werden durch Carstensen (1996a, 2003) dargestellt. Die
Resultate dienen auch als Benchmark für die anderen Anlagestrategien, bei denen
risikoreichere Anlageobjekte (Anleihen, Aktien) eingesetzt werden.
Die Stiftung legt zu Beginn des Jahres ihr gesamtes Vermögen zum dann geltenden 1-Jahreszins an. Nach Ablauf eines Jahres erhält die Stiftung die Zinsen
ausgezahlt. Von diesen Zinserträgen wird ein Drittel ausgeschüttet und zwei Drittel in einer freien Rücklage thesauriert. Das nach der Ausschüttung vorhandene
Vermögen wird wieder zum 1-Jahreszins angelegt.
Tabelle 9 zeigt, dass die Strategie kein Risiko in Bezug auf den Nominalwert
des Vermögens aufweist. Für eine Anlagedauer von einem Jahr ist diese Aussage
selbstverständlich, da der 1-Jahreszins bei Anlage des Vermögens bekannt ist.
Bei einer Anlagedauer von fünf Jahren besteht ein durchaus erhebliches Zins-
änderungsrisiko (siehe Tabelle 7), der 1-Jahreszins weist für die vier Folgejahre
eine beachtliche Schwankungsbreite auf. Da der nominale Zins nicht negativ
werden kann und die Ausschüttungen immer relativ zu den laufenden Erträgen
definiert sind, liegt das nominale Vermögen immer oberhalb des Anfangswertes
von 100. Damit weisen die Downside-Risk-Maße alle ein Risiko von null aus
und entsprechend sind die Performancemaße für das nominale Vermögen nicht
berechenbar.
Tabelle 9: Risiko und Performance einer reinen Geldmarktanlage, Anlagedauer 1 Jahr und 5 Jahre
Risikokennzahlen Performancekennzahlen
Risk1 Risk2 Risk3 Perf1 Perf2 Perf3 Perf4
Nominal:
1 Jahr 0 0 0 - - - -
Real:
1 Jahr 0,861 1,301 1,637 0,065 0,052 -0,746 0,00
Nominal:
5 Jahre 0 0 0 - - - -
Real:
5 Jahre 0,883 8,066 9,784 0,053 0,044 -0,780 0,00
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
In den letzten Jahren ist der Markt für nachhaltige Kapitalanlagen auch in Europa signifikant gewachsen. Besonders für Stiftungen können Kapitalanlagen, die nach ethischen, sozialen und ökologischen Kriterien ausgewählt werden interessant sein, weil dadurch der Stiftungszweck auch im Rahmen der Vermögensanlage berücksichtigt werden kann. Im April 2008 wurde zur Analyse dieses Themas eine Konferenz unter dem Titel „Nachhaltige Kapitalanlagen für Stiftungen: Aktuelle Entwicklungen“ in Osnabrück bei der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) durchgeführt. Ziel der Konferenz war es, einen umfassenden Überblick über die aktuellen Entwicklungen auf dem Markt für nachhaltige Kapitalanlagen zu geben und eine Bewertung, speziell aus der Perspektive von Stiftungen, durchzuführen.
Der vorliegende Konferenzband enthält als zentrales Kapitel die Studie „Nachhaltige Vermögensanlagen für Stiftungen“, die das ZEW zusammen mit der Universität Stuttgart durchgeführt hat. Die weiteren Beiträge befassen sich unter anderem mit dem noch relativ jungen Markt der Microfinance-Anlageprodukte, die als Teilgebiet der nachhaltigen Kapitalanlagen in Zukunft für Stiftungen eine ansteigende Bedeutung erlangen könnten.