47
stochastischer Simulationen im Rahmen dieser Studie analysiert und bewertet
werden.
Abschnitt 3.3.3 konzentriert sich auf die Entwicklung des ökonometrischen
Modells, das anschließend in Abschnitt 3.4 für die Durchführung stochastischer
Simulationen verwendet wird. In Abschnitt 3.3.3.1 werden zunächst die statistischen Eigenschaften der verwendeten Zeitreihen untersucht. Diese Eigenschaften
liefern wichtige Hinweise auf die Art der anzuwendenden ökonometrischen Modelle. In Abschnitt 3.3.3.2 wird das für die stochastischen Simulationen am besten geeignete Modell konstruiert und ausführlich dargestellt.
3.3.2 Anlagestrategien von Stiftungen
3.3.2.1 Optimale Anlagestrategien
Aus dem Stiftungsrecht gibt es zwei zentrale Vorgaben, die das Vermögensmanagement von Stiftungen maßgeblich bestimmen: Die Erhaltung des Vermögensbestandes und die Durchführung einer sicheren und wirtschaftlichen
Kapitalanlage.35 Dies bedeutet für die Anlagepraxis aus betriebswirtschaftlicher
Sicht die Erwirtschaftung von möglichst hohen Erträgen zur Erfüllung des
Stiftungszwecks bei Erhaltung der Leistungsfähigkeit des Vermögens. Außerdem
sollen Stiftungen eine langfristig ausgerichtete Strategie verfolgen (Anlagepolitik
der ruhigen Hand). Prinzipiell sind alle Anlageobjekte zugelassen.36 Pointiert
drückt es Schindler (2003: 297) aus: „Vorstände von Stiftungen sind bei der Anlage des Stiftungsvermögens grundsätzlich frei“.37
Die Anlagevorschriften für deutsche Stiftungen sind grundsätzlich vergleichbar
mit dem sogenannten „Prudent Man“-Prinzip, das für US-Stiftungen gilt. Für
deutsche wie für US-Stiftungen gehört ein gut diversifiziertes Portfolio zu den
wesentlichen Aufgaben des Vermögensmanagements.38 Die Anforderungen unterscheiden sich daher auch von denjenigen, die an die Vermögensanlage von
Lebensversicherungsunternehmen (LV) und Pensionsfonds gestellt werden, da
diese relativ detaillierte Bestimmungen in Bezug auf einzelne Anlageobjekte zu
beachten haben, denen Stiftungen nicht unterworfen sind. Genauso wenig sind
diejenigen Anlagekriterien für Stiftungen relevant, die für Kapitalanlagegesellschaften (KAG) gelten.39
35 Schindler (2003) gibt einen kurzen Überblick zu den einzelnen Stiftungsgesetzen der Bundesländer.
36 Dies gilt auch für Finanzderivate. Die Meinung geht teilweise dahin, dass sie nur zu Absicherungszwecken eingesetzt werden dürften; vgl. Reuter (2005) sowie Seifart und von Campenhausen
(1999: 246). Auch Hedge-Fonds und Investitionen in Private Equity sind nach Kayser, Richter und
Steinmüller (2004) zulässige Anlageformen.
37 Diese Aussage trifft nicht uneingeschränkt für alle Bundesländer zu. So sieht nach Rödel (2004) die
Stiftungsaufsicht von Hessen eine Obergrenze für Aktienanlagen in Höhe von etwa 30% des Vermögens vor.
38 Vgl. Toepler (2002: 107 f) und Seifart und von Campenhausen (1999: 245 f).
39 Vgl. hierzu beispielsweise Hüttemann und Schön (2007: 36). Die Anlagevorschriften für LV und
Pensionsfonds sind in den Verordnungen über die Anlage des gebundenen Vermögens von Ver-
48
Einschränkende Anlagevorschriften existieren für deutsche gemeinnützige Stiftungen vor allem hinsichtlich der optimalen intertemporalen Ausgestaltung des
Portfolios. Gemeinnützige Stiftungen stehen dabei vor dem potenziellen Zielkonflikt, einerseits das Vermögen real (oder zumindest nominal) mindestens konstant zu halten und andererseits zur Erhaltung der Gemeinnützigkeit Beschränkungen bei der Rücklagenbildung in Kauf nehmen zu müssen. Dieser
potenzielle Konflikt kann dadurch entschärft werden, dass ein Mindestanteil des
Portfolios aus Aktien besteht. Durch Realisierung von Kursgewinnen kann die
Stiftung das Vermögen zusätzlich zur Thesaurierung eines Teils der Erträge steigern.
Wie Carstensen (1996a, 2003) gezeigt hat, kann ein vollständiger Ausgleich
von inflationsbedingten Wertverlusten durch die steuerrechtlichen Vorschriften
erheblich behindert werden, sofern die Stiftung allein auf Ertragsthesaurierung
angewiesen ist und ausschließlich eine am Zinsertrag ausgerichtete Anlagestrategie im Geldmarkt verfolgt. Die Stiftung kann durch die Einhaltung der
steuerrechtlichen Vorgaben eine Gefährdung der Gemeinnützigkeit vermeiden,
muss aber einen realen Rückgang des Vermögens und eine Verminderung ihrer
Leistungsfähigkeit in Kauf nehmen. Dadurch kann sich auch die Höhe der realen
Erträge, die für den Stiftungszweck verwendet werden können, reduzieren.
Für gemeinnützige Stiftungen lässt sich aus den bisherigen Überlegungen die
allgemeine Regel ableiten:
Maximiere den Portfolioertrag bei gegebenem Portfoliorisiko unter Beachtung der Nebenbedingungen aus dem Stiftungsrecht (Vermögen soll
mindestens erhalten bleiben) und dem Steuerrecht (Einschränkungen bei
der Rücklagenbildung).
Die Zielsetzung Maximierung des Portfolioertrags ist rechtlich nicht vom
Wortlaut vorgeschrieben.40 Sie ergibt sich daraus, dass eine Stiftung dann ihren
Stiftungszweck am besten erfüllen kann, wenn sie bei gegebenem Portfoliorisiko
und Einhaltung der anderen Restriktionen einen möglichst hohen Ertrag auf das
Stiftungsvermögen erwirtschaften kann.
Im Falle einer statischen, kurzfristig ausgerichteten Optimierung sollte der Investor seine Kapitalanlagen auf das Marktportfolio und eine sichere Anlage aufteilen. Entsprechend den Risikopräferenzen wird der Investor das Gesamtrisiko
des Portfolios über die Gewichtung von risikoloser Anlage und Marktportfolio
steuern.41 Da das Marktportfolio für alle Investoren gleich ist, unterscheiden sich
sicherungsunternehmen bzw. von Pensionsfonds aufgeführt. Im Laufe der Jahrzehnte wurden die Anlagevorschriften für das gebundene Vermögen von LV immer weiter gelockert. Allerdings sind diese
Vorschriften immer noch restriktiver als diejenigen des in den USA üblichen „Prudent Man“-
Prinzips. Die Vorschriften für KAGs finden sich im Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften
(KAGG).
40 Vgl. Schindler (2003: 297).
41 Vgl. Markowitz (1959).
49
die Portfoliostrukturen im Optimum ausschließlich durch die Gewichtung der
risikolosen Anlage im Gesamtportfolio.
Für eine Stiftung folgt daraus, dass sie entsprechend ihrer Risikopräferenz einen bestimmten Teil des Gesamtvermögens risikolos anlegt und das darüber hinausgehende Vermögen in einem risikobehafteten Portfolio investiert, das prinzipiell alle weltweit verfügbaren Anlageobjekte enthält. Dieses Portfolio
kombiniert die Anlageobjekte mit festen Gewichten, die genauso wie der Anteil
der risikolosen Anlage zum Zeitpunkt der Optimierung des Gesamtvermögens
ermittelt werden. Es handelt sich um eine statische Anlagestrategie; die einmal
festgelegte Struktur des Portfolios wird im Zeitverlauf unverändert beibehalten.
Für die Bestimmung der Aufteilung zwischen risikoloser und risikobehafteter
Anlage stehen verschiedene Entscheidungsregeln zur Verfügung.42 Im „klassischen“ Ansatz wird eine Risikonutzenfunktion unter der Nebenbedingung einer
Effizienzlinie (Efficient Frontier) maximiert, wobei die Efficient Frontier alle
risikobehafteten Portfolios repräsentiert, die bei gegebenem Risiko eine maximale erwartete Rendite gewährleisten. Risiko wird dabei durch die Standardabweichung der Portfolios repräsentiert. Die Preise der risikobehafteten Anlageobjekte werden als log-normalverteilt angenommen.
Dieser Optimierungsansatz lässt sich kurz folgendermaßen darstellen: Maximiere ( )pU R mit p f fR w r w R?= + unter den Nebenbedingungen P w w? ?= ? und
1 1 fw w? = ? . Dabei ist die logarithmische Rendite eines Anlageobjektes definiert
als 1log( ) log( )t t tR P P?= ? . U bezeichnet die Risiko-Nutzen-funktion des Investors, pR ist die Rendite des Portfolios, das sich aus der Kombination der
risikobehafteten Anlageobjekte (mit den Gewichten w) sowie einer Anlage im
risikolosen Zins fr (mit dem Gewicht fw ) zusammensetzt. Als Risikomaß für
das Portfolio wird die Standardabweichung P? verwendet, die sich als
quadratische Form der Gewichte w und der Varianz-Kovarianzmatrix ? der
Renditen der einzelnen Anlageobjekte ergibt. Die Durchführung dieses Optimierungsansatzes ergibt die optimalen Gewichte für alle berücksichtigten Anlageobjekte inklusive der Aufteilung des Vermögens in die risikolose und die risikobehaftete Anlage.
Dieser statische Optimierungsansatz basiert auf der Annahme, dass die einmal
ermittelten optimalen Gewichte in der Zukunft nicht verändert werden. Dies ist
nur dann optimal, wenn angenommen wird, dass sich die Charakteristika des Anlageuniversums (mittlere Rendite, Volatilität, Korrelationen, etc.) nicht ver-
ändern.43 Außerdem können bei diesem Ansatz keine stochastischen zukünftigen
Zahlungsverpflichtungen berücksichtigt werden.
Stiftungen haben typischerweise einen sehr langen Anlagehorizont. Eine rein
statische Portfoliooptimierung kann daher nur ein erster Schritt sein. Besser pas-
42 Vgl. beispielsweise Elton und Gruber (2002).
43 Vgl. Merton (1973: 877 ff).
50
sen hingegen intertemporale Optimierungsansätze, bei denen ein prinzipiell unendlicher Strom zukünftiger Portfolioerträge zugrunde gelegt wird. Die Untersuchungen von Merton (1993), Dybvig (1999) sowie Bajeux-Besnainou und
Ogunc (2006) widmen sich speziell den Anlagestrategien von Stiftungen. Bei den
intertemporalen Optimierungsansätzen, die in diesen Studien betrachtet werden,
erfolgt als wesentliches Element die Berücksichtigung zukünftiger Zahlungsverpflichtungen von Stiftungen. Diese Zahlungsverpflichtungen können entweder
explizit zugesagte spätere Ausgaben sein oder nur die von der Stiftung selbst gesetzten Ausgabenziele (oder implizite Zahlungsverpflichtungen genannt) bezeichnen.
Zusätzlich zu den aufgeführten drei Studien werden im Folgenden auch die Ergebnisse von Rudolf und Ziemba (2004) dargestellt. Diese Analyse bezieht sich
auf das Asset-Liability-Management von Pensionsfonds, ist aber direkt auf den
Fall von (expliziten oder impliziten) Zahlungsverpflichtungen von Stiftungen
anwendbar.
Merton (1993) geht davon aus, dass eine Stiftung als Investor eine intertemporale Optimierung durchführt, wobei die Preise der risikobehafteten Anlageobjekte log-normalverteilt sind und die Renditen einer geometrischen
Brown’schen Bewegung folgen.44 Die Stiftung maximiert eine intertemporale
Nutzenfunktion über den gesamten Zeitraum ihres Bestehens. Die Nutzenfunktion enthält alle Arten von möglichen zukünftigen (preisbereinigten) Ausgaben und führt diese in eine Präferenzordnung über. Die Inflationsraten der verschiedenen Ausgabearten werden ebenfalls als stochastische Prozesse modelliert.
Das Ergebnis ist, dass die Stiftung bei Verfolgung einer optimalen Anlagestrategie in drei Portfolios investiert: in das Marktportfolio, in ein Portfolio mit
risikolosem Zins sowie in ein sogenanntes Hedge-Portfolio. Dieses Hedge-
Portfolio ist so konstruiert, dass es eine optimale Absicherung gegen die Preissteigerungen der Ausgaben der Stiftung bietet. Es enthält solche Kapitalanlagen,
die eine möglichst hohe Korrelation mit der Preisentwicklung der Ausgabearten
aufweist.
Das Ergebnis kann direkt auf die Optimierung bei Vorliegen von intertemporalen und stochastischen zukünftigen Zahlungsverpflichtungen (Liabilities)
angewandt werden. Dafür muss die Preisentwicklung der Ausgabearten einfach
neu definiert werden als nominale zukünftige Zahlungsverpflichtungen, welche
die Stiftung zu erfüllen hat. In diesem Falle bildet das Hedgeportfolio eine Absicherung in Bezug auf die Entwicklung dieser Verpflichtungen.
Dybvig (1999) entwickelt eine Absicherungsstrategie für Stiftungen, bei der
versucht wird, ein Mindestniveau der Ausgaben auch dann aufrechtzuerhalten,
wenn die Kapitalmärkte sich ungünstig entwickeln. Formal wird eine inter-
44 Grundlage ist der von Merton (1969) entwickelte intertemporale Optimierungsansatz.
51
temporale Nutzenoptimierung unter Nebenbedingungen durchgeführt.45 Die drei
Nebenbedingungen sind: eine Budgetrestriktion, die Bedingung, dass das
gesamte Vermögen nicht negativ werden darf, sowie als dritte und zentrale
Restriktion, dass die Ausgaben der Stiftung im Zeitverlauf nicht sinken dürfen.
Dybvigs Ansatz führt zu folgendem Resultat: Zu jedem Zeitpunkt wird das Vermögen der Stiftung in das Marktportfolio und die risikolose Anlage investiert,
wobei der Teil, der zum risikolosen Zins angelegt wird, die laufenden Ausgaben
beziehungsweise Zahlungsverpflichtungen der Stiftung auf Dauer finanzieren
kann. Der nicht für die Ausgaben verwendete Vermögensanteil wird in das
risikobehaftete Marktportfolio investiert. Wenn im Laufe der Zeit die Zahlungsverpflichtungen ansteigen, dann wird entsprechend ein Transfer vom risikobehafteten zum risikolosen Portfolio durchgeführt. Die Entscheidung zur
Steigerung der Ausgaben wird von der Stiftung dann vorgenommen, wenn das
Marktportfolio eine hinreichend gute Performance aufweist. Sofern eine Absicherung gegen Inflationsrisiken angestrebt wird, empfiehlt Dybvig den Einsatz
von inflationsgesicherten Anleihen als risikolose Anlage. Die von Dybvig vorgeschlagene Anlagestrategie weist Ähnlichkeiten mit einer sogenannten Constant
Proportion Portfolio Insurance (CPPI) auf, bei der die Höhe des Anteils, der in
das Marktportfolio investiert wird, von der Performanceentwicklung abhängt.46
Bajeux-Besnainou und Ogunc (2006) entwickeln ebenfalls einen Optimierungsansatz für Stiftungen; das Resultat ist eine spezielle Form von CPPI-
Strategie. Optimiert wird eine intertemporale Nutzenfunktion, die ein von der
Stiftung festgelegtes reales Mindestausgaben-Niveau explizit als Argument enthält: Ein positiver Nutzen ergibt sich nur dann, wenn die (realen) Ausgaben der
Stiftung größer sind als die Mindestausgaben. Die optimale Strategie der Stiftung
besteht darin, die Portfoliogewichte flexibel zwischen Marktportfolio und risikoloser Anlage zu verändern. Das Gewicht des Marktportfolios ist einerseits abhängig von bestimmten Parametern (Risikoaversion, Sharpe-Ratio des Marktportfolios, durchschnittliche Höhe des risikolosen Zinses und der Inflationsrate,
Höhe der Mindestausgaben relativ zum Anfangsvermögen). Andererseits beeinflusst die Entwicklung des Marktportfolios direkt die Höhe des im Marktportfolio angelegten Vermögens: Eine positive (negative) Entwicklung führt
direkt zu einer Zunahme (Abnahme) des im Marktportfolio investierten Vermögens, und zwar sowohl absolut als auch relativ. Die Höhe der optimalen Ausgaben der Stiftung hängt ebenfalls positiv von der Entwicklung des Marktportfolios ab.47
Rudolf und Ziemba (2004) entwickeln einen Ansatz zur optimalen Portfoliogestaltung eines Pensionsfonds unter der expliziten Berücksichtigung von
45 Das Optimierungsmodell wird ausführlich in Dybvig (1995) beschrieben, im Anhang zu Dybvig
(1999) findet sich eine Skizze der Vorgehensweise.
46 Vgl. Abschnitt 3.3.2 für die genaue Beschreibung der Vorgehensweise bei CPPI-Strategien.
47 Weitere Eigenschaften der optimalen Lösung bestehen darin, dass die optimale Portfolioaufteilung
sowie die optimale Ausgabenrate unabhängig vom Anfangsvermögen sind.
52
Zahlungsverpflichtungen. Im Gegensatz zu Bajeux-Besnainou und Ogunc (2006)
verwenden die Autoren den von Merton (1993) entwickelten Ansatz, der um
stochastische zukünftige Zahlungsverpflichtungen erweitert wird. Im Portfoliooptimum investiert der Pensionsfonds oder äquivalent die Stiftung in vier voneinander getrennte Teilportfolios. Die ersten drei Teilportfolios entsprechen dem
Lösungsansatz von Merton (1993): ein risikoloses Portfolio, ein Marktportfolio
und ein Hedge-Portfolio, das eine Absicherung gegen die Preisentwicklung der
Zahlungsverpflichtungen bietet. Das vierte Portfolio sichert speziell die Erfüllung
der zukünftigen realen Zahlungsverpflichtungen ab. Dieses sogenannte Liabilities-Hedge-Portfolio besteht aus solchen Kapitalanlagen, die eine möglichst hohe
Korrelation zu den Zahlungsverpflichtungen aufweisen. Sein Portfoliogewicht
hängt ausschließlich von der Relation von Vermögen zu Zahlungsverpflichtungen ab. Je höher diese Relation ist, desto größer ist der Portfolioanteil
des Marktportfolios und desto niedriger sind die Gewichte des Hedge-Portfolios,
des Liability-Hedge-Portfolios und der Anlage zum risikolosen Zins. Auch hier
zeigt sich damit eine Art von CPPI-Strategie: Eine positive Entwicklung führt zu
einem höheren Vermögen (relativ zu den Zahlungsverpflichtungen) und damit zu
einem in der nächsten Periode höheren Gewicht des Marktportfolios. Im Gegensatz zu Merton (1993) erlaubt der Ansatz von Rudolf und Ziemba (2004) sowohl
eine Absicherung der Preisentwicklung der Zahlungsverpflichtungen als auch
deren reale Entwicklung.
Abgesehen von Merton (1993) ergeben sich bei den anderen drei für Stiftungen
relevanten, intertemporalen Portfoliooptimierungsansätzen grundsätzlich ähnliche Lösungen. Alle drei Modelle – Dybvig (1999), Rudolf und Ziemba (2004)
sowie Bajeux-Besnainou und Ogunc (2006) – führen zu dynamischen Allokationsregeln für das Stiftungsvermögen, bei denen das optimale Gewicht des
Marktportfolios umso höher ist, je besser die Performance des Marktportfolios in
der Vergangenheit war. Die dahinterstehende ökonomische Begründung ist in
allen drei Fällen die gleiche: Eine Zunahme des Wertes des Marktportfolios erhöht das Gesamtvermögen der Stiftung, und zwar absolut und relativ zu den zukünftigen Zahlungsverpflichtungen. Dadurch ist es der Stiftung möglich, eine
riskantere Anlagestrategie zu verfolgen und einen größeren Anteil ihres Vermögens in das Marktportfolio zu investieren. Bei einem Wertverlust des Vermögens wird entsprechend das Gewicht des Marktportfolios vermindert.
Die Anlagestrategie der CPPI wurde von Black und Perold (1992) theoretisch
untersucht und in ihren Eigenschaften analysiert. Die Basisgleichung lautet
min{ , }E mC bWt t t= ; dabei bezeichnet tE die Kapitalanlage im risikobehafteten Portfolio; m ist ein Multiplikator, der Werte größer als eins annimmt; tC ist der sogenannte Cushion, definiert als die Differenz zwischen dem aktuellen Wert des
Vermögens tW und den diskontierten zukünftigen Zahlungsverpflichtungen tF :
t t tC W F= ? . Der im risikobehafteten Portfolio angelegte Teil des Vermögens ver-
ändert sich prozyklisch mit den Schwankungen des Vermögens, wobei immer ein
53
Mehrfaches von tC investiert wird. tF wird dagegen zum risikolosen Zins angelegt. Wenn sich das Vermögen bis auf den Wert der diskontierten Zahlungsverpflichtungen vermindern sollte, wird ab diesem Zeitpunkt nur noch risikolos
angelegt. Der Wert des Vermögens entspricht dann zum Endzeitpunkt exakt den
Zahlungsverpflichtungen. Da die Portfolioumschichtungen im Idealfall in stetiger
Zeit und ohne Transaktionskosten durchgeführt werden, kann das Vermögen nie
den Wert von tF unterschreiten, tF wird daher auch als Floor bezeichnet. Bei der
praktischen Anwendung besteht das Risiko, dass ein auftretender Kursverlust des
risikobehafteten Portfolios so groß ist, dass der Cushion negativ wird. Dies kann
der Fall sein, wenn ein rechtzeitiger Handel vor Eintritt dieses Verlustes nicht
möglich ist. Das entsprechende Risiko wird Gap-Risiko genannt.48
Der Parameter b kann Werte größer oder gleich eins annehmen. Im Falle von
1b= kann maximal der Wert des gesamten Vermögens im risikobehafteten Portfolio angelegt werden, bei Werten von 1b> wird gegebenenfalls ein Wertpapierkredit in Höhe von 1b? aufgenommen, der zusammen mit dem gesamten Vermögen in das risikobehaftete Portfolio investiert werden kann. Typischerweise
wird b bei der Vermögensanlage von Stiftungen einen Wert von eins nicht überschreiten oder zumindest nur etwas darüber liegen, da sonst möglicherweise die
Gefahr besteht, dass ein Verlust als Folge einer zu riskanten Spekulation angesehen wird und die Haftung des Stiftungsvorstandes für diese Verluste nach
sich zieht.
Black und Perold (1992) zeigen, dass sich die CPPI-Strategie bei sehr großen
Werten des Multiplikators wie eine Stop-Loss-Strategie verhält, bei der die Kapitalanlage im risikobehafteten Portfolio entweder gleich dem gesamten Vermögenswert (gegebenenfalls zuzüglich eines Wertpapierkredits) oder gleich null
ist. Die Autoren zeigen weiterhin, dass sich das Vermögen im Falle einer CPPI-
Strategie wie bei Investition in eine in eine amerikanische Call-Option verhält.
Stiftungen, die keine zukünftigen Zahlungsverpflichtungen haben, können im
Falle einer Ausrichtung am realen Vermögen den von Merton (1993) entwickelten Optimierungsansatz anwenden und damit speziell eine Absicherung
gegen Inflationsrisiken anstreben. Bei einer reinen Orientierung am Nominalwert
des Stiftungsvermögens entfällt hingegen die Anlage im Hedge-Portfolio und die
Stiftung investiert ausschließlich in das Marktportfolio und den risikolosen
Zins.49
3.3.2.2 Beschreibung der simulierten Anlagestrategien
Im Folgenden werden alle Anlagestrategien ausführlich beschrieben, die in den
Abschnitten 3.4 und 3.5.2.3 empirisch untersucht werden. Während sich Ab-
48 Balder, Brandl und Mahayni (2009) gehen ausführlich auf die Analyse des Gap-Risikos ein.
49 Diese einfachste Anlagestrategie ergibt sich auch dann als optimale Strategie, wenn der Investor
annimmt, dass sich die Anlagemöglichkeiten (Anlageuniversum, risikoloser Zins, Volatilitäten und
Korrelationen, Drift-Parameter etc.) im Zeitverlauf nicht verändern, vgl. Merton (1973: 877 ff).
54
schnitt 3.4 auf alle Arten von Anlagen bezieht (konventionelle und nachhaltige),
konzentriert sich Abschnitt 3.5.2.3 speziell auf nachhaltige Kapitalanlagen.
Die Anlagestrategien sind zum einen statische Konzepte und zum anderen dynamische Absicherungsstrategien. Die Anlagestrategien berücksichtigen alle
wichtigen Anlageklassen, in die deutsche gemeinnützige Stiftungen investieren.
Dies sind insbesondere Geldmarktanlagen und Anleihen, Aktien und Immobilien.50 Für die Anlageklasse Immobilien ist keine repräsentative und hinreichend lange Zeitreihe zur Wertentwicklung verfügbar. Daher wird der Einfluss
von Immobilien auf das Anlageportfolio von Stiftungen bei der Durchführung
der Simulationen nicht berücksichtigt.
Bei den statischen Strategien wird zunächst eine Simulation eines nur im
Geldmarkt anlegenden Portfolios durchgeführt. Die Ergebnisse können direkt mit
denjenigen von Carstensen (1996a, 2003) verglichen werden, der ebenfalls eine
reine Geldmarktanlage mit historischen Zeitreihen des deutschen Marktes durchgerechnet hat.
Bei den weiteren statischen Simulationen werden Kombinationen von deutschen Anleihen mit Aktien durchgeführt. Als Aktienindex fungieren der
Deutschland-Index sowie der Welt-Index von Morgan Stanley Capital Investment (MSCI). Bei diesen Simulationen werden Portfoliokombinationen zwischen
100% Anleihen und 100% Aktien in 10%-Schritten erstellt und die Verteilungen
der Endvermögen für einen Anlagehorizont von einem Jahr ermittelt; dabei werden die Ergebnisse nach jeweils einem Jahr und fünf Jahren Anlagedauer dargestellt werden. Diese Vorgehensweise wird auch bei allen anderen Simulationen
angewendet. Der Vergleich der Portfolios mit Aktien Deutschland mit denjenigen, die in Aktien Welt anlegen, soll einerseits die Verbesserung der Diversifikation bei einer weltweiten Anlage quantifizieren. Andererseits dient die Verwendung der Aktien Welt als Vorbereitung für die Simulationen mit
nachhaltigen Kapitalanlagen, deren Ergebnisse in Abschnitt 3.5.2.3 dargestellt
werden. Dabei steht der Vergleich zwischen konventionellen weltweiten Aktienanlagen und auf Nachhaltigkeit spezialisierten Aktienindizes im Vordergrund.
Bei allen Simulationen wird davon ausgegangen, dass der Anlagehorizont ein
Jahr beträgt. Die Bewertung der Gewinne und Verluste aus der Vermögensanlage
erfolgt daher erst nach Ablauf eines Jahres. Dies entspricht dem üblichen
Rhythmus der Rechnungslegung von Stiftungen. Die Ergebnisse der verschiedenen Anlagestrategien werden jeweils für eine Anlagedauer von einem
Jahr und von fünf Jahren ermittelt. Bei einer Anlagedauer von fünf Jahren wird
immer ein Anlagehorizont von einem Jahr zugrunde gelegt, der Effekt auf das
Stiftungsvermögen wird dabei über fünf Jahre kumuliert. Ein Vergleich mit der
50 Laut Heissmann (2004: 14) hatten die in der Heissmann-Stiftungsstudie von 2004 erfassten deutschen
Stiftungen Ende 2003 15,9% im Geldmarkt investiert, 34,5% in Anleihen, 9,7% in Aktien und 27,2%
in Immobilien; 12,7% waren in sonstigen Anlageobjekten investiert. Es zeigt sich, dass große Stiftungen eine deutlich höhere Aktienquote aufweisen als kleine Stiftungen. Bei großen Stiftungen ist
dafür die Investitionsquote in Anleihen und im Geldmarkt geringer.
55
Vermögensentwicklung nach fünf Jahren zeigt somit, in welchem Ausmaß solche
kumulierenden Effekte auf das Vermögen vorliegen.
Dieser Anlagehorizont ist insbesondere wichtig für die korrekte Berücksichtigung der regelmäßigen Ausschüttung sowie der Thesaurierung von Erträgen, die bei vielen Stiftungen einmal im Jahr vorgenommen werden. Bei der
Thesaurierung der Erträge wird davon ausgegangen, dass ein Drittel der
laufenden Erträge (Zinsen, Dividenden) jährlich in die freie Rücklage nach
§ 8 Nr. 7a AO eingestellt wird. Dies entspricht der maximal möglichen
Thesaurierung, ohne die Gemeinnützigkeit zu gefährden. Die anderen zwei
Drittel der laufenden Erträge werden ausgeschüttet. Die Verteilung der jährlichen
Ausschüttungen wird in Abschnitt 3.4.3.2 untersucht. Der Anlagehorizont ist
auch für die dynamischen Absicherungsstrategien von großer Bedeutung. Bei
ihnen wird angenommen, dass immer nur der Vermögenswert am Ende des
Jahres gesichert werden muss.
In Abschnitt 3.4.4.1 wird das Ergebnis einer dynamischen Strategie mit At-themoney-Put-Optionen dargestellt. Dabei wird am Anfang jedes Jahres das vorhandene Vermögen vollständig mit einer Put-Option abgesichert. Diese Put-
Option hat eine Laufzeit von einem Jahr und verfällt somit am Ende des
jeweiligen Jahres. Für die Berechnung des Optionspreises wird die Black-
Scholes-Formel verwendet.51 Der Ausübungskurs entspricht immer dem Vermögen bei Kauf der Option, es handelt sich also um eine At-the-money-Option.
Als zweite Absicherungsstrategie wird die CPPI-Methode verwendet, welche
schon in 3.3.2 beschrieben wurde. Der Floor tF ist dabei definiert als das Vermögen zu Beginn des Jahres, diskontiert mit dem Einjahreszins, der den risikolosen Zins darstellt: /(1 )t t tF V r= + . Die Differenz zwischen dem aktuellen Vermögen und dem Floor multipliziert mit dem im Voraus festgelegten Faktor m,
ergibt die in Aktien investierte Vermögenssumme; der Floor wird dagegen zum
risikolosen Zins angelegt. Die Anpassung der Höhe der Aktienanlagen an Ver-
änderungen des Cushion tC erfolgt quartalsweise. Durch diese relativ niedrige
Handelsfrequenz soll der Orientierung von Stiftungen an eher längerfristig ausgerichteten Anlagestrategien Rechnung getragen werden. Bei quartalsweiser Anpassung sind auch die Transaktionskosten dieser Absicherungsmethode gering.
Allerdings erhöht die nur vier Mal im Jahr vorgenommene Anpassung das Gap-
Risiko, also das Risiko, dass der Floor unterschritten wird und somit am Ende
des Jahres ein Vermögensverlust in Bezug auf den Wert des Vermögens zu Beginn des Jahres eintritt.
Die gewählte Definition der CPPI-Strategie erlaubt einen direkten Vergleich
sowohl mit einer statischen Anlagestruktur als auch mit der Absicherung des
Vermögens mit Put-Optionen.
51 Vgl. beispielsweise Hull (2005).
56
Die Variation des Multiplikators m sowie der Obergrenze für die Aktienanlagen
(Parameter b) zeigt darüber hinaus, wie sensitiv die Ergebnisse der CPPI-
Strategie in Bezug auf die konkrete Umsetzung reagieren. Da die Differenz zwischen Vermögen und Floor zu Jahresbeginn aufgrund der gewählten Vorgehensweise mit ( /(1 ))t t tV r r+ relativ klein ist, werden in den Simulationsexperimenten teilweise auch sehr große Werte für den Multiplikator verwendet, um
einen größeren durchschnittlichen Investitionsgrad für die Aktienanlagen zu erzielen.52
Die im Rahmen der Simulationen untersuchten Strategien der Vermögensanlage von Stiftungen haben einen engen Bezug einerseits zu den
Anlagerichtlinien deutscher Stiftungen und andererseits werden, wie im Falle der
CPPI-Strategie, Verbindungen zu den Ergebnissen der theoretischen Literatur
hergestellt. Beide Absicherungsmethoden – der Einsatz von Put-Optionen sowie
die CPPI – sind insbesondere für Investoren mit relativ hoher Risikoaversion geeignet und könnten daher für deutsche Stiftungen ebenfalls sinnvolle Strategien
darstellen.
Bei der Bewertung der resultierenden Vermögensverteilungen aus den statischen und dynamischen Anlagemethoden werden Risiko- und Performancemaße
verwendet, die speziell das sogenannte Downside-Risiko abbilden (vgl. Abschnitt 3.4.1). Dadurch wird Risiko auf die für Stiftungen besonders wichtige
Weise als Unterschreitung des nominalen Anfangsvermögens gemessen. Der
Einfluss der Inflation auf die Bewertung der Anlagestrategien wird durch die
Analyse der realen Vermögensverteilungen und das Risiko der Unterschreitung
des realen Anfangsvermögens bewertet. Auf diese Weise werden sowohl die statischen als auch die dynamischen Anlagestrategien aus der Perspektive deutscher
Stiftungen untersucht und bewertet.
3.3.3 Das Simulationsmodell
Die empirischen Untersuchungen, die in den folgenden Abschnitten dargestellt
werden, beruhen zu einem großen Teil auf der Simulation der im vorangegangenen Abschnitt 3.3.2.2 beschriebenen Anlagestrategien. Basis der
stochastischen Simulationen ist ein ökonometrisches Modell, das die
stochastischen Eigenschaften der relevanten Kapitalmarktvariablen (Zinsen,
Aktienindizes, Inflation, Dividendenrenditen) adäquat abbildet. Mit diesem
Modell werden 10.000 zukünftige Entwicklungspfade der Zeitreihen durch Zufallsziehungen aus den Residuen des Modells ermittelt. Diese dienen dazu, die
verschiedenen statischen und dynamischen Anlagestrategien umzusetzen und die
entsprechenden Vermögensentwicklungen zu berechnen. Im Anschluss daran
52 Die in der Literatur verwendeten Werte für den Multiplikator liegen in der Regel zwischen 1 und 8
(vgl. z.B. Zimmerer, 2006), üblicherweise ist auch der Cushion C deutlich höher, so dass sich bei
Multiplikatorwerten deutlich unter 10 durchschnittliche Investitionsquoten im Aktienportfolio von
über 40% ergeben.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
In den letzten Jahren ist der Markt für nachhaltige Kapitalanlagen auch in Europa signifikant gewachsen. Besonders für Stiftungen können Kapitalanlagen, die nach ethischen, sozialen und ökologischen Kriterien ausgewählt werden interessant sein, weil dadurch der Stiftungszweck auch im Rahmen der Vermögensanlage berücksichtigt werden kann. Im April 2008 wurde zur Analyse dieses Themas eine Konferenz unter dem Titel „Nachhaltige Kapitalanlagen für Stiftungen: Aktuelle Entwicklungen“ in Osnabrück bei der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) durchgeführt. Ziel der Konferenz war es, einen umfassenden Überblick über die aktuellen Entwicklungen auf dem Markt für nachhaltige Kapitalanlagen zu geben und eine Bewertung, speziell aus der Perspektive von Stiftungen, durchzuführen.
Der vorliegende Konferenzband enthält als zentrales Kapitel die Studie „Nachhaltige Vermögensanlagen für Stiftungen“, die das ZEW zusammen mit der Universität Stuttgart durchgeführt hat. Die weiteren Beiträge befassen sich unter anderem mit dem noch relativ jungen Markt der Microfinance-Anlageprodukte, die als Teilgebiet der nachhaltigen Kapitalanlagen in Zukunft für Stiftungen eine ansteigende Bedeutung erlangen könnten.