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3 Nachhaltige Vermögensanlagen für Stiftungen
Henry Schäfer und Michael Schröder
3.1 Einleitung
Die meisten gemeinnützigen deutschen Stiftungen widmen sich Aufgaben in
den Bereichen Bildung, Wissenschaft, Soziales und Umwelt.1 Die Förderung
dieser Aufgaben wird durch eine entsprechende zweckorientierte Verwendung
der Erträge aus der Vermögensverwaltung durchgeführt. Der Bereich der Ertragsverwendung ist in der Regel strikt getrennt vom Bereich der Vermögensverwaltung, in dem die Erträge erwirtschaftet werden.
Durch diese Trennung kann es vorkommen, dass eine Stiftung Aktien eines Unternehmens erwirbt, dessen Aktivitäten dem Satzungszweck der Stiftung widersprechen. Beispielsweise könnte eine Stiftung, die sich in ihrer Satzung für den
Umweltschutz oder die Förderung des Friedens zwischen den Nationen einsetzt,
in ihrer Kapitalanlage Aktien eines Unternehmens erwerben, das besonders umweltschädlich produziert oder militärische Waffen herstellt.
Diese Beispiele zeigen, dass die Trennung der Bereiche der Ertragsverwendung
und der Ertragserwirtschaftung zu einem Zielkonflikt führen kann. Die Stiftung
wäre in solchen Fällen besser in der Lage, ihren Satzungszweck zu erfüllen,
wenn sie bei der Entscheidung über ihre Aktienanlage nur Unternehmen auswählt, deren Aktivitäten zumindest nicht im Widerspruch zum Satzungszweck
stehen beziehungsweise ihn besser sogar noch fördern. Dies ist eines der Themen, die Gegenstand dieser Studie sind.
Allgemein formuliert soll untersucht werden, ob sich sogenannte nachhaltige
Kapitalanlagen für die Vermögensverwaltung von deutschen Stiftungen eignen.
Als nachhaltige Kapitalanlagen werden Anlageobjekte bezeichnet, die einen
Auswahlprozess durchlaufen haben, der sich an sozialen, ethischen und ökologischen Kriterien orientiert. In Europa stellt diese Form der Kapitalanlage derzeit noch eine relativ kleine Nische dar: Ende 2005 waren nach Eurosif (2006)
etwa 105 Mrd. € in nachhaltigen Kapitalanlagen investiert, davon allein 41,50
Mrd. € in den Niederlanden und 30,50 Mrd. € in Großbritannien. In den Vereinigten Staaten wurden 2003 dagegen 2.164 Mrd. US$ und damit 11% der
privaten Anlagen in Investmentfonds in nachhaltigen Kapitalanlagen investiert,
bis Ende 2005 stieg der Anlagebetrag auf 2.290 Mrd. US$ an (Social Investment
Forum, 2005).
1 Vgl. Bundesverband Deutscher Stiftungen (2005). Danach widmen sich 34,2% der Stiftungen
sozialen Zwecken, jeweils 13,6% den Bereichen Wissenschaft und Forschung sowie Bildung und Erziehung und 3,5% dem Umweltschutz. Siehe dazu auch Anheier (2003: 65-70), der eine Übersicht
zum Stiftungswesen in Deutschland gibt.
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Besonders in den USA wird unter dem Begriff „Mission Related Investing“
diskutiert, ob nachhaltige Kapitalanlagen eine größere Rolle in der Vermögensanlage von Stiftungen spielen sollten (vgl. Emerson, Freundlich & Berenbach,
2004). Auch in Europa und speziell in Deutschland beginnt eine solche Diskussion.
Das Ziel dieser Studie ist eine umfassende Beurteilung nachhaltiger Kapitalanlagen für gemeinnützige deutsche Stiftungen. Da fast alle Stiftungen in
Deutschland gemeinnützig sind, bedeutet diese Festlegung keine Einschränkung
der Analyse.2 Die Untersuchung bezieht sich vorwiegend auf Kapitalstiftungen,
d.h. Stiftungen, bei denen die dauerhafte Erfüllung des Stiftungszweckes durch
eine entsprechende Verwendung der Erträge aus der Vermögensverwaltung
sichergestellt wird.
Als Ausgangspunkt der Untersuchungen wird nach der Einleitung in Abschnitt 3.2 untersucht, welche rechtlichen Rahmenbedingungen die Vermögensverwaltung von gemeinnützigen Stiftungen erfüllen muss und wie diese Rahmenbedingungen ökonomisch zu interpretieren sind. Dabei wird auch der Frage
nachgegangen, ob die Investition in nachhaltige Kapitalanlagen für Stiftungen
rechtlich zulässig ist.
In Abschnitt 3.3 wird das ökonomische und ökonometrische Instrumentarium
für eine Bewertung der Anlagestrategien von Stiftungen dargestellt. Dazu zählen
die ökonomisch relevante Definition der Zielfunktion und der Nebenbedingungen der Vermögensanlage, Ableitung verschiedener Strategien der
Vermögensanlage sowie eine Beschreibung eines ökonometrischen Modells, das
für die Simulation der Anlagestrategien verwendet wird.
Abschnitt 3.4 widmet sich der Darstellung und Interpretation der Ergebnisse
der Simulationen und der darauf aufbauenden empirischen Bewertung der verschiedenen Strategien der Vermögensanlage. Die Bewertung erfolgt hauptsächlich auf Basis von sogenannten Downside-Risk-Maßen, die für die Quantifizierung des Risikos und der Performance der Anlagestrategien eingesetzt
werden.
In Abschnitt 3.5 werden Themen behandelt, die das Portfoliomanagement von
nachhaltigen Kapitalanlagen betreffen. Dazu zählen Informationen zu Ratingverfahren und Ratinginstitutionen sowie die Untersuchung der Performance von
Portfolios, die sich auf nachhaltige Kapitalanlagen konzentrieren. Des Weiteren
ist die quantitative Erfassung der Unterschiede zwischen konventionellen und
nachhaltigen Anlagen und dabei insbesondere die Bewertung von Anlagestrategien, die auf diesen Anlagearten aufbauen, Gegenstand der Betrachtung.
Abschnitt 3.6 fasst die zentralen Ergebnisse zusammen.
Diese Studie wurde vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung
(ZEW), Mannheim, in Zusammenarbeit mit der Universität Stuttgart für die
Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) erstellt.
2 Nach Hartmann (2005a: 381) sind etwa 95% aller Stiftungen in Deutschland gemeinnützig.
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3.2 Die Anlagerestriktionen gemeinnütziger Stiftungen
Der Kernbestandteil einer Stiftung ist ökonomisch gesehen ihr Vermögensbestand, dessen Erträge im Sinne der Stiftungssatzung zu verwenden sind. So
stellen Seifart und von Campenhausen (1999: 231) fest: „Das Vermögen der
Stiftung ist die materielle Grundlage ihrer Geschäftstätigkeit.“ Die Aufgabe der
Vermögensverwaltung stellt eine zentrale Managementfunktion innerhalb der
Stiftung dar, die entscheidend ist für die Erreichung der in der Satzung
formulierten Stiftungsziele. Die Vermögensverwaltung von Stiftungen unterliegt
verschiedenen gesetzlichen Anlagerestriktionen, die sich auf die Zusammensetzung des Vermögens und die Verwendung der Erträge auswirken. Für gemeinnützige Stiftungen sind die Bestimmungen der Ausgabenordnung (AO) von
großer Bedeutung, da deren Einhaltung über den Status der Gemeinnützigkeit
entscheidet.
Das Ziel dieses Abschnitts ist es, die Anlagerestriktionen der Vermögensverwaltung von gemeinnützigen Stiftungen zu untersuchen.3 Insbesondere sollen die
Rendite-Risiko-Relationen verschiedener Vermögensstrukturen und Anlagestrategien analysiert und bewertet werden. Die Entwicklung und Anwendung
eines dafür geeigneten statistischen Instrumentariums ist ebenfalls ein wichtiger
Teil dieses Abschnitts. Diese Untersuchungen und methodischen Vorarbeiten
bilden die Grundlage für die Bewertung der „Nachhaltigen Kapitalanlagen“ für
die Vermögensanlage von Stiftungen, die in den nachfolgenden Abschnitten
durchgeführt wird.
3.2.1 Die rechtlichen Rahmenbedingungen der Vermögensanlage von
Stiftungen
3.2.1.1 Die stiftungsrechtlichen Bestimmungen zur Vermögensanlage
Eine Stiftung ist eine juristische Person, deren allgemeine Rechtsgrundlagen in
§§ 80-88 BGB geregelt sind. Vorgaben für die Vermögensverwaltung ergeben
sich hieraus jedoch nicht. § 80 BGB verweist auf die Zuständigkeit der Bundesländer bei der Genehmigung einer Stiftung. In den Stiftungsgesetzen der Bundesländer sind auch weitergehende Regelungen für die Vermögensanlage zu finden.
So legt beispielsweise das Bayerische Stiftungsgesetz in der Fassung vom 7.
März 1996 explizit die grundlegenden Prinzipien der Vermögensanlage fest.
In Bezug auf das Vermögen der Stiftung gilt der Grundsatz:
Das Stiftungsvermögen ist in seinem Bestand ungeschmälert zu erhalten
(Art. 10 [1]).
3 Dieser Abschnitt beabsichtigt keine umfassende Beschreibung der rechtlichen und betriebswirtschaftlichen Grundlagen von Stiftungen, sondern konzentriert sich auf die für die Vermögensverwaltung
und speziell die Beurteilung „nachhaltiger Kapitalanlagen“ relevanten Bereiche.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
In den letzten Jahren ist der Markt für nachhaltige Kapitalanlagen auch in Europa signifikant gewachsen. Besonders für Stiftungen können Kapitalanlagen, die nach ethischen, sozialen und ökologischen Kriterien ausgewählt werden interessant sein, weil dadurch der Stiftungszweck auch im Rahmen der Vermögensanlage berücksichtigt werden kann. Im April 2008 wurde zur Analyse dieses Themas eine Konferenz unter dem Titel „Nachhaltige Kapitalanlagen für Stiftungen: Aktuelle Entwicklungen“ in Osnabrück bei der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) durchgeführt. Ziel der Konferenz war es, einen umfassenden Überblick über die aktuellen Entwicklungen auf dem Markt für nachhaltige Kapitalanlagen zu geben und eine Bewertung, speziell aus der Perspektive von Stiftungen, durchzuführen.
Der vorliegende Konferenzband enthält als zentrales Kapitel die Studie „Nachhaltige Vermögensanlagen für Stiftungen“, die das ZEW zusammen mit der Universität Stuttgart durchgeführt hat. Die weiteren Beiträge befassen sich unter anderem mit dem noch relativ jungen Markt der Microfinance-Anlageprodukte, die als Teilgebiet der nachhaltigen Kapitalanlagen in Zukunft für Stiftungen eine ansteigende Bedeutung erlangen könnten.