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sollte eine Ämtertrennung zumindest für börsennotierte Gesellschaften im SEAG
vorgegeben werden.
Werden diese Forderungen umgesetzt, so wird die faktische Dominanz des leitenden geschäftsführenden Direktors hinreichend eingeschränkt. Dennoch wird
er über deutlich mehr Macht als der Vorstandsvorsitzende bzw. -sprecher verfügen, weil er aufgrund des Direktorialprinzips im Bereich des Tagesgeschäfts
weitgehende Befugnisse hat und trotz der genannten Maßnahmen zur Stärkung
des Verwaltungsrats die strategischen Entscheidungen in gewissem Umfang vorprägt. Der leitende geschäftsführende Direktor in der monistischen SE ist daher
die weitgehendste Personalisierungsmöglichkeit, die einer Aktiengesellschaft
mit Sitz in Deutschland zukünftig offen stehen wird.
E. Ausblick
Es wird sich erst in Zukunft herausstellen, ob aus den größeren Personalisierungsmöglichkeiten der monistischen SE eine effizientere Unternehmensleitung resultiert, die die Praxis attraktiver findet. Wegen des nicht unerheblichen Aufwandes
zur Gründung einer SE sowie den besonderen Gründungsvoraussetzungen gem.
Art. 2 SE-VO wird die Schaffung eines mächtigen leitenden geschäftsführenden
Direktors kein ausschlaggebendes Motiv für die Gründung einer SE etwa in Form
der Umwandlungs-SE1236 werden. Vielmehr ist zu erwarten, dass die Gründung
einer Umwandlungs-SE vor allem psychologisch motiviert ist, um den europäischen Charakter der Gesellschaft hervorzuheben.1237 Wird aber die SE aus anderen Gründen angestrebt, so kann die Möglichkeit eines leitenden geschäftsführenden Direktors durchaus ein Grund für die Wahl des monistischen Systems
sein.1238
Schließlich könnte die Einführung der SE dazu führen, dass die Wahlmöglichkeit zwischen monistischem und dualistischem System auch für die deutsche AG
eröffnet wird.1239 Bis vor kurzem wurde in Deutschland kein Bedürfnis für die
Einführung des monistischen Systems gesehen, weil die Gleichwertigkeit beider
Systeme der Unternehmensleitung anerkannt war und die Einführung des monistischen Systems einen großen Aufwand erfordert.1240 Die SE-Verordnung hat nun
den deutschen Gesetzgeber zu einer Ausgestaltung des monistischen Systems
verpflichtet, die problemlos auf die deutsche Aktiengesellschaft übertragen wer-
1236 Art. 2 Abs. 4 SE-VO.
1237 Blanquet, ZGR 2002, 20 (48); Kallmeyer, AG 2003, 197 (200); Wenz, AG 2003, 185 (195).
1238 Vgl. Schiessl, ZHR 2003, 235 (239).
1239 Theisen/Hölzl, in: Theisen/Wenz (Hrsg.), Die Europäische Aktiengesellschaft, S. 269
(317); Kübler, ZHR 2003, 222 (231). Umgekehrt empfiehlt Nicaise, Journal des tribunaux
2002, 481 (487) mit Blick auf die SE die allgemeine Einführung des dualistischen neben
dem monistischen System in Belgien. Vgl. auch die Empfehlung im Aktionsplan der EU-
Kommission, S. 15.
1240 Rieger, FS Peltzer, S. 339 (348).
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den kann. Darüber hinaus ist heute anerkannt, dass zwar keines der beiden
Modelle der Unternehmensleitung dem anderen grundsätzlich überlegen ist, aber
ein bestimmtes Modell für das einzelne Unternehmen durchaus besser geeignet
sein kann.1241 Aus diesen Gründen erscheint nun eine zukünftige allgemeine Einführung des monistischen Systems durchaus realistisch.1242 Dann könnten auch
rein deutsche Aktiengesellschaften einen echten CEO schaffen, der möglicherweise die weitere Reformdiskussion um eine Stärkung des Vorstandsvorsitzenden
beenden würde.1243
Die monistische SE wird aber nur dann zu einem Motor für die allgemeine Einführung des monistischen Systems werden, wenn sich ihre Unternehmensverfassung in der Praxis bewährt. Aus diesem Grunde sind sowohl die Schaffung eines
praktikablen Rechtsrahmens im SEAG als auch die zeitnahe Ergänzung des Deutschen Corporate Governance Kodex um Regelungen zur Kontrolle des leitenden
geschäftsführenden Direktors besonders wichtig.
1241 Henssler, FS Ulmer, S. 193 (201); Schiessl, ZHR 2003, 235 (250).
1242 Der Bericht der Hochrangigen Expertengruppe, S. 63 empfiehlt ebenfalls, für börsennotierte Unternehmen beide Systeme der Unternehmensleitung zuzulassen.
1243 So auch die Schlussfolgerung von v. Hein, ZHR 2002, 464 (502); Teichmann, BB 2004,
53 (55).
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References
Zusammenfassung
Die Studie analysiert die Personalisierungsmöglichkeiten für eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Deutschland. Untersucht werden sowohl die klassische Aktiengesellschaft als auch die seit 2004 mögliche Europäische Aktiengesellschaft (SE).
Ausgangspunkt der Untersuchung ist eine Systematisierung des Kollegialprinzips sowie der bereits im Gesetz angelegten Personalisierungsmöglichkeiten, wie der Vorstandsvorsitzende und der Vorstandssprecher. Sodann wird erörtert, auf welchen Faktoren deren faktische Macht beruht und wo die gesetzlichen Grenzen liegen. Daraus leitet die Autorin ab, ob die bestehenden gesetzlichen Regeln noch angemessen sind.
Darüber hinaus werden die Personalisierungsmöglichkeiten bei einer Europäischen Aktiengesellschaft (mit Sitz in Deutschland) aufgezeigt, und zwar zunächst für eine SE mit dem sogenannten dualistischen Leitungssystem. Für die SE mit monistischem System untersucht die Autorin rechtsvergleichend, inwieweit die Regelungen des deutschen SE-Ausführungsgesetzes bestehenden Corporate Governance-Grundsätzen entsprechen. Außerdem schlägt sie Regelungen über die monistische SE zur Aufnahme im Deutschen Corporate Governance Kodex vor.