145
Vergleich zum leitenden geschäftsführenden Direktor eher zweitrangig sein794
und stark von den Regelungen in der Geschäftsordnung sowie den jeweiligen Persönlichkeiten abhängen.
III. Der (leitende) Geschäftsführer
1. Art. 43 Abs. 1 S. 2 bzw. Art. 43 Abs. 4 SE-VO
Die monistische SE bietet nicht nur innerhalb des Verwaltungsorgans, sondern
auch innerhalb der ausgegliederten Führung des Tagesgeschäfts ein Personalisierungspotenzial. Die monistische SE scheint dort auf den ersten Blick sogar die
Schaffung eines CEO oder PDG zu ermöglichen.795 Wie bereits erwähnt wurde,
ist Grundlage für die Bestellung von Geschäftsführung bzw. geschäftsführenden
Direktoren, wie sie in der deutschen monistischen SE heißen sollen, nicht Art. 43
Abs. 1 S. 1 SE-VO, sondern Art. 43 Abs. 4 SE-VO. Daraus folgt allerdings nur,
dass ein oder mehrere Geschäftsführer ernannt werden können, während über die
Organisation der Geschäftsführer und damit über die Möglichkeit der Schaffung
eines obersten oder leitenden Geschäftsführers in der SE-Verordnung keine Aussagen getroffen werden.
2. Der US-amerikanische Chief Executive Officer (CEO)
a) Bezeichnung
Bei der näheren Betrachtung der Rolle des obersten Geschäftsführers bei der USamerikanischen corporation ist zunächst auffällig, dass er verschieden bezeichnet wird. Dies folgt daraus, dass die meisten Gesetze heute weder seine Rolle
noch die der anderen officers näher regeln, während früher alle corporations über
einen sog. president verfügen mussten.796 Daneben war auch die Bezeichnung general manager gebräuchlich. Bei der public corporation wird der president heute
in der Praxis meist Chief Executive Officer (CEO) genannt.797 Es ist auch möglich,
dass eine Gesellschaft sowohl über einen CEO als auch einen president verfügt
794 Merkt, ZGR 2003, 650 (657) erwartet dagegen, dass er sogar die »Schlüsselfigur des Managements« werden kann.
795 Theisen/Hölzl, in: Theisen/Wenz (Hrsg.), Die Europäische Aktiengesellschaft, S. 269
(306); Reichert/Brandes, Münchner Komm., Art. 45 Rn. 26; Gruber/Weller, NZG 2003,
297 (300 f.); Teichmann, ZGR 2002, 383 (444); Lutter/Kollmorgen/Feldhaus, BB 2007,
509 (509).
796 Steindl, US-Board und Aufsichtsrat, S. 40.
797 Solomon/Schwartz/Bauman/Weiss, Corporations, S. 354; Steindl, US-Board und Aufsichtsrat, S. 75.
146
und einer von beiden oder ein Dritter die Funktion des chairman wahrnimmt.798
Aufgrund der üblichen Personenidendität wird stellenweise auch der reine chairman als president bezeichnet.799 Letztlich können allein die bylaws darüber Aufschluss geben, welcher Titel vergeben wird und welche Kompetenzen sich daran
anknüpfen.800 Im Übrigen ist aber mit der Verleihung des Titels allein keine besondere Rechtsposition verbunden.801
Für die nachfolgende Darstellung wird für den obersten Geschäftsführer nur
die Bezeichnung CEO verwandt, was der heute überwiegenden Praxis bei der
public corporation entsprechen dürfte. Geht es um die Fälle, in denen der CEO
gleichzeitig der chairman ist, so wird dies gesondert hervorgehoben.
b) Bestellung und Abberufung
Der CEO wird wie alle executive officers vom board bestellt und abberufen.802
Eine Abberufung war nach common law nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes möglich.803 Heute ist die jederzeitige Abrufbarkeit der officers gesetzlich vorgeschrieben.804 Dies ist ein bedeutsames Gegengewicht zur Machtfülle des
CEO.805 Allerdings besteht die jederzeitige Abrufbarkeit des CEO aus dem board
bzw. aus dem Amt als executive officer wegen seiner Dominanz gegenüber dem
board oft nur theoretisch.806 Darüber hinaus berechtigt die Abberufung ohne
wichtigen Grund den CEO ggf. zum Schadensersatz.807
c) Formale Rechtsstellung des CEO
Da das Gesetz die Rolle des CEO nicht regelt, findet sich dort auch keine
Aufgabenbeschreibung. Die Ernennung der officers erfolgt allgemein zu dem
Zweck, für das board einzelne Leitungsaufgaben wahrzunehmen.808 Dies betrifft
insbesondere die Leitung des Tagesgeschäfts. Die spezifische Aufgabe des CEO
wird auch in der Abgabe von Empfehlungen für die strategische Ausrichtung an
das board sowie in der Repräsentation der Gesellschaft gesehen.809
798 Cary/Eisenberg, Cases and Materials on Corporations, S. 299.
799 CalPERS, part V.
800 Bleicher/Paul/Leberl, Unternehmensverfassung und Spitzenorganisation, S. 175 ff.
801 Elsing/Van Alestine, US-amerikanisches Handels- und Wirtschaftsrecht, Rn. 603.
802 Vgl. § 8.40(b) RMBCA; § 142(a) DelGCL.
803 Lattin, Corporations, S. 243.
804 § 8.43(b) RMBCA; § 142(b) DelGCL.
805 Kübler, BB 2002, Heft 12, Die Erste Seite.
806 Siehe unten 4. Teil C.III.2.e).
807 Dies ist nicht ausdrücklich kodifiziert, folgt aber aus dem Anstellungsvertrag des CEO.
808 Vgl. Official Comment to § 8.01 RMBCA.
809 CalPERS, Appendix A.
147
Allein mit der der Ernenung zum president bzw. CEO waren nach common law
noch keine besondere Befugnisse (authority) verbunden.810 Dies betrifft sowohl
Vertretungs- als auch Geschäftsführungsbefugnisse, da im anglo-amerikanischen
Recht nicht zwischen beiden unterschieden wird. Vielmehr mussten dem CEO
jegliche Rechte gesondert in den bylaws eingeräumt werden. Heute ist auch ohne
ausdrückliche Regelung eine Einzelvertretungsmacht (inherent authority) des
CEO im Rahmen des gewöhnlichen Geschäftsgangs (»ordinary business transactions«) anerkannt.811 Die Befugnisse des boards werden aber dadurch nicht vermindert, d. h. das board kann weiterhin jede Angelegenheit an sich ziehen.812
Unklar bleibt, welche Geschäfte im Einzelnen dem gewöhnlichen Geschäftsgang zuzurechnen sind.813 Die Fallpraxis hilft hier nur wenig weiter. So wurde
entschieden, dass Immobiliengeschäfte und das Führen eines Rechtsstreits einer
gesonderten Ermächtigung durch das board bedürfen.814 Darüber hinaus hat der
CEO die Personalhoheit unterhalb der officer-Ebene, d. h. für alle Positionen,
über deren Besetzung nicht das board entscheidet.815 Die ALI Principles formulieren, dass dem CEO solche Geschäfte entzogen sind, die zu einer erheblichen
Änderung der Struktur der Gesellschaft oder der Kontrolle über die Gesellschaft
führen.816 Eine weitere Konkretisierung wird dadurch erreicht, dass durch die
Einzelgesetze bestimmte Angelegenheiten zwingend dem board zugewiesen werden, etwa die Feststellung der Dividende.817 Da aber die anderen Aufgaben des
boards ebenfalls nicht im Gesetz, sondern nur in den Kodizes in unterschiedlicher
Weise definiert werden, bestehen hinsichtlich der gesetzlichen Kompetenzverteilung zwischen board und officers viele Zweifelsfälle.818 Teilweise ist dies auch
beabsichtigt, um den Gesellschaften eine weitgehende Gestaltungsfreiheit zu
ermöglichen. Insofern regeln weiterhin vorrangig die bylaws, welche Aufgaben
in die Kompetenz des CEO und der anderen officers fallen und welche dem board
vorbehalten sind.819
810 Black v. Harrison Home Co., 155 Cal. 121, 126; Federal Services Finance Corp. v. Bishop
Nat. Bank of Hawaii at Honolulu, 190 F.2d 442 (9th Cir. 1951). Vgl. dazu Elsing/Van Alestine, US-amerikanisches Handels- und Wirtschaftsrecht, Rn. 603.
811 Memorial Hospital Ass’n of Stanislaus County v. Pacific Grape Products Co., 45 Cal.2d
634, 637, 290 P.2d 481, 483 (1955); vgl. ALI Principles, Reporter’s Note to § 3.01.
812 Kessler, RIW 1998, 602 (609).
813 Cary/Eisenberg, Cases and Materials on Corporations, S. 299.
814 Covington Housing Development Corp. v. City of Covington, 381 F.Supp. 427
(E.D.Ky.1974), affirmed, 513 F.2d 630 (6th Cir.1975).
815 Lee v. Jenkins Bros., 268 F.2s 357 (2d Cir.1959).
816 ALI Principles, Reporter’s Note to § 3.01.
817 § 6.40 RMBCA; § 141(c) (1) DelGCL.
818 Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rn. 607.
819 V. Hein, RIW 2002, 501 (504).
148
d) Die Stellung der anderen officers
(1) Weisungsabhängigkeit
Wie bereits erwähnt wurde, ist nach den meisten Gesetzen die Bestellung eines
einzelnen officer, der alle Aufgaben des Tagesgeschäfts und die Funktion des
CEO wie auch des secretary820 wahrnimmt, möglich. In der Praxis werden aber
zumeist mehrere officers ernannt, die nicht notwendigerweise auch Mitglieder
des boards sein müssen und deren Verhältnis zueinander sich ebenfalls nach den
bylaws bestimmt. Obwohl nach dem Gesetz auch eine kollegiale Organisation der
officers mit dem CEO als »primus inter pares« möglich wäre, sehen die bylaws
durchgängig eine Weisungsabhängigkeit der übrigen officers vom CEO vor.821
Dies wird zwar in der US-amerikanischen Literatur nicht mit dem Begriff Direktorialprinzip gekennzeichnet, entspricht aber dem deutschen Verständnis dieses
Prinzips. Die näheren Gründe für die Herausbildung des Direktorialprinzips in
der Praxis sind noch nicht untersucht worden. Ein entscheidender Grund dürfte
die Ermöglichung einer effizienteren Leitung sein,822 während gleichzeitig das
entstehende Kontrolldefizit aufgrund der Beschränkung des Direktorialprinzips
auf das Tagesgeschäft vertretbar erscheint. Weiterhin ist zu vermuten, dass aufgrund der Gruppendynamik stets ein Einzelner eine Führungsrolle übernimmt.
Außerdem ist die Leitung durch eine Person kennzeichnend für alle Bereiche der
amerikanischen Gesellschaft. Die Dominanz des CEO ist insofern ein Beispiel für
die sog. Pfadabhängigkeit (»path dependency«) des Gesellschaftsrechts.823 Diese
These von der Pfadabhängigkeit besagt, dass die Besonderheiten des nationalen
Gesellschaftrechts mit der spezifischen historischen Entwicklung eines Landes
verknüft sind.824
Infolge der Weisungsabhängigkeit besteht ein klares Über-/Unterordnungsverhältnis zwischen dem CEO und den übrigen officers. Zwar wird in der jüngsten
Literatur nicht nur die Bedeutung des boards, sondern auch der übrigen officers
als Gegengewicht zum CEO betont,825 aber angesichts der ausdrücklichen Weisungsabhängigkeit haben sie weiterhin nur eine schwache Stellung.
(2) Gleichzeitige Mitgliedschaft im board
Das Weisungsrecht des CEO ist ein in den bylaws formalisiertes Recht. Darüber
hinaus begünstigen aber noch andere Umstände die Dominanz des CEO. So ist
820 Zum secretary siehe oben 4. Teil B.II.2.
821 Witt, in: Nippa/Petzold/Kürsten (Hrsg.), Corporate Governance, S. 41 (66).
822 V. Hein, RIW 2002, 501 (507) unter Bezug auf ALI Principles, Comment to § 3.01.
823 V. Hein, ZHR 2002, 464 (467, 491).
824 Hopt, ZGR 2000, 779 (798).
825 Bainbridge, Vand. L. Rev. 2002, 1 (9); Dallas, San Diego Law Review 2003, 781 (802,
816). Für England auch Stiles/Taylor, Boards at Work, S. 74.
149
bei den meisten Unternehmen nur ein weiterer executive officer neben dem CEO
im board vertreten.826 Ein solches board mit maximal zwei inside directors wird
supermajority independent board genannt.827 In manchen Unternehmen ist der
CEO sogar der einzige executive officer im board.828
Durch den Ausschluss der anderen officers ist in diesem Fall der Anteil der
non-executive directors im board zwangsläufig sehr hoch. Allerdings erhalten
diejenigen officers, die nicht zugleich im board sitzen, nur über den CEO Informationen über die strategischen Entscheidungen des boards.829 Der fehlende
direkte Kontakt zum board, das den CEO ggf. abberufen könnte, schreckt die
anderen officers außerdem von einer effektiven Kontrolle des CEO ab.
(3) Das executive committee
Ein weiteres Instrument zur Festigung der Macht des CEO innerhalb des Managements ist das executive committee. Seine Errichtung ist auch nach den bestehenden Kodizes nicht zwingend, dennoch ist es wohl die älteste Form eines committees.830 Früher war das executive committee die Versammlung der executive directors unter dem Vorsitz des CEO und hatte die Aufgabe, das gesamte board zwischen dessen Sitzungen zu vertreten.831 Im Unterschied zu anderen committees
war es also kein Überwachungsinstrument des boards, sondern ein Hilfsmittel des
CEO zur Organisation des Tagesgeschäfts.
Heute soll das executive committee ein Bindeglied zwischen board und officers
darstellen. Es besteht in der Regel aus einigen, aber nicht notwendigerweise allen
executive directors sowie einigen non-executive directors einschließlich des
chairman.832 Allerdings ist die Bedeutung des executive committees heute aufgrund der anderen committees eher gering.833 Geleitet wird es noch immer vom
CEO, der dadurch Einfluss auf die Informationsversorgung der non-executive
826 Korn/Ferry Int’l, 32th Annual Board of Directors Study, S. 36. Eine Besetzung mit nur ein
oder zwei executive directors empfiehlt das Corporate Director’s Guidebook, Bus. Law.
2001, 1571 (1590).
827 Bhagat/Black, Bus. Law. 1999, 921 (924). Begrifflich wird der CEO stellenweise selbst
bei einer board-Mitgliedschaft nicht als executive bzw. inside director bezeichnet, sondern
durch die Verwendung des CEO-Titels von den übrigen executive directors getrennt, vgl.
Hamilton, J. Corp. L. 2000, 349 (361).
828 Dies ist bei fast einem Viertel der S&P 500 Unternehmen der Fall, vgl. Monks/Minow,
Corporate Governance, S. 166. Vgl. auch die entsprechende Empfehlung des NACD,
Report of the NACD Blue Ribbon Commission on Director Professionalism, 1996, S. 9.
829 Lin, Nw. U. L. Rev. 1996, 898 (966).
830 Louden, The Director, S. 120.
831 Solomon/Schwartz/Bauman/Weiss, Corporations, S. 368; Hamilton, J. Corp. L. 2000, 349
(351); Kessler, RIW 1998, 602 (610).
832 Korn/Ferry Int’l, 32th Annual Board of Directors Study, S. 36; Steindl, US-Board und Aufsichtsrat, S. 100.
833 Steindl, US-Board und Aufsichtsrat, S. 101. Vgl. auch die Streichung aus dem official comment zu § 8.25 RMBCA.
150
directors im executive committee und damit letztendlich auch des boards nehmen
kann. Die externen executive officers gehören dagegen diesem Ausschuss des
boards auch heute regelmäßig nicht an und sind hinsichtlich der Vorgänge im
board auf die Information durch des CEO angewiesen. Damit führen sowohl die
teilweise Mitgliedschaft im board als auch im executive committee zu einer mehrstufigen Hierarchiebildung innerhalb der executive officers.834
e) Die Stellung des »klassischen« CEO gegenüber dem board
Die exponierte Stellung des CEO gegenüber den anderen officers ist nicht der
Hauptgrund für die Übermacht des CEO im board. Diese beruht vielmehr darauf,
dass der CEO nicht nur die übrigen officers, sondern auch das board faktisch dominiert.835 Nach den bestehenden gesetzlichen Regelungen liegt auf der einen
Seite die Letztverantwortung für die Leitung der Gesellschaft noch immer beim
board und nicht bei den executive officers.836 Die officers einschließlich des CEO
sind vielmehr nur Delegierte des board, das ihnen bestimmte Aufgaben überträgt
und Weisungen erteilen kann. Daher ist die formale Rechtsstellung des CEO im
Gegensatz zum Vorstand im dualistischen System viel schwächer.
Auf der anderen Seite sind im monistischen System die faktischen
Einwirkungsmöglichkeiten des CEO auf das board viel größer.837 Diese gründeten sich in der Vergangenheit auf mehrere Faktoren. So war das board nur unzureichend über die Vorgänge der Geschäftsführung informiert, weil es zu selten
tagte.838 Darüber hinaus bestand es im Gegensatz zu heute überwiegend aus executive directors, die im Tagesgeschäft vom CEO weisungsabhängig waren und
seiner Meinung auch im board folgten.839 Die Einflussnahme des CEO auf das
board wurde weiterhin dadurch maßgeblich erleichtert, dass er fast durchgängig
der chairman war (»dual CEO«).840 Auf diese Weise konnte der CEO stets seine
eigene Wiederwahl und die Bestellung der von ihm ausgewählten executive
officers durch das board absichern.841 Gleichfalls bestimmte er so über die Kandidatenliste für die Direktorenposten. Die Aufnahme in die Kandidatenliste
834 Bleicher/Paul/Leberl, Unternehmensverfassung und Spitzenorganisation, S. 225.
835 Anderson/Anthony, The New Corporate Director, S. 47: »Some CEOs regard the board as
an unfortunate, but necessary, legal nuisance.«; Charkham, Keeping Good Company, S.
182: »When examining corporate governance in the USA, the place to start is not the board
but the chief executive officer.«; v. Hein, RIW 2002, 501 (502 f.).
836 Vgl. § 8.01 (b) RMBCA; § 141(a) DelGCL.
837 Ausführlich dazu v. Hein, RIW 2002, 501 (502 f.). Vgl. auch Leyens, RabelsZ 2003, 57
(92); Teichmann, ZGR 2001, 645 (669).
838 Ausführlich zu den Gründen für die Dominanz des CEO Hamilton, J. Corp. L. 2000, 349
(351); vgl. auch v. Hein, RIW 2002, 501 (503); Windbichler, ZGR 1985, 50 (56)
839 Hamilton, J. Corp. L. 2000, 349 (351).
840 Hamilton, J. Corp. L. 2000, 349 (351); R. Lowenstein, Wall Street Journal vom 18.04.1996,
S. C1: »Corporate Governance’s Sorry History«.
841 Shultz, The Board Book, S. 27; v. Hein, RIW 2002, 501 (503).
151
führte regelmäßig zur Wahl durch die Hauptversammlung, da diese regelmäßig
über die gesamte Liste zusammen abstimmt und die Wahlvorschläge annimmt.842
Dies wurde noch durch die im US-amerikanischen Recht bestehende Möglichkeit
des proxy votings begünstigt, wonach sich ein proxy committee bestehend aus
dem CEO und anderen officers die Stimmen von Aktionären für die Hauptversammlung übertragen lassen kann.843
f) Die Rolle des CEO angesichts der Stärkung der Unabhängigkeit des
boards
Die Entmachtung des board durch den CEO führte schon lange vor Enron und den
anderen jüngsten Unternehmenszusammenbrüchen zu krassen Missständen und
Fehlentwicklungen.844 So gab es seit den 70er Jahren Bemühungen, das board als
Kontrollorgan (»monitoring board«) zu stärken und damit die Rolle des Managements, insbesondere des CEO, zurückzudrängen.845 Es wurden verschiedene unverbindliche Corporate Governance Kodizes erarbeitet. Gerade am Fall Enron
wurde deutlich, dass trotz aller Bemühungen in der Praxis noch immer übermächtige CEOs existierten.846 In der Folge der Zusammenbrüche von Enron und
WorldCom wurden mit dem Sarbanes-Oxley-Act (SOA) 2002847 gesetzliche Regelungen erlassen, die eine Kontrolle des Managements bzw. insbesondere des
CEO gewährleisten sollen. Nachfolgend wird daher die heutige Rolle des CEO
vor dem Hintergrund der Corporate Governance-Regelungen im Gesetz, den
Börsenzulassungsvorschriften und den einschlägigen Kodizes dargestellt, da nur
ein solcher eingeschränkter CEO Vorbild für die monistische SE sein kann.
(1) Erhöhung der Anzahl der independent directors
Eine Stärkung des boards soll zum einen durch die Erhöhung des Anteils an nonexecutive directors und insbesondere der independent directors erreicht wer-
842 Dazu schon Berle/Means, The Modern Corporation, S. 84 ff. Vgl. auch Black, UCLA L.
Rev. 1992, 811 (818); Windbichler, ZGR 1985, 50 (56).
843 Hamilton, J. Corp. L. 2000, 349 (351).
844 Vgl. Burrough/Helyar, Barbarians at the Gate; Monks/Minow, Power and Accountability.
845 Black, UCLA L. Rev. 1992, 811 (841); v. Hein, RIW 2002, 501 (503 ff.); Windbichler,
ZGR 1985, 50 (54 ff.).
846 E. Thomas, Newsweek vom 18.02.2002, S. 22: »Every Man for Himself«: »Over the years,
Jeff [Skilling, Enron CEO] changed. He became more of a creature of his own creation.
His hubris came to outweigh some of the more attractive parts of his personality. He became
more intolerant, more opinionated, more bombastic. Jeff was always right, and that got
worse. He had a little bit of a God syndrome.«
847 Public Company Accounting Reform and Investor Protection Act of 2002, Pub. L. No. 107-
204, 116 Stat. 745 (2002). In der Folge wurden auch die Börsenzulassungsregelungen den
Vorgaben des SOA angepasst, vgl. NYSE Listed Company Manual, siehe oben Fn. 581.
152
den.848 Die Corporate Governance Kodizes empfehlen überwiegend eine Mehrheit von independent directors im board,849 die aber unterschiedlich definiert
wurden.850 Teilweise wurde sogar dafür plädiert, die Unabhängigkeit der independent directors im Verhältnis zum CEO und nicht zum Management insgesamt zu
definieren.851
Über die Börsenzulassungsregeln wurde früher nur eine Mindestanzahl von
drei independent directors, aber kein bestimmter Anteil durchgesetzt.852 Der Sarbanes-Oxley-Act verschärft nun die Anforderungen an ihre Unabhängigkeit insofern, als bestimmte Ausschlusskriterien für die Qualifikation als independent
director im Zusammenhang mit der Besetzung der audit committees formuliert
wurden.853 Darüber hinaus muss nun die Unabhängigkeit der independent directors durch einen Beschluss des boards ausdrücklich festgestellt werden. Die daraufhin angepassten Börsenzulassungsvorschriften fordern zusätzlich, dass die
Hälfte der Mitglieder des boards aus independent directors besteht.854 Darüber
hinaus werden separate Treffen der non-executive directors gefordert.855
Allerdings ist der Nutzen eines hohen Anteils von independent directors nicht
völlig unumstritten. So zeigte eine unveröffentlichte Studie, dass der Anteil der
independent directors keine signifikanten positiven Auswirkungen auf den Unternehmenserfolg hat.856 Auch gemessen an anderen Parametern wie der Abberufung
des CEO, des Verhaltens bei Übernahmen oder der Vergütung des Managements
konnten bisherige Studien keinen positiven Einfluss der independent directors
auf die Unternehmensleitung nachweisen.857 Für eine gewisse Anzahl von executive directors spricht, dass sie eine bessere Kontrolle des CEO im Bereich der täglichen Geschäftsführung erlauben858 und ein potentieller Nachfolger für den CEO
sich zunächst als executive director im board erproben kann.859 Auch legen empirische Studien nahe, dass eine gemäßigte Anzahl von executive directors (drei bis
fünf in einem durchschnittlichen elfköpfigen board) die Profitabilität des
848 Zu den verschiedenen Arten von directors siehe oben 4. Teil B.II.2.
849 ALI Principles, § 3A.01; BRT-Statement, S. 10; CalPERS, para. III.A.1; Corporate Director’s Guidebook, Bus. Law. 2001, 1571 (1590). Black, UCLA L. Rev. 1992, 811 (842)
spricht sich weiterhin dafür aus, dass nicht nur allgemein mehr independent directors im
board vertreten sind, sondern gerade Vertreter der institutionellen Anleger, da diese eine
bessere Überwachung gewährleisten können.
850 BRT-Statement, S. 11; CalPERS, Appendix B-1; Corporate Director’s Guidebook, Bus.
Law. 2001, 1571 (1591).
851 Vgl. die Nachweise bei Bhagat/Black, Bus. Law. 1999, 921 (941, 953).
852 NYSE Listed Company Manual i. d. F. vom 20.12.1999, § 303.01(B)(2).
853 Sec. 301(3) SOA.
854 NYSE Listed Company Manual, §§ 303A.01, 303A.02.
855 NYSE Listed Company Manual, § 303A.03.
856 Vgl. Bhagat/Black, Bus. Law. 1999, 921 (947).
857 Vgl. die umfangreiche Zusammenfassung der Studien bei Bhagat/Black, Bus. Law. 1999,
921 (925 ff.). Einen gewissen Zusammenhang belegt dagegen Black, UCLA L. Rev. 1992,
811 (840).
858 Siehe oben 4. Teil C.III.2.d.(2).
859 Bhagat/Black, Bus. Law. 1999, 921 (953); a.A.: Shultz, The Board Book, S. 67.
153
Unternehmens aufgrund des höheren Sachverstandes verbessern.860 Umgekehrt
wird es aber auch für untunlich gehalten, gerade den CEO aus dem board auszuschließen und nur andere officers zuzulassen.861
In der Praxis verfügen heute viele börsennotierte Gesellschaften bereits über
mehrheitlich aus independent directors bestehende boards.862 Überwiegend existieren auch separate Treffen dieser independent directors oder zumindest der
non-executive directors, die unter der Leitung eines lead independent directors
organisiert sind.863
Die Erhöhung der Anzahl der independent directors schränkt indirekt auch die
gleichzeitige Mitgliedschaft in mehreren boards ein, was den Einfluss des CEO
ebenfalls verringert. Die überwiegende Mehrzahl der CEOs war bisher zugleich
als executive oder non-executive directors Mitglied in den boards anderer Unternehmen. Sie stützten sich auf diese Weise gegenseitig, insbesondere im Falle
wechselseitiger Verflechtung.864 Dies wird zwar oft kritisiert,865 derzeit gibt es
aber keine Pläne, gegen diese wechselseitigen Verflechtungen gesetzlich vorzugehen. Zumindest können sie meistens nicht als unabhängig vom Management
der anderen Gesellschaft gelten. Außerdem beschränken viele Gesellschaften im
Anstellungsvertrag die Mitgliedschaft des CEO in anderen boards auf zwei bis
drei Sitze.866
(2) Errichtung von committees
Weiterhin soll die Errichtung von committees die Kontrolltätigkeit des boards
stärken.867 Dies sind vor allem das audit committee, das nominating committee
und das remuneration committee, die zusammenfassend auch monitoring committees genannt werden.868 Das audit committee muss nach dem Sarbanes-Oxley-Act
vollständig aus independent directors bestehen und soll die von den officers vorgenommene Rechnungslegung überwachen.869 Es dient somit der Kontrolle des
Managements bezüglich der Erledigung der Rechnungslegung, führt aber nicht in
860 Vgl. Bainbridge, Vand. L. Rev. 2002, 1 (35), Fn. 156 m.w.N; Bhagat/Black, Bus. Law.
1999, 921 (922).
861 Hamilton, J. Corp. L. 2000, 349 (361).
862 Black, UCLA L. Rev. 1992, 811 (841); Hamilton, J. Corp. L. 2000, 349 (361).
863 Vgl. dazu unten 4. Teil C. III. 2 f) (3).
864 Monks/Minow, Corporate Governance, S. 187. Für die Praxis in England auch Cheffins,
Company Law, S. 105.
865 Dallas, San Diego Law Review 2003, 781 (793). NACD, Report of the NACD Blue Ribbon
Commission on Director Professionalism, Washington 1996, S. 12.
866 Korn/Ferry Int’l, 32th Annual Board of Directors Study, S. 48.
867 Hertig, in: Baums/Hopt/Horn (Hrsg.), Corporations, Capital Markets and Business in the
Law, S. 265 (278 f.).
868 Bhagat/Black, Bus. Law. 1999, 921 (945).
869 Sec. 301(3)(A) SOA; NYSE Listed Company Manual, § 303A.06 u. § 303A.07.
154
dem Maße wie die beiden anderen committees zu einer Beschränkung der faktischen Stellung des CEO. Insofern soll es hier nicht näher betrachtet werden.
(i) Nominating committee
Das nominating committee soll hauptsächlich den Einfluss des Managements bei
der Bestellung der directors zurückdrängen, indem es für diese Positionen geeignete Vorschläge an das board zur Weiterleitung an die Hauptversammlung unterbreitet.870 Daneben wird ihm oft die Suche nach einem geeigneten Nachfolger für
den CEO und die Nominierung der übrigen officers, die dann vom gesamten
board gewählt werden, übertragen.871 In vielen Bundesstaaten ist es gesetzlich zulässig, dass das nominating committee nicht nur die Entscheidung über die Nominierung, sondern über die eigentliche Bestellung der officers trifft.872
Für die Errichtung und Zusammensetzung der Ausschüsse mit Ausnahme des
audit committee gibt es keine gesetzlichen Vorschriften. Gesetzlich ist nur
bestimmt, dass das board Ausschüsse errichten kann.873 Die meisten Gesellschaften haben aber in der Praxis bereits ein nominating committee errichtet.874 Dies
ist nun nach den Börsenzulassungsregeln auch zwingend.875
Die Kodizes empfehlen eine Besetzung des nominating committees mit ausschließlich non-executive directors876 oder sogar independent directors.877
Gleichzeitig wird es für wünschenswert gehalten, dass die Personalpolitik mit
dem CEO abgesprochen wird.878 In der Literatur wird teilweise dafür plädiert,
dass der CEO im nominating committee über die Nominierung der non-executive
directors entscheiden soll,879 was aber angesichts der Kontrollbedürftigkeit des
CEO wenig sachgerecht sein dürfte. In der Praxis ist die Mitgliedschaft des CEO
und anderer executives im nominating committee rückläufig.880 Diese Entwicklung wird seit 2003 durch die Börsenzulassungsregeln verstärkt, die eine aus-
870 ALI Principles, § 3A.04(b)(1); Corporate Director’s Guidebook, Bus. Law. 2001, 1571
(1609).
871 ALI Principles, Comment to § 3A.04(b)(1); Corporate Director’s Guidebook, Bus. Law.
2001, 1571 (1610).
872 Official comment to § 8.25 RMBCA.
873 § 8.25(a) RMBCA; § 141(c) (1) DelGCL.
874 Korn/Ferry Int’l, 32th Annual Board of Directors Study, S. 34.
875 NYSE Listed Company Manual, § 303A.04(a).
876 Corporate Director’s Guidebook, Bus. Law. 2001, 1571 (1608). ALI-Principles,
§ 3A.04(a) fordert gleichzeitig eine Mehrheit von independent directors.
877 CalPERS, para. III.A.4. Auch das Corporate Director’s Guidebook, Bus. Law. 2001, 1571
(1597), erkennt an, dass für die wichtigsten committees zunehmend eine ausschließliche
Besetzung mit independent directors gefordert wird.
878 Vgl. die Zusammenstellung bei v. Hein, RIW 2002, 501 (505), Fn. 64.
879 Louden, The Director, S. 139.
880 Kraakman, in: Feddersen/Hommelhoff/Schneider (Hrsg.), Corporate Governance, S. 129
(139).
155
schließliche Besetzung des nominating committees mit independent directors
verlangen.881 Allerdings ist der Nutzen von independent directors in den committees bzw. der allgemeine Nutzen der committees bisher ebensowenig empirisch
belegt wie der Nutzen der independent directors im gesamten board.882
Im Zusammenhang mit seiner Nominierungsaufgabe soll das nominating committee oder ein gesondertes corporate governance committee die Tätigkeit des
CEO (wie auch der anderen executive officers und directors) laufend individuell
evaluieren.883 Während dies für den CEO fast durchgängige Praxis ist,884 fehlt eine
individuelle Evaluierung der übrigen directors noch immer in vielen Unternehmen.885 Auch sind gestaffelte Amtszeiten weiterhin üblich, so dass das nominating committee nur alle zwei oder drei Jahre mit der Wiederwahl des einzelnen
Kandidaten befasst ist.886 Insofern kommt eine vorzeitige Abberufung der officers
noch seltener als die Ablehnung der Wiederwahl vor. In der Vergangenheit wurde
die Abberufung des CEO auch dadurch verhindert, dass die meisten boards nicht
über einen passenden Nachfolger verfügen.887 Es ist aber zu erwarten, dass die
zunehmende Verbreitung von management succession committees888 dieses Hindernis beseitigt.
(ii) Remuneration committee
Die Errichtung eines remuneration committee wird empfohlen, um eine angemessene Vergütung von directors und officers sicherstellen.889 Ein wesentlicher
Grund für die überhöhten Gehälter vieler CEOs war, dass diese durch ihren Einfluss auf das board ihr Gehalt praktisch selbst festsetzten. Ein CEO gab zu, dass
die CEO-Vergütung in den letzten Jahren die größte friedliche Vermögensver-
881 NYSE Listed Company Manual, § 303A.04(a).
882 Bhagat/Black, Bus. Law. 1999, 921 (945) m. w. N.
883 NYSE Listed Company Manual, § 303A.04(b)(i).
884 Korn/Ferry Int’l, 32th Annual Board of Directors Study, S. 59.
885 Korn/Ferry Int’l, 32th Annual Board of Directors Study, S. 58. Vgl. auch McKinsey 2002
Director Opinion Survey on Corporate Governance unter 200 directors, die zusammen in
mehr als 500 boards sitzen, zit. nach Felton/Watson, McKinsey Quarterly 4/2002, 31 (40):
15 % der befragten Unternehmen haben eine solche formelle und individuelle Evaluierung,
66 % sehen sie als wünschenswert an.
886 Heute gibt es nur in 45 % der boards eine jährliche Wahl aller Direktoren, McKinsey 2002
Director Opinion Survey on Corporate Governance, zit. nach Felton/Watson, McKinyey
Quarterly 4/2002, 31 (40).
887 McKinsey 2002 Director Opinion Survey on Corporate Governance, zit. nach Felton/Watson, McKinsey Quarterly 4/2002, 31 (40): »If our CEO ends up under a bus this morning,
who will replace it?«. 64 % der Boards konnten diese Frage nicht beantworten. Im deutschen Recht besteht oft das vergleichbare Problem bei der Ersetzung des Vorstandsvorsitzenden, vgl. Handelsblatt vom 10.2.2003, S. 17: »MAN-Chef Rupprecht fehlt der Kronprinz«.
888 Korn/Ferry Int’l, 32th Annual Board of Directors Study, S. 57.
889 ALI-Principles, § 3A.05; Corporate Director’s Guidebook, Bus. Law. 2001, 1571 (1604).
156
schiebung in der Geschichte sei.890 Die Rechtsprechung schreitet aber nur bei extremen Missverhältnissen in der Vergütung ein.891 Die Tätigkeit als director
wurde urspünglich nur durch eine Aufwandsentschädigung für die Teilnahme an
Sitzungen und die Mitwirkung in Ausschüssen vergütet. Mittlerweile erreicht die
Vergütung als director ebenfalls sechsstellige Dollarbeträge.892
Das remuneration committee hat primär die Aufgabe, einen Vergütungsvorschlag für die officers an das board zu unterbreiten.893 Wiederum kann es in den
meisten Einzelstaaten auch die endgülitige Entscheidung treffen.894 Darüber hinaus kann das remuneration committee auch den Vergütungsvorschlag für die
directors an die Hauptversammlung erarbeiten.895 In manchen Staaten kann das
board selbst diese Vergütung statt der Hauptversammlung festsetzen.896 Auch für
das remuneration committee wurde in den Kodizes gefordert, dass es nur aus nonexecutive897 oder wiederum nur aus independent directors898 bestehen soll.
Die meisten Gesellschaften verfügen inzwischen über ein remuneration (bzw.
compensation) committee.899 Seine Errichtung ist nach den Börsenzulassungsregeln auch zwingend.900 In der Praxis besteht es schon mehrheitlich aus independent directors.901 Der CEO ist üblicherweise nicht stimmberechtigtes Mitglied,
aber bei den Sitzungen anwesend.902 Die Börsenzulassungsvorschriften verlangen
nun für das remuneration committee eine ausschließliche Besetzung mit independent directors und weisen ihm die Aufgabe zu, neben der Erarbeitung von Vorschlägen für die Vergütung aller directors und officers zumindest über die Vergütung des CEO auch die endgültige Entscheidung zu treffen.903
890 Warren Buffett, CEO von Berkshire Hathaway, zitiert nach Felton/Watson, McKinsey
Quarterly 4/2002, 31 (41).
891 Rogers v. Hill, 289 U.S. 582 (1933).
892 Monks/Minow, Power and Accountability, S. 174.
893 ALI-Principles, § 3A.05(b)(1); Corporate Director’s Guidebook, Bus. Law. 2001, 1571
(1605).
894 Official comment to § 8.25 RMBCA.
895 Diese Aufgabe wird aber teilweise auch dem nominating committee übertragen, ALI Principles, Comment to § 3A.04; Corporate Director’s Guidebook, Bus. Law. 2001, 1571
(1607).
896 § 141(h) DGCC.
897 Corporate Director’s Guidebook, Bus. Law. 2001, 1571 (1604); ALI Principles, § 3A.05(a)
fordert gleichzeitig eine Besetzung mit mehrheitlich independent directors.
898 CalPERS, para. III.A.4.
899 Korn/Ferry Int’l, 32th Annual Board of Directors Study, S. 35.
900 NYSE Listed Company Manual, § 303A.05(a).
901 Korn/Ferry Int’l, 32th Annual Board of Directors Study, S. 36, wo aber eine nähere Differenzierung zwischen non-executive und independent fehlt.
902 Corporate Director’s Guidebook, Bus. Law. 2001, 1571 (1605); vgl. dazu Hamilton, J.
Corp. L. 2000, 349 (362).
903 NYSE Listed Company Manual, § 303A.05.
157
(iii)Trennung von CEO und chairman
Zur stärkeren Kontrolle des CEO wird auch in den USA seit längerem über eine
Trennung des Amtes von CEO und chairman diskutiert.904 Es wird die Meinung
vertreten, dass so nicht nur ein Machtmissbrauch des CEO verhindert werde, sondern ein non-executive chairman eine neue Perspektive in die Arbeit des boards
einbringen könne.905
Heute spricht sich eine breite Literaturansicht für die Ämtertrennung aus.906
Selbst das Conference Board, das als Vereinigung der CEOs eher deren Interessen
verteidigt, plädiert in seinem jüngsten Bericht für eine Trennung.907 Zusätzlich
sollte der chairman idealerweise noch independent sein. In einer Umfrage sprach
sich eine Mehrheit von directors ebenfalls für eine Trennung aus.908 Im Jahre
2002 gab es allerdings noch immer bei 75 % der 500 S&P Unternehmen eine Personenidentität.909
Dagegen werden von anderer Seite die Vorteile einer solchen Personenidentität
betont, insbesondere der Effizienzgewinn.910 Eine solche Gestaltung könne jedenfalls im Einzelfall besser für die Gesellschaft sein.911 Weiterhin wird teilweise
behauptet, die Trennung nähere das board zu stark dem Aufsichtsrat im dualistischen System an, da zwar keine Exklusivität der Mitgliedschaft, aber die
Abschaffung der beherrschenden Stellung des CEO im Board erreicht wird.912
904 Williams/Shapiro, Power and Accountability, S. 18. Vgl. auch Lorsch/McIver, Pawns or
Potentates, S. 184 ff.
905 Für eine Zusammenstellung der Argumente für und gegen eine Trennung siehe Dahya/
Lonie/Power, Corporate Governance 1996, 71 (72 f.).
906 Monks/Minow, Corporate Governance, S. 175 f; Bagley/Koppes, San Diego Law Review
1997, 149 (186). Vgl. auch CalPERS, para. IV.A.3; NACD, Corporate Governance Roundtable, Washington 1995, S. 6: »In nearly every recent, major corporate disaster there was
one very powerful indvidual, always the chair and chief executive, but in some cases, chair,
chief executive, and a major shareholder as well.«
907 Conference Board, Findings and Recommendations of the Commission on Public Trust
and Private Enterprise, S. 21.
908 McKinsey 2002 Director Opinion Survey on Corporate Governance, zit. nach Felton/Watson, McKinsey Quarterly 4/2002, 31 (33)
909 McKinsey 2002 Director Opinion Survey on Corporate Governance, zit. nach Felton/Watson, McKinsey Quarterly 4/2002, 31 (33). Korn/Ferry Int’l, 32th Annual Board of Directors Study, S. 50, weisen nicht einmal den Prozentsatz der Unternehmen mit einer Trennung gesondert aus, sondern untersuchen lediglich, welche Unternehmen einen lead director neben einem CEO-chairman haben.
Vgl. auch Baums, ZIP 1995, 11 (14); FAZ vom 14.02.2003, S. 11: »Weniger Macht für
den CEO«.
910 Business Roundtable, Statement on Corporate Governance, S. 13.
911 Louden, The Director, S. 107.
912 Buxbaum, in: Feddersen/Hommelhoff/Schneider (Hrsg.), Corporate Governance, S. 65
(68); Kraakman, in: Feddersen/Hommelhoff/Schneider (Hrsg.), Corporate Governance, S.
129 (129).
158
Außerdem sei es schwierig, fähige Persönlichkeiten für das Amt eines
»beschränkten« CEOs zu gewinnen.913
Überzeugender ist das Argument, dass empirische Studien bisher keinen
Beweis dafür erbringen konnten, dass eine Trennung beider Ämter wirklich zu
einer besseren Corporate Governance führt.914 Umgekehrt ist durch empirische
Studien belegt, dass bei Einführung formaler Kontrollmeachanismen wie der
Trennung von CEO und chairman die informelle Beeinflussung durch den CEO
durch Überzeugungsversuche und selektive Informationsversorgung zunimmt.915
Damit kann der Effekt dieser Kontrolle unter Umständen sogar wieder aufgehoben werden. Beispiele hierfür sind die Zusammenbrüche von Enron und World-
Com. In beiden Fällen war der chairman ein non-executive director. Bei AOL
Time Warner übernahm der CEO auch den Posten des chairman, nachdem die
Ämtertrennung den Bilanzskandal und dramatischen Fall des Aktienkurses nicht
verhindern konnte.916 Dies bestätigt den Befund, dass in schwierigen Zeiten die
Befugnisse des CEO eher noch ausgedehnt werden.917 Umgekehrt gibt es aber
viele Beispiele, bei denen erst die Ämtertrennung das Unternehmen aus der Krise
geführt hat.918 Eine andere Erklärung für die Ergebnisse der empirischen Studien
könnte sein, dass zusätzlich zur formalen Trennung auch im informalem Bereich
Reformen angestrebt werden müssen.919
Zum Teil werden – vor allem aus Kreisen der CEOs selbst – Alternativen zur
Trennung vorgeschlagen: So hält das Conference Board zwar grundsätzlich eine
Trennung für wünschenswert, aber eine Ämterhäufung von CEO und chairman
wird dann als zulässig betrachtet, wenn ein sog. presiding director oder lead
director als Repräsentant der independent bzw. aller non-executive directors
913 Bagley/Koppes, San Diego Law Review 1997, 149 (158).
914 Vgl. die Darstellung der verschiedenen Studien bei Bhagat/Black, in: Hopt/Kanda/Roe/
Wymeersch/Prigge (Hrsg.), Comparative Corporate Governance, S. 281 (291); Rechner/
Dalton, Strategic Management Journal 12/1991, 155 ff; Bagley/Koppes, San Diego Law
Review 1997, 149 (163-166). Einen gewissen Beleg finden dagegen Scott/Kleidon, in:
Baums/Buxbaum/Hopt (Hrsg.), Institutional Investors and Corporate Governance, S. 181
(196) und die englische Studie, Dahya/Lonie/Power, Corporate Governance 1996, 71 (76).
915 Westphal, ASQ 1998, 511 (528). Für das englische System Charkham, Keeping Good
Company, S. 320.
916 Richard Parson war zuvor nur CEO von AOL Time Warner, während der board-Vorsitz
beim Gründer Steve Case lag, vgl. FAZ vom 14.02.2003, S. 11: »Weniger Macht für den
CEO«. Ein weiteres prominentes Beispiel ist John Snow, ehemaliger CEO und Chairman
von CSX, der als Leiter der Conference Board Commission of Public Trust and Private
Enterprise für eine Trennung plädiert, die allerdings bei seinem Nachfolger bei CSX noch
nicht vollzogen wurde.
917 Charkham, Keeping Good Company, S. 195. FAZ vom 26.01.2002, S. 16: »Nur eine kurze
Schonzeit für die amerikanischen Firmenchefs«.
918 Bagley/Koppes, San Diego Law Review 1997, 149 (168-185)
919 Westphal, ASQ 1998, 511 (531).
159
ernannt wird.920 Dieser soll die separaten Treffen der independent directors leiten,
aber auch über die Informationsversorgung innerhalb des boards wachen und
gegebenenfalls den chairman als Sitzungsleiter vertreten. Wie sich seine Rolle
aber genau von der des CEO-chairman abgrenzt, wird nicht beschrieben.
Insgesamt ist die Schaffung eines lead directors neben einem CEO-chairman
nur eine unzureichende Alternative zur Trennung der beiden Ämter, weil seine
Funktion oft unklar ist und das Übergewicht des CEO nicht beseitigt wird. Dies
zeigt sich darin, dass zwar die Mehrzahl der directors die Schaffung eines lead
directors begrüßen, er jedoch in der Praxis bisher wenig verbreitet war.921 Im vergangenen Jahr war aber ein rapider Anstieg der Ernennung von lead directors zu
beobachten.922
Vorerst wird sich demnach in den USA nichts an der Häufigkeit der Personenidentität ändern.923 Die Personenidentität mit dem chairman ist der Hauptgrund
dafür, dass der CEO bei den meisten Gesellschaften trotz der jüngsten Corporate
Governance Entwicklung zur Stärkung des boards noch immer über eine
immense Machtfülle verfügt.924 Obwohl von vielen eine weitere Beschränkung
der Macht des CEO als notwendig erachtet wird,925 ist diese vorerst nicht zu
erwarten.
g) Haftung
Schließlich ist zu untersuchen, ob die umfangreichen Befugnisse des CEO im
Vergleich zu den anderen executive officers und directors auch zu einer
Haftungsdifferenzierung führen. Die Grundtypen der bestehenden Pflichten sind
920 Conference Board, Findings and Recommendations of the Commission on Public Trust
and Private Enterprise, S. 8 f. Vgl. auch BRT Statement, S. 13; CalPERS Principles, para.
III.A.3; Dallas, San Diego Law Review 2003, 781 (784). Vgl. auch Bagley/Koppes, San
Diego Law Review 1997, 149 (159), die darin aber nur die zweitbeste Alternative zu einer
Trennung von CEO und chairman sehen.
921 Corporate Director’s Guidebook, Bus. Law. 2001, 1571 (1592).
922 Korn/Ferry Int’l, 32th Annual Board of Directors Study, S. 50. Eine zunehmende Verbreitung des lead (independent) directors berichteten schon Bagley/Koppes, San Diego Law
Review 1997, 149 (160).
923 V. Hein, RIW 2002, 501 (506). Langfristig ist jedoch zu erwarten, dass sich wie in anderen
Ländern die Trennung durchsetzt, Bagley/Koppes, San Diego Law Review 1997, 149
(186).
924 Hess, in: Feddersen/Hommelhoff/Schneider (Hrsg.), Corporate Governance, S. 9 (16);
The Economist vom 11.01.2003, S. 55: »The way we govern now«.
925 CNN/USA Today/Gallup Umfrage, July 2002, zit. nach Conference Board, Findings and
Recommendations of the Commission on Public Trust and Private Enterprise, S. 5: In einer
jüngsten Umfrage waren 73 % der Bevölkerung der Meinung, dass man den CEOs nicht
trauen könne und eine stärkere Kontrolle notwendig sei. Als weniger vertrauenswürdig
wurden nur noch die Gebrauchtwagenhändler eingestuft, während den Managern kleiner
Unternehmen und selbst dem Militär größeres Vertrauen entgegengebracht wurde.
160
dabei für directors und executives gleich.926 Beide trifft bekanntermaßen eine
Sorgfaltspflicht (fiduciary duty of care)927 und eine Treupflicht (duty of loyalty)928
gegenüber der Gesellschaft. Im Ergebnis existiert daher praktisch kein Unterschied in der Haftung der independent, affiliated und executive directors.929 Dementsprechend haftet auch der CEO nicht in besonderem Maße.
Die Leitentscheidung zur duty of care bezieht sich zwar spezifisch auf ein
Fehlverhalten des CEO und des Chief Financial Officer (CFO), die ihrem board
nur gefilterte Informationen zukommen ließen, allerdings wurde keine nähere
Haftungsdifferenzierung zwischen den directors vorgenommen.930 Wo ein grobes
Fehlverhalten eines officers vorliegt, ist meist auch die Überwachungspflicht der
directors verletzt. Darüber hinaus ist die Haftung der directors wie die der officers
für die duty of care wegen der business judgement rule931 und der Möglichkeit von
Freistellungserklärungen bei gutgläubigem Handeln generell stark eingeschränkt.932
Durch den Sarbanes-Oxley Act wurden nun einige zusätzliche gesetzliche
Pflichten speziell für den CEO eingeführt. Bei börsennotierten Gesellschaften
müssen gem. s. 302, 906 SOA der CEO (aber auch der CFO) die Bilanzen unterzeichnen und ihre Richtigkeit versichern sowie die Einrichtung und Überprüfung
eines internen Kontrollverfahrens bestätigen.933 Nach den neuen Börsenzulassungsregeln muss der CEO zusätzlich noch die Einhaltung der dort aufgestellten
Corporate Governance Standards zertifizieren.934 Insofern könnte es zukünftig
verstärkt zur Inanspruchnahme des CEO kommen, die aber nur die genannten
Pflichten betrifft. Die Haftung ist daher insgesamt nur ein sehr schwaches Korrektiv für die Machtfülle des CEO.
926 §§ 8.30, 8.42 RMBCA; vgl. dazu Steindl, US-Board und Aufsichtsrat, S. 113 ff. Im
DelGCL ist die Haftung der directors und officers nicht gesondert kodifiziert.
927 § 8.30 RMBCA. Der DelGCL hat hingegen die duty of care noch nicht kodifiziert.
928 § 8.30 RMBCA; § 144 DelGCL.
929 Steindl, US-Board und Aufsichtsrat, S. 103; Buxbaum/Schneider, ZGR 1982, 199 (206).
930 Smith v. Van Gorkom, Del. Supr. 1985, 488 A.2d 858, S. 863 f.
931 Die business judgement rule bezeichnet die (widerlegbare) Annahme, dass die directors
ihre Entscheidungen auf einer informierten Basis, in gutem Glauben und in ehrlichem Vertrauen darauf treffen, dass sie im besten Interesse der Gesellschaft ist. Sie ist nicht gesetzlich geregelt, sondern wurde von den Gerichten entwickelt, vgl. Corporate Director’s Guidebook, Bus. Law. 2001, 1571 (1586).
932 Elsing/Van Alestine, US-amerikanisches Handels- und Wirtschaftsrecht, Rn. 605; Steindl,
US-Board und Aufsichtsrat, S. 121.
933 Diese Bestätigungspflicht trifft nur Gesellschaften, die gem. § 12 SEAG eingetragen sind,
d. h. solche Gesellschaften, die über mehr als 500 Aktionäre verfügen und ein Gesamtvermögen von mehr als US$ 10 Millionen aufweisen.
934 NYSE Listed Company Manual, § 303A.12. Diese besondere Haftung des CEO und CFO
ist letztlich Ausdruck des Direktorialprinzips, so dass gerade bei der Anwendung der s.
302, 906 SOA auf deutsche Unternehmen, die in den USA notiert sind, die Systemunterschiede deutlich werden. Wegen des Prinzips der Gesamtverantwortung im deutschen Vorstand droht nämlich eine Ausweitung der Haftung auf alle Vorstandsmitglieder, vgl. Kersting, ZIP 2003, 233 (237); Taneda, CLMBLR 2003, 715 (737).
161
3. Der englische chief executive
a) Bezeichnung
Das Pendant zum CEO des US-amerikanischen Rechts ist in England der managing director. Er wurde nur in der bisherigen Fassung des Table A erwähnt.935 Wie
bereits dargelegt wurde, nimmt der Companies Act selbst ohnehin keine Differenzierung zwischen den directors vor. Die Bezeichnung »managing director«
wurde vor allem früher für den obersten Geschäftsführer verwendet und findet
sich heute noch noch in einigen älteren articles.936 Zunehmend wird der managing
director infolge des US-amerikanischen Einflusses und aus Prestigegründen
»CEO« oder »chief executive« genannt.937 Auch der Combined Code verwendet
diese Bezeichnung.938 Es ist davon auszugehen, dass die Befugnis, einen managing director zu ernennen, auch die Befugnis beinhaltet, ihn stattdessen als »chief
executive« zu bezeichnen.939
Der Wandel vom managing director zum chief executive markiert auch einen
Bedeutungswandel in seinem Verhältnis zum chairman. Der chairman war früher
der Leiter der executives, während der managing director mehr dem heutigen
chief operating officer (COO) entsprach und dem chairman untergeordnet war.940
Die zunehmende Verwendung des Titels des chief executive markiert also auch
die Trennung von board-Vorsitz und Leitung der Geschäftsführung, wenngleich
heute noch einige englische chief executives gleichzeitig chairmen sind.941 Nachfolgend wird auch für die Darstellung des englischen Rechts die Bezeichnung
chief executive verwendet.
b) Bestellung und Abberufung
In England sind wie bereits erwähnt alle officers einschließlich des chief executive
fast durchgängig gleichzeitig directors. In seiner Eigenschaft als director wird
der chief executive von der Hauptversammlung gewählt.942 Die Bestellung als
chief executive erfolgt dagegen durch die directors, d. h. durch das board, und
kann jederzeit widerrufen werden.943 Häufig bestimmten in der Vergangenheit die
935 Vgl. CA 1985 Table A, arts. 72, 84. In der Neufassung fehlt eine Erwähnung ganz, ein
Bedeutungsunterschied dürfte damit aber nicht verbunden sein.
936 Charkham, Keeping Good Company, S. 265; Cheffins, Company Law, S. 98, Fn. 215;
Hicks/Goo, Cases and Materials on Company Law, S. 265.
937 Charkham, Keeping Good Company, S. 265.
938 Para. A.2.
939 Gower’s Principles of Modern Company Law, S. 320.
940 Walters, in: Sheikh/Rees (Hrsg.), Corporate Control, S. 213 (214).
941 Siehe unten 4. Teil C.III.3.d)(4).
942 Siehe oben 4. Teil B.III.
943 Draft Model Articles, art. 4(3);CA 1985 Table A, arts. 72, 84.
162
articles in Abweichung vom Table A, dass der chief executive nicht nur für drei
Jahre, sondern unbegrenzt lange gewählt bleibt.944 Diese Praxis ist aber rückläufig,945 wozu sicher auch die neue gesetzliche Regelung über eine Bestellung auf
maximal zwei Jahre ohne weitergehender Zustimmung der Aktionäre946 und die
Forderung nach regelmäßigen Wiederwahlen statt unbegrenzter Amtszeit im
Combined Code beitragen.947
c) Rechtsstellung
Art. 72 CA 1985 Table A bestimmte lediglich, dass dem managing director einige
oder alle Managementaufgaben übertragen werden können. Art. 4(1) des Entwurfs für die neuen Table A drückt sich noch allgemeiner aus, weil er den managing director nicht erwähnt und danach die Managementaufgaben auf irgendeine
Person oder einen Ausschuss übertragen werden können. Wie in den USA haben
die executives und der managing director allein aus ihrer Ernennung noch keinerlei Rechte,948 sondern ihre Befugnisse bestimmen sich in jeder Gesellschaft nach
den articles oder Beschlüssen des boards.949 Darüber hinaus ist unter bestimmten
Bedingungen auch eine Anscheinsvollmacht (»apparent or ostensible authority«)
statt oder neben einer solchen Befugnis möglich.950
Die Aufgabe des chief executive wird auch im Combined Code nicht näher
umschrieben. Bestimmt ist lediglich, dass er für die Geschäftsführung (»runnning
of the company’s business«) zuständig ist.951 Durch die Konkretisierung der Aufgaben des boards ergibt sich eine gewisse Negativdefinition, da nur das Tagesgeschäft vom board delegiert werden kann. In der Neufassung des Combined Code
wird zusätzlich gefordert, dass die Abgrenzung der Verantwortlichkeiten zwischen chairman und chief executive schriftlich fixiert und vom board beschlossen
werden muss.952
Die Organisation mehrerer executive directors ist nicht näher geregelt. Aus seiner Leitungsfunktion für das Tagesgeschäft ergibt sich jedoch seine Weisungsbefugnis gegenüber den anderen Mitgliedern der Geschäftsführung.953
944 zit.: Weil, Gotshal & Manges, Comparative Study of EU Corporate Governance Codes, S.
222.
945 Cheffins, Company Law, S. 112.
946 S. 188(2) CA 2006.
947 Combined Code 2006, principle A.7.1.
948 Harold Holdsworth & Co. (Wakefield) Ltd. v. Caddies [1955] 1 All ER 725, [1955] 1 WLR
352, House of Lords.
949 Gower’s Principles of Modern Company Law, S. 320. Vgl. auch Table A, art. 72.
950 Freeman and Lockyer v. Buckhurst Park Properties (Mangal) Ltd [1964] 2 QB 480, [1964]
1 All ER 630, CA.
951 Combined Code 2006, principle A.2.
952 Combined Code 2006, para. A.2.1.
953 Vgl. Stiles/Taylor, Boards at Work, S. 73.
163
d) Die gegenwärtige Stellung des chief executive
Auch in England erlangte der chief executive in der Vergangenheit eine mächtige
Stellung. Diese Entwicklung hatte vergleichbare Ursachen wie in den USA: So
bestand das board aus zu wenigen unabhängigen Mitgliedern, es tagte zu selten
und war schlecht informiert, der chief executive hatte einen wesentlichen Einfluss
auf die Bestellung der executives und non-executive directors und führte häufig
gleichzeitig den Vorsitz im board.954
Die Folgen dieser unzureichenden Kontrolle des CEO wurden in den 80er Jahren in einer Reihe von spektakulären Skandalfällen deutlich,955 die ihren Höhepunkt 1991 mit der Maxwell-Affaire erreichte.956 Sie war der Hauptanlass für die
Einsetzung der sog. Cadbury-Kommission, die sich mit der Überarbeitung der
board-Struktur und ihrer Funktionsweise in großen britischen Unternehmen
beschäftigte.957 Nicht überraschend sah die Kommission das Hauptproblem darin,
dass die Leitung der Unternehmen nicht durch ein mehrköpfiges Top-Management erfolgte, sondern durch einen mächtigen managing director bzw. chief executive officer.958 Neben Maxwell gab es viele andere Fälle, in denen ein übermächtiger und charismatischer CEO das Unternehmen in eine schwere Krise oder
den Zusammenbruch führte.959 Schon der von der Kommission erarbeitete Cadbury Code enthielt daher die Vorschrift, dass Gesellschaften nicht durch eine einzelne Person dominiert werden sollen.960 Die Notwendigkeit einer Verantwortungsteilung an der Spitze der Gesellschaft ist auch das tragende Prinzip des 1998
erlassenen Combined Code.961
954 Cheffins, Company Law, S. 109; Stiles/Taylor, Boards at Work, S. 73 ff.
955 Vgl. die Zusammenstellung bei Cheffins, Company Law, S. 611-614.
956 Der Gründer und CEO von Maxwell Communications Corporation und Mirrow Group
Newspapers plc hatte lange eine illegale Kursstützung vorgenommen, die nach seinem Tod
1991 zum Zusammenbruch seines Imperiums führte, vgl. Cheffins, Company Law,
S. 612 f.
957 Cadbury Report, para. 2.1 ff.
958 Davies, ZGR 2001, 268 (271).
959 Cheffins, Company Law, S. 611-614: Asil Nadir, Chairman und CEO und Polly Peck International plc; George Walker, CEO von Brent Walker plc; Lord King, CEO und Chairman
von British Airways plc; Tony Barry, Chairman und CEO von Blue Arrow plc, bei der Übernahme von Manpower Inc.
960 Cadbury Report, para. 4.2: »are not dominated by any one individual«. Entsprechend heißt
es im Cadbury Code of Best Practice, para. 1.2: »There should be a clearly accepted division of responsibilities at the head of a company, which will ensure a balance of power
and authority, such that no one individual has unfettered powers of decision.«
961 Combined Code 2003, principle A.2.
164
(1) Sitzungshäufigkeit und Informationsversorgung des board
Der Combined Code macht ähnliche Empfehlungen zur Stärkung des boards wie
die US-amerikanischen Kodizes. So wird eine regelmäßige Sitzung des boards
gefordert, ohne allerdings eine Mindesthäufigkeit festzusetzen.962 Auch wird die
Wichtigkeit der Informationsversorgung betont, die durch den chairman und den
company secretary gewährleistet werden soll.963 Statt eines individuellen Informationsrechts wird aber nur das Informationsrecht des boards hervorgehoben.
Alle directors sollen die Möglichkeit haben, auf Kosten der Gesellschaft den Rat
Sachverständiger einzuholen.964
(2) Mindestanzahl von non-executive / independent directors
Schon der Cadbury Bericht forderte eine Mindestanzahl non-executive directors.965 Der Combined Code sah ursprünglich vor, dass ein Drittel des boards aus
non-executives bestehen soll, die wiederum mehrheitlich independent sind.966
Gleichzeitig enthielt er auch eine Definition der Unabhängigkeit. Diese Vorschriften wurden aber auch unter dem Eindruck des Enron-Skandals als nicht ausreichend erachtet.967 Die sog. Higgs-Kommission wurde daher vor allem dazu eingesetzt, Vorschläge für eine Stärkung der non-executive directors zu erarbeiten.
Die Neufassung des Combined Code enthält keine Mindestanzahl an reinen nonexecutive directors mehr. Stattdessen muss abgesehen vom chairman die Hälfte
des boards aus non-executive directors bestehen, deren Unabhängigkeit anhand
bestimmter Kriterien ausdrücklich festgestellt wird.968 Ausgenommen sind lediglich kleinere Gesellschaften, die nicht im FTSE 350-Index gelistet sind. Die Anforderungen an die Unabhängigkeit wurden gleichfalls verschärft.969 Für den
chairman wird eine Unabhängigkeit im Zeitpunkt der Ernennung gefordert.970
Dies bedeutet, dass er insbesondere nicht der ehemalige chief executive sein darf.
In der Praxis ist dies bereits überwiegend nicht mehr der Fall.971 Der chairman
soll die separaten Treffen der non-executive directors organisieren, für die aber
keine Mindestanzahl festgesetzt wird. Weiterhin sollen die non-executive directors mindestens einmal jährlich unter dem Vorsitz eines senior independent directors zusammenkommen.972 Offensichtlich wird selbst ein independent chair-
962 Para. A.1.1.
963 Principle A.5 and supporting principles.
964 Para. A.5.2.
965 Cadbury Report, para. 4.11.
966 Combined Code 1998, para. A.3.1 und A.3.2.
967 Gower’s Principles of Modern Company Law, S. 324.
968 Combined Code 2006, para. A.3.1 und A.3.2.
969 Para. A.3.1.
970 Para. A.2.2.
971 Higgs Report, para. 5.7.
972 Para. A1.3 und A.3.3.
165
man nicht als ausreichend erachtet, um eine Stärkung der non-executives im
board und eine effektive Kontrolle des chief executive zu gewährleisten.
Die wechselseitige board-Mitgliedschaft der directors wird in denjenigen
Gesellschaften, die im FTSE 100-Index gelistet sind, ebenfalls Beschränkungen
unterworfen. So darf die Position des chairman kein zweites Mal bekleidet werden. Darüber hinaus darf ein executive director nicht zugleich in einer anderen
Gesellschaft chairman sein und nur einen weiteren board-Sitz als non-executive
director annehmen.973
(3) Errichtung von committees
Der Combined Code empfiehlt ebenfalls die Errichtung von committees. Für das
nominating committee wird eine Mehrheit independent directors gefordert, von
denen einer den Vorsitz führt.974 Die Mitgliedschaft des chief executive im nominating committee bleibt aber zulässig.
Das remuneration committee, das die Vergütung für alle executive directors
sowie den chairman festsetzt, muss vollständig aus independent directors bestehen.975 Die executive directors sollen darüber hinaus nur noch Anstellungsverträge für ein Jahr erhalten.976 Die Gehälter der non-executives werden entweder
vom gesamten board oder der Hauptversammlung festgelegt. Die articles können
aber auch die Delegation dieser Aufgabe an einen Ausschuss vorsehen, für dessen
Zusammensetzung keine Anforderungen aufgestellt werden und in dem ausdrücklich auch der chief executive mitwirken darf.977 Hier bleibt also die Einflussmöglichkeit des chief executive weiterhin bestehen. Das Erfordernis einer entsprechenden Regelung in den articles stellt allerdings eine große Hürde dar.
Darüber hinaus bestehen seit dem Jahre 2002 neue gesetzliche Regelungen
über die Offenlegung der Vergütung.978 Die Vergütung jedes einzelnen directors
einschließlich weiterer Einzelheiten seines Anstellungsvertragung wie mögliche
Abfindungen muss in einem jährlichen Bericht dargestellt werden, über den die
Hauptversammlung abstimmt. Durch die Auflistung der einzelnen Vergütungsbestandteile statt einer Gesamtsumme für jeden director geht die Regelung deutlich
weiter als das deutsche Recht. Eine Verweigerung der Zustimmung bleibt aber
ohne rechtliche Konsequenzen.
973 Para. A.4.3 undA.4.6.
974 Para. A.4.1.
975 Para. B.2.1.
976 Para. B.1.6.
977 Para. B.2.3.
978 The Directors’ Report Regulations 2002, S.I. no. 1986; vgl. s. 241A CA i. d. F. vom
25.07.2002. Diese wird durch ss. 409, 420-422 auch in den neuen CA 2006 übernommen.
166
(4) Trennung von chairman und chief executive
Der Combined Code geht in einem entscheidenden Punkt weiter als die USamerikanischen Kodizes und Börsenzulassungsregeln, nämlich bei der Trennung
von chairman und chief executive. Der Cadbury Code bezog hier noch keine klare
Position. Zwar wurde die Notwendigkeit einer Verantwortungsteilung betont,
dies konnte aber sowohl durch eine Trennung von chairman und chief executive
als auch durch die Ernennung eines recognised senior member als Repräsentant
der non-executive directors erreicht werden.979 Der nachfolgende Hampel Report
favorisierte eine Trennung beider Positionen und forderte unabhängig davon die
Ernennung eines senior non-executive director.980 Der Combined Code forderte
schon in der bisheren Fassung eine zusätzliche Rechtfertigung bei einer Ämterhäufung.981 Die Neufassung empfiehlt nun uneingeschränkt eine Trennung der
beiden Ämter.982
Die Gründe, die für oder gegen eine Trennung vorgebracht werden, ähneln
denen in den USA. So wird betont, dass viele Unternehmen auch mit einer Ämterhäufung gut funktionierten und empirische Studien nicht das Gegenteil belegten,
während bei einer Trennung die Wettbewerbsfähigkeit verloren ginge.983 Weiterhin wird darauf hingewiesen, dass auch die Managementferne eines non-executive chairman die Ursache für einige der Zusammenbrüche Anfang der 90er Jahre
war.984 Dem wird entgegengehalten, dass eine Personalunion nur bei einem starken board funktioniere und in Krisenzeiten die fehlende Trennung eine Sanierung
verhindere.985
Anders als in den USA hat sich die Ämtertrennung in der Praxis schon durchgesetzt. Bereits 1990 war in 26 % der größten englischen Unternehmen das Amt
von chairman und CEO getrennt,986 heute ist dies in ca. 90 % der Gesellschaften
der Fall.987 Infolgedessen kommt dem chairman als Leiter des boards eine besondere Rolle bei der Kontrolle des chief executive zu.988 Dies darf aber nicht darüber
979 Cadbury Report, para. 4.9. Cadbury Code, para. 1.2.
980 Hampel Report, Ch. 3.
981 Combined Code 1998, para. A.2.1.
982 Para. A.2.1.
983 Cheffins, Company Law, S. 631. Allerdings hat die Studie von Dahya/Lonie/Power, Corporate Governance 1996, 71 (76), einen positiven Zusammenhang zwischen Trennung und
Unternehmenserfolg bei englischen Großunternehmen gefunden.
984 Walters, in: Sheikh/Rees (Hrsg.), Corporate Control, S. 213 (216).
985 Vgl. National Association of Pension Funds, Toward Better Corporate Governance (NAPF
Corporate Governance Code) 2000, § 4; sowie die Anlegerberatung Pensions Investment
Research Consultants Ltd. (PIRC), PIRC Shareholder Voting Guidelines (1994, überarbeitet 2001), S. 4 und 6; Hermes Investment Management Ltd, In Agreement with Eight Other
Institutional Investors, PriceWaterhouseCoopers and BP Amoco, Hermes Statement on
U.K. Corporate Governance & Voting Policy 2001, para. 2.4.
986 Vgl. Charkham, Keeping Good Company, S. 265.
987 Higgs Report, S. 18.
988 Siehe oben 4. Teil C.II.3.
167
hinwegtäuschen, dass dennoch der chairman und CEO stets ein besonders enges
Verhältnis haben und dies nach Ansicht vieler Praktiker auch haben müssen.989
Die jüngsten Vorgaben des Combined Code drängen die Rolle des chief executive entscheidend zurück. Von Unternehmerseite werden sie wegen der Überregulierung heftig kritisiert.990 Bei näherer Betrachtung ist aber festzustellen, dass
das englische Recht durch die genannten Vorgaben eine effektive Kontrolle des
Managements erreicht hat, ohne die Flexibiltät der Unternehmen völlig zu
beschneiden. Darüber hinaus sind kleinere Unternehmen von bestimmten Regelungen ausgenommen. Dies lässt das englische Recht als besonders vorbildhaft
für die monistische SE erscheinen.
e) Haftung
Die Frage nach einer besonderen Haftung des chief executive im Vergleich zu den
übrigen directors des board steht in Zusammenhang mit der besonderen Haftung
der executive directors. Auch im englischen Recht unterliegen alle directors den
gleichen Pflichten,991 nämlich der duty of loyalty (fiduciary duty) und der duty of
care. Diese Haftung besteht nach common law und war teilweise schon im Companies Act 1985 kodifiziert.992 Die Neufassung des Companies Act 2006 enthält
nun eine umfangreiche Regelung dieser Pflichten993 und soll ausdrücklich die im
common law entwickelten Grundsätze ersetzen.994 Der Gesetzestext stellt nach
verbreiteter Auffassung eine Kodifizierung und Konkretisierung dar und bewirkt
keine wesentliche Ausdehnung der bestehenden Pflichten.995 Für die executive directors werden diese Pflichten ohnehin im Anstellungsvertrag näher konkretisiert.996
Während die executive directors für eigenes Fehlverhalten bei der Leitung des
Tagesgeschäfts haften, trifft die non-executive directors eine Überwachungspflicht gegenüber dem Management.997 Ursprünglich wurden an die Pflichten
sehr geringe Anforderungen in Abhängigkeit von Wissen und Fähigkeiten der
einzelnen directors gestellt. Daher wurde eine Haftung der non-executive direc-
989 Cheffins, Company Law, S. 609 f.; Sir Peter Walters, Independent vom 26.11.1995: »Split
at the Top«.
990 Vgl. Merrel/Hopkins, The Times vom 31.10.2003, S. 37: »UK companies unprepared for
the Higgs Code«.
991 Arsalidou, Comp. Law. 2002, 107.
992 S. 309 und Part X CA 1985. Weitere Pflichten finden sich im Combined Code, City Code
on Takeovers und in den articles, vgl. Dreymüller, Die Haftung des Board of Directors in
der englischen Public Company, S. 26 ff.
993 CA 2006, Part 10, Ch. 2 – General Duties of Directors (ss. 170-181).
994 CA 2006, s. 170(3)
995 Mayson, French & Ryan on Company Law, p. 555.
996 Dorchester Finance v. Stebbing [1989] BCLC 498 Ch D. Vgl.auch Ferran, Company Law
and Corporate Finance, S. 209.
997 Ezzamel/Watson, in: Keasey/Thompson/Wright, Corporate Governance, S. 54.
168
tors meist abgelehnt, während der managing director für eigenes Fehlverhalten
haftete.998
Mittlerweile ist ein objektiver Pflichtenstandard anerkannt.999 Die schwer
fassbare duty of care erlangt aber weiterhin in der Fallpraxis keine große Bedeutung. Eine ungenügende Überwachung kann allenfalls zu einer Disqualifikation
gem. s. 6 Companies Directors Disqualification Act (CDDA) führen.1000 Die nonexecutive directors dürfen sich danach auf ihren Eindruck in den Sitzungen des
boards verlassen, sofern keine konkreten Verdachtsmomente bestehen.1001 Insofern ist die Reichweite der Überwachungspflicht und damit die Haftung der nonexecutive directors weiterhin unklar.1002 Die Darstellung der Rolle des non-executive directors in Annex A des Higgs Reports, die sich in ähnlicher Form in
Schedule B des Combined Code 2006 widerspiegelt, soll aber zukünftig den
Gerichten bei der Bestimmung dessen, was man vernünftigerweise von den nonexecutive directors erwarten kann, helfen und eine bessere Durchsetzung der Haftung bewirken.1003 Nach der bisherigen Rechtslage trifft jedenfalls die executive
directors in der Praxis ein größeres Haftungsrisiko als die non-executive directors.1004
Im Vergleich zu den übrigen executive officers ist eine besondere Haftung des
chief executive wie im US-amerikanischen Recht noch nicht thematisiert wurden.
Das englische Gesellschaftsrecht bestimmt anders als das US-amerikanische
Recht1005 nicht, dass die director’s duties auch für die officers gelten. Dies liegt
daran, dass in England externe officers von untergeordneter Bedeutung sind und
dementsprechend nicht gesondert geregelt werden. Daher richtet sich ihre Haftung nach allgemeinem Vertragsrecht auf Grundlage des Anstellungsvertrages.
Dort kann auch ein höherer Standard für die duty of care festgesetzt werden.1006
Früher war der managing director oft der einzige executive officer,1007 so dass sich
das Problem einer Haftungsdifferenzierung nicht stellte. In der modernen Fallpraxis wurde dagegen meist eine Pflichtverletzung aller executive directors festgestellt.
998 Re City Equitable Fire Insurance Co. Ltd [1925] Ch D 407 (445).
999 Dorchester Finance Co Ltd v. Stebbing, siehe oben Fn. 974; Norman v. Theodore Goddard
[1992] BCLC 1028 Ch. D.
1000 Re Park House Properties Ltd [1997] 2 BCLC 530 Ch. D.; Re Continental Assuarance Co.
of London plc [1997] 1 BCLC 48, Ch. D.
1001 Farrar’s Company Law, S. 391. Higgs Report, para. 6.5. Vgl. auch Fleischer, NZG 2003,
449 (456). Vgl. auch die jüngste Entscheidung Re Barings plc (No. 5) [2000] 1 BCLC 523,
per Morritt L.J.: »The extent of the duty ... must depend on the facts of each particular
case, including the director’s role in the management of the company«.
1002 Parkinson, Corporate Power and Responsibility, S. 99.
1003 Higgs Report, para. 14.8.
1004 Arsalidou, Comp. Law. 2002, 107.
1005 Siehe oben 4. Teil C.III.2.g).
1006 Cheffins, Company Law, S. 124 f.
1007 So in der Leitentscheidung zur Haftung der directors, Re City Equitable Fire Insurance
Co. Ltd [1925] Ch 407.
169
Obwohl der Grundsatz der gleichen Haftung aller directors nach wie vor gilt,
nimmt die Rechtsprechung zunehmend eine gewisse Differenzierung zwischen
non-executive und executive directors bei der Bestimmung der duty of care vor,
die sogar zur Herausbildung einer individualisierten Pflicht je nach Aufgabe des
einzelnen Direktors führen könnte.1008 Dies würde bedeuten, dass auch der chief
executive besonders haftet. Im Moment gibt es aber nur wenig konkrete Anzeichen für eine solche Differenzierung im common law. Dies könnte sich aber insbesondere unter dem Einfluss des Combined Code, der eine Pflichtenkonkretisierung für die non-executive officers enthält, zukünftig ändern.
4. Der französische (Président) Directeur Général
a) Bezeichnung
Nach unbefangener Lesart des Gesetzes ist im monistischen System Frankreichs
der directeur général (DG) der oberste Geschäftsführer. Dieser war traditionell
und ist heute noch oftmals zugleich der président des conseil, weil erst seit dem
Gesetz von 20011009 die Trennung beider Positionen zulässig ist.1010 Daher soll
nachfolgend zunächst die Rolle des klassischen président-directeur général
(PDG bzw. P-DG) behandelt werden, wie er in der Vergangenheit üblich und weiterhin möglich ist. Zur Darstellung werden die Vorschriften des Code de Commerce in der Neufassung von 2001 herangezogen. Soweit sie in Bezug auf den
PDG inhaltlich zu Änderungen geführt haben, wird dies ausdrücklich hervorgehoben. Anschließend wird auf die Rolle des nun möglichen reinen directeur général eingegangen.
Der Begriff des président-directeur général wurde in Frankreich erstmals
zusammen mit dem monistischen System durch das Gesetz vom 16. November
1940 eingeführt.1011 Das Gesetz von 1966, das hauptsächlich das dualistische
System (wieder) erlaubte, nannte ihn président du conseil d’administration.
Inhaltlich blieb seine Stellung aber im monistischen System die gleiche. In der
Praxis war der prestigereiche Titel des PDG weiter vorherrschend.1012 Das Gesetz
von 2001 beschreibt nun die Position von président du conseil d’administration
und directeur général separat1013 und meint mit dem président stets nur den Vorsitzenden des conseils, während die Bezeichnung directeur général den obersten
Geschäftsführer kennzeichnet.
1008 Riley, The Role of Different Board Members in UK Company Law, Conference Paper
[unveröffentlicht], University of Durham, UK.
1009 Loi nº 2001-420 du 15 mai 2001 art. 104 1º et art. 105 Journal Officiel du 16 mai 2001.
1010 Siehe unten 4. Teil C.III.4.f.(1).
1011 Bouère, Bull. Joly 2001, § 164, 695 (696).
1012 Guyon, Droit commercial général et Sociétés, S. 357.
1013 Art. L225-47 ff. und Art. L225-51-1 ff.
170
b) Bestellung und Abberufung
Für die Wahl des directeur général bzw. PDG ist der conseil zuständig.1014 Eine
Abberufung ist jederzeit auch ohne wichtigen Grund möglich. Der PDG kann
auch nur aus der Funktion des directeur général abberufen werden und die Funktion des président beibehalten.1015 Ein wesentlicher Unterschied zwischen beiden
Positionen liegt aber darin, dass der PDG im Gegensatz zum reinen directeur général im Falle einer Abberufung ohne wichtigen Grund nicht schadensersatzberechtigt ist.1016
c) Befugnisse
Das Gesetz von 2001 grenzt erstmals die Kompetenzen von conseil und direction
ab. Die Aufgabe des directeur général besteht danach in der Leitung des Tagesgeschäfts.1017 Zur Erfüllung dieser Aufgabe hat er alle Befugnisse, die nicht ausdrücklich der Hauptversammlung oder dem conseil vorbehalten sind.1018 Der directeur général vertritt weiterhin die Gesellschaft gegenüber Dritten und verfügt
dabei über unbeschränkte und unbeschränkbare Vertretungsmacht.1019 Im Innenverhältnis muss er aber die Vorgaben der Satzung und des conseils beachten. Au-
ßerdem bedarf er der Zustimmung des conseil für die Aufnahme von Krediten und
für die Abgabe von Bürgschaften oder Garantien, weil er ansonsten persönlich
verpflichtet wird.1020 Verträge zwischen ihm (wie auch den anderen directeurs)
und der Gesellschaft bedürfen ebenfalls der Zustimmung des conseil.1021 Der PDG
hat im Gegensatz zum reinen directeur général noch zusätzlich die oben dargestellten Befugnisse eines président, d. h. er leitet den conseil.1022 Der PDG darf
wie jeder directeur général nur in einer einzigen Gesellschaft dieses Amt aus-
üben, wobei für eine abhängige Gesellschaft eine Ausnahme möglich ist.1023
d) Stellung der directeurs délégués
Die Leitung des Tagesgeschäfts kann auch ganz allein dem directeur général
übertragen werden. Möglich und vor allem in mittelgroßen Gesellschaften üblich
1014 Art. L225-47 und Art. L225-51-1
1015 Art. L224-47 Abs. 3 und Art. L225-55 Abs. 1 S. 1.
1016 Art. L225-55 Abs. 1 S. 3.
1017 Art. L225-51-1.
1018 Art. L225-56.
1019 Art. L225-56 I.
1020 Art. 225-35 Abs. 4.
1021 Art. L101.
1022 Siehe oben 4. Teil C.II.4.
1023 Art. L225-54-1.
171
ist aber die Ernennung von maximal fünf directeurs délégués.1024 Diese werden
also schon terminologisch deutlicher vom directeur général unterschieden als im
anglo-amerikanischen Recht der chief executive officer von den übrigen executive
officers.
Die directeurs délégués werden durch den conseil auf Vorschlag des directeur
général ernannt.1025 Dieses Zusammenwirken gilt auch hinsichtlich der Abberufung.1026 Im Außenverhältnis verfügen die directeurs délégués über dieselbe
unbeschränkte und unbeschränkbare Vertretungsmacht wie der directeur général,
während nach innen ihre Kompetenzen durch den conseil in Abstimmung mit dem
directeur général festgelegt werden.1027 Diese Mitwirkungsbedürftigkeit des
directeur général führt zu einer Weisungsabhängigkeit der directeurs délégués,
die zwar im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt, aber durchaus beabsichtigt ist.1028
e) Die faktische Dominanz des klassischen PDG
Der PDG galt vor der Reform im Jahre 2001 mangels näherer Umschreibung seiner Rechtsstellung im Gesetz als uneingeschränkter Leiter des Tagesgeschäfts.1029
Wie in den USA und England war aus denselben Gründen schon früh eine Entmachtung des Verwaltungsorgans auch im Bereich der strategischen Geschäftsführung zu beobachten. So trat der conseil nur selten zusammen und wurde nur
unzureichend durch den PDG informiert.1030 Darüber hinaus war der PDG zwingend der Vorsitzende des conseil. Die administrateurs waren auf ähnliche Weise
wie die directors im anglo-amerikanischen Raum vom Leiter der Geschäftsführung abhängig, weil sie zwar von der Hauptversammlung ernannt werden, allerdings nur bei einem entsprechenden Vorschlag durch den conseil und damit letztendlich durch den PDG eine reelle Chance hatten, gewählt zu werden.1031 Eine
Abberufung des PDG durch den conseil kam hingegen praktisch nicht vor.1032
1024 Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, S. 237.
1025 Art. L225-53.
1026 Art. L. 255-55 Abs. 1 S. 2.
1027 Art. L225-56 II.
1028 Guyon, Droit commercial général et Sociétés, S. 372.
1029 Bouère, Bull. Joly 2001, § 164, 695 (698); Nabasque, Petites Affiches 134/2001, 4 (7);
Menjucq, ZGR 2003, 679 (680).
1030 Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, S. 226. Vgl. auch Charkham, Keeping Good
Company, S. 152: »They [the members of the conseil] were often aged; they met seldom;
were little consulted; and were quite content to cruise along passively unless and until the
ship was nearly on the rocks. Even when it was clear they should throw the captain overboard, they did so with great reluctance, usually after the vessel was badly holed.«
1031 Guyon, Droit commercial général et Sociétés, S. 334, 342, 346.
1032 Antoine Veil, Focus vom 07.09.1992: »Les conseils d’administration restent la façon la
plus distinguée de perdre son temps.« und »People all attended board meetings in rather
the same way as they went to church.«, beides zit. nach Charkham, Keeping Good Company, S. 133.
172
Hinzu kommen weitere Besonderheiten des französischen Systems wie der starke
Rückhalt des PDG beim Großaktionär und die gegenseitige Stützung der PDGs
in den conseil, dessen Mitglieder bei den meisten Unternehmen dem engem Kreis
der Absolventen der grandes écoles entstammten.1033
Es wird daher allgemein angenommen, dass die Vormachtstellung des PDG
noch ausgeprägter war (und ist) als die des englischen managing director und
selbst des US-amerikanischen CEO.1034 Aus deutscher Perspektive verkörperte er
das Führerprinzip in ausgeprägter Form.1035 Aus dem bloßen Ehrentitel des PDG
wurde quasi der Inbegriff der Gesellschaft, der alle Funktionen in sich vereint.1036
Die herausgehobene Stellung des PDG kann wiederum mit der Pfadabhängigkeit
des Gesellschaftsrechts erklärt werden, weil in Frankreich nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Politik in Frankreich vom Konzept der absoluten Macht
durchdrungen ist.1037 Allerdings war die Stellung des PDG wie in den anderen
Ländern sehr von der jeweiligen Persönlichkeit und ihrem Führungsstil abhängig.1038
f) Reform durch die Gesetze von 2001 und 2003
(1) Die Einführung der structure mixte
Die übermächtige Position des PDG wurde insofern beschnitten, als nach dem
Gesetz von 2001 die Personenidentität von président und directeur général nicht
mehr zwingend ist. Vielmehr kann der conseil ein anderes Mitglied des conseil
als den président oder gar einen Externen als directeur général ernennen.1039
Die Einführung der structure mixte brach erstmals mit der traditionell starken
Stellung des PDG. Während in den anglo-amerikanischen Ländern die Durchfüh-
1033 Charkham, Keeping Good Company, S. 131.
1034 Bouère, Bull. Joly 2001, § 164, 695 (699); Davies, ZGR 2001, 268 (271). Vgl. auch Peyrelevade, Le Monde vom 28.02.1996: »Le principe du chef«.
1035 So schon Hüpper, BB 1971, 149 (152).
1036 Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, S. 232: »Le PDG est le vrai patron de la
société; c’est le capitaine du navire, mais aussi l’officier mécanicien, puisqu’il est à la fois
président de conseil d’administration et directeur général de la société«. Vgl. auch Bouère,
Bull. Joly 2001, § 164, 695 (698).
1037 Vgl. Charkham, Keeping Good Company, S. 119: »You must understand that giving the
président directeur-général (PDG) almost absolute power in a French company is in accordance with the French tradition of strong centralised leadership which goes back through
de Gaulle and Napoleon to Louis XIV.«
1038 Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, S. 236: »Les P-DG ne se ressemblent pas;
certains sont des patrons de droit divin, absolus et inamovibles parce que possédant l’essentiel du capital; à l’opposé, d’autres, recrutés parmi les cadres de la société, ne sont que des
«patrons de circonstance», révocables à tout moment ...”.
1039 Nabasque, Petites Affiches 134/2001, 4 (5). Viénot II-Bericht, S. 10, hatte noch ohne
nähere Begründung gefordert, dass nur ein Mitglied des conseil zum directeur général
bestellt werden kann.
173
rung der schon vorher möglichen Ämtertrennung in den Kodizes empfohlen wird,
wurde sie in Frankreich durch das Gesetz von 2001 überhaupt erst gesetzlich
zulässig. Eine Erklärung dafür könnten die historischen Erfahrungen sein, die in
Frankreich bis zum Gesetz von 1940 mit der Zulässigkeit einer Trennung gemacht
wurden.1040 Die Ämtertrennung hatte damals in der Praxis dazu geführt, dass die
conseils durch einen starken externen administrateur délégué oder externen
directeur général dominiert wurden.1041 Um dies zu vermeiden, wurde im Gesetz
von 1940, das zuächst nur im Vichy-Regime galt, die Vereinigung beider Positionen zwingend.1042 Eine Inspiration durch das deutsche Führerprinzip war dagegen
trotz der zeitlichen Nähe nicht ausschlaggebend. Die historische Entwicklung in
Frankreich verlief also in gewissem Sinne umgekehrt zu der in Deutschland.
Die Sinnhaftigkeit der Zusammenlegung beider Ämter wurde auch nach 1945
nicht angezweifelt. Stattdessen wurde diese Regelung für ganz Frankreich übernommen und selbst in der Corporate Governance Diskussion anfangs nicht kritisiert. So stand der Viénot I-Bericht einer Trennung skeptisch gegenüber. Begründet wurde dies damit, dass es im französischen Recht keine den executive directors vergleichbare Figuren gebe, die das Verwaltungsorgan dominieren würden
und dass man nicht zu den Verhältnissen vor dem Krieg zurückkehren wollte.1043
Außerdem ließe sich eine klare Verantwortungstrennung im dualistischen System
verwirklichen.1044 Im Viénot II-Bericht wurde dagegen die Möglichkeit der Trennung als zweite Gestaltungsvariante des monistischen Systems gefordert, um
auch dort eine klare Verantwortungsteilung zu schaffen.1045 Allerdings sollte
bewusst eine Wahl zwischen Machtkonzentration und Kollegialität gelassen werden, um die Unternehmensleitung den Gegebenheiten in der jeweiligen Gesellschaft anzupassen.1046
Manche Autoren wollen der Grundkonzeption des Gesetzes von 2001, die die
Positionen von président und directeur général getrennt beschreibt, eine Präferenz des Gesetzgebers für die Trennung entnehmen.1047 Der Vorteil der Trennung
liege vor allem in der Verantwortungsteilung und sei im Zusammenhang mit dem
Leitmotiv der gesamten Gesetzesreform zu sehen, nämlich der Schaffung eines
Gleichgewichts zwischen den Befugnissen der Geschäftsführung und des
1040 Couret, JCP 42/2001, 1660 (1665), Fn. 47 m. w. N.
1041 Vgl. Viénot I-Bericht, S. 8.
1042 Bouère, Bull. Joly 2001, § 164, 695 (697 f.).
1043 Viénot I-Bericht, S. 46.
1044 Viénot I-Bericht, S. 46. Dieses Argument taucht auch in der aktuellen Literatur immer wieder auf, Bureau, Bull. Joly Sociétés 2001, § 149, 553 (565).
1045 Viénot II-Bericht, S. 7.
1046 Guyon, Droit commercial général et Sociétés, S. 325.
1047 Storp, RIW 2002, 409 (413).
174
conseil.1048 Auch erleichtere die Ämtertrennung eine harmonische Amtsübergabe.1049 Der Nachteil liege hauptsächlich in der Gefahr einer Technokratisierung
des Unternehmens durch einen nur aus wichtigem Grund abrufbaren directeur
général. Insofern soll die Beibehaltung des PDG vor allem für kleinere und mittlere Gesellschaften vorteilhaft sein.1050 Von anderer Seite wird bemängelt, dass
bei einer Trennung die Aktionäre auf Kosten der Effektivität des Managements
geschützt werden und Meinungsverschiedenheiten zwischen président und directeur général die ganze Gesellschaft lähmen könnten.1051 Auch unterscheide sich
die neue Struktur nur unscharf vom dualistischen System.1052
Die bestehenden monistischen Aktiengesellschaften mussten innerhalb von 18
Monaten entscheiden, ob ihr Präsident zukünftig nur président de conseil (PCA)
sein soll oder PDG bleibt. Allerdings hat man diese wichtige Entscheidung dem
conseil (der noch immer vom PDG dominiert wird) und nicht den Aktionären
überlassen.1053 Nicht überraschend hat sich von den im französischen Aktienindex
CAC 40 gelisteten Unternehmen anfangs nur eines (Crédit Lyonnais) für die
Trennung entschieden.1054 Suez und BNP-Paribas sind dagegen nach Einführung
der Trennung zum traditionellen System zurückgekehrt.1055
Eine weitere Begrenzung der Macht des PDG ist aber durch das Gesetz zur
finanziellen Sicherheit von 2003 erfolgt, weil der danach notwendige Bericht ausdrücklich darlegen muss, welchen Beschränkungen der Macht des directeur
général in einer Aktiengesellschaft bestehen und ob diese ausreichend sind.1056
Dabei ist insbesondere darauf einzugehen, ob es eine Ämtertrennung zwischen
directeur général und président gibt. Auch wenn danach das traditionelle System
mit der Zusammenlegung beider Ämter weiterhin möglich ist, muss sich doch die
Gesellschaft jedes Jahr kritisch damit auseinander setzten.1057 Mitte 2005 hatten
aber noch immer 33 der CAC-40-Gesellschaften mit dem monistischen System
einen PDG und nur vier eine Trennung eingeführt.1058
1048 Guyon, Droit commercial général et Sociétés, S. 368; Nabasque, Petites Affiches 134/
2001, 4 (5).
1049 Vgl. auch Commission du gouvernement d’entreprise de l’association française de la gestion financière (AFG), Recommendations sur le gouvernement d’entreprise, Paris 1998,
aktualisiert 2001 (»Hellebuyck-Bericht«), S. 7.
1050 Guyon, Droit commercial général et Sociétés, S. 357 und 368.
1051 Bouère, Bull. Joly 2001, § 164, 695 (703).
1052 Bouère, Bull. Joly 2001, § 164, 695 (708); Bureau, Bull. Joly Sociétés 2001, § 149, 553
(565).
1053 Art. L225-51-1 Abs. 2. Kritisch dazu Nabasque, Petites Affiches 134/2001, 4.
1054 Unter der Präsidentschaft von Peyrelevade wurde bei Crédit Lyonnais aufschiebend
bedingt das neue System eingeführt, vgl. Bouère, Bull. Joly 2001, § 164, 695 (717), Rn. 89.
1055 Bouère, Bull. Joly 2001, § 164, 695 (708).
1056 Art. L. 225-68.
1057 Menjucq, EBLR 2005, 1003 (1016).
1058 Hövermann/Klein, RIW 2006, 277 (277).
175
(2) Weitere Änderungen
Die Trennung von président und directeur général hat sich also bisher in der Praxis noch nicht durchgesetzt, auch wenn dies durch das Gesetz von 2003 vielleicht
zukünftig der Fall sein wird. Die Ämtertrennung ist in den USA und England aber
nur eine Maßnahme zur stärkeren Kontrolle des obersten Geschäftsführers, die
von weiteren Reformen begleitet wird. Das Gesetz von 2001 reformiert die Unternehmensleitung in Frankreich aber im Übrigen nur an wenigen Stellen.1059 Der
conseil darf nur noch 18 statt bisher 24 Mitglieder umfassen,1060 was ebenfalls einer effektiveren Überwachung entgegenkommt.1061 Auch wird im Gesetz das Informationsrecht des einzelnen administrateurs betont.1062 Früher konnte allein der
PDG die Sitzungen einberufen. Dieses Recht verbleibt beim président, aber auch
ein Drittel der administrateurs sowie der directeur général können eine Einberufung verlangen, wenn die letzte Sitzung mehr als zwei Monate zurückliegt.1063 Die
wechselseitige Stützung der PDGs bzw. DGs wird dadurch behindert, dass sie nur
noch in fünf conseils gleichzeitig Mitglied sein1064 und das Amt des directeur général nur einmal ausüben dürfen.1065
Auch der reine directeur général hat für das Tagesgeschäft weiterhin eine
unabhängige Stellung, weil er auch ohne ausdrückliche Einräumung in der Satzung oder Geschäftsordnung über umfassende Befugnisse verfügt.1066 Die Stellung des directeur général ist bezogen auf das Tagesgeschäft nur insofern vom
PDG verschieden, als ihn eine Abberufung aus dieser Funktion ohne wichtigen
Grund zum Schadensersatz berechtigt.1067 Es wird aber kritisiert, dass damit die
Kontrolle durch den conseil abgeschwächt wird.1068 Darüber hinaus ist auch der
reine directeur général nicht ohne Einfluss auf den conseil. Auch wenn er kein
Mitglied des conseil sein sollte, wird er regelmäßig an dessen Sitzungen teilnehmen.1069 Hier liegt es am président, ein angemessenes Gegengewicht zu bilden. Es
1059 Vendeuil, JCP 30/2001, 1266 (1267).
1060 Art. L225-17.
1061 Vendeuil, JCP 30/2001, 1266 (1267).
1062 Art. L225-35 Abs. 3 S. 2. Bouton-Bericht, S. 7 f. Dieses Informationsrecht war vorher
schon in der Rechtssprechung anerkannt, vgl. l’arrêt Cointreau, Cass. com. vom
24.04.1990, Bull. Joly 1990, 532.
1063 Art. L225-36-1.
1064 Art. L225-21. Eine Ausnahme besteht dabei für abhängige Gesellschaften.
1065 Art. L225-54-1 Abs. 1. Nur in maximal einer abhängigen Gesellschaft kann der directeur
général dieses Amt nochmals ausüben, Art. L225-54-1, Abs. 2.
1066 Vgl. Art. L225-56.
1067 Art. L225-55.
1068 Bouère, Bull. Joly 2001, § 164, 695 (715).
1069 Guyon, Droit commercial général et Sociétés, S. 351.
176
wird aber prognistiziert, dass der directeur général im Vergleich zum président
eine stärkere Position in der neuen Struktur einnehmen wird.1070
Der Viénot II-Bericht empfahl hinsichtlich der Zusammensetzung des conseil
einen Mindestanteil von einem Drittel unabhängiger Mitglieder und definiert
diese auch.1071 Der Bouton-Bericht forderte für Publikumsgesellschaften sogar
einen Anteil von 50 %.1072 Dagegen wurde die Abgrenzung von an der Geschäftsführung beteiligten und nicht beteiligten Mitgliedern des conseil für entbehrlich
gehalten, weil es nur einen directeur général gibt und die übrigen Mitglieder
(bzw. alle bei einem externen directeur général) als homogene Gruppe begriffen
werden. Allerdings können sie als directeur délégués durchaus an der Geschäftsführung beteiligt sein. Auch wurde die Einrichtung von den anglo-amerikanischen committees vergleichbaren Ausschüssen (comité de selection bzw. comité
des nominations, comité de remuneration) empfohlen.1073 Das comité de selection
sollte mindestens zu einem Drittel, das comité de remuneration mindestens zur
Hälfte aus unabhängigen Mitgliedern bestehen. Solche Ausschüsse sind in der
Praxis zunehmend anzutreffen.1074 Die Aufgabe des comité des nominations
wurde aber vorrangig in der Auswahl der administrateurs und nicht der directeurs
gesehen.1075 Das comité de remuneration entscheidet nur über die Gehälter des
directeur général und der übrigen directeurs. Die Gesamtvergütung der administrateurs muss hingegen zwingend von der Hauptversammlung und die genaue
Aufteilung unter den administrateurs vom gesamten conseil festgelegt werden.1076 Die Corporate Governance-Berichte thematisierten hingegen nicht spezifisch die Kontrolle des (reinen) directeur général.
Das neue Gesetz von 2003 verlangt aber von jeder Aktiengesellschaft die Darlegung und Evaluierung bestehender Beschränkungen ihres directeur général,
unabhängig davon ob er sogar PDG ist. Eine bestehende Ämtertrennung ist zwar
eine solche Beschränkung, es wird aber auch auf das Bestehen von Ausschüssen
und die Zusammensetzung des conseil einzugehen sein. Andere Bereiche des
Berichts über die interne Unternehmenskontrolle berühren ebenfalls die Rolle des
directeur général, nämlich die geforderten Ausführungen über bestehende
interne Regeln für den conseil, die Beurteilungskriterien für seine Effektivität,
1070 Guyon, Droit commercial général et Sociétés, S. 337 und 369; Bureau, Bull. Joly Sociétés
2001, § 149, 553 (566); Nabasque, Petites Affiches 134/2001, 4 (5). Couret, JCP 42/2001,
1660 (1665), sieht dagegen den président als dominierende Figur, wenn dieser bisher der
PDG war.
1071 Viénot II-Bericht, S. 17.
1072 Bouton-Bericht, S. 9.
1073 Viénot II-Bericht, S. 17 f; Bouton-Bericht, S. 13 ff.
1074 Le Cannu, Droit des sociétés, Rn. 639 (S. 358 f.); Bureau, Bull. Joly Sociétés 2001, § 149,
553 (577); Hövermann/Klein, RIW 2006, 277 (279)
1075 Bouton-Bericht, S. 17.
1076 Art. L225-45. Früher entschied allein der président über die Aufteilung, die aber bestimmten von der Rechtssprechung entwickelten Kriterien genügen musste, vgl. Couret, JCP 45/
2001, 1756 (1760).
177
den Prozess für die Bemessung der Bezüge des directeur général und sonstige
internen Kontrollmechanismen.1077
Neben der Berichtspflicht enthält das Gesetz von 2003 auch zwingende Regelungen, die die Stellung des directeur général tangieren, etwa dass er dafür verantwortlich ist, dass die directeurs Zugang zu allen notwendigen Informationen
haben1078, die Streichung der Vertretung des conseil durch den président1079 und
eine gewisse Lockerung der Beschränkung von Sitzen in anderen Leitungs- oder
Aufsichtsorganen im Konzern1080. Damit scheint aber keine Modifizierung der
Stellung des PDG beabsichtigt, sondern vielmehr eine Klarstellung der bisherigen Rechtslage bzw. effektivere Leitung im Konzern.
Ob das französische System, das im Gegensatz zu anderen Ländern keine
genaue Beschreibung einer guten Unternehmenspraxis in Form eines Kodex liefert, sich genauso gut oder gar besser bei der Kontrolle des PDG oder DG
bewährt, lässt sich heute noch nicht absehen. Jedenfalls gibt es auch in Frankreich
eine Entwicklungs hin zur Beschränkung seiner Machtstellung.
g) Haftung
Die administrateurs und directeurs einschließlich des PDG haften alle aus demselben Rechtsgrund.1081 Bisher wurde eine besondere Haftung des PDG und der
directeurs délégués in der Fallpraxis und Literatur noch nicht thematisiert. Nach
der Gesetzesreform von 2001 wird es als schwieriger erachtet, den Mitgliedern
des conseil einen Geschäftsführungsfehler nachzuweisen und sie dafür haftbar zu
machen.1082 Im Umkehrschluss wäre in der Praxis ein Anstieg der Haftung allein
des directeurs général bzw. der directeurs délégués zu erwarten, denen ein solcher Fehler eher nachzuweisen sein dürfte.
5. Ausgestaltung in der SE
a) Bezeichnung
Grundlage für die Ernennung eines dem CEO oder PDG vergleichbaren leitenden
geschäftsführenden Direktors ist in der deutschen monistischen SE Art. 43 Abs.
4 SE-VO i. V. m. § 40 Abs. 1 S. 1 SEAG, der lediglich die Notwendigkeit der Ernennung eines oder mehrerer geschäftsführender Direktoren regelt. Eine Regelung der Rolle des leitenden geschäftsführenden Direktors im SEAG ist hingegen
1077 Vgl. Art. L225-37, 225-68.
1078 Art. L225-35-3.
1079 Art. 225-51.
1080 Art. L225-94-1.
1081 Art. L225-251 ff.
1082 Menjucq, ZGR 2003, 679 (683).
178
nicht beabsichtigt.1083 Mangels Erwähnung im SEAG bleibt die Bezeichnung dieses obersten geschäftsführenden Direktors grundsätzlich der Praxis überlassen.
Eine Erwähnung sollte er aber zumindest im Deutschen Corporate Governance
Kodex finden,1084 womit man auf die Begriffsbildung in der Praxis einwirken
kann.
Da die Geschäftsführer bei der deutschen monistischen SE »geschäftsführende
Direktoren« heißen sollen, könnte man den obersten Geschäftsführer »leitenden
geschäftsführenden Direktor« nennen, während eine Rückkehr zum Begriff
»Generaldirektor«1085 verwirrend wäre und antiquiert wirkt. Die Gesetzesbegründung nennt ihn »Vorsitzender der Geschäftsleitung«.1086 Dies führt leicht zur Verwechslung mit dem Vorsitzenden des Verwaltungsrats, insbesondere wenn die
Personenidentität beider problematisiert werden soll. Eine Bezeichnung als Vorsitzender impliziert eine Organstellung der geschäftsführenden Direktoren, die
gerade nicht besteht.1087 Nachfolgend wird daher stets nur die Bezeichnung »leitender geschäftsführender Direktor« gebraucht.
b) Bestellung und Abberufung
Gem. §§ 40 Abs. 1 S. 1, 40 Abs. 5 S. 1 SEAG ist für die Bestellung und Abberufung aller geschäftsführenden Direktoren der Verwaltungsrat zuständig. Die Abberufung soll danach grundsätzlich jederzeit möglich sein, sofern die Satzung
nichts anderes regelt.
Teilweise wird gefordert, eine Abberufung nur aus wichtigem Grund zuzulassen, um den geschäftsführenden Direktoren eine eigenverantwortliche Position
gegenüber der Hauptversammlung und dem Verwaltungsrat einzuräumen.1088
Teilweise wird zumindest eine entsprechende Satzungsregelung empfohlen.1089
Dies übersieht aber, dass die geschäftsführenden Direktoren anders als der Vorstand im dualistischen System keine autonome Leitungsverantwortung haben und
die jederzeitige Abberufung ein wichtiges Kontrollmittel des Verwaltungsrats ist.
In den dargestellten monistischen Systemen ist aus diesem Grund die jederzeitige
Abberufung möglich.1090 Daher sollte vielmehr die Satzungsdispositivität aus
§ 40 Abs. 5 S. 1 SEAG gestrichen werden und die jederzeitige Abberufungsmöglichkeit zwingend sein.
1083 Vgl. Begr. § 40 SEAG.
1084 Dazu unten 4. Teil C. III. 5. f).
1085 So Gruber/Weller, NZG 2003, 297 (300).
1086 Begr. § 40 SEAG.
1087 Dazu sogleich unter c).
1088 Veil, WM 2003, 2169 (2174).
1089 Eder, NZG 2004, 544 (546).
1090 § 8.43(b) RMBCA, § 142(b) DelGCL; Art. L225-55 Abs. 1 S. 1. In England ist diese Regelung satzungspositiv, vgl. Table A, arts. 72, 84. Für das schweizerische Recht auch Forstmoser, ZGR 2003, 688 (698).
179
Daneben lässt § 40 Abs. 5 S. 2 SEAG Schadensersatzansprüche aus dem
Anstellungsvertrag zu. Dies ist aber auch in den anderen Systemen üblich1091 und
nur in Frankreich beim PDG (dagegen nicht beim directeur général) ausgeschlossen.1092
c) Binnenorganisation der geschäftsführenden Direktoren
(1) Einzelner geschäftsführender Direktor
§ 40 Abs. 1 S. 1 SEAG lässt auch die Ernennung eines einzelnen geschäftsführenden Direktors zu. Seine Zulässigkeit wird im Gegensatz zum Ein-Mann-Verwaltungsorgan nicht an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. Es liegt auf der
Hand, dass er mehr Macht hat als ein leitender geschäftsführender Direktor unter
mehreren geschäftsführenden Direktoren.
In den anglo-amerikanischen Ländern ist anders als im skandinavischen
Rechtskreis die Bestellung eines einzelnen Geschäftsführers wenig verbreitet.
Dies ist sicher darauf zurückzuführen, dass die Ernennung weiterer weisungsunterworfener officers neben einer klaren Führung auch eine Arbeitsteilung erlaubt.
Selbst in Frankreich wird der PDG oft durch weitere directeurs délégués unterstüzt. Es ist daher anzunehmen, dass auch größere monistische SE mehrere
geschäftsführende Direktoren ernennen werden. Kleinere Gesellschaften, insbesondere wenn sie nicht börsennotiert sind und daher nicht den Börsenzulassungsvorschriften unterliegen, verfügen dagegen in den USA und England häufig über
ein reines insider board, in denen sich die Bestellung von officers ganz erübrigt,
weil alle directors an der Geschäftsführung beteiligt sind.1093 Da diese Möglichkeit der SE durch § 40 Abs. 1 S. 1 SEAG verwehrt ist,1094 kann für kleinere SE
und insbesondere Konzerntöchter eher ein Bedürfnis für die Ernennung eines einzelnen geschäftsführenden Direktors bestehen.1095
(2) Organisation mehrerer geschäftsführender Direktoren
§ 40 Abs. 2 S. 2 SEAG ordnet für die geschäftsführenden Direktoren satzungsund geschäftsordnungspositiv Gesamtgeschäftsführung an. Eine solche Regelung
setzt offenbar die Annahme voraus, dass die geschäftsführenden Direktoren kein
Organ der SE bilden, auf das Art. 50 SE-VO findet. Die Organqualität der geschäftsführenden Direktoren ist in der Literatur kontrovers diskutiert worden.
1091 § 8.44(b) RMBCA and Official comment to § 8.43 RMBCA.
1092 Art. L225-55.
1093 Siehe oben 4. Teil B.II.2.
1094 Zur Notwendigkeit einer zwingenden Ernennung von geschäftsführenden Direktoren siehe
oben 4. Teil B.V.3.
1095 Begr. § 40 SEAG; vgl. auch Teichmann, BB 2004, 53 (55).
180
Teilweise wird davon ausgegangen, dass sie grundsätzlich zu einem Organ
verselbstständigt werden können,1096 da die SE-VO die Organe nicht abschließend
bestimme.1097 Andere weisen aber darauf hin, dass dies zu Konflikten mit der Zuweisung der obersten Leitungsverantwortung an das Organ Verwaltungsrat in Art.
43 Abs. 1 SE-VO führt.1098
In den bestehenden monistischen Systemen wird dagegen eine Organqualität
der Tagesgeschäftsführung - soweit diese überhaupt problematisiert wird - verneint.1099 Art. 38 b) SE-VO, der das monistische System in Abgrenzung zum dualistischen beschreibt, nennt nur das Verwaltungsorgan als weiteres Organ neben
der Hauptversammlung. Es ließe sich argumentieren, dass die Beschränkung auf
ein Verwaltungsorgan zum Wesensgehalt des monistischen Systems gehört und
die SE-Verordnung auf diesem Verständnis aufbaut. Unabhängig davon, wie man
die Frage der Organqualität der geschäftsführenden Direktoren letztlich beantwortet, wird man jedenfalls davon ausgehen müssen, das Organe i.S.d. Art. 50
SE-VO nur die in der SE-VO explizit genannten Organe sind, weil diese Vorschrift in einem Abschnitt über gemeinsame Vorschriften nach den Abschnitten
für beiden Leitungssysteme steht.1100
Gleichfalls kommt für die innere Organisation der geschäftsführenden Direktoren nicht § 77 AktG zur Anwendung, weil er gem. Art. 9 Abs. 1 lit. a) SE-VO
von Art. 43 Abs. 4 SE-VO i. V. m. § 40 Abs. 2 S. 2 SEAG verdrängt wird. Infolge
der Abbedingbarkeit der Gesamtgeschäftsführung ist sowohl eine kollegiale als
auch direktoriale Organisation mit Weisungsrecht des leitenden geschäftsführenden Direktors zulässig.1101
d) Befugnisse der geschäftsführenden Direktoren allgemein
Welche spezifischen Rechte dem leitenden geschäftsführenden Direktor eingeräumt werden können, bestimmt sich zunächst danach, welche Rechte allgemein
den geschäftsführenden Direktoren zustehen. Sie sollen gem. § 40 Abs. 2 S. 1
SEAG die Geschäfte der Gesellschaft führen. Damit wird ihre Funktion nicht wie
in Art. 43 Abs. 1 S. 2 SE-VO ausdrücklich auf das Tagesgeschäft beschränkt.1102
Eine solche Einschränkung ergibt sich jedoch mittelbar aus § 40 Abs. 2 S. 3
1096 Artmann, wbl 2002, 189 (194), Schwarz, SE-Komm., Art. 43 Rn. 40. Reichert/Brandes,
Münchner Komm., Art. 43 SE-VO, Rn. 132 sehen sogar den »Vorsitzenden der Geschäftsführung« als Repräsentanten der »geschäftsführenden Direktoren als Kollegianorgan«.
Unklar bleibt, wie das mit der Möglichkeit einer vertikalen Organisation (dies., Rn. 136)
vereinbar ist.
1097 Brandt/Scheifele, DStR 2002, 547 (549); so zur SE-VOV 1989 auch Kallmeyer, AG 1990,
103 (104).
1098 Hoffmann-Becking, ZGR 2004, 355 (372).
1099 Siehe oben 4. Teil B.V.6.
1100 Teichmann, in: Lutter/Hommelhoff, SE-Komm., Art 50 Rn. 4.
1101 Vgl. auch Begr. § 40 SEAG.
1102 Teichmann, BB 2004, 53 (54).
181
SEAG, wonach sie nur das tun dürfen, was nicht dem Verwaltungsrat vorbehalten
ist. Das SEAG weist an vielen Stellen bestimmte Kompetenzen ausdrücklich dem
Verwaltungsrat bzw. den geschäftsführenden Direktoren zu. So obliegt dem Verwaltungsrat die Einberufung der ordentlichen Hauptversammlung sowie die Vorbereitung und Ausführung von Hauptversammlungsbeschlüssen auf Verlangen
der Hauptversammlung.1103 Hinzu kommen die im Aktiengesetz genannten
Einzelaufgaben des Aufsichtsrats wie bspw. die Prüfung des Jahresabschlusses,1104 da der Verwaltungsrat die Funktionen des Aufsichtsrats übernimmt. Demgegenüber sind den geschäftsführenden Direktoren ausdrücklich die Handelsregisteranmeldungen und die Erstellung des Jahresabschlusses zugewiesen.1105 Insgesamt ist damit die Rolle der geschäftsführenden Direktoren in der deutschen SE
im Gegensatz zu anderen monistischen Systemen1106 näher konkretisiert.1107
Nach außen haben die geschäftsführenden Direktoren unbeschränkte und
unbeschränkbare Vertretungsmacht.1108 Im Innenverhältnis sollen sie gem. § 44
Abs. 2 SEAG gewissen Beschränkungen unterliegen. Dies können zunächst Vorgaben in der Satzung sein, aber im Gegensatz zu § 119 Abs. 2 AktG auch solche
der Hauptversammlung. Die Regelung ist darauf zurückzuführen, dass das SEAG
die Rolle des geschäftsführenden Direktors nach dem Vorbild des GmbH-
Geschäftsführers, der gem. § 37 Abs. 1 GmbHG von den Gesellschafterbeschlüssen weisungsabhängig ist, gestalten will.1109 Inwieweit für die monistische SE diese zusätzliche Weisungsabhängigkeit des geschäftsführenden Direktors von der Hauptversammlung notwendig ist, kann bezweifelt werden. Praktische Relevanz wird sie wahrscheinlich nicht erlangen, weil die Hauptversammlung als Initiativorgan zu schwerfällig ist. Vielmehr werden eher entsprechende
Vorschläge vom Verwaltungsrat an die Hauptversammlung kommen müssen.
Wichtiger ist dagegen die Weisungsabhängigkeit der geschäftsführenden
Direktoren vom Verwaltungsrat gem. § 44 Abs. 2, 2. Alt. SEAG. Sie ist in der
monistischen SE bereits dadurch stärker ausgeprägt, dass gem. Art. 48 Abs. 1
Unterabs. 1 SE-VO zwingend in der Satzung festgelegt werden muss, welche
Arten von Geschäften eines Beschlusses des gesamten Verwaltungsorgans bedür-
1103 § 22 Abs. 2 SEAG.
1104 Vgl. § 171 AktG.
1105 §§ 22 Abs. 2 S. 4, 47 Abs. 1 S. 1 SEAG.
1106 § 8.41 RMBCA, § 142(a) DelGCL; Combined Code, principle A.2; Art. L225-51-1.
1107 Dies rechtfertigt sich aber aus der allgemeinen Regelungsdichte des deutschen Aktienrechts, das dem Leitbild von der AG als Publikumsgesellschaft folgt, vgl. Teichmann, BB
2004, BB 53 (59).
1108 § 41 SEAG.
1109 Begr. § 40 SEAG; Neye/Teichmann, AG 2003, 169 (179). Eine entsprechende Regelung
findet sich auch in CA 1985, art. 70 (vgl. jetzt Draft Model Articles, art. 3(1)), hat dort
aber geringe praktische Bedeutung.
182
fen.1110 In anderen Ländern fehlt oft eine vergleichbare gesetzliche Regelung.1111
Die Kompetenzen der geschäftsführenden Direktoren werden daher nicht nur
durch die gesetzlichen Zuständigkeiten des Verwaltungsrats, sondern auch durch
den Katalog im Sinne des Art. 48 Abs. 1 Unterabs. 1 SE-VO beschnitten. Allerdings kann eine Verletzung der Kompetenzen nach dem Katalog Dritten nicht entgegengehalten werden, § 44 Abs. 1 SEAG.
Die Weisungsabhängigkeit vom Verwaltungsrat besteht gem. § 44 Abs. 2
SEAG auch außerhalb des Katalogs im Sinne des Art. 48 Abs. 1 Unterabs. 1 SE-
VO. Teilweise wird bezweifelt, ob eine solche Weisungsabhängigkeit überhaupt
mit der Geschäftsführung »in eigener Verantwortung« im Sinne des Art. 43 Abs.
1 S. 2 SE-VO und dem monistischen System generell vereinbar ist.1112 Allerdings
wurde bereits dargelegt, dass Art. 43 Abs. 1 S. 2 SE-VO nicht direkt auf die deutsche monistische SE anwendbar und die Formulierung »in eigener Verantwortung« in der SE-Verordnung ohnehin nicht überzubewerten ist.1113 Weiterhin ist
eine solche Weisungsabhängigkeit auch aus anderen Systemen bekannt. Sie wird
dort nicht ausdrücklich im Gesetz genannt, ist aber in der Zuweisung der primären Leitungsaufgabe an das Verwaltungsorgan enthalten.1114 Die Weisungsabhängigkeit der Geschäftsführung ist dabei Ausfluss der Leitungsaufgabe des
Verwaltungsorgans, die auch in Art. 43 Abs. 1 S. 1 SE-VO hervorgehoben wird.
Insofern ist eine Weisungsabhängigkeit der Geschäftsführer vom Verwaltungsorgan nicht nur nach der SE-Verordnung zulässig, sondern sogar ohne besondere
Regelung im SEAG zwingend. Diese Weisungsabhängigkeit vom Verwaltungsrat
muss demzufolge auch für die Aufgaben gelten, die das SEAG zwingend den
geschäftsführenden Direktoren zuweist.
Aufgrund der Weisungsabhängigkeit haben theoretisch die geschäftsführenden
Direktoren im Vergleich zum Vorstand eine schwächere Stellung.1115 Faktisch
wird ihre Macht über die Stellung eines Vorstandsmitglieds hinausgehen, weil der
Verwaltungsrat in der Praxis von seinem Weisungsrecht und sonstigen Befugnissen wie in allen monistischen Systemen nur in eingeschränktem Maße Gebrauch
machen wird. Durch eine entsprechende Binnenorganisation wäre also durchaus
Raum für einen mächtigen leitenden geschäftsführenden Direktor, dessen Stellung deutlich stärker als die eines Vorstandsvorsitzenden wäre.
1110 Eder, NZG 2004, 544 (546) empfiehlt jedoch, diesen Katalog zwecks Verwirklichung eines
CEO in der monistischen SE klein zu halten. Dies ist aber aus Corporate Governance-
Gesichtspunkten eindeutig nicht wünschenswert.
1111 Eine Ausnahme bildet hier Combined Code, principle A.1.2.
1112 Ihrig/Wagner, BB 2003, 969 (975). Jacks/Schönborn, EuZW 2003, 254 (263) plädieren
sogar dafür, dass der deutsche Gesetzgeber die »Eigenverantwortlichkeit« der gesetzgebenden Direktoren im Sinne des § 76 Abs. 1 AktG festschreibt.
1113 Siehe oben 4. Teil B.I.
1114 § 8.01(b) RMBCA 1999; § 141(a) DelGCL: »by or under the direction of the board«. Art.
L225-35 Abs. 1: »Le conseil d’administration détermine les orientations de l’activité de
la société et veille à leur mise en oeuvre ....« Vgl. auch CA 1985, Table A, Art. 72.
1115 Neye/Teichmann, AG 2003, 169 (179).
183
e) Besondere Rechte des leitenden geschäftsführenden Direktors
(1) Grundsatz der Gesamtgeschäftsführung
§ 40 Abs. 2 S. 2 SEAG legt für die geschäftsführenden Direktoren das Prinzip der
Gesamtgeschäftsführung fest, das aber satzungs- und geschäftsordnungsdispositiv ist. Diese Regelung überrascht zunächst, weil in den anderen monistischen Ländern die Geschäftsführung entweder (wie in Frankreich)1116 zwingend
nach dem Gesetz direktorial organisiert ist oder (wie in den USA und England)1117
die Organisationsform wertungsfrei den Gesellschaften selbst überlassen wird,
diese sich jedoch fast durchgängig für das Direktorialprinzip entscheiden.
Das SEAG scheint hingegen nicht nur beim Verwaltungsrat, sondern auch bei
den geschäftsführenden Direktoren grundsätzlich vom Kollegialprinzip auszugehen. Da aber für die Abbedingung im Rahmen des § 40 Abs. 2 S. 2 SEAG eine
dem § 77 Abs. 1 S. 2, 2. HS AktG vergleichbare Einschränkung fehlt, wird
gleichzeitig bewusst die Möglichkeit einer direktorialen Organisation
eröffnet.1118 Die Praxis im anglo-amerikanischen Recht hat gezeigt, dass vereinzelt bei einer Gesellschaft das Bedürfnis nach einer kollegialen Organisation der
Geschäftsführung bestehen kann. Insofern ist die flexible Regelung des § 40 Abs.
2 S. 2 SEAG der zwingenden Anordnung des Direktorialprinzips im französischen Recht vorzuziehen. Diskutabel ist lediglich, ob das SEAG überhaupt eine
detaillierte Regelung für die innere Ordnung der geschäftsführenden Direktoren
enthalten sollte.1119 Die Anordnung des Gesamtgeschäftsführungsgrundsatzes im
SEAG lässt sich aber – ebenso wie in § 77 Abs. 1 S. 1 AktG – damit rechtfertigen,
dass er quasi ein Gestaltungsauftrag an die SE ist, die Geschäftsführung entsprechend ihren Bedürfnissen zu organisieren.
(2) Regelungsort der Geschäftsführungsorganisation
Regelungsort für eine Modifikation der Gesamtgeschäftsführung soll gem.
§ 40 Abs. 2 S. 2 SEAG entweder die Satzung oder eine vom Verwaltungsrat erlassene Geschäftsordnung sein. Dies entspricht der Regelung in den articles bzw.
bylaws im anglo-amerikanischen Raum.
Für die weiteren Einzelheiten der Geschäftsführung soll dagegen gem.
§ 40 Abs. 4 SEAG zusätzlich eine Regelung in einer von den geschäftsführenden
Direktoren einstimmig erlassenen Geschäftsordnung ausreichend sein. Sie bedarf
im Gegensatz zur Parallelregelung des § 77 Abs. 2 AktG keiner Zustimmung des
Verwaltungsrats. Das fehlende Zustimmungserfordernis mag darin begründet lie-
1116 Art. L225-56 II.
1117 § 8.41 RMBCA, § 142(a) DelGCL; Table A, art. 72, 84.
1118 Vgl. Begr. § 40 SEAG, wonach die Schaffung eines »Vorsitzenden der Geschäftsleitung«
von der Satzungsautonomie erfasst ist.
1119 Hierzu kritisch DAV-Stellungsnahme 65/03, S. 24 (zu § 24 DiskE).
184
gen, dass die Leitentscheidung über die Oranisation der Geschäftsführung, nämlich die Modifikation der Gesamtgeschäftsführung, nur in einer vom Verwaltungsrat erlassenen Geschäftsordnung möglich ist. Daneben kann die von den
geschäftsführenden Direktoren erlassene Geschäftsordnung nur regeln, was nicht
von einer vom Verwaltungsrat erlassenen Geschäftsordnung für die geschäftsführenden Direktoren anderweitig geregelt ist. Dies ist zwar im Gesetz nicht ausdrücklich bestimmt, ergibt sich aber aus dem allgemeinen Weisungsrecht des
Verwaltungsrats gegenüber den geschäftsführenden Direktoren gem. § 44 Abs. 2
SEAG.
Übersichtlicher wäre es allerdings gewesen, für die Regelung sämtlicher
Geschäftsführungsfragen dem Vorbild des § 77 Abs. 2 AktG zu folgen statt zwischen Modifikation der Gesamtgeschäftsführung in § 40 Abs. 2 S. 2 SEAG und
weiterer Geschäftsverteilung in § 40 Abs. 4 SEAG zu unterscheiden. Nach einer
solchen Regelung könnte die Abbedingung der Gesamtgeschäftsführung sowie
jede andere Geschäftsordnungsregelung abgesehen von der Satzung in einer vom
Verwaltungsrat erlassenen Geschäftsordnung erfolgen. Wird dieser nicht tätig, so
könnten die geschäftsführenden Direktoren wie im Rahmen des § 77 AktG mit
Zustimmung des Verwaltungsrats eine entsprechende Geschäftsordnung erlassen.
Dagegen besteht kein Bedürfnis, die Erarbeitung eines Geschäftsordnungsvorschlags gerade den nichtgeschäftsführenden Verwaltungsratsmitgliedern zuzuweisen.1120
Ein Beschluss des Verwaltungsrats, etwa im Rahmen der Bestellung des leitenden geschäftsführenden Direktors, ist hingegen gem. § 40 Abs. 4 SEAG zur Regelung der übrigen Geschäftsordnungsfragen nicht ausreichend. Dieses Erfordernis
einer formellen Abfassung in der Geschäftsordnung (bzw. Satzung) ist wegen der
Bedeutung der Regelungen für ein effektives Funktionieren der Geschäftsführung
und für die Haftung gerechtfertigt.
(3) Kollegialprinzip in der Geschäftsführung
Mit Spannung kann erwartet werden, ob auch in der deutschen monistischen SE
die kollegiale Organisation der geschäftsführenden Direktoren in der Praxis die
absolute Ausnahme darstellen wird. Auch wenn eine solche kollegiale Führung
unter den geschäftsführenden Direktoren für das monistische System eher untypisch ist, könnte gerade bei der SE ein besonderes Bedürfnis dafür bestehen, weil
abgesehen von der Umwandlungs-SE an jeder Gründungsform gem. Art. 2 SE-
VO zwei Gesellschaften aus verschiedenen Ländern beteiligt sind, die gegebenenfalls eine gleichrangige Beteiligung an der Führung der gegründeten SE wünschen. In diesem Fall wäre eine kollegiale Organisation der geschäftsführenden
Direktoren, die faktisch als Repräsentanten der einzelnen Gründungsgesellschaften fungieren, eine angemessene Lösung. Eine vergleichbare Situation ergab
1120 So aber Reichert/Brandes, ZGR 2003, 767 (796).
185
sich etwa bei der Umstrukturierung der EADS,1121 allerdings ist man dort von dieser Lösung auch schnell wieder abgerückt.1122
Sollte sich eine monistische SE für eine kollegiale Führung unter den
geschäftsführenden Direktoren entscheiden, wird sie dennoch zweckmäßigerweise den Grundsatz der Gesamtgeschäftsführung wie beim Vorstand modifizieren, weil auch für die Geschäftsführung im monistischen System eine Geschäftsverteilung sinnvoll ist. Allerdings wird diese Geschäftsverteilung dann den aus
dem deutschen Recht bekannten Grenzen unterliegen. Dies bedeutet, dass der leitende geschäftsführende Direktor nichts gegen die Mehrheit der geschäftsführenden Direktoren entscheiden kann und nur eine dem Vorstandsvorsitzenden/
-sprechers vergleichbare Stellung als »primus inter pares« hat.
Insgesamt wird die kollegiale Führung unter den geschäftsführenden Direktoren aber auch bei der deutschen monistischen SE nicht der Regelfall werden. Die
meisten Gesellschaften werden sich gerade deshalb für das monistische System
entscheiden, weil es bei mindestens einer ihrer Gründungsgesellschaften bereits
bekannt ist. Es liegt dann aber nahe, auch die bekannte (direktoriale) Organisation
der Geschäftsführung für die SE zu übernehmen.
(4) Direktorialprinzip in der Geschäftsführung
Um das Direktorialprinzip unter ihren geschäftsführenden Direktoren einzuführen, muss die SE in der Satzung oder Geschäftsordnung ihrem leitenden geschäftsführenden Direktor ein Weisungsrecht gegenüber den anderen geschäftsführenden Direktoren und damit eine Alleingeschäftsführungsbefugnis einräumen. In den oben dargestellten monistischen Ländern werden die Einzelheiten
der Geschäftsverteilung und insbesondere das Zusammenwirken der Alleingeschäftsführungsbefugnis mit den Rechten der übrigen Geschäftsführer im
Gesetz und in den Kodizes wie auch in der Literatur nicht näher behandelt. Die
Dogmatik zur Geschäftsverteilung im Vorstand lässt sich aber unter Beachtung
der aus dem Direktorialprinzip folgenden Änderungen auf die geschäftsführenden Direktoren übertragen.
Die geschäftsführenden Direktoren in der SE müssen ein Recht auf eine
gewisse Mitwirkung an der Geschäftsführung haben, um ihre Ernennung durch
den Verwaltungsrat nicht völlig zu unterlaufen. Zweifelhaft ist aber der genaue
Umfang dieses Mitwirkungsrechts. Die Teilnahme an der Geschäftsführung
ergibt sich eher aus praktischer Sicht, weil Hauptgrund für die Ernennung mehrerer geschäftsführenden Direktoren die Ermöglichung einer Arbeitsteilung ist.
Der einzelne geschäftsführende Direktor wird wie das einzelne Vorstandsmitglied Einzelgeschäftsführungsbefugnis für sein Ressort haben. Dem leitenden
1121 So Lummert-Latour in seinem Vortrag auf dem 8. Münchner Konzern-Workshop »Die
Europäische Aktiengesellschaft – Grenzüberschreitende Konzerne in Europa« am
8.10.2002.
1122 DIE ZEIT vom 16.07.2007: »Abschied von der Doppelspitze«.
186
geschäftsführenden Direktor sind wiederum die bedeutsameren Entscheidungen
vorbehalten, die im Rahmen des Kollegialprinzips dem Gesamtgremium obliegen. Dies setzt allerdings voraus, dass er von der betreffenden Angelegenheit
Kenntnis erlangt. Demzufolge muss, vergleichbar der Informationspflicht des
einzelnen Vorstandsmitglied gegenüber dem Gesamtgremium bzgl. der Gesamtleitungsaufgaben im dualistischen System, eine Informationspflicht der
geschäftsführenden Direktoren gegenüber dem leitenden geschäftsführenden
Direktor bestehen, damit dieser sein Weisungsrecht sinnvoll ausüben kann. Wie
beim Vorstand besteht die Schwierigkeit in der Abgrenzung dieser vorzulegenden
Entscheidungen von den einfachen Ressortentscheidungen. Die Informationspflicht besteht jedenfalls nicht nur für die Angelegenheiten, die beim Vorstand als
Gesamtleitungsfragen bezeichnet werden, weil die wirklich bedeutsamen Leitungsentscheidungen gem. Art. 43 Abs. 1 S. 1, Art. 48 Abs. 1 Unterabs. 1 SE-VO
in jedem Falle dem Verwaltungsrat obliegen. Aus dieser »Hochzonung« folgt
wiederum, dass Angelegenheiten, die im Vorstand noch das einzelne Mitglied
erledigt, in der monistischen SE eher in die Kompetenz des leitenden geschäftsführenden Direktors fallen werden. Andererseits ist bei den geschäftsführenden
Direktoren die Abgrenzung zwischen Ressortangelegenheiten und Angelegenheiten des leitenden geschäftsführenden Direktors weniger bedeutsam als beim
Vorstand, weil die Kompetenzabgrenzung nicht dem Gesetz (§§ 76 Abs. 1, 77
Abs. 1 AktG) genügen muss. Vielmehr kann die Satzung/Geschäftsordnung zwar
Vorgaben machen, letztendlich entscheidet aber der leitende geschäftsführende
Direktor, welche Angelegenheiten er ohne die anderen geschäftsführenden
Direktoren an sich ziehen möchte. Dennoch ist es der einzelnen SE im Interesse
einer reibungslosen Organisation der Geschäftsführung zu empfehlen, in der
Geschäftsordnung diese Informationspflicht des einzelnen geschäftsführenden
Direktors näher zu konkretisieren.
Aufgrund der Informationspflicht kann der leitende geschäftsführende Direktor jede Ressortangelegenheit an sich ziehen. Dies entpricht dem Interventionsrecht des einzelnen Vorstandsmitglieds im dualistischen System, nach dem es
jede Angelegenheit vor den Gesamtvorstand bringen kann.
Daneben sollten auch die einzelnen geschäftsführenden Direktoren wie im
Rahmen des Kollegialprinzips das Recht haben, ihre Kollegen über jede Ressortangelegenheit zu informieren. Anders als dort ist es aber nicht erforderlich, dass
eine gemeinsame Beratung und Beschlussfassung aller Direktoren stattfindet, in
der der leitende geschäftsführende Direktor sein Alleinentscheidungsrecht formal
ausübt. Gleichwohl kann eine solche Beratung gegebenenfalls ratsam sein, um
den Sachverstand der anderen angemessen zu nutzen.
Insgesamt besteht also eine Art »halbseitige Einzelgeschäftsführung« (vergleichbar der halbseitigen Prokura) der einzelnen geschäftsführenden Direktoren,
bei der der leitende geschäftsführende Direktor die Ressortentscheidung zusammen mit, aber notfalls auch gegen den jeweiligen Ressortdirektor trifft.
Ein Vorschlagsrecht des leitenden geschäftsführenden Direktors bei der Ernennung der anderen geschäftsführenden Direktoren und ihrer Kompetenzverteilung
187
wie beim französischen PDG wäre nach den Regelungen des SEAG ebenfalls
zulässig, solange die endgültige Entscheidung beim Verwaltungsrat bleibt. Im
Rahmen des Direktorialprinzips ist auch die Schaffung von geschäftsführenden
Direktoren »erster« und »zweiter Klasse« möglich. Da das Kollegialprinzip nicht
gilt, können nicht nur im Verhältnis zwischen leitendendem geschäftsführenden
Direktor und übrigen Direktoren, sondern auch im Verhältnis der übrigen Direktoren untereinander verschiedene Geschäftsführungsbefugnisse und Informationsrechte geschaffen werden.
§ 40 Abs. 2 S. 2 SEAG erlaubt außerdem jede Zwischenstufe zwischen Kollegial- und Direktorialprinzip, d. h. dem leitenden geschäftsführenden Direktor
kann auch nur ein sachlich begrenztes Weisungsrecht eingeräumt werden.
(5) Vertretungsregelung
Anders als im anglo-amerikanischen Rechtskreis1123 ist im deutschen Recht zwischen Geschäftsführung und Vertretung zu unterscheiden. Beide müssen daher
nicht notwendigerweise deckungsgleich geregelt werden. Gem. § 25 Abs. 2 S. 1
SE-VO soll für die geschäftsführenden Direktoren ebenfalls der Grundsatz der
Gesamtvertretung gelten, der in Anlehnung an § 78 Abs. 3 AktG lediglich satzungsdispositiv ist. So kann dem leitenden geschäftsführenden Direktoren gem.
§ 41 Abs. 2 S. 1 SEAG nur in der Satzung Alleinvertretungsmacht eingeräumt
werden. Im Rahmen der kollegialen Organisation wird sich dies ebenso wie beim
Vorstand meist nicht empfehlen.
Dagegen kann die herausgehobene Stellung des leitenden geschäftsführenden
Direktors bei einer direktorial organisierten Geschäftsführung auch durch eine
Alleinvertretungsmacht ergänzt werden.1124 Dies entspricht der Praxis in den
anderen monistischen Systemen. Gegebenenfalls kann es aber auch in diesem Fall
zur besseren Kontrolle des leitenden geschäftsführenden Direktors ratsam sein,
die Mitzeichnung eines weiteren Direktors zu fordern. Dies bleibt jedoch der
jeweiligen Gesellschaft überlassen. Den übrigen geschäftsführenden Direktoren
kann dagegen zusammen mit dem leitenden geschäftsführenden Direktor
Gesamtvertretungsmacht eingeräumt werden. Darüber hinaus enthält § 41 Abs. 4
SEAG auch die bekannte Möglichkeit, eine Spezialvollmacht für bestimmte
Geschäfte oder bestimmte Arten von Geschäften zu erteilen.
1123 Siehe oben 4. Teil B.III.c.
1124 Eder, NZG 2004, 544 (546).
188
f) Faktische Dominanz des leitenden geschäftsführenden Direktors und ihre
notwendige Begrenzung
(1) Vorüberlegungen
Die formale Stellung des leitenden geschäftsführenden Direktors nach der SE-VO
und insbesondere nach dem SEAG ist schwächer als die des herkömmlichen CEO
oder PDG. Dies liegt zum einen an der näher konkretisierten Kompetenzverteilung zwischen Verwaltungsrat und geschäftsführenden Direktoren durch das Gesetz und die Satzung gem. Art. 48 Abs. 1 Unterabs. 1 SE-VO. Ein weiter Grund
ist der Grundsatz der Gesamtgeschäftsführung in § 40 Abs. 2 S. 2 SEAG.
Die Dominanz des leitenden geschäftsführenden Direktors beruhte in anderen
monistischen Ländern in der Vergangenheit auf folgenden Faktoren: das Verwaltungsorgan bestand überwiegend aus geschäftsführenden oder der Geschäftsführung nahe stehenden Mitgliedern, es wurde nur unzureichend mit Informationen
versorgt, es fanden nur wenige Sitzungen des Verwaltungsorgans statt, der leitende Geschäftsführer nahm Einfluss auf Bestellung der Mitglieder der
Geschäftsführung und des Verwaltungsorgans, und er hatte gleichzeitig den Vorsitz im Verwaltungsorgan inne.1125
Zwar trifft bereits die SE-Verordnung einige Regelungen über das Verwaltungsorgan, die die Überwachung der Geschäftsführung dienen, aber sie
beschränken die genannten Einflussmöglichkeiten nicht hinreichend. Darüber
hinaus gilt es zu bedenken, dass in Deutschland die Kontrolle durch den Kapitalmarkt viel schwächer ist als im anglo-amerikanischen Raum.1126 Infolgedessen
muss die gesellschaftsinterne Kontrolle schärfer ausfallen. Nachfolgend soll
daher erörtert werden, welche weiteren Vorgaben notwendig sind, um die in den
anderen monistischen Ländern durchgehend zu beobachtenden Fehlentwicklungen bei der SE zu vermeiden.
Vorgaben zur Begrenzung der Rolle des leitenden geschäftsführenden Direktors können sowohl im SEAG als auch im Deutschen Corporate Governance
Kodex gemacht werden.1127 § 161 AktG gilt nicht automatisch für die monistische
SE, weil Art. 43 Abs. 4 SE-VO vorrangig ist,1128 und überdies setzen die meisten
Bestimmungen der gegenwärtigen Fassung des Deutschen Corporate Governance
Kodex das dualistische System voraus. Es sollten aber auch für das monistische
System entsprechende Bestimmungen erlassen werden, und im SEAG sollte dann
auch für die monistische SE auf § 161 AktG verwiesen werden.1129 Dies gebietet
1125 Siehe oben 4. Teil C.III.2.e).
1126 Vgl. Merkt, AG 2003, 126 (127).
1127 Neye/Teichmann, AG 2003, 169 (179); Maul, BB 2003, Heft 19, Die Erste Seite.
1128 A.A.: Hoffmann-Becking, ZGR 2004, 355 (364); Teichmann, BB 2004, 53 (55) unter Hinweis auf Art. 9 SE-VO. Reichert/Brandes, Münchner Komm., Art. 43 SE-VO, Rn. 165 wenden einzelne Kodex-Regelungen über den Aufsichtsrat auf den Verwaltungsrat an.
1129 Schönborn, Die monistische Societas Europaea in Deutschland, S. 292; Teichmann, BB
2004, 53 (55); Frodermann/Jarnott, HdB der Europäischen Aktiengesellschaft, S. 102.
189
schon das Diskriminierungsverbot in Art. 10 SE-VO. Jedoch fehlt ein ensprechender Verweis bisher im SEAG,1130 weil derzeit noch nicht näher über die
Ergänzung des Deutschen Corporate Governance Kodex nachgedacht wird.1131
Manche plädieren dafür, zunächst abzuwarten, wie die monistischen SE aufgrund
der Verordnung und der unbedingt notwendigen Regelungen im SEAG in der
deutschen Praxis ausgestaltet wird, um ihre Gestaltungsfreiheit nicht unnötig einzuengen.1132 Eine Ergänzung des Kodex sollte aber möglichst bald stattfinden, um
die in den bestehenden monistischen Systemen zwangsläufig aufgetretenen Kontrolldefizite bei der deutschen monistischen SE möglichst von Beginn zu vermeiden. Dann macht auch auch ein entsprechender Verweis im SEAG Sinn. Dagegen
leuchtet es nicht ein, zunächst nur die dualistische SE dem Kodex zu unterwerfen,
weil bei ihr Fehlentwicklungen in der Praxis wegen der Vertrautheit des dualistischen Systems nicht in demselben Maße wie bei der monistischen SE zu erwarten
sind.
(2) Häufigkeit der Sitzungen und Informationsversorgung des Verwaltungsrats
Das Verwaltungsorgan muss gem. Art. 44 Abs. 1 SE-VO mindestens alle drei
Monate zusammentreten.1133 Eine solche Regelung der Sitzungshäufigkeit fehlt in
anderen monistischen Ländern. Als wesentliches Recht des einzelnen Verwaltungsratsmitglieds ist das individuelle Informationsrecht gem. Art. 44 Abs. 2 SE-
VO hervorzuheben, das insbesondere für die nichtgeschäftsführenden Mitglieder
eine Information über die Geschäftsführung sicherstellen soll. Dieses Recht ist
auch in Frankreich geregelt,1134 während in den USA und England nur die Informationsversorgung des gesamten boards bzw. der non-executive directors als
Gruppe betont wird.
Diese Kodifizierung von Sitzungshäufigkeit und Informationsversorgung des
Verwaltungsorgans ist ein großer Vorzug gegenüber den bestehenden monistischen Systemen. Viel hängt allerdings davon ab, ob die nichtgeschäftsführenden
Mitglieder von dem Informationsrecht Gebrauch machen.1135 Insofern könnte im
Deutschen Corporate Governance Kodex zusätzlich bestimmt werden, dass der
1130 Kritisch hierzu DAV-Stellungnahme 65/03, S. 28 (zu § 44 DiskE).
1131 Vgl. Pressemitteilung der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance
Kodex vom 14.07.2007: »Zudem wurde die Europäische Gesellschaft (SE) in der Präambel
des Kodex berücksichtigt, mit weiteren Anpassungen des Kodex – insbesondere für die
SE mit monistischem Führungssystem – ist erst dann zu rechnen, wenn sich die SE in der
Praxis weiter etabliert hat.«
1132 Vetter, DB 2007, 1963 (1963) in Bezug auf die vorgenannte Pressemitteilung der Kommission für den Deutschen Corporate Governance Kodex.
1133 Dies übersieht Merkt, ZGR 2003, 650 (655), der auf das Fehlen einer entsprechenden
Regelung im DiskE hinweist.
1134 Vgl. auch Art. L225-35 Abs. 3 S. 2.
1135 Merkt, ZGR 2003, 650 (669).
190
Verwaltungsratsvorsitzende für eine ausreichende Information aller Mitglieder
Sorge trägt.1136
Kritisiert wird darüber hinaus § 36 Abs. 1 S. 1 SEAG, wonach Personen, die
dem Verwaltungsrat nicht angehören, an dessen Sitzungen nicht teilnehmen sollen.1137 Diese Regelung, die § 109 AktG entspricht und auch an Punkt 3.6 Unterabs. 2 DCGK erinnert, stellt sicher, dass insbesondere die (externen) geschäftsführenden Direktoren nicht regelmäßig an den Sitzungen teilnehmen. Wäre dies
der Fall, so würden die Bemühungen um eine effektive Kontrolle der Geschäftsführung, die auf eine Erhöhung der Anzahl nichtgeschäftsführender bzw. unabhängiger Mitglieder gerichtet sind,1138 wieder zunichte gemacht. Die anwesenden
externen geschäftsführenden Direktoren hätten zwar kein Stimmrecht, könnten
aber zusammen mit den geschäftsführenden Verwaltungsratsmitgliedern dennoch
die Sitzungen beeinflussen. Daher ist die Regelung des § 36 Abs. 1 S. 1 SEAG
zu begrüßen.
(3) Zusammensetzung des Verwaltungsrats
Die SE-Verordnung äußert sich abgesehen von der Beachtung der Mitbestimmung1139 nicht zur Zusammensetzung des Verwaltungsorgans. Teilweise wird die
Meinung vertreten, dass bereits die Möglichkeit der Bestellung von internen Geschäftsführern eine Differenzierung des Verwaltungsorgans vorzeichnet.1140 Art.
43 Abs. 1 S. 2 SE-VO eröffnet jedoch nur die Möglichkeit, auch nichtgeschäftsführende Mitglieder in das Verwaltungsorgan zu integrieren, schreibt es jedoch
nicht zwingend vor.
§ 40 Abs. 1 S. 1 SEAG bestimmt, dass die Mehrheit des Verwaltungsrats aus
nichtgeschäftsführenden Mitglieder bestehen muss. Diese Regelung ist trotz des
damit verbundenen Flexibilitätsverlustes angemessen, weil sie eine dem Standard
im dualistischen System gleichwertige Leitungskontrolle sicherstellt.1141 Allerdings sollte sie besser im Deutschen Corporate Governance Kodex erfolgen, um
insbesondere kleinen Gesellschaften und Tochtergesellschaften eine Abweichung
1136 Vgl. Combined Code 2006, Principle 5.
1137 Forstmoser, ZGR 2003, 688 (719).
1138 Dazu sogleich.
1139 Art. 43 Abs. 3 S. 3 SE-VO.
1140 Hommelhoff, AG 2001, 279 (284); Schwarz, ZIP 2001, 1847 (1856), Fn. 64; a.A. Kallmeyer, AG 2003, 197 (200) mit unklarem Bezug auf Art. 39 Abs. 2 S. 2 SE-VO.
1141 Merkt, ZGR 2003, 650 (667). Unklar insoweit Schwarz, SE-Komm., Anh. Art. 43 Rn. 298,
der von einer »Dreiteilung« des Verwaltungsrats in geschäftsführende Mitglieder, Mitglieder für die außergewöhnliche Geschäftsführung und nichtgeschäftsführende Mitglieder
spricht. Auch die nichtgeschäftsführenden Mitglieder sind ja an der Entscheidung beteiligt, wenn die Aufgabe in die Kompetenz des Gesamt-Verwaltungsrates fällt.
191
zu erlauben, wenn dies ihren Bedürfnissen besser entspricht.1142 Auf diese Weise
wäre dann auch eine echte Einpersonen-Leitung durch einen Ein-Mann-Verwaltungsrat ohne das Erfordernis eines zusätzlichen externen geschäftsführenden
Direktors möglich.1143
Grundsätzlich entspricht eine nichtgeschäftsführende Mehrheit dem internationalen Stand der Corporate Governance Diskussion.1144 Zunehmend setzt sich
aber die Erkenntnis durch, dass eine Forderung nach nichtgeschäftsführenden
Mitgliedern nicht ausreicht, sondern diese Mitglieder auch unabhängig sein müssen.1145 So wird mittlerweile fast durchgängig empfohlen, dass die Hälfte des Verwaltungsorgans aus unabhängigen Mitgliedern besteht.1146 Dementsprechend
erscheint eine zusätzliche Regelung im Deutschen Corporate Kodex geboten. Der
Bericht der Hochrangigen Expertengruppe enthält sich dagegen ausdrücklich
einer bestimmten Empfehlung.1147
Für die SE und insbesondere eine SE mit deutscher Beteiligung ergibt sich aber
gegenüber den anderen monistischen Systemen die Besonderheit, dass neben der
Problematik des angemessenen Verhältnisses von geschäftsführenden und nichtgeschäftsführenden bzw. unabhängigen Mitgliedern auch die mögliche Anzahl
von Arbeitnehmervertretern zu berücksichtigen ist. Der Anteil der Arbeitnehmer
bestimmt sich vorrangig nach der entsprechend der SE-Richtlinie getroffenen
Vereinbarung gem. Art. 4 SE-RL.1148 Für den Fall des Scheiterns der Verhandlungen zwischen Geschäftsführung und Arbeitnehmern muss der nationale Gesetzgeber eine Auffanglösung im Sinne des Art. 7 SE-VO vorsehen, die dann zur
Anwendung kommt, wenn die Mitbestimmung in den an der Gründung beteiligten Gesellschaften einen bestimmten Anteil erreicht.1149
Die deutsche Auffanglösung findet sich in §§ 34-38 SEBG. Gem. § 35 Abs. 2
S. 2 SEBG bestimmt sich der Arbeitnehmeranteil im Verwaltungsorgan nach dem
höchsten Anteil von Arbeitnehmervertretern in den Organen der beteiligten
Gesellschaften vor Eintragung der SE. Danach bestellen bei Beteiligung einer
deutschen mitbestimmten Gesellschaft die Arbeitnehmer unter Umständen die
1142 Forstmoser, ZGR 2003, 688 (719). So ist wohl auch Kübler, ZHR 2003, 222 (232) zu verstehen, der die Festlegung einer Mehrheit nichtgeschäftsführender Mitglieder den »Wertpapierbörsen« überlassen will. Der Regelung in den US-Börsenzulassungsregeln bzw. der
Implementierung des Kodex durch die Börsenzulassungsregeln in England entspricht aber
in der deutschen Systematik die Regelung im Corporate Governance Kodex.
1143 Vgl. dazu 4. Teil C.I.4.
1144 Combined Code 1998, para. A.3.2. In Frankreich besteht stets eine Mehrheit von nichtgeschäftsführenden administrateurs, weil der PDG das einzige geschäftsführendes Mitglied
ist, sofern nicht weitere administrateurs als directeurs délégués ernannt werden. Nach der
neuen Regelungen muss nicht einmal mehr der directeur général Mitglied des conseil sein.
1145 Van den Berghe, Corporate Governance in a Globalising World, S. 74.
1146 NYSE Listed Company Manual, § 303A.01; Combined Code 2006, para. A.3.2 (die Hälfte
des boards muss independent sein, darüber hinaus aber auch der chairman); Bouton-
Bericht, S. 9.
1147 Bericht der Hochrangigen Expertengruppe, S. 64.
1148 Vgl. § 24 Abs. 1 SEAG.
1149 Vgl. Art. 7 Abs. 2 SE-RL.
192
Hälfte der Mitglieder des gesamten Verwaltungsrats. Es ist aber bereits darauf
hingewiesen worden, dass ihre Beteiligung im Verwaltungsrat, d. h. an der
Geschäftsführung, zu einer Aufwertung der Mitbestimmung führt, die im Hinblick auf die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG bedenklich ist.1150 Es kann auch
nicht darauf vertraut werden, dass die Arbeitnehmer in den Verhandlungen auf
eine Mitbestimmung im monistischen System ganz verzichten oder dass gerade
eine niederländische Gesellschaft an der SE-Gründung beteiligt ist und über § 34
Abs. 2 SEBG das Kooptationsmodell eröffnet.1151 Dementsprechend wurde gefordert, dass die Arbeitnehmervertreter nicht als geschäftsführende Direktoren
ernannt werden können. Aus demselben Grund sei äquivalent zu einer paritätischen Mitbestimmung im Aufsichtsrat für den Verwaltungsrat, ein geringerer
Anteil an Arbeitnehmervertretern zu fordern.1152 So wurde etwa eine Festlegung
des Arbeitnehmeranteils auf ein Drittel der Sitze diskutiert. Dieser Anteil müsste
ggf. weiter abgesenkt werden, wenn die Gründungsgesellschaften nur der Drittelparitätischen Mitbestimmung unterliegen. Die vorliegende Lösung des § 35
Abs. 2 S. 2 SEBG erscheint jedenfalls im Hinblick auf Art. 14 GG bedenklich.
Diese Forderung von einem Arbeitnehmeranteil von bis zu 50 % beschränkt
auch den Spielraum für die Differenzierung zwischen nur nichtgeschäftsführenden und wirklich unabhängigen Mitgliedern erheblich, weil gem. § 40 Abs. 1 S.
1 SEAG die Mehrheit der Verwaltungsratsmitglieder nichtgeschäftsführend sein
muss, gleichzeitig aber die Arbeitnehmervertreter in den meisten Fällen aufgrund
ihres Arbeitsvertrags nicht als unabhängig gelten können.1153 Nach der Regelung
des § 35 Abs. 2 S. 2 SEBG sind daher unter Umständen neben den Arbeitnehmervertretern keine weiteren nichtgeschäftsführenden Mitglieder mehr möglich, es
sei denn, der Anteil der geschäftsführenden Direktoren wird weiter abgesenkt
oder ein Teil der Arbeitnehmervertreter wird sogar als geschäftsführende Direktoren ernannt.1154 Letzteres wird aber keine Gesellschaft wünschen und wäre wie
eben dargestellt im Hinblick auf Art. 14 GG noch bedenklicher.
Wird der Anteil der Arbeitnehmervertreter auf ein Drittel begrenzt, so ist der
Spielraum zwar größer, aber die Arbeitnehmervertreter könnten noch immer die
Mehrheit der nichtgeschäftsführenden Mitglieder bilden. Um gleichzeitig eine
gewisse Unabhängigkeit des Verwaltungsrats zu gewährleisten, bietet sich
zunächst die Festsetzung einer absoluten Zahl von bspw. drei unabhängigen Verwaltungsratsmitgliedern an. Dies erscheint aber angesichts der allgemeinen For-
1150 Überlegungen von Reichert/Brandes, ZGR 2003, 767 (792); Teichmann, ZGR 2002, 383
(453); Kämmerer/Veil, ZIP 2005 369 (371); a.A.: Köstler, ZGR 2003, 800 (804).
1151 So aber Kallmeyer, ZIP 2004, 1442 (1444 f.).
1152 In diese Richtung auch Henssler, FS Ulmer, S. 193 (202 ff.), der eine »Parität in der Kontrolle«, nämlich unter den nichtgeschäftsführenden Mitgliedern befürwortet. A.A.: Kallmeyer, ZIP 2003, 1531 (1534), der meint, die AN-Richtlinie fordere eine Parität bzgl. der
Gesamtsitze im Verwaltungsrat.
1153 Bericht der Hochrangigen Expertengruppe, S. 65; a.A.: Köstler, ZGR 2003, 800 (809).
1154 Vgl. auch die Überlegungen von Reichert/Brandes, ZGR 2003, 767 (792).
193
derungen nach einer Mehrheit unabhängiger Mitglieder und der zu erwartenden
Größe des Verwaltungsrats von bis zu einundzwanzig Mitgliedern1155 bedenklich.
Als Alternative könnte man im Deutschen Corporate Governance Kodex vorgeben, dass die Mitglieder des Verwaltungsrats, die keine Arbeitnehmervertreter
sind, mehrheitlich aus unabhängigen Mitgliedern bestehen. Für mitbestimmungsfreie SE ergebe sich danach eine dem internationalen Standard entsprechende
Mehrheit von unabhängigen Mitgliedern im Verwaltungsrat. Wird der Anteil der
Arbeitnehmervertreter in der deutschen mitbestimmten SE auf ein Drittel
begrenzt, so gewährleistet die vorgeschlagene Kodex-Regelung einen hinreichenden Anteil an unabhängigen Mitgliedern in Form von einem Drittel der Gesamtsitze, ohne gleichzeitig den Spielraum für die Ernennung von geschäftsführenden
Mitgliedern und der Geschäftsführung nahe stehenden Mitgliedern völlig zu
beschneiden. Mit der Regelung des § 35 Abs. 2 S. 2 SEBG, dass die Arbeitnehmervertreter bis zur Hälfte der Verwaltungsratssitze übernehmen, lässt sich
dagegen eine angemessene Anzahl von unabhängigen Mitgliedern nicht verwirklichen.
Der Deutsche Corporate Governance Kodex müsste jedenfalls auch eine Definition der Unabhängigkeit enthalten. Hier könnte man sich an der umfassenden
Negativdefinition im Combined Code orientieren.1156 Danach gelten sowohl frühere Angestellte der Gesellschaft, Geschäftspartner, Berater, Verwandte der
Geschäftsführung, Organmitglieder aus verbundenen Gesellschaften1157 sowie
Großaktionäre als nicht unabhängig.1158 Sehr progressiv ist auch die Regelung,
dass die Unabhängigkeit bei einer Amtszeit von mehr als neun Jahren ausgeschlossen ist.1159
Diese Anforderungen an die unabhängigen geschäftsführenden Direktoren
gehen weit über die an Aufsichtsratsmitglieder hinaus. Für die Aufsichtsratsmitglieder in der deutschen AG und dualistischen SE wurden oben aber keine vergleichbaren Forderungen erhoben, weil solche zusätzliche Erfordernisse gegen
das Diskriminierungsverbot des Art. 10 SE-VO verstoßen würden.1160 Die verschärften Anforderungen an die Unabhängigkeit im monistischen System lassen
sich damit rechtfertigen, dass die unabhängigen geschäftsführenden Direktoren
im Gegensatz zu den Aufsichtsratsmitgliedern eine organinterne Überwachung
leisten müssen und außerdem in diesem Organ noch in der Minderheit sind.1161
1155 Vgl. § 23 Abs. 1 SEEG.
1156 Dagegen plädiert Maul, ZGR 2003, 743 (758) für weniger strenge Anforderungen an die
Unabhängkeit als in den anderen Ländern wegen der »spezifischen Besonderheiten des
Standorts Deutschland«. Hiermit ist wohl vor allem die Mitbestimmung gemeint.
1157 Dazu sogleich unten 4. Teil C. III. 5. f) (4).
1158 Combined Code, para. A.3.1.
1159 Combined Code, para. A.3.1 am Ende.
1160 Siehe oben 3. Teil C.III.3.c).
1161 Vgl. auch die Diskussion nach dem Vortrag von Hoffmann-Becking auf dem ZGR-Symposium »Impulse für das Europäische Gesellschaftsrecht« in Königsstein 2004,
zusammengefasst von Oplustil, ZGR 2004, 383 (387).
194
(4) Persönliche Voraussetzungen der Mitgliedschaft im Verwaltungsrat
Das SEAG setzt auch bei der wechselseitigen Mitgliedschaft in Verwaltungsräten
strenge Maßstäbe. Andere monistische Systeme treffen hierzu meist keine Regelung. Nur in Frankreich gilt eine Beschränkung der Mitgliedschaft auf fünf
conseil-Sitze,1162 die man mittlerweile für den Konzern aber schon wieder gelokkert hat.1163
§ 27 SEAG, der § 100 Abs. 2 AktG nachgebildet ist, ist hingegen restriktiver
gefasst. § 27 Abs. 1 Nr. 1 SEAG bestimmt zunächst eine Höchstanzahl von zehn
Verwaltungsratssitzen, wobei als Äquivalent auch Aufsichtsratssitze mit eingerechnet werden. Dies erscheint vor allem unter dem Gesichtspunkt der bewältigbaren Arbeitsbelastung sinnvoll.1164 Gleichzeitig trägt man damit mittelbar der
Erwägung Rechnung, dass geschäftsführende Direktoren nur bedingt zur Kontrolle der geschäftsführenden Direktoren in anderen Gesellschaften fähig sind.
Darüber hinaus ist in Anlehnung an § 100 Abs. 2 S. 3 AktG ein Mandat als Verwaltungsratsvorsitzer doppelt anzurechnen.1165
In Anlehnung an § 100 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AktG soll es aber gem.
§ 27 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SEAG auch unmöglich sein, als geschäftsführender Direktor einer Tochtergesellschaft Mitglied im Verwaltungsrat der Muttergesellschaft
zu sein. § 27 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SEAG verbietet darüber hinaus entsprechend
§ 100 Abs. 2 Nr. 3 AktG die Mitgliedschaft eines geschäftsführenden Direktors
im Verwaltungsrat einer anderen Gesellschaft, wenn umgekehrt ein geschäftsführender Direktor der anderen Gesellschaft bereits im Verwaltungsrat dieser Gesellschaft sitzt.
Grundsätzlich ist eine gewisse Neutralität beim Verwaltungsrat ebenso notwendig wie beim Aufsichtsrat, um eine effektive Kontrolle der geschäftsführenden Direktoren zu gewährleisten. Es darf aber nicht übersehen werden, dass der
Verwaltungsrat vom Wesen her auch ein Geschäftsführungsorgan ist, für dessen
Tätigkeit die Einbindung des Know-Hows anderer geschäftsführender Direktoren
wichtig ist. Dies zeigt sich bereits darin, dass Mitglieder des Verwaltungsrats zu
geschäftsführenden Direktoren einer Gesellschaft bestellt werden können. Insofern erscheint ein radikales Verbot von wechselseitigen Verwaltungsratsmitgliedschaften im Sinne des § 27 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SEAG zu eng.
Aus demselben Grund ist auch § 27 Abs. 1 Nr. 2 SEAG zu kritisieren, die das
Anliegen hat, die Überwachung der Muttergesellschaft frei von den Interssen der
Tochtergesellschaft zu halten. Der Ausschluss der Tochergeschäftsführung vom
Verwaltungsrat der Muttergesellschaft erschwert aber den Informationsfluss und
unterminiert so die Eignung der monistischen SE als Konzerntochter.
Statt der Beschränkungen in § 27 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 u. 3 SEAG wäre es daher
sinnvoller, wie oben beschrieben einen Mindestanteil von wirklich unabhängigen
1162 Art. L225-21.
1163 Art. L225-94-1, eingeführt durch das Gesetz von 2003.
1164 Vgl. Aktionsplan der EU-Kommission, S. 15.
1165 § 27 Abs. 1 S. 3 SEAG; vgl. DAV-Stellungsnahme 65/03, S. 22 (zu § 22 DiskE).
195
Verwaltungsratsmitgliedern (zumindest im Deutschen Corporate Governance
Kodex) vorzusehen.1166 Die Verwaltungsratsmitglieder in den Konstellationen des
vorliegenden § 27 Abs. 1 SEAG können nämlich nicht als unabhängig gelten.
(5) Kontrolle durch Verwaltungsrats-Ausschüsse
(i) Regelungsbedarf
Ein weiteres Instrument zur Kontrolle der Geschäftsführung ist die Errichtung
von Ausschüssen. Die SE-Verordnung erwähnt keine Ausschüsse des Verwaltungsorgans, verbietet sie also auch nicht. § 34 Abs. 4 S. 1 SEAG eröffnet die
Möglichkeit der Ausschussbildung nach dem Vorbild des § 107 Abs. 3 AktG. Er
regelt aber nicht näher, welche Ausschüsse zur Kontrolle der geschäftsführenden
Direktoren einzurichten sind.
In den bestehenden monistischen Systemen dient die Errichtung von nominating committees bzw. remuneration committees dazu, den Einfluss des CEO auf
Personal- und Vergütungsentscheidungen zurückzudrängen. Auch bei der monistischen SE ist eine Einflussnahme des leitenden geschäftsführenden Direktors
auf die Wahl der Mitglieder des Verwaltungsrates und der geschäftsführenden
Direktoren sowie die Höhe der Vergütung zu befürchten. Diese Einflussnahme
wird nur unerheblich dadurch erschwert, dass die im anglo-amerikanischen Raum
bestehende Möglichkeit des proxy voting, bei der sich die Geschäftsführung die
Stimmen einzelner Aktionäre für die Wahl der directors übertragen lassen,1167
nach deutschem Recht unzulässig ist. Daher sollte die Errichtung und Zusammensetzung solcher Ausschüsse im Deutschen Corporate Governance Kodex vorgegeben werden.1168 Sie könnten in Anlehnung an die Terminologie bei den
Aufsichtsratsausschüssen als »Personalausschuss« bzw. »Vergütungsausschuss«
bezeichnet werden.1169
Das ebenfalls wichtige audit committee, das in erster Linie der Prüfung der
Rechnungslegung durch die Geschäftsführung allgemein und nicht spezifisch der
Kontrolle des obersten leitenden Geschäftsführers dient, soll hier wiederum ausgeklammert bleiben. Zweifellos ist aber die Errichtung eines audit committee
bzw. »Bilanzausschusses« für die (börsennotierte) monistische SE ebenfalls
unentbehrlich.1170
1166 Vgl. auch Forstmoser, ZGR 2003, 688 (719).
1167 Siehe oben 4. Teil C.III.2.e).
1168 Lutter/Kollmorgen/Feldhaus, BB 2007, 509 (509) verorten entsprechende Regelungen für
die Ausschüsse in ihrer Muster-Satzung für die monistische SE.
1169 Reichert/Brandes, Münchner Komm., Art. 44 SE-VO, Rn. 63 ff. schlagen einen Personalausschuss vor, der die Funktion beider Ausschüsse in sich vereint.
1170 So auch Maul, ZGR 2003, 743 (760)
196
(ii) Personalausschuss
Der Personalausschuss hätte in der deutschen monistischen SE wegen § 34 Abs.
4 S. 2 i. V. m. § 40 Abs. 1 S. 1 SEAG bzgl. der Bestellung der geschäftsführenden
Direktoren nur eine beratende Funktion. Nach diesen Regelungen ist es anders als
im anglo-amerikanischen Recht ausgeschlossen, dass der Personalausschuss statt
des gesamten Verwaltungsrats die endgültige Entscheidung trifft. Da die Personalhoheit für die geschäftsführenden Direkoren dem ganzen Verwaltungsrat obliegt, ist gegen die Notwendigkeit eines Plenumsbeschlusses nichts einzuwenden.1171 Die Aufgabe des Personalausschusses bestünde stattdessen darin, eine
entsprechende Empfehlung an den gesamten Verwaltungsrat zu geben sowie Vorschläge an die Hauptversammlung zur Bestellung von Verwaltungsratsmitgliedern zu machen. Er könnte aber in vollem Umfang die zweite Funktion des
nominating committees wahrnehmen, nämlich die ständige Evaluierung von
Verwaltungsratsmitgliedern und geschäftsführenden Direktoren.
Hinsichtlich der Zusammensetzung des Personalausschusses bestehen in den
monistischen Ländern unterschiedliche Vorgaben. So wird in den US-amerikanischen Kodizes eine Mehrheit nichtgeschäftsführender Mitglieder1172 gefordert, in
den Börsenzulassungsregeln sogar eine ausschließliche Besetzung mit independent directors.1173 In Frankreich liegt die Empfehlung bei einem Drittel,1174 in
England bei einer Mehrheit von unabhängigen Mitgliedern.1175 Ein völliger Ausschluss der geschäftsführenden Mitglieder wird wegen ihrer Sachkompetenz und
ihrer zukünftigen Zusammenarbeit mit den ausgewählten Kandidaten als nicht
sinnvoll erachtet. Der Aktionsplan der EU-Kommission empfielt sogar, dass die
geschäftsführenden Verwaltungsratsmitglieder die Mehrheit im nominating committee haben sollen.1176 Dies erscheint im Hinblick auf den Zweck des Ausschusses, eine von der Geschäftsführung unabhängige Personalpolitik zu fördern,
unzweckmäßig. Im Bericht der Hochrangigen Expertengruppe wird dagegen eine
ausschließliche Besetzung mit nichtgeschäftsführenden Mitgliedern, die mehrheitlich unabhängig sind, gefordert.1177
In Einklang mit der Erkenntnis, dass die unabhängigen Mitglieder besser als
die lediglich nichtgeschäftsführenden Mitglieder zu einer Kontrolle der
Geschäftsführung beitragen können, sollte für den Personalausschuss in der deutschen monistischen SE ebenfalls eine Mehrheit von unabhängigen Mitgliedern
bei einer Mindestgröße von drei Mitgliedern empfohlen werden.1178 Da gleichzei-
1171 Reichert/Brandes, Münchner Komm., Art. 44 SE-VO, Rn. 48; dies., ZGR 2003, 767 (797).
1172 Corporate Director’s Guidebook, Bus. Law. 2001, 1571 (1608). ALI Principles, § 3A.04(a)
fordert gleichzeitig eine Mehrheit von independent directors.
1173 NYSE Listed Company Manual, § 303A.04. So auch die Empfehlung von CalPERS, para.
III.A.4.
1174 Bouton-Bericht, S. 11.
1175 Combined Code, para. A.4.1.
1176 So der Aktionsplan der EU-Kommission, S. 15.
1177 Bericht der Hochrangigen Expertengruppe, S. 63.
1178 So auch Schwarz, SE-Komm., Art. 43, Rn. 27 generell für Verwaltungsratsausschüsse.
197
tig empfohlen wird, dass die unabhängigen Verwaltungsratsmitglieder mindestens ein Drittel des gesamten Verwaltungsrats bilden, ist das Vorhandensein entsprechender Mitglieder gewährleistet. Gleichzeitig lässt eine solche Forderung
die Integration von Arbeitnehmervertretern in den Personalausschuss zu.1179
(iii)Vergütungsausschuss
Die Errichtung des Vergütungsausschusses sollte hauptsächlich dem Zweck dienen, die Vergütung der geschäftsführenden Direktoren festzusetzen. Diese Aufgabe obliegt gem. § 40 Abs. 7 SEAG i. V. m. § 87 AktG dem Verwaltungsrat, soll
aber anders als die Ernennung der geschäftsführenden Direkoren delegierbar sein.
Diese Delegationsmöglichkeit ist im Hinblick auf die Kontrolle der Geschäftsführung zu begrüßen.
Hinsichtlich der Zusammensetzung eines solchen Ausschusses bestehen in den
anderen Ländern ebenfalls unterschiedliche Vorgaben, die jeweils strenger als
beim Personalausschuss sind. Dies liegt daran, dass hier anders als bei der Personalpolitik ein Mitspracherecht der Geschäftsführung nicht notwendig
erscheint. So wird in den US-amerikanischen Kodizes gefordert, dass ein solcher
Ausschuss nur aus nichtgeschäftsführenden Mitgliedern besteht.1180 Demgegen-
über verlangen die Börsenzulassungsregeln in den USA und England inzwischen
eine ausschließliche Besetzung mit independent directors.1181 In Frankreich soll
der Ausschuss dagegen zur Hälfte aus unabhängigen Mitgliedern bestehen,
soweit er die Vergütung der geschäftsführenden Mitglieder festsetzt.1182 Der
Bericht der Hochrangigen Expertengruppe fordert wie beim Nomininierungsausschuss eine ausschließliche Besetzung mit nichtgeschäftsführenden Mitgliedern,
die mehrheitlich unabhängig sind.1183
Auch für die Zusammensetzung des Vergütungsausschusses bei der monistischen SE sind daher besondere Vorgaben geboten. Die Vergütung des Management erreicht in Deutschland schon beim Vorstand enorme Größenordnungen, die
kaum noch in Relation zur Lage der Gesellschaft und dem Unternehmenserfolg
stehen. Gerade bei der monistischen SE besteht aufgrund der Nähe zur US-amerikanischen corporation die Gefahr, dass sich die Vergütung nach amerikanischem Vorbild weiter nach oben entwickelt, ohne dass die Aktionäre wirksam
1179 Kallmeyer, ZIP 2003, 1531 (1535) sieht eine solche Arbeitnehmerbeteiligung im Personalausschuss als notwendig an. Zu dieser Problematik siehe sogleich 4. Teil C. III. 5. f)
(5) (iv).
1180 Corporate Director’s Guidebook, Bus. Law. 2001, 1571 (1604). Für eine Besetzung mit
mehrheitlich independent directors ALI Principles, § 3A.05; für eine Besetzung nur mit
independent directors wiederum CalPERS, para. III.A.4.
1181 NYSE Listed Company Manual, § 303A.05; Combined Code, para. B.2.1.
1182 Bouton-Bericht, S. 11.
1183 Bericht der Hochrangigen Expertengruppe, S. 63.
198
dagegen vorgehen können.1184 Daher sollte im Deutschen Corporate Governance
Kodex empfohlen werden, dass der Vergütungsausschuss nur aus unabhängigen
Mitgliedern besteht, wenn er die Vergütung der geschäftsführenden Direktoren
berät. Es sollte wiederum eine Mindestanzahl von drei Ausschussmitgliedern vorgegeben werden. Dies harmoniert ebenfalls mit der Forderung nach einem
Gesamtanteil von einem Drittel geschäftsführender Direktoren. Eine entsprechende Regelung im SEAG wäre dagegen zu starr.1185
Es stellt sich die Frage, ob der Vergütungsausschuss als weitere Aufgabe auch
die Vergütung für die Verwaltungsratsmitglieder festsetzen bzw. einen entsprechenden Vorschlag an die Hauptversammlung erarbeiten soll. In den USA und
England kann das remuneration committee neben der Vergütung der officers auch
die der directors festsetzen bzw. entsprechende Vorschläge erarbeiten.1186 Nach
dem englischen Combined Code ist bei diesen Beratungen sogar die Hinzuziehung des Managements möglich, sofern die articles eine entsprechende Ermächtigung enthalten.1187 Die Hauptversammlung muss dort aber seit dem Jahre 2002
die Vergütung aller directors billigen.1188 In Frankreich entscheidet hingegen die
Hauptversammlung über den Gesamtbetrag der Vergütung, während die Aufteilung dieses Betrags auf die einzelnen administrateurs dem gesamten conseil
vorbehalten ist.1189 Diese Aufgabe kann daher nicht von einem Ausschuss wahrgenommen werden.
Bei der deutschen monistischen SE bewilligt dagegen gem. § 38 Abs. 1 SEAG
i. V. m. § 113 Abs. 1 S. 2 AktG die Hauptversammlung die Vergütung der Verwaltungsratsmitglieder.1190 Dies ist durchaus sinnvoll, weil bei der Vergütung der
Verwaltungsratsmitglieder anders als bei der Vergütung der geschäftsführenden
Direktoren der Interessenkonflikt vorrangig zwischen Verwaltungsrat und Aktionären und nicht zwischen nichtgeschäftsführenden und geschäftsführenden
Verwaltungsratsmitgliedern besteht. In der deutschen monistischen SE könnte
dem Vergütungsausschuss daher allenfalls die Erarbeitung eines entsprechenden
Vorschlags an die Hauptversammlung zugewiesen werden.
Selbst die Delegation der Erarbeitung eines Hauptversammlungsvorschlags
erscheint im Hinblick auf die Kontrolle des leitenden geschäftsführenden Direktors nicht zwingend geboten. Zwar sind die nichtgeschäftsführenden Mitglieder
mehr auf diese Vergütung angewiesen, während sie bei den geschäftsführenden
1184 Vgl. Bernhardt, RIW 2004, 401 (404), der darauf hinweist, dass der US-amerikanische Einfluss eine Hauptursache für den bisherigen Anstieg der Vergütung in Deutschland war.
1185 DAV-Stellungsnahme 65/03, S. 23 (zu § 23 DiskE) schlägt eine Regelung im SEAG vor,
wonach die Vergütung der geschäftsführenden Direktoren stets durch die nichtgeschäftsführendenn Verwaltungsratsmitglieder festgesetzt wird. Dies widerspricht aber der in der
Stellungnahme andernorts geforderten Erhaltung der Gestaltungsfreiheit.
1186 NYSE Listed Company Manual, § 303A.05(b)(B); Combined Code 2006, para. B.2.2.
1187 Para. B.2.3.
1188 The Directors’ Report Regulations 2002, S.I. no. 1986; vgl. s. 241A CA 1985 i. d. F. vom
25.07.2002.
1189 Art. L225-45.
1190 Hoffmann-Becking, ZGR 2004, 355 (380).
199
Mitgliedern nur einen Bruchteil der Gesamtvergütung ausmacht, jedoch kann der
leitende geschäftsführende Direktor dies nur bedingt als Druckmittel gegen einzelne Verwaltungsratsmitglieder einsetzen. Für die Delegation auf einen
Vergütungsausschuss sprechen daher höchstens Praktikablitätsgründe. Da diese
Entscheidung andererseits alle Verwaltungsratsmitglieder betrifft, ist eine
Entscheidung durch den gesamten Verwaltungsrat durchaus zu begrüßen. Insofern sollte sich der Deutsche Corporate Governance Kodex nicht zu dieser Frage
äußern und dadurch die Entscheidung über die Delegation auf einen Ausschuss
wertungsfrei der jeweiligen SE überlassen.
(iv) Exekutiv- und Planungsausschuss
Manche Autoren schlagen darüber hinaus für die SE in Anlehnung an Punkt 3.6
des Deutschen Corporate Governance Kodex1191 die Errichtung eines unternehmerischen Planungsausschusses vor, der nur aus Anteilseignervertretern unter
Vorsitz des leitenden geschäftsführenden Direktors bestehen und die Entscheidungen über die Unternehmensplanung für den Verwaltungsrat vorbereiten
soll.1192 Bei einer Streichung des § 22 Abs. 1 SEAG aus der Verweisung in § 34
Abs. 4 S. 2 SEAG könnte er sogar endgültige Entscheidungen treffen.1193 Der vorgeschlagene Planungsausschuss soll nach Meinung dieser Literaturstimmen im
Gegensatz zu den anderen Ausschüssen nicht der Kontrolle der Geschäftsführung
dienen, sondern eine Implementierung der Mitbestimmung in das monistische
System erreichen, ohne sie durch eine Beteilung der Arbeitnehmer an der Geschäftsführung aufzuwerten. Das BVerfG hat klargestellt, dass eine Form der Mitbestimmung, die über die paritätische Mitbestimmung im Aufsichtsrat mit dem
Zweitstimmrecht des Vorsitzenden hinausgeht, das durch Art. 14 GG geschützte
Eigentumsrecht der Anteilseigener verletzt.1194
Die Errichtung eines solchen Planungsausschusses begegnet jedoch mehreren
Bedenken. Erstens folgt aus der BVerfG-Entscheidung nicht, dass der pauschale
Ausschluss der Arbeitnehmer aus einem Ausschuss des Verwaltungsorgans ohne
weiteres zulässig ist.1195 Zweitens ergibt sich erst recht nicht aus der Entscheidung, dass ein solcher Ausschluss zwingend geboten ist.1196 Vielmehr kann auch
die BGH-Rechtssprechung zur Repräsentation der Arbeitnehmer in den Aus-
1191 Punkt 3.6 DCGK lautet: »In mitbestimmten Aufsichtsräten sollten die Vertreter der Aktionäre und der Arbeitnehmer die Sitzungen des Aufsichtsrats jeweils gesondert, gegebenenfalls mit Mitgliedern des Vorstands, vorbereiten. ...«
1192 Gruber/Weller, NZG 2003, 297 (300); ähnlich Eder, NZG 2004, 544 (546); Kallmeyer, ZIP
2003, 1531 (1535); Reichert/Brandes, ZGR 2003, 767 (793 ff.).
1193 So eine Anregung bzgl. des ähnlich lautenden 38 Abs. 4 DiskE in der Diskussion nach den
Vorträgen von Reichert und Köstler beim 15. ZGR-Symposium 2002, zusammengefasst
von Heinze, ZGR 2003, 810 (811).
1194 Vgl. BVerfGE 50, 290.
1195 Vgl. auch Teichmann, BB 2004, 53 (56), Fn. 48.
1196 So aber Gruber/Weller, NZG 2003, 297 (299 f.).
200
schüssen des Aufsichtsrats1197 nicht völlig unberücksichtigt bleiben. Drittens
würde der Planungsausschuss die Bemühungen um eine effektive Kontrolle des
leitenden geschäftsführenden Direktors teilweise konterkarieren. Schließt man
nämlich die Arbeitnehmervertreter vom Planungsausschuss aus, so sind die
nichtgeschäftsführenden Verwaltungsratsmitglieder in diesem Ausschuss meist
in der Minderheit.1198 Infolgedessen könnte der leitende geschäftsführende Direktor durch den Planungsausschuss alle wichtigen Entscheidungen des Verwaltungsrats vorprägen.1199 Dies erscheint kontraproduktiv zu den Bemühungen um
eine bessere Kontrolle des leitenden geschäftsführenden Direktors. Daher wäre
der Verwaltungsratsvorsitzende, der nicht gleichzeitig der leitende geschäftsführende Direktor sein soll,1200 besser als Vorsitzender eines solchen Strategieausschusses geeignet. Ohnehin ist die strategische Ausrichtung des Unternehmens in
erster Linie Aufgabe des Verwaltungsrats und nicht der geschäftsführenden
Direktoren.
Es besteht jedoch kein Bedürfnis, einen solchen Strategieausschuss als Empfehlung in den Kodex aufzunehmen. Vielmehr sollte seine Errichtung völlig der
einzelnen SE überlassen bleiben. Im Kodex kann aber klargestellt werden, dass
die Errichtung von Ausschüssen nicht zu einer Beeinträchtigung des Informationsrechts des einzelnen Verwaltungsratsmitglieds führen darf.
Aus denselben Gründen wie beim Planungsausschuss ist es im Übrigen unzulässig und unzweckmäßig, die Arbeitnehmervertreter pauschal von der Erteilung
von Weisungen an die geschäftsführenden Direktoren auszuschließen,1201 selbst
wenn diese Ausgrenzung auf Weisungen für das Tagesgeschäft begrenzt würde.
(6) Personalunion mit Verwaltungsratsvorsitz
Als letztes Element einer Kontrolle des leitenden geschäftsführenden Direktors
ist zu diskutieren, ob eine personelle Trennung zwischen dem leitendem geschäftsführenden Direktor und dem Vorsitzenden des Verwaltungsrats im SEAG
oder zumindest im Deutschen Corporate Governance Kodex vorgesehen werden
sollte.
1197 BGHZ 83, 106; 83, 144 (148). Gegen einen pauschalen Ausschluss der Arbeitnehmer aus
den Ausschüssen des Verwaltungsorgans auch Bericht der Hochrangigen Expertengruppe,
S. 65.
1198 Siehe oben 4. Teil C.III.5.f)(3).
1199 Vgl. Eder, NZG 2004, 544 (546), der auf die Möglichkeit hinweist, dem Exekutivausschuss
die Bestellung und Aberufung der geschäftsführenden Direktoren zu übertragen. Dies
würde aber jegliche Bemühungen um eine bessere Kontrolle des leitenden geschäftsführenden Direktors zunichte machen.
1200 Dazu sogleich 4. Teil C.III.5.f)(6).
1201 So aber Reichert/Brandes, ZGR 2003, 767 (795).
201
Weder die SE-Verordnung noch das SEAG regeln diese Frage ausdrücklich1202
und lassen so eine Personenidentität ohne weiteres zu. Teilweise wird allerdings
aus Erwägungsgrund 14, der eine klare Abgrenzung der Verantwortungsbereiche
von Geschäftsführung und Aufsicht fordert, eine Präferenz für eine Trennung
entnommen.1203 Darüber hinaus folgt aus § 40 Abs. 1 S. 2 SEAG, der für den Verwaltungsrat eine Mehrheit nichtgeschäftsführender Mitglieder vorschreibt, dass
bei einem ein- oder zweiköpfigen Verwaltungsrat eine Personenidentität ausgeschlossen ist, weil dessen Mitglieder nicht gleichzeitig geschäftsführende Direktoren sein können.1204 Im Übrigen hat sich das SEAG jedoch nur bewusst gegen
eine zwingende Personalunion1205 und nicht für eine zwingende Trennung entschieden.
Über die Notwendigkeit einer personellen Trennung von CEO und chairman
bzw. directeur général und président bestehen wie oben dargestellt kontroverse
Auffassungen. Die wesentlichen Argumente wurden bereits diskutiert:1206 Vor
allem soll die Trennung eine bessere Kontrolle des obersten Geschäftsführers, der
sich sonst als Vorsitzender des Verwaltungsorgans quasi selbst kontrollieren
würde, ermöglichen. Dagegen könne die Personalunion den Informationsfluss
zum Verwaltungsorgan verbessern. Weiterhin würden die bisherigen empirischen
Studien die Vorteile einer Trennung, sprich die bessere Kontrolle der Geschäftsführung und die Vermeidung von Unternehmenskrisen, nicht nachweisen.1207
Schließlich schaffe eine Personalunion klarere Strukturen, weil sonst die Kompetenzverteilung zwischen den beiden Führungsfiguren unklar sei. In den USA und
Frankreich wird daher weder vom Gesetz noch von den Kodizes eine Trennung
gefordert, während in England der neue Combined Code eine entsprechende
Empfehlung gibt.1208 Spezifisch im Hinblick auf die monistische SE wird vorgebracht, dass die Wahlmöglichkeit zwischen Personalunion und Trennung ein
wesentliches Element ihrer Flexibilität sei.1209
Auch ohne genauen empirischen Nachweis erscheinen aber die Gefahren einer
Machtkonzentration des leitenden geschäftsführenden Direktors bei einer Personalunion bedenklich. So ist darauf hingewiesen worden, dass eine solche Ämterhäufung mit einer Personalunion von Vorstandsvorsitzendem (bzw. Vorstandssprecher) und Aufsichtsratvorsitzendem vergleichbar sei.1210 Auch die zusätzliche
1202 Artmann, wbl 2002, 189 (194) kritisiert diese Zurückhaltung des Verordnungsgebers und
plädiert für eine entsprechende Regelung dieser Frage in Österreich, äußert sich aber nicht
dazu, in welchem Sinn diese Regelung erfolgen soll.
1203 Schiessl, ZHR 2003, 235 (245).
1204 Neye/Teichmann, AG 2003, 169 (179).
1205 Begr. § 40 SEAG.
1206 Siehe oben 4. Teil C.III.2.f)(3).
1207 Forstmoser, ZGR 2003, 688 (706).
1208 Para. A.2.1. In der Schweiz ist eine Personalunion ebenfalls zulässig. Überwiegend ist aber
der Vorsitzende der Geschäftsführung nicht der Vorsitzende, sondern nur ein einfaches
Mitglied des Verwaltungsrats (sog. »Delegierter«), vgl. Forstmoser, ZGR 2003, 688 (706).
1209 Brandt, DStR 2003, 1208 (1212); Kallmeyer, ZIP 2003, 1531 (1534).
1210 FAZ vom 14.02.2003, S. 11: »Weniger Macht für den CEO.«.
202
Ernennung eines lead directors kann das entstehende Kontrolldefizit nicht beseitigen.1211 Weiterhin ist empirisch nicht belegt, dass eine Personalunion der Gesellschaft Vorteile verschafft. Für die deutsche monistische SE besteht überdies die
Besonderheit, dass es keine historische Tradition einer Personalunion gibt, mit
der erst gebrochen werden müsste.
Manche plädieren daher dafür, die Trennung als Soll-Vorschrift im Deutschen
Corporate Governance-Kodex vorzuschreiben, um eine erhöhte Publizität im
Falle einer Personalunion zu gewährleisten.1212 Es wäre aber zu befürchten, dass
in Anlehnung an die US-amerikanische Praxis in diesem Punkt oft von der Soll-
Vorschrift im Kodex abgewichen wird und die Personalunion zu einem wesentlichen Faktor für die starke Stellung des leitenden geschäftsführenden Direktors
wird. Insofern hätte die zwingende Trennung zwischen leitendem geschäftsführendem Direktor (den man dann aber auch notwendigerweise im Gesetz beschreiben müsste) und Verwaltungsratsvorsitz im SEAG vorgegeben werden sollen.1213
So wird auch aus französischer Perspektive vorgetragen, dass eine obligatorische
Trennung die Akzeptanz des monistischen Systems in Deutschland wegen der
Ähnlichkeit mit dem traditionellen System erleichtern würde.1214 Die Trennung
aus Gründen der Vermeidung einer Dominanz gegenüber dem Verwaltungsrat
sollte auch bei kollegialer Organisation der geschäftsführenden Direktoren gelten. Die Dominanz des leitenden geschäftsführenden Direktors wird durch die
direktoriale Binnenorganisation der geschäftsführenden Direktoren lediglich
unterstützt und kann auch bei kollegialer Organisation auftreten. Bei nicht börsennotierten Gesellschaften begegnet die Personalunion dagegen keinen Bedenken, weil dort aufgrund des geschlossenen Aktionärskreises eine effektive Kontrolle der Geschäftsführung durch den Verwaltungsrat wahrscheinlicher ist.1215
g) Haftung
(1) Rechtsgrund
Abschließend ist die Haftung des leitenden geschäftsführenden Direktors zu
untersuchen. Art. 51 SE-VO verweist generell für die Haftung der Organmitglieder auf das nationale Recht. Die geschäftsführenden Direktoren sind aber entwe-
1211 Siehe oben 4. Teil C.III.2.f)(3).
1212 Drinhausen, in: Drinhausen/Van Hulle/Maul, HdB Europäische Gesellschaft, S. 141; Gruber/Weller, NZG 2003, 297 (300); Lutter, ZGR 2001, 224 (230); Maul, BB 2003, Heft 19,
Die Erste Seite; Merkt, ZGR 2003, 650 (653); Teichmann, BB 2004, 53 (55).
1213 A.A.: Merkt, ZGR 2003, 650 (665);Teichmann, BB 2004, 53 (56), die eine entsprechende
Empfehlung im Deutschen Corporate Governance Kodex wegen der Notwendigkeit einer
Begründung von Abweichungen für ausreichend halten.
1214 Mejucq, ZGR 2003, 679 (687).
1215 Teichmann, BB 2004, 53 (55); vgl. auch Kallmeyer, ZIP 2003, 1531 (1534), der auf den
Eigentümer-Unternehmer verweist.
203
der schon kein Organ der SE oder werden zumindest nicht von Art. 51 SE-VO erfasst.1216
In der Praxis wird der leitende geschäftsführende Direktor ebenso wie weitere
geschäftsführende Direktoren in den meisten Fällen gleichzeitig dem Verwaltungsrat angehören. In dieser Eigenschaft haftet er gem. Art. 51 SE-VO i. V. m.
§ 93 AktG. Zu diskutieren wäre, ob es zusätzlich noch des Umwegs über § 116
AktG bedarf, weil die Mitglieder des Verwaltungsrats eher den Aufsichtsratsmitgliedern nahe stehen.1217 § 39 SEAG, der diese Haftung der Verwaltungsratsmitglieder klarstellt, hat nur den Verweis auf § 93 AktG gewählt. Dagegen
erscheint es zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht sinnvoll, in Anlehnung an die
Regelungen in einigen monistischen Ländern eine Außenhaftung der Verwaltungsratsmitglieder zu schaffen,1218 die ein Fremdkörper im bisherigen Haftungssystem wäre. Stattdessen sollte hier ebenfalls die Diskussion über die Angemessenheit der bestehenden Regelungen zunächst im Aktiengesetz ausgetragen werden.
§ 40 Abs. 7 SEAG regelt aber die Haftung der geschäftsführenden Direktoren
und verweist auf § 93 AktG. Zur Ausfüllung des § 93 AktG soll wegen der
Weisungsabhängigkeit vom Verwaltungsrat auch die Haftung des GmbH-
Geschäftsführers zu berücksichtigen sein.1219 Die Regelung des § 40 Abs. 7 SEAG
entspricht der des US-amerikanischen und französischen Rechts,1220 wonach die
Mitglieder der Geschäftsführung aus demselben Rechtsgrund wie die Mitglieder
des Verwaltungsorgans, jedoch bezogen auf ihre jeweiligen Aufgaben haften. Im
englischen Recht wird dagegen die Haftung der managing directors nicht gesondert behandelt.1221 Stattdessen besteht eine Haftung aus dem Anstellungsvertrag,
der zusätzliche Pflichten begründen kann. § 93 AktG verdrängt jedoch im deutschen Recht die Haftung der Vorstandsmitglieder aus ihrem Anstellungsvertrag.1222 Dies muss auch für die geschäftsführenden Direktoren gelten. Sie haften
daher nur gem. § 40 Abs. 7 SEAG i. V. m. § 93 AktG und nicht zusätzlich aus
ihrem Anstellungsvertrag.
Der leitende geschäftsführende Direktor haftet also aus zwei Tatbeständen,
einerseits gem. § 40 Abs. 7 SEAG i. V. m. § 93 AktG als geschäftsführender
Direktor und andererseits gem. Art. 51 SE-VO bzw. § 39 SEAG i. V. m. § 93 AktG
als Verwaltungsratsmitglied.1223 Ob er im Vergleich zu seinen Kollegen in der
Geschäftsführung bzw. im Verwaltungsrat besonders haftet, hängt davon ab,
1216 Siehe oben.
1217 Teichmann, ZGR 2002, 383 (452).
1218 So aber Merkt, ZGR 2003, 650 (674).
1219 Begr. zu § 40 SEAG; vgl. Brandt, DStR 2003, 1208 (1212).
1220 §§ 8.30, 8.42 RMBCA; Art. L225-251 ff.
1221 Cheffins, Company Law, S. 124 f.
1222 Hüffer, AktG, § 93 Rn. 11; Mertens, Kölner Komm., § 93 Rn. 3.
1223 Reichert/Brandes, Münchner Komm., Art. 44 SE-VO, Rn. 81 weisen darauf hin, dass sich
beide Tätigkeiten nicht immer sinnvoll voneinander abgrenzen lassen. Im Zweifel sei von
einer Haftung als geschäftsführender Direktor auszugehen, vgl. dies., Münchner Komm.,
Art. 51 SE-VO, Rn. 19.
204
inwieweit der Grundsatz der Gesamtverantwortung gilt. Dementsprechend lässt
sich auch hier die zum Vorstandsvorsitzenden entwickelte Dogmatik heranziehen.1224 In den anderen monistischen Systemen wird dagegen diese Frage kaum
näher thematisiert. Von einigen Ausnahmen abgesehen,1225 werden dort aus dem
Gesetz keine besonderen Pflichten des obersten Geschäftsführers abgeleitet. In
der Praxis besteht aber zumindest ein größeres Haftungsrisiko des obersten
Geschäftsführers.
(2) Haftung als geschäftsführenden Direktor
Die geschäftsführenden Direktoren haften zunächst gem. § 93 AktG wie die Vorstandsmitglieder nur für eigenes Verschulden bei der Erledigung des Tagesgeschäfts im Rahmen ihres Ressorts. Dies gilt sowohl bei kollegialer als auch direktorialer Organisation. Für diese Haftung gilt wie beim Vorstand die business judgement rule.1226
Darüber hinaus haften die kollegial organisierten geschäftsführenden Direktoren ebenso wie die Vorstandsmitglieder für die Mitwirkung an den Gesamtbeschlüssen und die Erfüllung ihrer Überwachungspflicht hinsichtlich der
Geschäftsführung in den Nachbarressorts, weil für sie der Grundsatzes der
Gesamtverantwortung gilt. Wie den Vorstandsvorsitzenden1227 trifft hier den leitenden geschäftsführenden Direktor keine besondere Haftung, aber praktisch ein
größeres Haftungsrisiko.
Bei direktorialer Organisation gibt es dagegen keine Gesamtbeschlüsse im
engeren Sinne, für die alle Mitglieder der Geschäftsführung verantwortlich sind.
Den Gesamtbeschlüssen im Kollegialorgan entspricht aber die Ausübung bzw.
Nichtausübung des Weisungsrechts durch den leitenden geschäftsführenden
Direktor. Er haftet insoweit für alle an ihn herangetragenen Entscheidungen, wie
ihn ein eigenes Verschulden trifft. Für die übrigen geschäftsführenden Direktoren
ist dagegen in diesem Fall eine Haftung für eigenes Verschulden nur bei Fassung
eines entsprechenden Vorschlags an den leitenden geschäftsführenden Direktors
zu bejahen.
Die gegenseitige Überwachungspflicht hat bei direktorialer Organisation ebenfalls eine andere Form. So muss der leitende geschäftsführende Direktor bedingt
durch sein Weisungsrecht die übrigen Direktoren überwachen. Ob dagegen die
übrigen geschäftsführenden Direktoren eine Überwachungspflicht gegenüber
ihren Kollegen oder dem leitenden geschäftsführenden Direktor mit entsprechender Haftung trifft, ist bisher in den anderen monistischen Systemen noch nicht
thematisiert worden. Die Haftung für die Verletzung der Überwachungspflicht
kann jedenfalls nicht ebenso streng wie bei kollegialer Organisation sein, weil der
1224 Siehe oben 2. Teil B. V. Vgl. Reichert/Brandes, Münchner Komm., Art. 51 SE-VO, Rn. 16.
1225 S. 302, 906 SOA.
1226 Merkt, ZGR 2003, 650 (672).
1227 Siehe oben 2. Teil B.V.2.
205
einzelne geschäftsführende Direktor weniger Informations- und Interventionsrechte hat. Das Weisungsrecht des leitenden geschäftsführenden Direktors schließt es aus, dass die übrigen Direktoren über jede Angelegenheit in den
Nachbarressorts Auskunft verlangen und sie vor alle geschäftsführenden Direktoren bringen können. § 40 Abs. 6 SEAG legt zwar für alle geschäftsführenden
Direktoren eine Berichtspflicht an den Verwaltungsrat fest, die Grundlage für ein
Interventionsrecht in Form der Anrufung des Verwaltungsrats bilden könnte, aber
diese Regelung ist satzungs- und geschäftordnungsdispositiv. Den übrigen
geschäftsführenden Direktoren wird man aber nicht das Recht absprechen können, dem leitenden geschäftsführenden Direktor ihre Bedenken gegen seine Entscheidung oder die Geschäftsführung in anderen Ressorts vorbringen und sich in
schwerwiegenden Fällen an den Verwaltungsrat zu wenden. Eine vergleichbare
Konzeption findet sich bei der GmbH, wo das Weisungsrecht (der Gesellschafterversammlung) die Geschäftsführer gem. §§ 37 Abs. 1, 43 Abs. 4 S. 3
GmbHG nur dann entlastet, wenn sie nicht die in §§ 30, 33 GmbHG genannten
schwerwiegenden Verstöße zum Schaden der Gläubiger begangen haben. Insofern scheint eine gelokkerte Überwachungspflicht der geschäftsführenden Direktoren bei direktorialer Organisation durchaus angemessen. Nach der Dogmatik
des deutschen Rechts wäre zusätzlich eine besondere Haftung des leitenden
geschäftsführenden Direktors zu bejahen, weil er bestimmte Entscheidungen
allein trifft und demzufolge eine gesteigerte Überwachungspflicht gegenüber den
anderen geschäftsführenden Direktoren hat.
(3) Haftung als Verwaltungsratsmitglied
Ob der leitende geschäftsführende Direktor als Verwaltungsratsmitglied im Vergleich zu den übrigen Mitgliedern dieses Gremiums besonders haftet, hängt zunächst davon ab, ob die geschäftsführenden und nichtgeschäftsführenden Mitglieder des Verwaltungsrats unterschiedlich haften. Bei der Haftung gem. Art. 51
SE-VO handelt es sich um eine individuelle Haftung der Mitglieder des
Verwaltungsorgans für eine Pflichtverletzung »bei Ausübung ihres Amtes«. Insofern ist zunächst zu fragen, worin das Amt, d. h. die Aufgabe des einzelnen Verwaltungsratsmitglieds besteht. Ausgangspunkt muss dabei Art. 45 Abs. 1 S. 1 SE-
VO bzw. § 22 Abs. 1 SEAG sein, wonach die Aufgabe des Verwaltungsrats die
Leitung der Gesellschaft ist. Dieser Leitungsaufgabe kommen die Mitglieder
durch die Fassung und Umsetzung von Beschlüssen nach. An diesen Beschlüssen
des Verwaltungsrats wirken sowohl die geschäftsführenden wie auch die nichtgeschäftsführenden Mitglieder mit. Diese trifft insofern eine Haftung für eigenes
Verschulden.
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Für den Bereich des Tagesgeschäfts reduziert sich die Aufgabe der nichtgeschäftsführenden Mitglieder des Verwaltungsrats auf eine Überwachung der
geschäftsführenden Direktoren.1228 Diese Überwachungspflicht lässt sich auf
zweierlei Weise begründen. Einerseits ist der Verwaltungsrat wie der Vorstand ein
Kollegialorgan. Eine Geschäftsverteilung führt daher wegen des Grundsatzes der
Gesamtverantwortung dazu, dass für die nicht an der einzelnen Maßnahme beteiligten Mitglieder die Leitungspflicht in eine Pflicht zur Überwachung des
geschäftsführenden Mitglieds modifiziert wird.1229 Diese organinterne Überwachungspflicht erfasst aber nur die Tätigkeit der internen geschäftsführenden
Direktoren.
Andererseits hat der Verwaltungsrat in seiner Gesamtheit aber eine Pflicht zur
Überwachung aller geschäftsführenden Direktoren, die für die deutsche monistische SE in § 22 Abs. 1 SEAG festgeschrieben ist. Im Übrigen folgt sie aber
bereits daraus, dass das Verwaltungsorgan im monistischen System anders als den
Vorstand nicht nur eine primäre Leitungs-, sondern auch eine primäre Überwachungsaufgabe als Organ trifft. Insofern ist jede Delegation von einzelnen Aufgaben mit einer entsprechenden Überwachungspflicht verbunden, die sich an alle
Mitglieder des Verwaltungsorgans richtet. Diese Überwachungspflicht bezieht
sich sowohl auf die internen als auch externen geschäftsführenden Direktoren.
Für die Mitwirkung an strategischen Entscheidungen und die Überwachungstätigkeit gilt gemäß §§ 116, 93 Abs. 1 S. 2 AktG auch die business judgement
rule.1230
Alle Mitglieder des Verwaltungsrats trifft also hinsichtlich der Mitwirkung an
Gesamtbeschlüssen (d. h. strategische Entscheidungen, Bestellung der geschäftsführenden Direktoren und Erteilung von Weisungen an die Geschäftsführung)
eine Haftung für eigenes Handeln sowie eine Überwachungspflicht gegenüber
den geschäftsführenden Direktoren. Die geschäftsführenden Mitglieder des Verwaltungsrats trifft darüber hinaus die oben dargestellte Haftung für eigenes Verschulden bei der Leitung des Tagesgeschäfts. Daraus ergibt sich insofern eine
Haftungsdifferenzierung, als bei Einhaltung gewisser Überwachungsstandards
eine Verantwortung der nicht an der Geschäftsführungsmaßnahme beteiligten
Mitglieder des Verwaltungsrats (dies sind hauptsächlich die nichtgeschäftsführenden Mitglieder, gegebenenfalls auch die übrigen geschäftsführenden Mitglieder) eine Haftung entfallen kann.1231 Eine entsprechende Differenzierung fehlt in
§ 39 SEAG.1232 Ebenso wie beim Vorstand wird daher erst die Rechtssprechung
die Reichweite der Überwachungspflicht näher bestimmen. Da die Überwachung
der Geschäftsführung eine primäre Aufgabe des Verwaltungsrats und nicht erst
1228 Reichert/Brandes, Münchner Komm., Art. 51 SE-VO, Rn. 22.
1229 Schwarz, SE-Komm., Art. 43, Rn. 20. Vgl. die Auswirkungen der Geschäftsverteilung
beim Vorstand, siehe oben 2. Teil A.I.3.b).
1230 So bereits Merkt, ZGR 2003, 650 (671 f.), vor Einführung des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG.
1231 Vgl. auch Hommelhoff, AG 2001, 279 (284).
1232 Hommelhoff, AG 2001, 279 (284). § 39 SEAG verweist bislang nur pauschal für alle
Verwaltungsratsmitglieder auf § 93 AktG.
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Folge seiner kollegialen Organisation ist, sind höhere Anforderungen als beim
Vorstand zu erwarten. Eine Orientierung könnte ggf. die in England im Higgs
Report und im Combined Code 2006 versuchte Kodifizierung der Pflichten der
non-executive directors bieten.1233
Teilweise wurde vorgeschlagen, dass die nichtgeschäftsführenden Mitglieder
des Verwaltungsorgans durch Unterschriftszusätze und Hinweise in Firmenpublikationen auf ihre weniger aktive Rolle bei der Geschäftsführung aufmerksam
machen sollen.1234 Die Aufgabenteilung wird jedoch schon durch Anmeldung der
geschäftsführenden Direktoren zum Handelsregister gem. § 46 Abs. 1 SEAG
transparent.1235
(4) Zusammenfassung
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass den besonderen Rechten des leitenden
geschäftsführenden Direktors im Vergleich zu den anderen Mitgliedern des Verwaltungsrats und bei direktorialer Organisation zusätzlich im Vergleich zu den
übrigen geschäftsführenden Direktoren besondere Pflichten gegenüberstehen,
aus denen eine besondere Haftung folgt. Ob dies in der Praxis tatsächlich zu einer
verstärkten Inanspruchnahme des leitenden geschäftsführenden Direktors führt,
bleibt abzuwarten. Im Vergleich zu den nichtgeschäftsführenden Mitgliedern des
Verwaltungsrats erscheint dies durchaus wahrscheinlich. Allerdings haben sich
die Gerichte in anderen monistischen Ländern zu einer Haftungsdifferenzierung
unter den Mitgliedern des Verwaltungsorgans bzw. der Geschäftsführung nicht
klar geäußert.
D. Zusammenfassung
Die Personalisierungsmöglichkeiten in der monistischen SE sind aufgrund der
anderen Unternehmensverfassung völlig verschieden von denen der herkömmlichen deutschen Aktiengesellschaft und der dualistischen SE. Das Verwaltungsorgan als primäres Leitungsorgan im monistischen System ist wie das Leitungsorgan im dualistischen System ein Kollegialorgan, für das die Grundsätze der Gesamtleitung und der Gesamtverantwortung gleichermaßen gelten. Die SE-Verordnung bringt dies vor allem durch die Anordnung des Mehrheitsprinzips für die
Beschlussfassung in Art. 50 Abs. 1 lit. b) SE-VO zum Ausdruck, in dessen Abbedingbarkeit eine dem Verbot des Alleinentscheidungsrechts in § 77 Abs. 1 S. 2,
2. HS AktG entsprechende Einschränkung hineinzulesen ist.
1233 Siehe oben 4. Teil C.III.3.e).
1234 Bungert/Beier, EWS 2002, 1 (4); DAV-Stellungsnahme 65/03, S. 25 (zu § 26 DiskE).
1235 Hierzu auch Teichmann, ZGR 2002, 383 (453).
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die Studie analysiert die Personalisierungsmöglichkeiten für eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Deutschland. Untersucht werden sowohl die klassische Aktiengesellschaft als auch die seit 2004 mögliche Europäische Aktiengesellschaft (SE).
Ausgangspunkt der Untersuchung ist eine Systematisierung des Kollegialprinzips sowie der bereits im Gesetz angelegten Personalisierungsmöglichkeiten, wie der Vorstandsvorsitzende und der Vorstandssprecher. Sodann wird erörtert, auf welchen Faktoren deren faktische Macht beruht und wo die gesetzlichen Grenzen liegen. Daraus leitet die Autorin ab, ob die bestehenden gesetzlichen Regeln noch angemessen sind.
Darüber hinaus werden die Personalisierungsmöglichkeiten bei einer Europäischen Aktiengesellschaft (mit Sitz in Deutschland) aufgezeigt, und zwar zunächst für eine SE mit dem sogenannten dualistischen Leitungssystem. Für die SE mit monistischem System untersucht die Autorin rechtsvergleichend, inwieweit die Regelungen des deutschen SE-Ausführungsgesetzes bestehenden Corporate Governance-Grundsätzen entsprechen. Außerdem schlägt sie Regelungen über die monistische SE zur Aufnahme im Deutschen Corporate Governance Kodex vor.