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Für die SE gelten zum einen besondere Gründungsvoraussetzungen,23 zum
anderen ist sie durch eine völlig neue Art der Unternehmensverfassung gekennzeichnet.24 Die SE-Verordnung überlässt nämlich der einzelnen SE die Wahl zwischen dem monistischen und dualistischen System.25 Mit der SE wird daher
Gesellschaften mit Sitz in Deutschland ab 2004 das monistische System eröffnet.
Demzufolge bietet die Europäische Aktiengesellschaft auch ganz neue
Personalisierungsmöglichkeiten, die der deutsche Gesetzgeber bereits bei der
Umsetzung der Verordnung berücksichtigen muss. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt
kann nur darüber spekuliert werden, wie sich nach dem Erlass dieser Regelungen
eine personalisierte Leitung bei der SE in der Praxis darstellen wird. Bei diesen
Überlegungen können jedoch Anregungen aus anderen monistischen Ländern
aufgegriffen werden.
D. Ziel der Arbeit und Vorgehensweise
Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die Personalisierungsmöglichkeiten für eine
Aktiengesellschaft mit Sitz in Deutschland darzustellen. Untersucht werden daher sowohl die Aktiengesellschaft im Sinne des Aktiengesetzes als auch die ab
2004 mögliche Europäische Aktiengesellschaft. Deren Ausgestaltung durch den
nationalen Gesetzgeber wird unter Corporate Governance-Gesichtspunkten beurteilt.
In Teil 2 wird allein die herkömmliche deutsche Aktiengesellschaft behandelt.
Ausgangspunkt der Untersuchung ist eine Systematisierung der Aussagen des
Kollegialprinzips gem. §§ 76 ff. AktG sowie der bereits im Gesetz angelegten
Personalisierungsmöglichkeiten. Dies betrifft insbesondere die Figur des Vorstandsvorsitzenden und des Vorstandssprechers. Sodann wird erörtert, auf welchen Faktoren die faktische Macht des Vorstandsvorsitzenden bzw. Vorstandssprechers beruht und wo die gesetzlichen Grenzen seiner Vorrangstellung im Einzelnen liegen. Daraus wird abgeleitet, ob die bestehenden gesetzlichen Regeln
noch angemessen oder stattdessen reformbedürftig sind. Hier ist zu berücksichtigen, welche Vorteile das Kollegialprinzip bietet und inwieweit es zwingend
mit dem dualistischen System verknüpft ist.
Danach werden die Personalisierungsmöglichkeiten bei einer Europäischen
Aktiengesellschaft (mit Sitz in Deutschland) aufgezeigt und den bestehenden
Möglichkeiten gegenübergestellt. Schon bei der Untersuchung des dualistischen
Systems in Teil 3 der Arbeit können sich Unterschiede gegenüber der deutschen
AG zeigen, falls die Regelungen der SE-Verordnung und des SE-Ausführungsgesetzes von denen des Aktiengesetzes abweichen. Vor allem die in Teil 4 behandelte monistische SE eröffnet einen gänzlich neuen Gestaltungsspielraum, der
23 Art. 2 SE-VO.
24 Hommelhoff, AG 2001, 279 (283); Hirte, NZG 2002, 1 (5); Kallmeyer, ZIP 2003, 1531.
Für Österreich Artmann, wbl 2002, 189 (190).
25 Art. 38 b i. V. m. Art. 39 Abs. 5, 43 Abs. 4 SE-VO.
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jedoch noch durch den nationalen Gesetzgeber konkretisiert werden musste. Hier
können die Erfahrungen in den bestehenden monistischen Systemen in den USA,
England und Frankreich aufgegriffen werden. Daher wird im Zusammenhang mit
den Personalisierungsmöglichkeiten, die bei der monistischen SE nach der SE-
Verordnung bestehen, rechtsvergleichend untersucht, inwieweit die Regelungen
des SE-Ausführungsgesetzes den dort entwickelten Prinzipien guter Corporate
Governance entsprechen. Außerdem werden konkrete Vorschläge für Regelungen
gemacht, die spezifisch für die deutsche monistische SE in den Deutschen Corporate Governance Kodex aufgenommen werden sollten.26
Insgesamt ist die Untersuchung der personalisierten Leitung auf Aktiengesellschaften beschränkt. Bei den Personengesellschaften geht aufgrund der Identität
von Eigentum und Geschäftsleitung die Personalisierung der Leitung nicht zu
Lasten Dritter. Auch bei der GmbH ist die Frage der Personalisierung wegen der
weiten Verbreitung des Gesellschaftergeschäftsführers weniger brisant und unterliegt überdies ganz anderen rechtlichen Voraussetzungen,27 deren Untersuchung
den Umfang dieser Arbeit sprengen würden.
26 Die aktuelle Fassung des Deutschen Corporate Governance Kodex enthält für die monistische SE keine spezifischen Regelungen, auch wenn die Präambel inzwischen die monistische SE als eine in Deutschland zulässige Unternehmenform auflistet.
27 Vgl. dazu Jung, Der Unternehmergesellschafter als personaler Kern der rechtsfähigen
Gesellschaft, S. 111 ff.
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References
Zusammenfassung
Die Studie analysiert die Personalisierungsmöglichkeiten für eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Deutschland. Untersucht werden sowohl die klassische Aktiengesellschaft als auch die seit 2004 mögliche Europäische Aktiengesellschaft (SE).
Ausgangspunkt der Untersuchung ist eine Systematisierung des Kollegialprinzips sowie der bereits im Gesetz angelegten Personalisierungsmöglichkeiten, wie der Vorstandsvorsitzende und der Vorstandssprecher. Sodann wird erörtert, auf welchen Faktoren deren faktische Macht beruht und wo die gesetzlichen Grenzen liegen. Daraus leitet die Autorin ab, ob die bestehenden gesetzlichen Regeln noch angemessen sind.
Darüber hinaus werden die Personalisierungsmöglichkeiten bei einer Europäischen Aktiengesellschaft (mit Sitz in Deutschland) aufgezeigt, und zwar zunächst für eine SE mit dem sogenannten dualistischen Leitungssystem. Für die SE mit monistischem System untersucht die Autorin rechtsvergleichend, inwieweit die Regelungen des deutschen SE-Ausführungsgesetzes bestehenden Corporate Governance-Grundsätzen entsprechen. Außerdem schlägt sie Regelungen über die monistische SE zur Aufnahme im Deutschen Corporate Governance Kodex vor.