Rechtstransformation in der Europäischen Union
herausgegeben von
Prof. Dr. Dres. h.c. Peter-Christian Müller-Graff,
Universität Heidelberg
Prof. UJ Dr. hab. Jerzy Pisulinski, Universität Krakow
Prof. Dr. Dagmar Kaiser, Universität Mainz
Band 2
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Ute Beckert
Personalisierte Leitung
von Aktiengesellschaften
unter besonderer Berücksichtigung der
Europäischen Aktiengesellschaft (SE)
Nomos
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1. Auflage 2009
© Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2009. Printed in Germany. Alle Rechte,
auch die des Nachdrucks von Auszügen, der fotomechanischen Wiedergabe und der
Übersetzung, vorbehalten. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in
der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten
sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.
Zugl.: Heidelberg, Univ., Diss., 2008
ISBN 978-3-8329-4245-8
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Danksagung
Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2008 von der Juristischen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg als Dissertation angenommen.
Rechtsprechung und Literatur konnten bis Oktober 2008 berücksichtigt werden.
Ich danke meinem Doktorvater Prof. Dr. Dr. h.c. Peter Hommelhoff ganz herzlich
für die Betreuung der Arbeit im Rahmen des Graduiertenkollegs »Systemtransformation und Integration im zusammenwachsenden Europa« und seine tatkräftige Unterstützung bei vielen sonstigen Anliegen.
Der Deutschen Forschungsgemeinschaft danke ich für die Finanzierung der Arbeit durch ein Promotionsstipendium. Herr Prof. Werner Ebke hat durch seine zügige Zweitbegutachtung die schnelle Drucklegung ermöglicht.
Außerdem möchte ich mich bei Prof. Dr. Christoph Teichmann für seine wertvollen Anregungen bedanken, die er mir damals noch als wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für deutsches und europäisches Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht der Juristischen Fakultät gegeben hat. Zahlreichen weiteren Mitarbeitern des Instituts und des Graduiertenkollegs bin ich ebenfalls für ihre vielseitige Unterstützung zu Dank verpflichtet. Insbesondere hat Prof. Dr. Dr. h.c. Peter-
Christian Müller-Graff die Aufnahme der Arbeit in die neue Schriftenreihe des
Graduiertenkollegs »Rechtstransformation in der Europäischen Union« ermöglicht.
Mein besonderer Dank gilt schließlich all meinen Freunden, vor allem Alexander
Fröde, für ihre mentale und logistische Unterstützung, sowie meinem Vater Prof.
Dr. Ing. habil. Ulrich Beckert und natürlich Andrew Smith.
Ute Beckert
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Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis 15
1. Teil:
Einleitung 21
A. Auseinanderentwicklung von Gesetz und Praxis 21
B. Kollegialprinzip und dualistisches System 23
C. Die Zukunft: Die Europäische Aktiengesellschaft 24
D. Ziel der Arbeit und Vorgehensweise 25
2. Teil:
Personalisierungsmöglichkeiten bei der AG 27
A. Die gesetzliche Konzeption 27
I. Geltung des Kollegialprinzips 27
1. Herleitung und wesentlicher Inhalt 27
2. Grundsatz der Gleichberechtigung 28
a) Grundsatz der Gesamtgeschäftsführung 28
(1) Einstimmigkeitsprinzip und Begriff der
Geschäftsführung 28
(2) Mehrheitsprinzip 29
(3) Sonderrechte eines Vorstandsmitglieds 30
(4) Regelungsort 31
b) Grundsatz der Gesamtvertretung 32
3. Grundsatz der Gesamtverantwortung 32
a) Grundsatz der Gesamtleitung 33
b) Grundsatz der gegenseitigen Überwachung 35
4. Zusammenhang von Gleichberechtigung und Gesamtverantwortung 37
5. Zusammenfassung 37
II. Im Gesetz vorgesehene Personalisierungsmöglichkeiten 38
1. Der Ein-Mann-Vorstand (§ 76 Abs. 2 AktG) 38
8
a) Regelung des § 76 Abs. 2 AktG 38
b) Entstehung infolge Unterbesetzung des Vorstands 40
2. Der Vorstandsvorsitzende (§ 84 Abs. 2 AktG) 41
a) Bestellung und Abberufung 41
b) Rechtsstellung 42
(1) Erwähnung im Gesetz 42
(2) Aufgaben 42
(3) Besondere Rechte bei der Beschlussfassung 43
(i) Recht zum Stichentscheid 43
(ii) Vetorecht und Vertagungsbefugnis 45
(iii) Keine Notwendigkeit der Anknüpfung an die
Person des Vorstandsvorsitzenden 46
(4) Materielle Sonderrechte 47
(5) Zwei Vorstandsvorsitzende 48
3. Der Vorstandssprecher (§ 77 Abs. 2 AktG) 48
a) Zulässigkeit 48
b) Rechtsstellung im Vergleich zum Vorstandsvorsitzenden 50
4. Die KGaA und die GmbH & Co. KGaA 51
a) Die besondere Organisationsstruktur der KGaA 52
b) Stellung eines einzigen Komplementärs 52
c) Organisation mehrerer Komplementäre 53
d) Die GmbH & Co. KGaA 54
5. Zwischenergebnis zu den gesetzlichen Instrumenten der
personalisierten Leitung 55
B. Faktische Macht des Vorstandsvorsitzenden/-sprechers und
bestehende Grenzen 55
I. Koordination der einzelnen Ressorts 56
1. Auswirkung der Geschäftsverteilung 56
2. Grenzen der vertikalen Vorstandsorganisation 58
a) Grundsatz der Gleichberechtigung 58
b) Grundsatz der Gesamtverantwortung 59
c) Verminderung der Anzahl der Vorstandsmitglieder 59
II. Vorbereitung und Durchführung der Vorstandssitzungen 60
1. Festlegung der Tagesordnung 60
2. Sitzungsleitung 61
III. Repräsentation des Vorstandes 63
1. Kontakt zum Aufsichtsrat 63
a) Besondere Verhältnis zum Aufsichtsratsvorsitzenden 63
b) Insbesondere: Einfluss auf die personelle Besetzung des
Vorstands 64
2. Auftreten in der Hauptversammlung 65
9
3. Außendarstellung des Unternehmens 66
4. Bewertung 67
IV. Einzelfragen 68
1. Bezeichnung als CEO 68
2. Vergütung 69
3. Vorstandsdoppelmandate/Auswirkungen im Konzern 70
4. Repräsentant des Mehrheitsaktionärs 71
5. Zusammenfassung 71
V. Besondere Haftung des Vorstandsvorsitzenden 72
1. Haftungsrechtliche Konsequenzen der Geschäftsverteilung 72
2. Schlussfolgerungen für die Haftung des Vorstandsvorsitzenden 73
VI. Die Neuorganisation des Vorstands der Deutschen Bank AG 74
1. Vorgenommene Umstrukturierungen 74
2. Bewertung 75
a) Autonome Leitungsverantwortung des Vorstands 75
b) Kollegialprinzip 77
3. Andere Unternehmen 78
VII. Zusammenfassung 78
C. Bestehender Reformbedarf 78
I. Beschränkung der Rolle des Vorstandsvorsitzenden 79
II. (Alternative) Einführung des Direktorialprinzips 80
1. Vor- und Nachteile des Kollegialprinzips 80
2. Historische Entwicklung 81
a) Leitungsstrukturen im 19. Jahrhundert 81
b) Weimarer Republik 83
c) Direktorialprinzip im AktG von 1937 84
(1) Das Alleinentscheidungsrecht gem. § 70 Abs. 2 S. 1
AktG 1937 84
(2) Verwirklichung des Führerprinzips? 85
(3) Sonstige Gestaltungsmöglichkeiten 87
d) Neues AktG von 1965 88
3. Direktorialprinzip und dualistisches System 88
4. Schlussfolgerung 90
III. Konkretisierung der bestehenden Regeln 91
D. Zusammenfassung 93
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3. Teil:
Die Gestaltungsmöglichkeiten in der dualistischen SE 95
A. Vorüberlegungen 95
I. Der für die SE geltende Rechtsrahmen 95
II. Allgemeine Gestaltungsprinzipien für die Ausfüllung der
SE-Verordnung 96
1. Schaffung eines praktikablen Rechtsrahmens 96
2. Gleichlauf mit dem deutschen Aktienrecht 97
3. Erhaltung der Gestaltungsfreiheit 97
III. Bezeichnung der Organe 99
B. Geltung des Kollegialprinzips 100
I. Die Regelungen zum dualistischen System im Einzelnen 100
II. Grundsatz der Gleichberechtigung 102
1. Mehrheitsprinzip bei der Geschäftsführung 102
2. Grundsatz der Gesamtvertretung 104
III. Grundsatz der Gesamtverantwortung 104
C. Einzelne Personalisierungsmöglichkeiten und ihre notwendige
Begrenzung im SEAG 105
I. Ein-Mann-Vorstand 105
1. Art. 39 Abs. 4 SE-VO 105
2. Notwendigkeit eines Arbeitsdirektors? 106
II. Die Schaffung von »Geschäftsführern« bzw. eines »leitenden
Geschäftsführers« 108
III. Der Vorsitzende des Leitungsorgans 108
1. Zulässigkeit eines Vorstandsvorsitzenden 109
2. Ernennung und Abberufung 109
3. Rechtsstellung 110
a) Allgemeine Rechte 110
b) Beschlussfassung 111
(1) Stichentscheid 111
(2) Vetorecht 112
c) Faktische Machtstellung 113
IV. »Sprecher« des Leitungsorgans 113
D. Zusammenfassung 115
11
4. Teil:
Gestaltungsmöglichkeiten in der monistischen SE 116
A. Vorüberlegungen 116
I. Notwendigkeit einer deutschen Regelung der monistischen SE 116
II. Notwendigkeit eines Rechtsvergleichs 117
B. Die Geltung des Kollegialprinzips für das Verwaltungsorgan und die
Möglichkeit der Bestellung von Geschäftsführern 118
I. Die Regelungen der SE-VO zum monistischen System im
Einzelnen 118
II. USA 119
1. Quellen des Gesellschaftsrechts und Gesellschaftsformen 119
2. Die Rolle des boards 120
III. England 123
IV. Frankreich 126
1. Quellen des Gesellschaftsrechts 126
2. Aufgabe und Organisation des conseil 127
V. Ausgestaltung in der SE 128
1. Bestellung und Abberufung der Mitglieder des
Verwaltungsrats 128
2. Die Bedeutung des Art. 43 Abs. 1 S. 2 SE-VO für eine
deutsche SE 129
3. Die zwingende Bestellung von geschäftsführenden Direktoren gem. § 40 Abs. 1 S. 1 SEAG 129
4. Bezeichnung der Geschäftsführer 131
5. Aufgabe des Verwaltungsrats 132
6. Geltung des Kollegialprinzips für den Verwaltungsrat 133
7. Zusammenfassung 134
C. Personalisierungsmöglichkeiten und notwendige Begrenzung durch
SEAG aus rechtsvergleichender Perspektive 134
I. Ein-Mann-Verwaltungsrat 134
1. USA 135
2. England 135
3. Frankreich 136
4. Ausgestaltung in der SE 136
II. Der Vorsitzende des Verwaltungsorgans 138
1. Art. 45 S. 1 SE-VO 138
12
2. USA 139
3. England 140
4. Frankreich 141
5. Ausgestaltung in der SE 142
III. Der (leitende) Geschäftsführer 145
1. Art. 43 Abs. 1 S. 2 bzw. Art. 43 Abs. 4 SE-VO 145
2. Der US-amerikanische Chief Executive Officer (CEO) 145
a) Bezeichnung 145
b) Bestellung und Abberufung 146
c) Formale Rechtsstellung des CEO 146
d) Die Stellung der anderen officers 148
(1) Weisungsabhängigkeit 148
(2) Gleichzeitige Mitgliedschaft im board 148
(3) Das executive committee 149
e) Die Stellung des »klassischen« CEO gegenüber dem board 150
f) Die Rolle des CEO angesichts der Stärkung der
Unabhängigkeit des boards 151
(1) Erhöhung der Anzahl der independent directors 151
(2) Errichtung von committees 153
(i) Nominating committee 154
(ii) Remuneration committee 155
(iii) Trennung von CEO und chairman 157
g) Haftung 159
3. Der englische chief executive 161
a) Bezeichnung 161
b) Bestellung und Abberufung 161
c) Rechtsstellung 162
d) Die gegenwärtige Stellung des chief executive 163
(1) Sitzungshäufigkeit und Informationsversorgung
des board 164
(2) Mindestanzahl von non-executive / independent
directors 164
(3) Errichtung von committees 165
(4) Trennung von chairman und chief executive 166
e) Haftung 167
4. Der französische (Président) Directeur Général 169
a) Bezeichnung 169
b) Bestellung und Abberufung 170
c) Befugnisse 170
d) Stellung der directeurs délégués 170
e) Die faktische Dominanz des klassischen PDG 171
f) Reform durch die Gesetze von 2001 und 2003 172
(1) Die Einführung der structure mixte 172
(2) Weitere Änderungen 175
13
g) Haftung 177
5. Ausgestaltung in der SE 177
a) Bezeichnung 177
b) Bestellung und Abberufung 178
c) Binnenorganisation der geschäftsführenden Direktoren 179
(1) Einzelner geschäftsführender Direktor 179
(2) Organisation mehrerer geschäftsführender Direktoren 179
d) Befugnisse der geschäftsführenden Direktoren allgemein 180
e) Besondere Rechte des leitenden geschäftsführenden
Direktors 183
(1) Grundsatz der Gesamtgeschäftsführung 183
(2) Regelungsort der Geschäftsführungsorganisation 183
(3) Kollegialprinzip in der Geschäftsführung 184
(4) Direktorialprinzip in der Geschäftsführung 185
(5) Vertretungsregelung 187
f) Faktische Dominanz des leitenden geschäftsführenden
Direktors und ihre notwendige Begrenzung 188
(1) Vorüberlegungen 188
(2) Häufigkeit der Sitzungen und Informationsversorgung des Verwaltungsrats 189
(3) Zusammensetzung des Verwaltungsrats 190
(4) Persönliche Voraussetzungen der Mitgliedschaft im
Verwaltungsrat 194
(5) Kontrolle durch Verwaltungsrats-Ausschüsse 195
(i) Regelungsbedarf 195
(ii) Personalausschuss 196
(iii) Vergütungsausschuss 197
(iv) Exekutiv- und Planungsausschuss 199
(6) Personalunion mit Verwaltungsratsvorsitz 200
g) Haftung 202
(1) Rechtsgrund 202
(2) Haftung als geschäftsführenden Direktor 204
(3) Haftung als Verwaltungsratsmitglied 205
(4) Zusammenfassung 207
D. Zusammenfassung 207
E. Ausblick 210
5. Teil:
Zusammenfassende Thesen 212
Literaturverzeichnis 215
14
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die Studie analysiert die Personalisierungsmöglichkeiten für eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Deutschland. Untersucht werden sowohl die klassische Aktiengesellschaft als auch die seit 2004 mögliche Europäische Aktiengesellschaft (SE).
Ausgangspunkt der Untersuchung ist eine Systematisierung des Kollegialprinzips sowie der bereits im Gesetz angelegten Personalisierungsmöglichkeiten, wie der Vorstandsvorsitzende und der Vorstandssprecher. Sodann wird erörtert, auf welchen Faktoren deren faktische Macht beruht und wo die gesetzlichen Grenzen liegen. Daraus leitet die Autorin ab, ob die bestehenden gesetzlichen Regeln noch angemessen sind.
Darüber hinaus werden die Personalisierungsmöglichkeiten bei einer Europäischen Aktiengesellschaft (mit Sitz in Deutschland) aufgezeigt, und zwar zunächst für eine SE mit dem sogenannten dualistischen Leitungssystem. Für die SE mit monistischem System untersucht die Autorin rechtsvergleichend, inwieweit die Regelungen des deutschen SE-Ausführungsgesetzes bestehenden Corporate Governance-Grundsätzen entsprechen. Außerdem schlägt sie Regelungen über die monistische SE zur Aufnahme im Deutschen Corporate Governance Kodex vor.