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über die Mitautorenschaft und die daraus folgende Verantwortlichkeit oder der Umgang mit Primärdaten können durch den Einbau von stärkerer Transparenz in den
Bildungsprozess leichter der Homogenisierung zugeführt werden. Hierfür sollten die
bereits vorhandenen Internationalisierungstendenzen durch sachbezogenen gezielten
Informationsaustausch als fester Bestandteil der Standardgenese über die Arbeit von
Expertengremien hinaus auf weitere Ebenen der Standardbildung ausgedehnt werden. Hier ist an die Veröffentlichung und den Austausch von anonymisierten Abschlussberichten zu konkreten Verfahren mit der Möglichkeit der Stellungnahme der
Fachöffentlichkeit, eingebettet in einen organisatorischen Rahmen, der die Gewähr
für die bestmögliche Sachgerechtigkeit und Interessenberücksichtigung bietet, gedacht.
C. Abschließende Bewertung und Ausblick
Die Auseinandersetzung mit den Governancestrukturen der drei Vergleichsländer
sowie den Mechanismen des Zustandekommens und der Implementierung wissenschaftlicher Standards lassen Tendenzen einer allgegenwärtigen zunehmenden Verkomplizierung und zugleich Internationalisierung von Regulierungssystemen erkennen. Dabei handelt es sich um weltweit aufgefächerte internationale Dependenzen
und Kooperationen zwischen nationalen Interessenvertretern und Regierungsverantwortlichen, wie es nicht nur unter den Mitgliedern der scientific community, sondern zwischen den Vertretern nahezu aller gesellschaftlichen Teilbereiche und Regelungsbereiche gibt. Die Akteure solch internationaler Kooperationsstrukturen mannigfaltiger Gestalt und Ausprägung transportieren in ihrem jeweiligen Aktivitätsbereich neben Kompetenz, Integrität, Kompetenz, Kreativität und Vernetzung eine
Vielzahl weiterer attraktiver Eigenschaften. Sie verfügen nicht selten über erstaunlich enge Verbindungen zu nationalen und internationalen Parallelinstitutionen und
Verantwortlichen und setzen sich so zu globalen Netzwerken zusammen, die – was
ihren Bekanntheitsgrad und ihre strukturelle Ausformung anbetrifft – noch im Schatten der offiziellen internationalen Organisationen stehen. Deren Vorteile jedoch in
der effizienten Lösung interntionaler Probleme, ihrer Schnelligkeit und Flexibilität
liegen. Um diese nur schwer im Detail identifizierbaren Strukturen in ihrer Gesamtheit visualisieren zu können und die von ihnen tatsächlich bereits übernommenen
Funktionen zu offenbaren, hat Anne-Marie Slaughter eine Kategorisierung dieser
Netzwerke in horizontal government networks, vertical government networks und
disaggregated international organisations vorgenommen.156 Dabei löst sie sich vom
Bild des klassischen Einheitsstaates und betrachtet die Welt durch eine Brille, die
sämtliche Einzelinstitutionen der Legislative, Judikative oder Exekutive sowie deren
Aktivitäten einer Nation auch im internationalen Kontext in ihre einzelne Komponenten zerlegt und als solche hervorhebt statt Staaten im inter- und supranationalen
156 Slaughter, A New World Order, S. 15 ff., S. 131 ff.
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Bereich als komplexe Einheiten zu behandeln, die nach außen hin lediglich in ihrer
Gesamtheit in Erscheinung treten.157 Horizontale Netzwerke entstehen aus Verbindungen zu den jeweiligen Parallelinstitutionen in anderen Nationen, vertikale Netzwerke hingegen existieren zwischen nationalen Vertretern und ihren supranationalen
Gegenparts.158 Daneben sind hybride Formen internationaler Organisationen existent. Je nach Intensität und Gegenstand der Netzwerkverbindungen lassen sich Informationsnetzwerke, Durchsetzungsnetzwerke und Harmonisierungsnetzwerke unterscheiden.
Unter Erweiterung der Perspektive auf alle internationalen Kooperationen mit Beteiligung von nichtstaatlichen und intermediären Einrichtungen und Vertretern können die im hiesigen Zusammenhang ausgemachten Internationalisierungstendenzen
bei der Bildung und Implementierung von Standards guter wissenschaftlicher Praxis
problemlos in dieses Raster internationaler Dependenzen eingeordnet werden. Es
handelt es sich dabei um eine stärker horizontal als vertikal ausgeprägte lockere
Methode der internationalen Koordination, ein loses Informations- und Harmonisationsnetzwerk unter Wissenschaftlern und wissenschaftlichen Einrichtungen, das
eigenen teilbereichsspezifischen Handlungsrationalitäten folgt, aber das Gesamtbild
einer auf Netzwerken basierenden Weltorganisation um weitere Netzteile ergänzt
und vervollständigt. Es sorgt dabei ebenso wie zahlreiche Parallelstrukturen politischer und anderer gesellschaftlicher Teilbereiche für zunehmende Qualität und Konvergenz sowie die Verbesserung der Implementierung und Einhaltung international
anerkannter Standards. Eine stärkere Visualisierung, Ausnutzung und Kreation solcher globalen Mechanismen in der Zukunft bietet – wie das Beispiel der demokratischen Legitimation zeigt – umfangreiche Möglichkeit, herkömmliche Strukturen um
die besonderen Vorteile und Eigenschaften dieser Netzwerke zu ergänzen.
157 Slaughter, A New World Order, S. 14 ff. und Chapter 1 bis 3.
158 Slaughter, A New World Order, S. 13.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Wissenschaftliches Fehlverhalten ist kein neuartiges, aber ein in Deutschland lange unbeachtetes Phänomen. Die Autorin vergleicht verschiedene nationale Standards und Verfahrensmodelle des Umgangs mit wissenschaftlichem Fehlverhalten und erkennt Tendenzen einer allgegenwärtigen zunehmenden Verkomplizierung und zugleich Internationalisierung von Regulierungssystemen in diesem Bereich.