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sind in der Meta-Governance und durch Instrumente der state regulation beherrschbar und relativ starr vordeterminiert. Ähnliches gilt inzwischen auch für gewichtige
Komponenten des dänischen Modells, mögen auch die Handlungsrationalitäten der
DCSD sich eher dem Bereich stakeholder guidance zuordnen lassen, die wissenschaftlichen Mitglieder der Komitees keiner nachgeordneten staatlichen Aufsicht
unterliegen. Eine deutliche Verschiebung zur scientific self governance bildet das in
seiner Grundkonzeption über eine intermediäre Selbstverwaltungseinrichtung bewirkte und durch zahlreiche staatliche und nichtstaatliche Institutionen mitbeeinflusste deutsche Verfahrensmodell. Mit der deutschen Konzeption geht einher, dass
wissenschaftliche Entscheidungen und Standards deutlich unkontrollierter in staatlichen Zusammenhängen verarbeitet werden. Das deutsche Modell wird durch mehr
oder weniger autonome Akteure mitbestimmt, die verfassungsrechtlich unterstützt
einer eigenen Dynamik und Selbstanpassungsfähigkeit unterliegen, ohne dass das
Modell als eigene Ordnungsleistung wissenschaftlicher Selbstverwaltungseinrichtungen offensichtliche Defizite aufweist, wofür die bereits angesprochene Gleichförmigkeit der erzeugten Standards zumindest ein Indiz bildet. Die Gefahr eines
solchen Arrangements liegt in der potentiellen Gemeinwohlunverträglichkeit scheinbar beliebiger entstaatlichter Regelungsstrukturen. Es entsteht unweigerlich die
Frage nach einem legitimationsvermittelnden Design solcher Regelungsstrukturen
sowie der Rezeptionsanforderungen für im Konzept der scientific self governance
entwickelte Standards und Normbestände.
B. Bildung, Implementierung und Rezeption von Standards wissenschaftlicher
Praxis unter Legitimationsgesichtspunkten
Verfahren zum Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten leisten neben anderen wissenschaftsinternen Koordinationsprozessen einen erheblichen Beitrag zu der
Bildung und Implementierung von Standards guter wissenschaftlicher Praxis im
Wissenschaftssystem. Der nachfolgende Abschnitt soll sich daher schwerpunktmä-
ßig der Öffnung des Rechts für wissenschaftseigene Standardisierungsprozesse und
der Rezeption von Standards in staatlichen Zusammenhängen widmen. Die Öffnung
exekutivischer Rechtsetzungsakte sowie exekutivischer und richterlicher Entscheidungsprozesse für gesellschaftliche Interessenwahrnehmung durch wissenschaftliche Fehlverhaltensstandards, die in einem wissenschaftsinternen institutionen- wie
nationenübergreifenden Prozess gebildet wurden, zwingt zur Rückbeziehung auf das
demokratische Prinzip.
Der erste Unterabschnitt wird grundlegende Aspekte und Besonderheiten der Bildung von Standards wissenschaftlicher Praxis unter Rezeptionsgesichtspunkten
zusammentragen (1.). Im Anschluss werden Inkorporations- und Rezeptionsstrukturen ausgemacht (2.) sowie die grundlegenden Wirkungen und Voraussetzungen der
Rezeption von wissenschaftlichen Standards erörtert (3. und 4.) Im Anschluss werden die Anforderungen an eine gemeinwohlverträgliche Standardgenese an die Be-
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sonderheiten des Sachbereichs rückgebunden (5.) und einzelne Strukturen exemplifiziert (6.).
I. Grundbedingungen der Bildung und Implementation von Standards
wissenschaftlicher Praxis im Wissenschaftssystem
Die Rahmenbedingungen der Implementierung und der Rezeption wissenschaftlicher Verhaltensstandards in staatlichen Zusammenhängen lassen sich nur dann angemessen erfassen und bewerten, wenn man sich die Besonderheiten ihres Zustandekommens vergegenwärtigt.
1. Selbstdefinitorischer Prozess der Standardgenerierung
Die Herausbildung von Verhaltenskonventionen in der Wissenschaft erfolgt in einem stark ausdifferenzierten selbstdefinitorischen Standardisierungsprozess, dessen
Verlaufslinien sich aufgrund ihrer Verflochtenheit nicht im Detail nachzeichnen
lassen. Als sichtbare Grundmuster lassen sich in den untersuchten Wissenschaftssystemen zwei Ebenen der Generierung von wissenschaftlichen Verhaltensstandards,
die auf rechtliche Strukturen Einfluss ausüben, unterscheiden.90 Einerseits werden
teilweise ausfüllungsbedürftige abstrakt-generelle Standards guter wissenschaftlicher Praxis und wissenschaftlichen Fehlverhaltens in mehrheitlich institutionsangebundenen Regelwerken formuliert. Zum anderen sichern einzelne Fehlverhaltensverfahren eine stetige Konkretisierung und Ausdifferenzierung dieser Standards durch
individuelle Voten zu konkreten Handlungen und Fallgestaltungen ab. Während
abstrakt-generell verfasste Fehlverhaltensstandards in Deutschland durch organisatorisch vorgeformte Untereinheiten und Organe von Forschungseinrichtungen oder
Dachgesellschaften gebildet werden, erfolgt die Standardkonkretisierung in Fehlverhaltensverfahren durch Einzelpersonen und wissenschaftliche Kommissionen, die
sich je nach Zusammensetzung und Organisation in unterschiedlicher Weise in ihre
Kontexteinrichtungen eingliedern und meist Teile oder Sonderkommissionen eines
wissenschaftlicher (Verwaltungs-)organe darstellen.91 Die Übergänge zwischen
diesen sichtbaren Ebenen der Standardgenerierung sind fließend, der Austausch zwischen ihnen stetig. Die Prozesse werden durch einen öffentlichen Diskurs über Einzelfragen ebenso wie abstrakt generelle Mechanismen verbunden, durch kritische
Beiträge der scientific community in einem ständigen wissenschaftsspezifischen Diskussionsprozess weiterentwickelt und rückgekoppelt. Wissenschaftliche Fachgesellschaften und wissenschaftlicher Fachzeitschriften beeinflussen die Standardisierung
90 Schulze-Fielitz, WissR Bd. 37 (2004), S. 100 (109 ff.).
91 Vgl. oben 4. Teil, D. III., S. 352 ff.
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durch berufs- und disziplinspezifische codes of conduct92 und tätigkeitsbezogene
Standardwerke für Autoren und Herausgeber93. Das Wissenschaftssystem beobachtet und reagiert aus sich heraus in einem ständigen sich aus autonomen Wissenschaftlern und Netzwerken von Forschungstypen und Disziplinen zusammengesetzten Kommunikationsprozess auf abstrakte Standardisierungstendenzen ebenso wie
konkrete Einzelaspekte und bildet diese weiter aus.
2. Grundrechtliche Fundierung der Standardbildung
Eine für die Bestimmung der Rezeptionsanforderungen bedeutsame Vorbedingung
der Standardbildung folgt aus der starken grundrechtlichen Fundierung des deutschen Wissenschaftssystems und seiner Handlungsrationalitäten.
Aus der Natur des Teilsystems heraus herrscht in Deutschland eine grundrechtlich
abgestützte Autonomie seiner Akteure, welcher die weitgehende Selbstorganisation
von Standardbildungsmechanismen innerhalb und außerhalb staatlich vorgeprägter
Organisationszusammenhänge entspricht. Die Definition wissenschaftlicher Verhaltensstandards zählt zu den wissenschaftseigenen Angelegenheiten. Sie hilft nicht nur
die grundlegenden Handlungszusammenhänge zu bestimmen, sondern sorgt letztlich
auch für die Ausformung der Grenzen der in Art. 5 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich
garantierten Wissenschaftsfreiheit selbst94. Der verfassungsrechtliche Titel lässt die
Standardbildung unter Beteiligung staatlicher und nichtstaatlicher Organisationszusammenhänge zu.
Auch in anderen Nationen sind verfassungsrechtlich unterstützte Autonomisierungstendenzen zu beobachten, freilich nicht in der Ausprägung wie wir sie in
Deutschland vorfinden95. So genießen in den USA die Universitäten, die ein Recht
auf academic freedom für sich in Anspruch nehmen können, besondere Autonomie.96 In der Konsequenz haben diese Einrichtungen zum Teil eigene Handlungsmaßstäbe und Verfahren in Kraft gesetzt, die unabhängig von den Vorgaben der
forschungsfördernden agencies im Rahmen institutionsinterner Behandlung von
Fehlverhalten zur Anwendung kommen.
92 Vgl. etwa die Leitliniendatenbank der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF), erhältlich unter http://leitlinien.net/ (27.10.2005).
93 Darunter fallen redaktionelle Richtlinien und Standards für die Abfassung und Veröffentlichung wissenschaftlicher Studien, wie sie beispielsweise das International Committee on
Medical Journal Editors (CMJE) (entstanden aus der Vancouver Group), Uniform Requirements for Manuskripts Submitted to Biomedical Journals, erhältlich unter http://www.icmje.
org/ (15.02.2007) oder einzelne Fachzeitschriften herausgegeben hat. Fachzeitschriften, die
sich den Standards des ICMJE verpflichtet haben, werden ebenfalls auf der genannten Internetseite veröffentlicht.
94 Vgl. dazu oben 4. Teil, B. I. 1. a) aa) (4), S. 288 ff.
95 Groß, ERPL7 (1995), S. 109 (115 ff.).
96 Vgl. oben 2. Teil, B. I. 1. c), S. 46.
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3. Offenheit der Maßstäbe und Prozeduralisierungskonsequenz
Der Standardisierungsprozess ist geprägt von einem offensichtlich wissenschaftseigenen Bedürfnis nach Spielraum und Weichheit im Beurteilungsmaßstab, welches
mit dem charakteristisch rechtlichen Anspruch von klaren und transparenten Maßstäben kollidiert. Insofern eignen sich wissenschaftliche Standards auf den ersten
Blick nur bedingt zur rechtskonkretisierenden Rezeption und Inkorporation in staatliches Recht, weil sie keinen detailkonkretisierten Maßstab abbilden. Sie scheinen
dem Bedarf nach Stabilität von wissenschaftsspezifischen Entscheidungen im juristischen Verfahren zu widerstreiten.97
Statt dessen sucht man in der Wissenschaft einerseits nach einem mit der Intensität des Fehlverhaltens abgestuften flexiblen Verhaltensmaßstab, der auch Abweichungen von positiv formulierten Standards guter wissenschaftlicher Praxis erfasst,
die zwar kritikwürdig sind, aber keine harten Sanktionen erfordern. Dieser Aspekt
spiegelt sich sehr deutlich in dem außergesetzlich entwickelten ergänzenden Maßstab der Abweichung von guter wissenschaftlicher Praxis des dänischen Verfahrensmodell wider98, wird aber auch anhand des teilweise eher weichen Umgangs mit
Fehlverhaltensfällen in Deutschland, etwa am Beispiel von kritischen Ombudsverfahren deutlich. Zum anderen wird dort, wo nur ernsthaftes Fehlverhalten Definitionsgegenstand sein soll, durch Verwendung unbestimmter Definitionsbestandteile
versucht, eine gewisse Flexibilität einzuziehen, um eine Anwendbarkeit auf unbekannte Fallgestaltungen zu ermöglichen. Beispielhaft lässt sich hierfür die inzwischen abgelöste other serious deviation clause der früheren NSF- und PHS Definitionen anführen.99 In Deutschland bestehen ebenfalls Tendenzen, den Tatbestand
wissenschaftlichen Fehlverhaltens mit einem öffnenden Spielraum zu versehen.100
Trotz der relativen Unbestimmtheit wissenschaftlicher Konventionen haben sich
unabhängig von Rechtskultur, Fächerkanon und Forschungstypen international bereits Minimalstandards etabliert, wie die Verdichtung von Fehlverhaltensmaßstäben
auf Datenfabrikation, Fälschung, Plagiat und die Beeinträchtigung von Forschungstätigkeit anderer zeigt. Die Konkretisierung dieser Maßstäbe in Grenzfällen und
Grauzonen bleibt dem prozeduralisierten Einzelverfahren vorbehalten. Die Beurteilung einer Vielzahl von Sachverhalten erlaubt nach und nach eine Verfestigung von
97 Dies wird anschaulich durch die Schwierigkeiten belegt, die im Zusammenhang mit den
Entscheidungen der DCSD nach einem offenen, gesetzlich nicht verankerten Maßstab der
Abweichung von guter wissenschaftlicher Praxis entstanden sind, vgl. oben 3. Teil, E. II.,
S. 220 ff., insbesondere E. II. 3., S. 225 f. Dabei wird offenbar, dass stärker durch staatliche
Akteure geprägte Modelle größere Schwierigkeiten mit der Orientierung an weichen Definitionsbestandteilen und Maßstäben haben. In Dänemark wird die Anwendung eines flexiblen
Maßstabs mit zunehmender Verrechtlichung problematischer.
98 Vgl. oben 3. Teil, E. II., S. 220 ff.
99 Zur Verfassungsmäßigkeit der Delegation öffentlicher Gewalt an private Einrichtungen in
diesem Zusammenhang, Goldman/Fisher, Jurimetrics Vol. 37 (1997), S. 149 (154 Fn. 21).
100 Vgl. oben 4. Teil, E. II. 1. a), S. 384 ff.
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Einzelbegründungen zu systematisierten etablierten Standards für Fehlverhalten.101
Dabei sichern trotz der Verschiedenheit der untersuchten Verfahrensmodelle und des
unterschiedlichen Grades ihrer Verrechtlichung international ähnlich formulierte
Verfahrensanforderungen und Schutzrechte die Konkretisierung ab.
4. Autonomisierte internationale Standardisierung
Im Vergleich zu anderen außerrechtlich generierten Standards, beispielsweise technischen Normen102, unterliegen die Standards guter wissenschaftlicher Praxis und
wissenschaftlichen Fehlverhaltens einer deutlich stärkeren eigendynamischen Internationalisierung, welche – anders als in der Wirtschaft – nicht erst durch die zunehmende Herausbildung gemeinsamer Märkte oder das Entstehen von Handelshemmnissen erforderlich wird, sondern sich aus der Natur wissenschaftlicher Kommunikation und Handlungen, die vor nationalen Grenzen nicht Halt machen, gleichsam
autonom vollzieht. Die Weichen für internationale Wechselwirkungen im Standardbildungsprozess werden mit der wechselseitigen Orientierung derjenigen Länder, die
ein Verfahrensmodell implementiert haben, an den bereits existenten Verfahrensmodellen und neuen Entwicklungen gestellt. Die Danish Committees on Scientific
Dishonesty (DCSD) berichten insoweit jährlich über ihre Beobachtungen der weltweiten Entwicklungen.103 Die DFG und die Kommission Selbstkontrolle in der Wissenschaft haben bei der Konzeption des deutschen Modells von den Erfahrungen der
beiden Referenzländer profitieren können. Sogar das ORI mit seiner stark verfestigten Rolle im amerikanischen Modell steht in ständigem Kontakt mit den Verfahrensverantwortlichen anderer Nationen.104
Zahlreiche Fehlverhaltensfälle und deren Behandlung und Bewertung finden
internationale Beachtung und Resonanz. Prominente Beispiele sind der zuvor geschilderte Fall Björn Lomborg105 oder der Fall Jan Hendrik Schön106. Im letztge-
101 Schulze-Fielitz, WissR Bd. 37 (2004), S. 100 (106).
102 Zur in erster Linie europäischen Verflechtung der Normungsarbeit bei technischer Normung,
vgl. Marburger, in: Hendler/Marburger/Reinhardt/Schröder (Hrsg.) UTR Jahrbuch des Umwelt- und Technikrechts 1994, Bd. 27, S. 333 ff. (334). Rönck, Technische Normen als Gestaltungsmittel des Europäischen Gemeinschaftsrechts, S. 47 ff.; Müller-Foell, Die Bedeutung technischer Normen für die Konkretisierung von Rechtsvorschriften, S. 67 ff.
103 Axelsen, in: The Danish Research Agency (Hrsg.), The Danish Committees on Scientific Dishonesty, 2001 Annual Report, S. 7 ff., 2002 Annual Report, S. 21 ff.
104 Vgl. ORI Homepage, International Menu unter http://ori.dhhs.gov/international/ (15.05.
2007).
105 Vgl. oben 3. Teil, C. IV. 1., S. 188 ff.
106 Siehe den ausführlichen Bericht, „Report of the Investigation Committee on the Possibility of
Scientific Misconduct in the Work of Hendrik Schön and Coauthors“ nebst Zusammenfassung der durch Lucent Technologies, Bell Labs, eingesetzten Untersuchungskommission unter http://publish.aps.org/reports/lucentrep.pdf (15.02.2007), sowie die Zusammenfassung bei
Axelsen, in: The Danish Research Agency (Hrsg.), The Danish Committees on Scientific Dishonesty, 2002 Annual Report, S. 21 ff.
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nannten Fall fand der öffentlich zugängliche Untersuchungsbericht der internen aber
disziplinbedingt ebenfalls international besetzten Kommission der Bell Labs auch
bei der Beurteilung der Fehlleistungen aus deutscher Sicht Berücksichtigung. Obwohl sich gerade in der Behandlung der Mitautoren Schöns und der Bewertung ihrer
Verantwortlichkeit, Divergenzen zu zwar einbezogenen, aber unter Verweis auf den
engen Maßstab der US-amerikanischen Federal Policy on Research Misconduct
nicht konsequent zur Anwendung gebrachten internationalen Standards abzeichnen107, spiegelt der Fall die internationale Vernetzung der Standardbildung durchaus
plastisch wider. Die Verantwortlichkeit von Mitautoren ist dabei als ein umstrittener
Teilbereich aufzufassen, der sich in der öffentlichen Diskussion noch weiter herauskristallisieren und konkretisieren wird. Auch das im dänischen Länderbericht erwähnte Beispiel der Universität Aarhus, welche aufgrund der Förderung durch den
Public Health Service eine Anpassung an die US-amerikanischen Standards vorgenommen hat108, stellt ein Beispiel für die autonomisierten Internationalisierungstendenzen dar. Außerhalb von Fehlverhaltensverfahren spielen die Guidelines internationaler Fachzeitschriften, deren Herausgeber international anerkannte Wissenschaftler sind, eine wesentliche Rolle für die internationale Dimension der Standardisierung. Die durch die Vancouver Group über Jahre hinweg entwickelten Guidelines haben eine weltweite Gültigkeit erlangt.109 Schließlich begleitet ein stetiger
mündlicher und schriftlicher Diskurs die Entwicklungen im internationalen Umfeld.
II. Inkorporations- und Rezeptionsstrukturen wissenschaftlicher Standards
Standards und Verfahren zum Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten bilden
ein klassisches Beispiel für die Inkorporation privater Maßstäbe in staatliche Entscheidungszusammenhänge bzw. für die Verbindung staatlicher und privater Regulierungssysteme. Verknüpfungsstrukturen von gesellschaftlichen Standardisierungsprozessen zu staatlich verfasstem Recht sind auf einer Vielzahl unterschiedlicher
Ebenen zu beobachten, deren exakte Nachverfolgung sich im Einzelfall als schwierig erweist, weil die Verkopplungen eine hohe Komplexität aufweisen. Offensichtliche Anknüpfungspunkte für wissenschaftliche Standards im Recht bilden die Regelwerke und Verfahren staatlicher Forschungseinrichtungen sowie gesetzlich verfasster Sanktionsnormen oder Qualitätssicherheitsanforderungen. Im universitären
Bereich und in sonstigen staatlichen Forschungseinrichtungen werden abstraktgenerelle Ergebnisse des Standardisierungsprozesses rechtsförmlich in Satzungen
107 Vgl. Bell Labs, Report of the Investigation Committee on the Posibility of Scientific Misconduct in the Work of Hendrik Schön und Coauthors, S. 16 ff. unter http://publish.aps.
org/reports/lucentrep.pdf (15.02.2007). Autorschaftsstreitigkeiten werden in den USA nicht
als Gegenstand der staatlichen Zuständigkeit angesehen, La Folette, in: Lock/Wells/Farthing
(Hrsg.) Fraud and Misconduct in Biomedical research, S. 33 (41).
108 Vgl. oben 3. Teil, D. IV. 1., S. 208 f.
109 Vgl. 5. Teil, B. I. 1., Fn. 93.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Wissenschaftliches Fehlverhalten ist kein neuartiges, aber ein in Deutschland lange unbeachtetes Phänomen. Die Autorin vergleicht verschiedene nationale Standards und Verfahrensmodelle des Umgangs mit wissenschaftlichem Fehlverhalten und erkennt Tendenzen einer allgegenwärtigen zunehmenden Verkomplizierung und zugleich Internationalisierung von Regulierungssystemen in diesem Bereich.