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müssen. Soweit die Veröffentlichung bereits erfolgt ist, sind fehlerhafte Beiträge
durch Widerruf richtig zu stellen. Hierzu sind die beteiligten Autoren und Herausgeber verpflichtet.
3. Förderungsspezifische Sanktionsmaßnahmen der DFG
Bei der DFG kommen neben den Möglichkeiten der Forschungseinrichtungen weitere Maßnahmen zum Einsatz, die an das konkrete Förderungsverhältnis anknüpfen, in
Betracht. Zu den laut Verfahrensordnung zu verhängenden Maßnahmen zählen die
schriftliche Rüge des Betroffenen, der Ausschluss von der Antragsberechtigung bei
der DFG – je nach Schweregrad des wissenschaftlichen Fehlverhaltens – für ein bis
acht Jahre, die Rücknahme von Förderentscheidungen706, die Aufforderung des
Betroffenen, eine inkriminierten Veröffentlichung zurückzuziehen oder falsche Daten zu berichtigen oder den Hinweis auf den Rückruf der Fördermittel durch die
DFG in die inkriminierte Veröffentlichung aufzunehmen, sowie der Ausschluss von
einer Tätigkeit als Gutachter bzw. in den Gremien der DFG und schließlich die Aberkennung des aktiven und passiven Wahlrechts für die Organe und Gremien der
DFG.707
II. Nachfolgende Sanktionsmaßnahmen der allgemeinen Rechtsordnung
Die Verfahrensregeln enthalten darüber hinaus Kataloge möglicher Konsequenzen
bei Vorliegen wissenschaftlichen Fehlverhaltens, die nach geltendem Recht anwendbaren Maßnahmen aufzeigen und den Einrichtungen als Orientierungshilfe dienen
sollen.708 Es handelt sich um Reaktionen, die keinen spezifischen wissenschaftseigenen Charakter aufweisen, sondern um solche, die von den konkret durch wissenschaftliches Fehlverhalten betroffenen Interessengruppen ausgehen können und je
nach Rechtsnatur des Beziehungsverhältnisses bestimmte Ausgleichsinteressen verfolgen.709 Sie werden in gesetzlich geregelten rechtsstaatlichen Entscheidungsverfahren getroffen, welche ein Anknüpfen an die Feststellungen der Untersuchungsgremien regelmäßig nicht voraussetzen, aber im Rahmen der Ermittlung der Tatsa-
706 Durch gänzlichen oder teilweisen Widerruf der Bewilligung, Rückruf von bewilligten Mitteln
und Rückforderung bereits verausgabter Mittel.
707 DFG, Verfahrensordnung zum Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten, beschlossen
durch den Hauptausschuss am 26. Oktober 2001, unter II. 2. c).
708 Z.B. MPG, Anlage 2 der Verfahrensordnung bei Verdacht auf wissenschaftliches Fehlverhalten, beschlossen vom Senat der MPG am 14.11.1997, geändert am 24.11.2000, abgedruckt
in: MPG, Verantwortliches Handeln in der Wissenschaft, Analysen und Empfehlungen,
S. 127 ff.
709 Schmidt-Aßmann, NVwZ 1998, S. 1225 (1229).
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chengrundlage sinnvoll erscheinen lassen.710 Die möglichen Sanktionen lassen sich
grob in arbeits- und beamtenrechtliche Konsequenzen, akademische Konsequenzen,
zivilrechtliche Konsequenzen, strafrechtliche Konsequenzen und den Widerruf von
wissenschaftlichen Publikationen unterteilen. 711
1. Arbeits- und dienstrechtliche Sanktionen
Arbeits- und dienstrechtliche Sanktionen sind einschlägig, wenn der Betroffene
zugleich Beschäftigter der Einrichtung ist, die das Fehlverhalten untersucht.
Im Angestelltenverhältnis kann der Arbeitgeber die Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten mit einer verhaltensbedingten ordentlichen oder außerordentlichen
Kündigung ahnden.712 In minder schweren (Erst-)Fällen wissenschaftlichen Fehlverhaltens ist der Ausspruch einer Abmahnung angezeigt.713
Ist wegen der besonderen Schwere oder Anzahl der Pflichtverstöße eine außerordentliche Kündigung die adäquate Sanktionsmaßnahme, stellt das Erfordernis der
Einhaltung der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB eine besondere Hürde für
den sanktionierenden Arbeitgeber dar.714 Ein Untersuchungsverfahren zur Aufklärung eines Fehlverhaltensverhaltens nimmt selbst bei zügiger Verfahrensführung
einen längeren Zeitraum als die für die Umsetzung des Kündigungsentschlusses
eingeräumte zweiwöchige Frist in Anspruch, sodass das Abwarten des Kommissionsvotums von einem nicht unerheblichen Risiko der Fristversäumung begleitet
wird. Grundsätzlich beginnt die Frist mit dem Zeitpunkt zu laufen, zu dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis
erlangt. Demnach setzt ein Verdacht, der sich erst durch die Arbeit der Untersuchungskommission auf eine manifeste Tatsachengrundlage stützen lässt, die Frist
nicht vor Feststellung des wissenschaftlichen Fehlverhaltens durch das Gremium
710 Schulze-Fielitz, WissR 2004, S. 100 (119) spricht von den Ombuds- und Untersuchungsverfahren als akademischen „Durchgangsstationen“.
711 Strafrechtliche und zivilrechtliche Sanktionen sind anschaulich behandelt bei Stegemann-
Boehl, Fehlverhalten von Forschern, S. 83 ff., 105 f., 108 f., 159 ff., 175 ff., 186 ff.; dies.,
WissR 1996, S. 139 (143 ff.).
712 Arbeitsvertraglich zur Erbringung von Forschungsleistungen beschäftigte Arbeitnehmer sind
zur Einhaltung der Grundsätze guter wissenschaftlicher Praxis verpflichtet. Zu den betroffenen arbeitsrechtlichen Pflichtentatbeständen ausführlich Hartmann, Grundsätze guter wissenschaftlicher Praxis unter qualitätssicherungs- und rechtsfolgenbezogenem Blickwinkel,
S. 228 ff.
713 Vgl. auch MPG, Anlage 2 der Verfahrensordnung bei Verdacht auf wissenschaftliches Fehlverhalten, beschlossen vom Senat der MPG am 14.11.1997, geändert am 24.11.2000, abgedruckt in: MPG, Verantwortliches Handeln in der Wissenschaft, Analysen und Empfehlungen, S. 127.
714 Zum Folgenden MPG, Anlage 2 der Verfahrensordnung bei Verdacht auf wissenschaftliches
Fehlverhalten, beschlossen vom Senat der MPG am 14.11.1997, geändert am 24.11.2000, abgedruckt in: MPG, Verantwortliches Handeln in der Wissenschaft, Analysen und Empfehlungen, S. 127 f.
421
und Mitteilung an die Leitung der betroffenen Forschungseinrichtung in Gang.
Demgegenüber ist mit zunehmender Dringlichkeit des Tatverdachts im Anfangsstadium der Verlautbarungen, die Gefahr eines vorzeitigen Fristbeginns gegeben. Der
Arbeitgeber ist in diesen Fällen gezwungen innerhalb der Kündigungsfrist, eine
Verdachtskündigung auszusprechen, um der Gefahr der Fristversäumung vorzubeugen. Die Wirksamkeit der Verdachtskündigung setzt insbesondere eine vorherige
Anhörung des Mitarbeiters zu den vorliegenden konkreten Indizien voraus.715 Diese
kann unter Beteiligung der Untersuchungskommission erfolgen.
Fehlverhalten verbeamteter Forscher beinhaltet eine Verletzung der beamtenrechtlichen Pflicht zur gewissenhaften Aufgabenerfüllung. Der Verstoß zieht disziplinarrechtliche Konsequenzen gemäß den Landesdisziplinargesetzen nach sich, welche
von einer bloßen Warnung oder einem Verweis bis hin zu Geldbußen, Gehaltskürzungen und der Entfernung aus dem Dienst reichen können.716
2. Akademische Sanktionen
Akademische Konsequenzen bilden die Schnittstelle zwischen wissenschaftsspezifischen und allgemeinen Sanktionen. Sie beinhalten den Entzug akademischer Grade,
insbesondere des Entzug des Doktorgrades oder den Entzug der Venia legendi durch
diejenigen Körperschaften, die den jeweiligen Grad verliehen hat. Zuständig ist je
nach landesspezifischem Regelungskanon der Promotionsausschuss bzw. der Habilitationsausschuss oder der Fachbereich.717 Materiellrechtlich ist die Entziehung an
speziellen Landesvorschriften, etwa der jeweils geltenden Promotions- bzw. Habilitationsordnung bzw. dem als Landesrecht fortgeltenden § 4 Abs. 1 des Gesetzes über
die Führung akademischer Grade (GfaG)718, oder an § 48 LVwVfG zu messen.719
Voraussetzung für die Entziehung ist, dass das Fehlverhalten für die Verleihung
ursächlich und diese damit rechtswidrig war720, oder dass sich der Träger als unwürdig zum Führen akademischer Grade erwiesen hat721.
715 Berkowsky, in: Richardi/Wlotzke (Hrsg.), Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Band 2,
§ 144 Rn. 6; eingehend Hoefs, Die Verdachtskündigung, S. 185 ff.
716 Streiter, WissR 37 (2004), S. 308 (317).
717 Vgl. VGH Baden-Würtemberg, DVBl. 2000, S. 1007; Hess. VGH, DVBl. 2000, S. 717 f.,
OVG NRW, NWVBl. 1992, S. 212 ff.
718 Zur Verfassungsmäßigkeit siehe BVerfG, Beschl. v. 30.11.1988, Az: 1 BvR 900/88 (unveröffentlicht); BVerwG, NVwZ 1992, S. 1201; Thieme, Deutsches Hochschulrecht, S. 386 ff.;
Starosta, DÖV 1987, S. 1050 (1051 f.).
719 Maurer, in: Flämig u.a. (Hrsg.), Handbuch des Wissenschaftsrechts, S. 753 (776).
720 Vgl. VGH Baden-Würtemberg, DVBl. 2000, S. 1007.
721 OVG Berlin, NVwZ 1991, S. 188 ff.
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3. Zivilrechtliche Sanktionen
Zivilrechtliche Sanktionen können je nach Fehlverhaltenssachverhalt und individueller Situation unterschiedlich ausgestaltet sein.722 In Betracht kommen vor allem
die Erteilung eines Hausverbots, die Geltendmachung von Herausgabeansprüchen
gegen den Betroffenen (z.B. auf Herausgabe von entwendetem wissenschaftlichem
Material etc.), die Geltendmachung von Beseitigungs- und Unterlassungsansprüchen
aus Urheberrecht, Persönlichkeitsrecht, Patent- oder Wettbewerbsrecht723, die Geltendmachung von Rückforderungsansprüchen von Stipendien, Drittmitteln oder anderen Zuwendungen724 sowie die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen
bei Personen- oder Sachschäden725. Nicht verkannt werden darf hier die Beweisführungsproblematik. Nur in den seltensten Fällen ist eine zivilrechtliche Sanktionierung lückenlos durchsetzbar.726 Zur Lösung des Problems wurde die verstärkte Einführung von Vertragsstrafen im Verhältnis Autor oder Antragsteller gegenüber Förderungseinrichtung bzw. Fachzeitschrift angeregt, um eine Beweislastumkehr zu
Lasten unredlicher Wissenschaftler zur erzielen.727
4. Strafrechtliche Sanktionen
Strafrechtliche Sanktionen kommen immer dann in Betracht, wenn der Verdacht
besteht, dass wissenschaftliches Fehlverhalten zugleich strafrechtliche Tatbestände
verletzt oder Ordnungswidrigkeiten erfüllt.728 Sie setzten die Einschaltung der Strafverfolgungsbehörden voraus. Naheliegend ist die Verwirklichung von Straftatbeständen aus dem Bereich der Verletzung des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs, wie das Ausspähen von Daten (§ 204 StGB) oder die Verwertung fremder
722 Zum Zivilrecht eingehend Heldrich, Freiheit der Wissenschaft – Freiheit zum Irrtum?,
S. 28 ff., auch Stegemann-Boehl, WissR 1996, S. 139 (144 ff.); Zu den zivilrechtlichen Sanktionsmöglichkeiten der Förderorganisationen Streiter, WissR 37 (2004); S. 308 (319 ff.).
723 Ausführlich zum urheber- und persönlichkeitsrechtlichen Schutz wissenschaftlicher Werke
Stegemann-Boehl, Fehlverhalten von Forschern, S. 127 ff.; dies, WissR 1996, S. 139 (149 ff.)
mit weiteren Nennungen.
724 Wo die Zuwendungen von öffentlichen Stellen in Form von Verwaltungsakten gewährt werden, erfolgt wegen des Nichtvorliegens der Vergabevoraussetzungen bei Antragstellung eine
Rücknahme des Leistungsbescheids, an die sich die Rückforderung der gewährten Leistungen
anschließt, Stegemann-Boehl, WissR 1996, S. 139 (145).
725 Zur Haftungsprivilegierung aufgrund von Art. 5 Abs. 3 GG, Heldrich, Freiheit der Wissenschaft – Freiheit zum Irrtum, S. 46 ff.; Die Haftung des zur Erbringung von Forschungsleistungen verpflichteten Arbeitnehmers folgt den Besonderheiten der eingeschränkten Haftung
im Arbeitsverhältnis, grundlegend Otto/Schwarze, Die Haftung des Arbeitnehmers.
726 Stegemann-Boehl, WissR 1996, S. 139 (148).
727 Stegemann-Boehl, Fehlverhalten von Forschern, S. 272 ff.; dies., WissR 1996, S. 139
(157 ff.).
728 Eingehend Stegemann-Boehl, Fehlverhalten von Forschern; dies., WissR 1996, S. 139 ff.;
Jerouschek, GA 1999, S. 416 ff.
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Geheimnisse (§ 204 StGB). Aus dem Bereich der Straftaten gegen das Leben und
die körperliche Unversehrtheit sind insbesondere in der klinischen Forschung bei der
Entwicklung von auf erfundenen oder gefälschten Daten basierenden Heilmethoden
die Tatbestände der Fahrlässigen Tötung (§ 222 StGB) oder der Fahrlässigen Körperverletzung (§ 223, 229 StGB) sanktionsrelevant.729 Für die Sanktionierung des
Verwendens erfundener, gefälschter oder sonst manipulierter Daten stehen die
Gruppe der Vermögensdelikte, mit Diebstahl (§ 242 StGB), Unterschlagung (§ 246
StGB), Betrug (§ 263 StGB), Subventionsbetrug (§ 264 StGB), Untreue (§ 266
StGB) und die Gruppe der Urkundsdelikte mit den Tatbeständen der Urkundenfälschung (§ 267 StGB) und der Fälschung technischer Aufzeichnungen (§ 268 StGB)
zur Verfügung. Die verbreitetsten Fallkonstellationen sind das Einwerben und die
Verwendung von Finanzmitteln und die Bewerbung auf Forschungsstellen.730 Ferner
kann wissenschaftliche Fehlverhalten den Tatbestand der Sachbeschädigung (§ 303
StGB), der Datenveränderung (§ 303a StGB) oder der im Urheberrechtsgesetz gesondert geschützten unerlaubte Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke
(§ 106 Urheberrechtsgesetz) erfüllen. Für den Leiter einer öffentlich-rechtlich organisierten Forschungseinrichtung kann sich die strafrechtrechtliche Verantwortlichkeit aus § 357 StGB, der Sondervorschrift für die Beteiligung an Amtsdelikten,
wegen der Vernachlässigung von Aufsichtspflichten ergeben.731 Ebenfalls unter dem
Gesichtspunkt der Aufsichtspflichtverletzung kann sich jeder Instituts- oder Abteilungsleiter gemäß § 130 OWiG bußgeldpflichtig machen. Weitere einschlägige
Straf- und Ordnungswidrigkeitentatbestände sind in forschungsrelevanten Spezialgesetzen, beispielsweise in §§ 95, 96 AMG, enthalten.732
Auch im strafrechtlichen Bereich ist die Durchsetzung dieser klassischen Sanktionen nicht selten erheblichen Beweisführungsschwierigkeiten ausgesetzt.733
5. Standesrechtliche Sanktionen
Gegen Forscher, die beispielsweise als Ärzte oder Rechtsanwälte Angehörige der
freien Berufe sind, können überdies standesrechtliche Maßnahmen verhängt werden.
Gegen Ärzte, die sich eines Verhaltens schuldig gemacht haben, aus dem sich die
Unwürdigkeit oder die Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufes ergibt, kommt nach §§ 5 Abs. 1 und 2, 3 Abs. 1 Nr. 2 Bundesärzteordnung (BÄO) die
729 Stegemann-Boehl, WissR 1996, S. 139 (144).
730 Zum Fehlverhalten in Bezug auf Drittmittelförderung Streiter, WissR 37 (2004), S. 308
(314 ff.).
731 Zur Strafbarkeit und Bußgeldpflichtigkeit von Verletzungen der Aufsichts- und Kontrollpflicht von Vorgesetzten vgl. Jerouschek, GA 1999, S. 416 (431 ff., 438 ff.).
732 Hartmann, Grundsätze guter wissenschaftlicher Praxis unter qualitätssicherdem und rechtsfolgenbezogenem Blickwinkel, S. 199 Fn. 594.
733 Eingehend Stegemann-Boehl, WissR 1996, S. 139 (146 ff.); dies., Fehlverhalten von Forschern, S. 83 ff.
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Rücknahme oder der Widerruf der Approbation in Betracht.734 Der Widerruf wegen
Unwürdigkeit erfordert als Entziehungstatbestand ein schwerwiegendes Fehlverhalten, welches die weitere Berufsausübung untragbar erscheinen lässt.735 Jedenfalls
solche wissenschaftlichen Verhaltensweisen, die zugleich einen oder mehrere
schwere, eine Durchschnittsstraftat übersteigendes Unwerturteil übersteigende,
Straftaten beinhalten, sind nach der Rechtsprechung geeignet, einen Widerruf der
Approbation zu rechtfertigen.736 Hinsichtlich der Unzuverlässigkeit ist eine Prognoseentscheidung in Bezug auf die künftige ordnungsgemäße Erfüllung der Berufspflichten vonnöten.737
III. Weiterführende Konsequenzen
Über die von der allgemeinen Rechtsordnung vorgesehen und in den institutionellen
Verfahrensordnungen explizit niedergelegten Sanktionen für fehlerhaftes Verhalten
in der Forschung hinaus können sich für den betroffenen Forscher, aber auch seine
Forschungseinrichtung, weitergehende Konsequenzen anschließen. Diese visieren
vordringlich andere Ziele als die Sanktionierung wissenschaftlichen Fehlverhaltens
an und resultieren aus der Interferenz der wissenschaftlichen Verhaltensregeln mit
der allgemeinen Rechtsordnung. Exemplarisch sei auf Qualitätssicherheitsmechanismen Bezug genommen, die die Überprüfung von Verstößen gegen Grundsätze
guter wissenschaftlicher Praxis als integraler Bestandteil spezifisch forschungsbezogener Qualitätssicherungssysteme und -prozesse einschließen.738 Das Nichterfüllen
von Qualitätsanforderungen – wie etwa der Grundsätze guter Laborpraxis (GLP)
gemäß Anhang 1 zum Gesetz zum Schutz vor gefährlichen Stoffen (ChemG) der
Grundsätze guter experimenteller Praxis (GEP) im Rahmen des Pflanzenschutzgesetzes (PflSchG) und der Pflanzenschutzmittelverordnung (PflSchMV) oder der
vielschichtigen für die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe des Medizinrechts739
nützlichen Empfehlungen für die Durchführung klinischer Versuche740 – kann dazu
734 Stegemann-Boehl, Fehlverhalten von Forschern, S. 240.
735 BVerwG, Beschl. v. 28.1.2003, Az: 3 B149/02; VGH Baden-Württemb., NJW 2003,
S. 3647 ff.
736 Stegemann-Boehl, Fehlverhalten von Forschern, S. 240; VGH Baden-Württemberg, NJW
2003, S. 3647 ff.
737 BVerwGE 105, 214 (220).
738 Die Verknüpfung solcher Qualitätssicherheitssysteme ist nicht ausdrücklich normiert, sondern ergibt sich aus der Formulierung vergleichbarer Anforderungen oder der Notwendigkeit
der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe. Zum Qualitätssicherungscharakter von Grundsätzen guter wissenschaftlicher Praxis ausführlich Hartmann, Grundsätze guter wissenschaftlicher Praxis unter qualitätssicherungs- und rechtsfolgenbezogenem Blickwinkel, S. 133 ff.
739 Z.B. in §§ 40 – 42 Arzneimittelgesetz (AMG), § 20 Medizinproduktegesetz (MPG).
740 Z.B. die Deklaration des Weltärztebundes von Helsinki i.d.F. der 52. Hauptversammlung in
Edinburgh v. 07.10.2000, die Guidelines on Good Clinical Practice (GCP) der International
Conference on Harmonization (ICH) vom 17.01.1997, vgl. Hartmann, Grundsätze guter wis-
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Wissenschaftliches Fehlverhalten ist kein neuartiges, aber ein in Deutschland lange unbeachtetes Phänomen. Die Autorin vergleicht verschiedene nationale Standards und Verfahrensmodelle des Umgangs mit wissenschaftlichem Fehlverhalten und erkennt Tendenzen einer allgegenwärtigen zunehmenden Verkomplizierung und zugleich Internationalisierung von Regulierungssystemen in diesem Bereich.