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stützung in Fragen guter wissenschaftliche Praxis und ihrer Verletzung durch wissenschaftliches Fehlverhalten zur Verfügung steht.267
Der Ombudsman der DFG wurde als Kollegialorgan mit drei Mitgliedern durch
Senatsbeschluss vom 28. Januar 1999 eingerichtet und nahm im Juli 1999 seine
Arbeit auf.268 Das erste Gremium war über einen Zeitraum von knapp sechs Jahren
in unveränderter Besetzung tätig, bis Mitte April 2005 die Übergabe der Amtsgeschäfte an eine Nachfolgebesetzung stattfand.
4. Anknüpfung der Fördermittelvergabe an die Standardumsetzung
Mit einem Rundschreiben an alle Rektoren und Präsidenten der Mitgliedereinrichtungen teilte die DFG bereits im Jahre 1998 mit, dass es für die Inanspruchnahme
von Fördermitteln zukünftig darauf ankäme, dass die Empfehlungen der Kommission Selbstkontrolle in der Wissenschaft in den Mitgliedseinrichtungen umgesetzt
würden.269 Die Mitgliederversammlung der DFG hatte zuvor beschlossen, nach
Verabschiedung einer Musterverfahrensordnung durch die Hochschulrektorenkonferenz und einer sich anschließenden Übergangsfrist die Vergabe von Fördermitteln an
die Einhaltung ihrer Empfehlungen zu knüpfen.270 Seit dem 1. Juli 2002 müssen die
Empfehlungen 1 bis 8 einschließlich der Verfahrensempfehlung, wonach Hochschulen und Forschungseinrichtungen durch legitimierte Organe und unter Berücksichtigung einschlägiger rechtlicher Regelungen beschlossene Verfahren zum Umgang
mit Vorwürfen wissenschaftlichen Fehlverhaltens vorsehen müssen, vollständig
umgesetzt werden.
III. Standard- und Verfahrensimplementation durch MPG, Hochschulrektorenkonferenz und weiteren Forschungs- und Forschungsförderungseinrichtungen
Die Max-Planck-Gesellschaft und die Hochschulrektorenkonferenz begannen parallel zu der Initiative der DFG, Regelwerke für den Umgang mit wissenschaftlichem
Fehlverhalten zu erarbeiten. Alle sonstigen Forschungseinrichtungen – insbesondere
die Mitglieder der DFG – trieben spätestens seit 2002 die korrekte interne Umsetzung der DFG-Empfehlungen voran.
267 Vgl. ausführlich unten 4. Teil, D. III. 2. a), S. 379 ff.
268 Beschluss des Senats der DFG zur Einrichtung eines Ombudsman vom 28. Januar 1999.
269 Rupp, in. Anderbrügge/Epping/Löwer (Hrsg.), Dienst an der Hochschule: Festschrift für Leuze, S. 437 (440); siehe auch Empfehlungen der Kommission „Selbstkontrolle in der Wissenschaft“, veröffentlicht in: DFG, Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis, Denkschrift,
S. 721 f.
270 Rupp, in. Anderbrügge/Epping/Löwer (Hrsg.), Dienst ander Hochschule: Festschrift für Leuze, S. 437 (441).
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1. Max-Planck-Gesellschaft
Die Max-Planck-Gesellschaft, welche bereits im November 1997, unbeeinflusst
durch den Herrmann/Brach Fall, eine erste singuläre für den Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten geltende Verfahrensordnung verabschiedet hatte271, sah
sich durch die aktuellen Geschehnisse veranlasst, im Juni 1998 einen Arbeitskreis
zur Erarbeitung eines eigenen Gesamtregelwerks gegen wissenschaftliches Fehlverhalten zu bilden.272 Die Edelstein-Kommission, benannt nach ihrem Vorsitzenden
Wolfgang Edelstein, wurde durch den Präsidenten der MPG in Abstimmung mit
dem Vorsitzenden des wissenschaftlichen Rats der Gesellschaft einberufen.273 Die
Arbeitsgruppe analysierte die historische Entstehung und Entwicklung des Problems, befasste sich in ihrem Bericht „Verantwortliches Handeln in der Wissenschaft“274 eingehend mit speziellen Konfliktthemen und formulierte schließlich
Regeln zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis275 sowie eine Neufassung der
„Verfahrensordnung bei Verdacht auf wissenschaftliches Fehlverhalten“.276 Der
Senat der MPG verabschiedete beide Regelwerke einschließlich eines „Katalogs von
Fehlverhaltensweisen, die als wissenschaftliches Fehlverhalten anzusehen sind“ und
eines „Katalogs möglicher Sanktionen bzw. Konsequenzen bei wissenschaftlichem
Fehlverhalten“ am 24. November 2000.
Bereits das mit der ersten Verfahrensordnung implementierte Max-Planck-
Verfahren war besonders detailliert ausgestaltet und diente mit einem zweistufigen,
in einen straffen Zeitrahmen eingepasstem Konzept, auf dessen zweiter Stufe ein
Untersuchungsausschuss zum Einsatz kam, und einem Katalog von Fehlverhaltenstatbeständen als Vorbild für die heutigen Verfahrensgestaltungen.
271 Die hierfür zuständige Expertenkommission um Albin Eser hatte der MPG-Präsident Hubert
Markl bereits im Vorfeld des Bekanntwerdens des Falls Hermann/Brach versammelt, so dass
das zeitliche Zusammentreffen der Verabschiedung der ersten MPG-Verfahrensordnung
„Verfahrensordnung bei Verdacht auf wissenschaftliches Fehlverhalten“ durch den Senat am
14.11.1997 mit den Ereignissen um Herrmann/Brach dem Zufall entsprach, vgl. die Inhalte
der Jahrespressekonferenz 1997 http://www.mpg.de/bilderBerichteDokumente/dokumentation/pressemitteilungen/1997/jahrespr.htm (15.02.2007) sowie Finetti/Himmmelrath, der Sündenfall, S. 207.
272 Edelstein, in: MPG (Hrsg.), Ethos der Forschung, Ringberg-Symposium Oktober 1999, Max-
Planck-Forum 2, S. 169 (170).
273 Edelstein, in: MPG (Hrsg.), Ethos der Forschung, Ringberg-Symposium Oktober 1999, Max-
Planck-Forum 2, S. 169 (170). Mitglieder der Kommission waren: Wolfgang Edelstein, Hans-
Peter Hofschneider (Vorsitzende); Karl-Ludwig Kompa, Georg Kreutzberg, Renate Mayntz,
Ansgar Ohly, Jürgen Renn, Wolf Singer, Rüdiger Wolfrum (weitere Mitglieder).
274 MPG, Verantwortliches Handeln in der Wissenschaft, Analysen und Empfehlungen.
275 Regeln zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis, beschlossen vom Senat der Max-
Planck-Gesellschaft in seiner Sitzung am 24. November 2000.
276 Verfahrensordnung bei Verdacht auf wissenschaftliches Fehlverhalten, beschlossen vom
Senat der Max-Planck-Gesellschaft am 14. November 1997, geändert am 24. November
2000.
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2. Hochschulrektorenkonferenz
Am 6. Juli 1998 gab das 185. Plenum der Hochschulrektorenkonferenz277 auf Bitten
der Kommission „Selbstkontrolle in der Wissenschaft“ 278 und unter Berücksichtigung der Implikationen der Lohmann-Entscheidung279 weitere „Empfehlungen zum
Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten“ heraus.280 Das Regelwerk wurde
unter Einbezug der Verfahrensordnung der MPG formuliert.281 Es sollte als Musterverfahrensordnung für die deutschen Hochschulen der zügigen Umsetzung und der
Einheitlichkeit in der Verfahrensgestaltung dienen, ohne dass eine Umsetzung erzwungen werden konnte.282 Die Handreichung regte die Einsetzung von hochschulinternen Ombudsleuten, welche im Verdachtsfall als Ansprechpartner aller Hochschulangehörigen dienen, und einer ständigen Kommission zur Untersuchung von
Fehlverhaltensvorwürfen an.283
3. Hochschulen und sonstige außeruniversitäre Forschungseinrichtungen
Die breite Streuung und die praktische Relevanz der DFG-Fördermittel führten gepaart mit den wegweisenden Vorarbeiten der Spitzeninstitutionen innerhalb weniger
Jahre zu einer starken Umsetzungsdichte der Empfehlungen zur Sicherung guter
wissenschaftlicher Praxis im deutschen Wissenschaftssystem. An Hochschulen,
Fachhochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen staatlicher und
privater Trägerschaft, bisweilen auch an deren Dach-284 oder Unterorganisationen285,
277 Der Rechts- und Finanzträger der HRK ist die Stiftung zur Förderung der HRK. Die Organe
der Stiftung sind der Vorstand, der Beirat sowie das HRK-Plenum. Beirat und Plenum haben
eher beratende bzw. kontrollierende Funktion.
278 Die Hochschulrektorenkonferenz war in der DFG Kommission durch Cornelius Weiss, den
früheren Rektor der Universität Leipzig vertreten.
279 BVerwGE 102, 304 ff., vgl. dazu oben 4. Teil, B. II. 1. a), S. 283 ff.
280 HRK, Empfehlungen des 185. Plenums vom 6. Juli 1998 zum Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten in den Hochschulen, Ds. Nr. 1 85/9 HRK.
281 HRK, Empfehlungen des 185. Plenums vom 6. Juli 1998 zum Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten in den Hochschulen, Ds. Nr. 1 85/9 HRK.
282 Die Landeshochschulpräsidentenkonferenz (LHPK) des Landes Rheinland-Pfalz legte am
25. März 1999 ein ergänzendes Papier „Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis durch Verfahren“ vor.
283 HRK, Empfehlungen des 185. Plenums vom 6. Juli 1998 zum Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten in den Hochschulen, Ds. Nr. 1 85/9 HRK.
284 So haben die Dachgesellschaft der Einrichtungen der Blauen Liste, die Gottfried-Wilhelm-
Leibniz-Gesellschaft, und der Großforschungseinrichtungen, die Herrmann von Helmholtz-
Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren, Grundsätze guter wissenschaftlicher Praxis
erlassen: WGL, Regeln guter wissenschaftlicher Praxis vom 15.10.1999; HGF, Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis und Verfahren bei wissenschaftlichem Fehlverhalten, vom
9.9.1998. Siehe außerdem: Forschungsverbund Berlin e.V., Verfahren beim Verdacht auf
wissenschaftliches Fehlverhalten im Forschungsverbund Berlin e.V. vom 17. März 2003; Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen „Otto von Guericke“ e.V. (AiF),
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wurden „Regeln guter wissenschaftlicher Praxis“ einschließlich Verfahrensregeln
für den Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten erlassen und Verfahrensgremien eingesetzt. Obwohl die Einrichtungen sich von Beginn an inhaltlich stark an
den Empfehlungen der DFG und den Vorgaben der MPG und der HRK orientiert
hatten, machte die spätere Anbindung der Fördermittelvergabe an die korrekte Umsetzung der Empfehlungen in zahlreichen Einrichtungen eine Überarbeitung der
frühen Regelwerke erforderlich.286
Ergänzend wurde in Erfüllung der Vorgaben der zentralen Empfehlungen und der
individuellen Regelwerke für die Installation der internen Verfahrensgremien gesorgt.287
D. Struktur des deutschen Verfahrensmodells
Deutschland hat gegenüber den USA und Dänemark einen dritten Weg zum Umgang mit Fehlverhalten in der Wissenschaft eingeschlagen, der auf Dezentralität
beruht und wie kein anderer das Prinzip der Eigenverantwortung und Selbstkontrolle
verfolgt. Parallel zu den zuvor geschilderten Verfahrensmodellen sollen Charakter,
Rechtsgrundlagen und Akteure des deutschen Verfahrensmodells im Überblick
erläutert werden.
Regeln zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis in der Industriellen Gemeinschaftsforschung vom 30.06.2002.
285 Z.B. Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, Fachbereich Sport, Regeln guter wissenschaftlicher Praxis vom 08.05.2002, und Fachbereich Medizin, Empfehlungen des Fachbereichs Medizin der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis vom 28.10.1999.
286 Insbesondere unter den Universitäten ist zu beobachten, dass diese zunächst Regelwerke für
den Umgang mit Vorwürfen wissenschaftlichen Fehlverhaltens erließen und später zur Ergänzung um positive Verhaltensregeln guter wissenschaftlicher Praxis gezwungen waren. Teilweise wurden die vorhandenen Regelwerke zu diesem Zweck aufgefüllt und umbenannt, teilweise entschied man sich auch für die Formulierung eines getrennten Regelwerks. Vgl. z.B.
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Grundsätze für das Verfahren bei Verdacht
auf wissenschaftliches Fehlverhalten in der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität
Bonn vom 10.11.1998 ergänzt um Grundsätze zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis
an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn vom 05.06.2002; Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Verfahren bei Verdacht auf wissenschaftliches Fehlverhalten vom 22.12.1999, ersetzt durch Richtlinien der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis vom 13.05.2002.
287 Den Anfang machte die Universität Konstanz. Sie setzte Mitte Januar 1998 den Physiker
Rudolf Klein als Ombudsman für die Wissenschaft ein. Nach der Konstanzer folgte im März
desselben Jahres die von dem Fall Herrmann Brach besonders betroffene Freiburger Universität mit in einer Arbeitsgruppe erarbeitete Verhaltensrichtlinien. Weitere Hochschulen, darunter die Universitäten Mannheim, Münster und Tübingen, verabschiedeten noch innerhalb desselben Jahres mindestens ein Verfahrensregelwerk zum Umgang mit wissenschaftlichem
Fehlverhalten, vgl. Finetti/Himmelrath, Der Sündenfall, S. 210 ff.
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References
Zusammenfassung
Wissenschaftliches Fehlverhalten ist kein neuartiges, aber ein in Deutschland lange unbeachtetes Phänomen. Die Autorin vergleicht verschiedene nationale Standards und Verfahrensmodelle des Umgangs mit wissenschaftlichem Fehlverhalten und erkennt Tendenzen einer allgegenwärtigen zunehmenden Verkomplizierung und zugleich Internationalisierung von Regulierungssystemen in diesem Bereich.