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Forschungs- und Entwicklungsarbeit wird überwiegend in internen in die Unternehmenshierarchie eingebundenen Abteilungen geleistet, deren Organisation verschiedenartigen Mustern folgt.66 Idealtypisch ist eine Aufteilung nach Entwicklungsprozessstufen oder eine Gliederung nach Produktgruppen.67 Je geringer die Distanz
von originärer Forschung zum Entwicklungs- und Produktionsprozess, desto geringer sind autonome Spielräume und eine durch die Kommunikation mit der scientific
community geprägte Erzeugung wissenschaftlichen Wissens.68 Selbstverwaltungsstrukturen sind der Industrieforschung unbekannt.
c) Einrichtungen der industriellen Gemeinschaftsforschung
Im Bereich der Industrieforschung existieren darüber hinaus institutionalisierte Forschungskooperationen, die von den über 100 Forschungsvereinigungen der deutschen Wirtschaft getragen werden.69 Sie dienen der gemeinsamen ökonomischen
Lösung technologischer Problemstellungen vorwiegend kleinerer und mittelständischer Unternehmen.70 Die Forschungsergebnisse werden allen interessierten Unternehmen zur Verfügung gestellt.71 Die Trägervereinigungen der so genannten industriellen Gemeinschaftsforschung sind in der Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen „Otto von Guericke“ e.V. (AiF) organisiert, die gleichzeitig
als Projektträger firmenspezifischer Maßnahmen des Bundes zur Förderung von
Forschung und Entwicklung in kleineren und mittleren Unternehmen fungiert72.
II. Forschungsförderung in Deutschland
Die Strukturen der deutschen Forschungsförderung sind ebenso komplex wie die
Landschaft der forschungsdurchführenden Einrichtungen.73 Um eine ausufernde
66 Zündorf/Grunt, Innovation in der Industrie, S. 46 f., 51 f.
67 Siehe Gerpott und Kieser, in: Domsch/Jochum (Hrsg.), Personalmanagement in der industriellen Forschung und Entwicklung (F & E), S. 28 (38), S. 48 (54 ff.); Engelke, Integration
von Forschung und Entwicklung in die unternehmerische Planung und Steuerung, S. 98 ff.
68 Trute, Die Forschung zwischen grundrechtlicher Freiheit und staatlicher Institutionalisierung,
S. 105 ff.
69 Classen, Wissenschaftsfreiheit außerhalb der Hochschule, S. 39; Fuchs, Kartellrechtliche
Grenzen der Forschungskooperation, S. 45 f.
70 Bundesverband der deutschen Industrie e.V. (Hrsg.), Industrielle Gemeinschaftsforschung,
S. 5.
71 Dies gilt selbst für die an der Forschungsvereinigung nicht unmittelbar beteiligten Unternehmen, vgl. auch Ullrich, Privatrechtsfragen der Forschungsförderung in der Bundesrepublik
Deutschland, S. 40 Fn. 225.
72 BMBF, Bundesbericht Forschung 2004, S. 24 f.; Classen, Wissenschaftsfreiheit außerhalb
der Hochschule, S. 68.
73 Vgl. die Übersichten in BMBF, Bundesbericht Forschung 2004, S. 4 und 8 sowie die rechtliche Betrachtung von Heinrich, Die rechtliche Systematik der Forschungsförderung in
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Darstellung zu vermeiden, wird im Wesentlichen auf die forschungsfinanzierenden
Einrichtungen abgestellt.
1. Öffentliche Forschungsförderung
Bund und Länder wirken gemäß Art. 91 b Grundgesetz bei der Förderung von Einrichtungen und Vorhaben der wissenschaftlichen Forschung von überregionaler Bedeutung zusammen. Finanzielle staatliche Forschungsförderung erfolgt als direkte
Fördermaßnahme74 in der Hauptsache durch das Bundesministerium für Bildung und
Forschung, entsprechende Landesministerien, weitere Ressorts sowie durch eine
Reihe rechtlich selbständiger institutionell geförderter Einrichtungen.75 Die gemeinsame Forschungsförderung von Bund und Ländern erfolgt im Wege institutioneller
Förderung, besondere Projekte werden im Projektträgerverfahren durch ausgesuchte
Projektträger betreut, im Übrigen erfolgt eine direkte Projektförderung im Rahmen
von Förderprogrammen.76
a) Forschungsministerien Bund und Länder
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und die Wissenschaftsressorts der Länder sind die zentralen forschungsfördernden Exekutivorgane. Während der Bund einen größeren Einfluss auf die außeruniversitäre Forschung ausübt,
sind die Landesministerien für die Hochschulforschung verantwortlich.77
Deutschland und den Europäischen Gemeinschaften unter Beachtung von Wissenschaftsfreiheit und Wettbewerbsrecht.
74 Direkte Forschungsförderung wird durch gezielte Bezuschussung von Forschungsprojekten
und -einrichtungen gewährleistet, während indirekte Förderung vor allem durch Einräumung
von steuerlichen Vergünstigungen erfolgt, vgl. dazu im einzelnen Meusel, Außeruniversitäre
Forschung im Wissenschaftssystem, Rn. 386 ff.
75 Daneben existieren forschungsfördernde Arbeitsstrukturen, wie die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK) (dazu Schlegel, in: Flämig (u.a.),
Handbuch des Wissenschaftsrechts, S. 1689 ff.), der Wissenschaftsrat (ausführlich Röhl, Der
Wissenschaftsrat), die Ständige Konferenz der Kultusminister (KMK) (vgl. Schulz-Hardt, in:
Flämig (u.a.), Handbuch des Wissenschaftsrechts, S. 1655 ff.) oder der Planungsausschuss für
den Hochschulbau (BMBF, Bundesbericht Forschung 2004, S. 4), welche vornehmlich politische und strukturelle Planungs-, Beratungs- und Koordinationsaufgaben wahrnehmen.
76 BMBF, Bundesbericht Forschung 2004, S. 5.
77 Meusel, Außeruniversitäre Forschung im Wissenschaftsrecht, Rn. 202 ff.
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b) Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) ist die zentrale Selbstverwaltungsorganisation der deutschen Wissenschaft.78 Sie leistet finanzielle Unterstützung der
Hochschulforschung und sonstiger öffentlicher Forschungseinrichtungen. Darüber
hinaus fördert die DFG die Zusammenarbeit zwischen den Forschern, sie unterstützt
den wissenschaftlichen Nachwuchs, berät Parlamente und Verwaltung und macht
sich um die Pflege der Verbindungen zu ausländischen Forschungs- und Wissenschaftsorganisationen verdient.79 Die DFG praktiziert vier grundlegende Förderungsarten: die Einzelförderung im Normalverfahren, die Förderung von Forschergruppen und Sonderforschungsbereichen sowie das Schwerpunktverfahren.80
Die DFG ist als eingetragener Verein organisiert. Mitglieder der DFG sind wissenschaftliche Hochschulen, wissenschaftliche Akademien und andere Forschungseinrichtungen sowie wissenschaftliche Verbände von allgemeiner Bedeutung.81 Zu
den Organen der DFG zählen der Senat als zentrales wissenschaftliches Entscheidungsgremium, der für die finanzielle Förderung zuständige Hauptausschuss, die
Mitgliederversammlung, das Präsidium und der Vorstand.82 Die Bewilligungsaus-
78 Zur Gründung als Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft 1920, Wiederbegründung
1949 und der anschließenden Entwicklung der DFG vgl. Zierold, Forschungsförderung in
drei Epochen, S. 275 ff.; Nipperdey/Schmugge, 50 Jahre Forschungsförderung in Deutschland – Ein Abriss der Geschichte der Deutschen Forschungsgemeinschaft, S. 69 ff.; Schöne,
Deutsche Forschungsgemeinschaft, S. 13 ff.; Letzelter, in: Flämig (u.a.), Handbuch des Wissenschaftsrechts, S. 1381 ff.
79 § 1 der Satzung der DFG, beschlossen von der Mitgliederversammlung der Notgemeinschaft
der deutschen Wissenschaft am 18. Mai 1951 in München und am 2. August 1951 in Köln, in
der Fassung vom 03.07.2002.
80 Das Normalverfahren beinhaltet die Förderung von Forschungsvorhaben, die auf Initiative
einzelner Forscher beantragt werden, und zwar unabhängig davon, ob die Einrichtung, bei der
sie beschäftigt sind, Mitglied der DFG ist. Forschergruppen sind Zusammenschlüsse von
Wissenschaftlern zur gemeinsamen Bearbeitung besonders innovativer Forschungsvorhaben
für die Dauer von bis zu sechs Jahren. Sonderforschungsbereiche sind auf eine Dauer von bis
zu zwölf Jahren an Hochschulen – häufig in Zusammenarbeit mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen – eingerichtete Forschungsinstitutionen, die der Zusammenarbeit in
Fächerübergreifenden Forschungsprogrammen dienen. In den sogenannten Schwerpunktverfahren erfolgt eine Finanzierung und Koordinierung von Vorhaben zu einer einheitlichen
Thematik. Ausführlich Trute, die Forschung zwischen grundrechtlicher Freiheit und staatlicher Institutionalisierung, S. 663 ff.
81 Zu den Mitgliedern gehören ausschließlich Korporationen, insbesondere fast alle wissenschaftlichen Hochschulen, die MPG, die FhG, einige Akademien und Großforschungseinrichtungen, etc., vgl. die Liste der Mitglieder in: DFG, Aufbau und Aufgaben, S. 37 f.
82 Der Senat der DFG bestimmt die forschungspolitischen Grundsätze der DFG, er besteht aus
39 Mitgliedern, von denen 36 durch die Mitgliederversammlung gewählt werden. Die Mitgliederversammlung beschließt darüber hinaus über die Aufnahme von Mitgliedern und wählt
das Präsidium. Das Präsidium besteht aus einem Präsidenten und acht Vizepräsidenten sowie
dem Vorsitzenden des Stifterverbandes für die deutsche Wissenschaft. Der Präsident und der
auf Vorschlag des Präsidiums durch den Hauptausschuss bestellte Generalsekretär der DFG
bilden gemeinsam den Vorstand. Das Präsidium erledigt die laufenden Geschäfte der DFG
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schüsse übernehmen konkrete Förderentscheidungen hinsichtlich der jeweiligen
Förderarten, auf die sich ihre Zuständigkeit erstreckt. Die Finanzierung der DFG
erfolgt seit 2002 programmeinheitlich nach einem Finanzierungsschlüssel von 58%
Bund- zu 42% Länderfinanzierung.83 Die DFG wird überwiegend – teilweise unter
Differenzierung nach der Dimension staatlichen Einflusses auf die jeweiligen Vergabeentscheidungen - als Selbststeuerungsorganisation der Wissenschaft mit besonderer Nähe zum staatlichen Bereich eingeordnet. 84
c) Deutscher Akademischer Austauschdienst (DAAD)
Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) übernimmt als gemeinsame
Einrichtung der deutschen Hochschulen die öffentliche Aufgabe, durch den Austausch von Wissenschaftlern und Studierenden im Rahmen einer Vielzahl von Programmen die hochschulischen Beziehungen in Ausland zu fördern.85 Der DAAD ist
von seiner Rechtsnatur ein privatrechtlicher Verein, dessen Mitglieder sich aus den
in der Hochschulrektorenkonferenz vertretenen Hochschulen sowie den Studentenschaften dieser Hochschulen zusammensetzen.86 Seine Finanzierung erfolgt überwiegend aus Bundesmitteln und EU-Mitteln.87
unterstützt von einer zentralverwaltenden Geschäftsstelle. Der Hauptausschuss setzt sich aus
den 39 Mitgliedern des Senats sowie inzwischen 16 Vertretern der Länder, zwei Vertretern
des Bundes (mit 16 Stimmen) und zwei Vertretern des Stifterverbandes für die deutsche Wissenschaft zusammen. Er ist als zentrales Gremium der DFG für die finanzielle Förderung der
Forschung zuständig und setzt die Bewilligungsausschüsse für die allgemeine Forschungsförderung, die Sonderforschungsbereiche und die Graduiertenkollegs ein. Vgl. DFG, Aufbau
und Aufgaben, S. 5 ff.
83 Art. 6 Abs. 1 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung zwischen Bund und Ländern über die gemeinsame Förderung der Forschung nach Art. 91 b GG vom 28. November 1975, in der Fassung
vom 11.04.2001, mit Ausführungsvereinbarung über die gemeinsame Förderung der DFG in
der Fassung vom 20.03.2001. Ein verschwindend geringer Anteil an Finanzmitteln stammt
regelmäßig aus privaten Zuwendungen, überwiegend aus den Mitteln des Stifterverbandes für
die deutsche Wissenschaft.
84 Ausführlich die nach Aufgabenbereichen differenzierende Betrachtung von Trute, Die Forschung zwischen grundrechtlicher Freiheit und staatlicher Institutionalisierung, S. 677 ff.,
eindeutiger noch Salaw-Hanslmaier, Die Rechtsnatur der deutschen Forschungsgemeinschaft,
S. 115, 184 f. Siehe außerdem Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, S. 429 ff.
85 Bode, in: (Flämig u.a. Hrsg.), Handbuch des Wissenschaftsrechts, S. 1401 ff.
86 Organe des Vereins sind die Mitgliederversammlung, das aus bestellten Vertretern von Bund,
Ländern, Hochschullehrer, Studierenden, wissenschaftlichen Mitgliedern und gewählten Vertretern der Mitgliederversammlung bestehende Kuratorium und der Vorstand, vgl. die Satzung des DAAD. Hinsichtlich der Zuordnung des DAAD zum staatlichen Bereich vgl. Bode,
in: (Flämig u.a. Hrsg.), Handbuch des Wissenschaftsrechts, S. 1401 (1405 ff.).
87 BMBF, Bundesbericht Forschung 2004, S. 16, wonach dem DAAD im Jahr 2004 262,62
Mio. Euro zur Verfügung standen.
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d) Alexander von Humboldt-Stiftung (AvH)
Die Alexander von Humboldt-Stiftung ist eine von der Bundesrepublik Deutschland
errichtete rechtsfähige staatsnahe Stiftung des bürgerlichen Rechts, deren wesentliche Aufgabe darin besteht, qualifizierten Akademikern durch die Vergabe von Forschungsstipendien die Möglichkeit der Durchführung eines Forschungsvorhabens in
Deutschland zu ermöglichen.88
2. Private Forschungsförderung
Private Forschungsförderung betreiben auf vielfältige Art und Weise zahlreiche
Stiftungen und Vereine. Sie ergänzen die staatliche Forschungsförderung und sind
als Ausdruck privaten Engagements durch eine enge Verbundenheit zu den Forschungseinrichtungen, deren Unterstützung sie sich verpflichtet haben, gekennzeichnet.89 Beispielhaft sei der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft90 erwähnt, der einerseits für die Allokation privater Spenden an die Wissenschaft sorgt
und andererseits treuhänderisch Stiftungen und Stiftungsfonds verwaltet.91 Zu den
bedeutendsten großen deutschen wissenschaftsfördernden privaten Stiftungen zählt
etwa die Thyssen-Stiftung.92
B. (Verfassungs)rechtliche Rahmenbedingungen für wissenschaftsspezifische
Verfahren
Die in Art. 5 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich garantierte Freiheit der Wissenschaft,
Forschung und der Lehre weist der Forschungsfreiheit in Deutschland eine besondere Bedeutung zu. Während Dänemark und zahlreiche andere westliche Verfassungsstaaten die Wissenschafts- bzw. Forschungsfreiheit nicht explizit hervorheben93,
sondern als Unterfall der Meinungsfreiheit betrachten, garantiert das Grundgesetz
die Wissenschaftsfreiheit nicht nur selbständig sondern sogar ohne Gesetzesvorbehalt.94 In der Konsequenz sind Beschränkungen des Freiheitsrechts nur unter engen
Voraussetzungen zulässig.
88 Vgl. ausführlich Berberich, (Flämig u.a. Hrsg.), Handbuch des Wissenschaftsrechts,
S. 1409 ff.; Classen, Wissenschaftsfreiheit außerhalb der Hochschule, S. 67 f.
89 Classen, Wissenschaftsfreiheit außerhalb der Hochschule, S. 41.
90 Zu Gründung und historischen Aktivitäten des Deutschen Stifterverbandes, Zierold, Forschungsförderung in drei Epochen, S. 29 ff.
91 Ende 2002 betreute der Stifterverband 347 Stiftungen und verwaltete ein Vermögen von ca.
1,4 Mrd. Euro, BMBF, Bundesbericht Forschung 2004, S. 9.
92 Dazu Classen, Wissenschaftsfreiheit außerhalb der Hochschule, S. 42; Köstlin, in: (Flämig
u.a. Hrsg.), Handbuch des Wissenschaftsrechts, S. 1417 (1424 f.).
93 Groß, ERPL 7 (1995), S. 109 (115 ff.).
94 Schulze-Fielitz, WissR 37 (2004), S. 100 (102).
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Wissenschaftliches Fehlverhalten ist kein neuartiges, aber ein in Deutschland lange unbeachtetes Phänomen. Die Autorin vergleicht verschiedene nationale Standards und Verfahrensmodelle des Umgangs mit wissenschaftlichem Fehlverhalten und erkennt Tendenzen einer allgegenwärtigen zunehmenden Verkomplizierung und zugleich Internationalisierung von Regulierungssystemen in diesem Bereich.