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Die Reichweite der Prüfungskompetenz des Ministers erstreckte sich entsprechend dem früheren Gesetzeswortlaut ausschließlich auf rechtliche Verfahrensgesichtspunkte, nicht auf fachliche Fragen, so dass der Minister keine Entscheidung
darüber treffen konnte, ob wissenschaftliche Unredlichkeit vorliegt oder nicht.
III. Überprüfung durch den Ombudsman des Parlaments (Folketingets Ombudsman)
Der jedermann in Dänemark gegenüber Handlungen der öffentlichen Verwaltung er-
öffnete außerordentliche Rechtsbehelf zu dem in § 55 des dänischen Grundgesetzes
(Danmarks Riges Grundlov)498 verankerten parlamentarischen Ombudsman (Folketingets Ombudsmand) kann auch im Hinblick auf das Verfahren und die Entscheidungen der DCSD beschritten werden.499 Status und Kompetenzen des parlamentarischen Ombudsman sowie das Verfahren werden durch das Ombudsmangesetz (Ombudsmandsloven)500 näher ausgestaltet. Ein Verfahren vor dem Ombudsman kann
sowohl gegen konkrete Entscheidungen als auch gegen generelle Vorschriften oder
tatsächliche Verwaltungstätigkeit gemäß § 13 Abs. 1 des Ombudsmangesetzes auf
Antrag eines jeden Bürgers (actio popularis)501 oder auf Initiative des Ombudsmans
eingeleitet werden. Die Erfüllung der nach § 14 des Ombudsmangesetzes erforderliche Voraussetzung der vorherigen Ausschöpfung der administrativen Rechtsbehelfe
entfällt für ein Vorgehen gegen das Handeln der DCSD seit der „administrativ rekurs“ zu dem dänischen Forschungsminister gesetzlich ausgeschlossen wurde.502 Die
Ombudsmanbeschwerde gegen die Entscheidung der DCSD im Fall Lomborg wurde
hingegen zunächst zurückgewiesen, weil die neue Rechtslage noch nicht in Kraft
498 „Ved lov bestemmes, at Folketinget vælger en eller to personer, der ikke er medlemmer af
Folketinget, til at have indseende med statens civile og militære forvaltning.“
Der Verfassungstext ist in deutscher Fassung abgedruckt bei: Kimmel, die Verfassungen der
EG-Mitgliedsstaaten, S. 38 ff.
499 Die Institution des parlamentarischen Ombudsmans dient dem Schutz der Bürger gegenüber
der Verwaltung und kann in dieser Funktion als Ergänzung zu der richterlichen Kontrolle der
Verwaltung verstanden werden. Gleichzeitig überwacht der Ombudsman die Verwaltung im
Namen des Parlaments und ist damit Instrument der parlamentarischen Kontrolle über die
Verwaltung, Die Zuständigkeit des Ombudsmans erstreckt sich nicht auf Gerichtsentscheidungen oder Entscheidungen bestimmter gesetzlich ausgenommener gerichtsähnlicher
Organe, wie besonderer Schiedsstellen (vgl. § 7 Abs. 2 und 3 des Ombudsmangesetzes).
Teilweise hat der Ombudsman darüber hinaus seine Zuständigkeit im Hinblick darauf verneint, dass dem Organ, dessen Entscheidung angefochten wurde, Richter angehören; vgl. zu
den Umständen im einzelnen Larsen, in: Gammaltoft-Hansen (Hrsg.), The Danish Ombudsman, S. 39 (41 ff., 44); Albæk Jensen/Hansen Jensen, Grundlæggende Forvaltningsret,
S. 220 ff. Die Beteiligung von Richtern ist jedoch kein grundsätzlicher Ausschlussgrund für
die Behandlung einer Beschwerde durch den Ombudsman. So hat sich dieser nicht gegen eine
Behandlung von Beschwerden über die Entscheidungen der DCSD ausgesprochen.
500 Lov nr. 473 af 12. juni 1996 om Folketingets Ombudsmand.
501 Der Betreffende muss also nicht Beteiliger des Verfahrens vor den DCSD sein.
502 Vgl. oben 3. Teil, H. I., S. 262 ff.
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getreten und der noch zulässige Rechtsweg zu dem Forschungsminister noch nicht
erschöpft war. 503
Das Ombudsmanverfahren ist eher formlos ausgestaltet und überdies kostenlos.504
Es gilt der Untersuchungsgrundsatz (officialprincippet). Dem Ombudsman ist eine
Reihe von Untersuchungsbefugnissen an die Hand gegeben. Die Verwaltungseinrichtung, deren Handeln der Ombudsmankontrolle unterliegt, ist verpflichtet, dem
Ombudsman Auskunft zu erteilen und ihm sämtliche verfahrensrelevanten Dokumente auszuhändigen, vgl. § 19 Abs. 1 Ombudsmangesetz.505 Die Überprüfung der
Verwaltungstätigkeit durch den Ombudsman beinhaltet zum einen die Kontrolle der
Rechtmäßigkeit des Handelns, wobei Prüfungsmaßstab das geltende Recht ist. Zum
anderen prüft der Ombudsman, ob das Handeln im Einklang mit guter Verwaltungssitte (god forvaltningsskik) steht.506 Bei Ermessensentscheidungen unterliegen nur
die Grenzen des Ermessens der Nachprüfung. Der Ombudsman hat verschiedene
Möglichkeiten ein Verfahren abzuschließen. Er kann entweder ausschließlich seine
Rechtsauffassung vorbringen. Diese kann aber auch von einer an die betreffende
Verwaltungseinrichtung gerichteten Empfehlung zur Änderung oder Aufhebung der
getroffenen Entscheidung begleitet werden. Zusätzlich ist ein Vorbringen ausdrücklicher Kritik möglich.507 Obwohl der Ombudsman keine bindende Entscheidung
treffen kann, wird seinem Urteil große Bedeutung beigemessen und seine Empfehlungen in der überwiegenden Anzahl der Fälle auch umgesetzt.508
IV. Gerichtliche Überprüfung
Die unverbindlichen Entscheidungen der DCSD können ebenso wie Verwaltungsakte mit verbindlichem Regelungsgehalt (forvaltningsakter/afgørelser)509 auch gerichtlich angefochten werden, obwohl in Dänemark eine Verwaltungsgerichtsbarkeit
503 Es handelte sich um den Antrag von Dr. Jur. Peter Pagh, Professor der Universität Kopenhagen, der Lomborg auch im späteren administrativ Rekurs vor dem Ministerium für Wissenschaft, Technologie und Entwicklung vertrat und im Anschluss an die Entscheidung des Ministeriums erneut Ombudsmanbeschwerde einlegte.
504 Holm, in: Gammeltoft-Hansen (Hrsg.), The Danish Ombudsman, S. 13 (18).
505 Nach § 19 Abs. 2 des Ombudsmangesetzes kann der Ombudsman der Verwaltungsbehörde
eine schriftliche Äußerung abverlangen und Stellungnahmen zu bestimmten rechtlichen Fragen erbeten. § 19 Abs. 3 berechtigt ihn zur Vorladung und Vernehmung von Personen. Er hat
Zugang zu den Dienststellen, § 19 Abs. 4 Ombudsmangesetz.
506 Was Inhalt guter Verwaltungssitte ist, lässt sich schwer abschließend umschreiben, beispielhaft sei die Inanspruchnahme einer angemessenen Verfahrensdauer bzw. ein insgesamt rücksichtsvolles Handeln erwähnt.
507 Der Ombudsman kann eine Verwaltungsentscheidung hingegen nicht selbst aufheben oder
berichtigen, vgl. Christensen, Forvaltningsret. Prøvelse, S. 284.
508 Entspricht die Verwaltung nicht der Empfehlung des Ombudsmans kann die beschwerdeführende Person unter Umständen von den Gerichtskosten befreit werden, die bei einer gerichtlichen Überprüfung des Sachverhalts anfallen, vgl. § 23 Ombusmangesetz.
509 Zu der Unterscheidung siehe oben 3. Teil, F. V. 3. c), S. 258 ff.
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References
Zusammenfassung
Wissenschaftliches Fehlverhalten ist kein neuartiges, aber ein in Deutschland lange unbeachtetes Phänomen. Die Autorin vergleicht verschiedene nationale Standards und Verfahrensmodelle des Umgangs mit wissenschaftlichem Fehlverhalten und erkennt Tendenzen einer allgegenwärtigen zunehmenden Verkomplizierung und zugleich Internationalisierung von Regulierungssystemen in diesem Bereich.