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richtung zum Grad der wissenschaftlichen Unredlichkeit äußern (Nr. 5). Die Vorschriften enthalten eine Fortführung des § 6 VO-DCSD a.F., mit dessen Wortlaut sie
weitgehend übereinstimmen. § 6 Nr. 5 VO-DCSD sah allerdings abweichend von
§ 31 Abs. 2 Nr. 5 RiFG und § 15 Abs. 1 VO-DCSD vor, dass sich der Arbeitgeber
des betroffenen Wissenschaftlers bei den DCSD hinsichtlich der Auswahl von Sanktionen Rat einholen kann. Der Grund für die Nichtberücksichtigung dieser Option
im Gesetzeswortlaut ist vermutlich in dem Wunsch nach einer vollständigen Entkopplung von Untersuchungsverfahren und harter Sanktionierung zu suchen. Der
neue Gesetzeswortlaut wurde vornehmlich im Hinblick auf die Unterscheidung von
„Graden“ wissenschaftlicher Unredlichkeit als zu unpräzise und nicht umsetzbar
charakterisiert.481 Die Neufassung der VO-DCSD ergänzt die formalgesetzliche
Regelung nunmehr um die generelle Verpflichtung der Komitees zur Anfertigung
einer kritischen Stellungnahme bei Vorliegen wissenschaftlicher Unredlichkeit einschließlich einer Bewertung der Bedeutung der Unredlichkeit für die wissenschaftliche Aussage des betroffenen wissenschaftlichen Produktes, § 15 Abs. 2 VO-
DCSD.482
Da die aufgeführten Maßnahmen die Kritik der DCSD an der Praxis des betroffenen Forschers formulieren und zu dessen Nachteil gegenüber Nichtverfahrensbeteiligten zum Ausdruck bringen, kann man diese als eine erste „weiche“ Form der
Sanktionierung verstehen.
II. Nachfolgende „harte“ Sanktionsmaßnahmen anderer Einrichtungen
Die Ergreifung „harter“ Sanktionsmaßnahmen obliegt denjenigen Stellen, die durch
die DCSD von dem Vorliegen eines Unredlichkeitsfalles erfahren, also insbesondere
dem Arbeitgeber des betroffenen Wissenschaftlers. Die Auswahl und Verhängung
dieser Sanktionen richtet sich nach der allgemeinen Rechtsordnung, die für den
Arbeitgeber insbesondere arbeitsrechtliche Sanktionen, wie beispielsweise die Kündigung des Wissenschaftlers bereithält. Auf Beamte findet das Disziplinarrecht Anwendung. Einschlägig kann darüber hinaus auch das Urheberrecht oder das zivile
Vertragsrecht sein.483 Die einschlägigen Rechtsgrundlagen richten sich im Einzelfall
nach den angestrebten Rechtsfolgen und der Rechtsnatur der zwischen den Beteiligten bestehenden Beziehungen. Eine systematische Darstellung würde die umfassende Auseinandersetzung mit der Ausgestaltung der genannten Rechtsgebiete in Dänemark erfordern und damit den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Die jeweiligen
481 Danish Research Agency, Report on the rules governing research ethics, S. 17.
482 Fälle von geringer Bedeutung für die wissenschaftliche Bedeutung eines Produktes können
die Komitees zurückstellen, vgl. § 15 Abs. 3 VO-DCSD (Bekendtgørelse nr. 668 af 28. juni
2005, § 15 Stk. 3).
483 Einen Überblick über die rechtlichen Reaktionsmöglichkeiten gibt Brydesholt, in: The Danish
Research Councils, The Danish Committee on Scientific Dishonesty, Annual Report 1995,
S. 5 ff.
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gesetzlich vorgesehene Entscheidungsverfahren müssen durchgeführt werden. An
das Untersuchungsergebnis der DCSD kann angeknüpft werden, ohne dass dies eine
Art rechtlicher Bindungswirkung im Hinblick auf die Entscheidungen über harte
Sanktionen entfalten könnte.
H. Rechtsbehelfe gegen die Entscheidungen der DCSD
I. Wiederaufnahme des Verfahrens
Der neugefasste § 14 VO-DCSD berechtigt die DCSD nunmehr, bereits abgeschlossene Fälle auf Antrag eines Beteiligten neu aufzugreifen, sofern neue Informationen
verfügbar sind, die voraussichtlich zu einem abweichenden Verfahrensergebnis
geführt hätten, wenn Sie zum Zeitpunkt der erstmaligen Begutachtung des Falles
bereits bekannt gewesen wären.
II. Verwaltungsbehördliche Überprüfung durch den Minister für Wissenschaft,
Technologie und Entwicklung (administrativ Rekurs) nach alter Rechtslage
Durch Einführung des § 34 RiFG484, der bestimmt, dass die Entscheidungen der
DCSD nicht bei einer anderen Verwaltungsbehörde angefochten werden können485,
ist die Zulässigkeit eines administrativen Rechtsbehelfsverfahrens gegen Entscheidungen der DCSD zum 1. Januar 2004 entfallen. Zuvor bestand die nicht unumstrittene Möglichkeit, eine Entscheidung der DCSD durch Anrufung des Ministers für
Wissenschaft, Technologie und Entwicklung überprüfen zu lassen.
Obwohl die auf einen Gesetzesentwurf des Ministeriums für Wissenschaft, Technologie und Entwicklung zurückgehende Neuregelung angesichts der Verschärfung
der politischen Dimension des Lomborg-Falles durch die dortige Ministervorlage486
als vorteilhaft für die Unabhängigkeit der Komiteeentscheidungen gelten mag, stellt
sie andererseits eine Beschneidung des Rechtsweges dar, die mit einer aus deutschem Blickwinkel ungewöhnlichen Begründung gerechtfertigt wird. Da der gemeinsame Vorsitzende der Komitees ein Richter am Landgericht sein muss und die
rechtlichen Verfahrensfragen durch den Vorsitzenden entschieden werden, soll ein
rechtmäßiges Verfahren hinreichend gesichert sein.487 Einer Überprüfungsinstanz
bedürfe es daher nicht. Ein wesentlicher Argumentationspunkt ist in diesem Zu-
484 Lov om forskningsrådgiving m.v. nr. 405 af 28 may 2003.
485 § 34 RiFG (Lov om forskningsrådgivning m.v. nr. 405 af 28 maj 2003, § 34): „Udvalgene vedrørende Videnskabelig Uredeligheds afgørelser kan ikke indbringes for anden administrativ
myndighed.”
486 Vgl. oben 3. Teil, C. IV. 1., S. 188 ff.
487 Vgl. die Anmerkungen zum Gesetzesentwurf, abgedruckt in Danish Research Agency, Report
on the rules governing research ethics, S. 29.
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sammenhang auch die Unabhängigkeit der Gerichte gegenüber der Regierung. Es
soll daher nicht die Möglichkeit bestehen, dass ein Mitglied der Regierung das Urteil eines Richters begutachtet.488 Zweifel an der Schlüssigkeit dieser Argumentation
bestehen insofern, als es sich bei der Komiteeentscheidung gerade nicht um eine
gerichtliche Entscheidung handelt. Der Vorsitzende wird zwar gerade wegen seiner
richterlichen Funktion ernannt, um eine hinreichende rechtliche Expertise zu sichern. Er entscheidet jedoch nicht in seiner richterlichen Funktion. Einleuchtender
sprechen die Struktur und die unabhängige Stellung der Komitees für eine Abschaffung des verwaltungsinternen Rechtsbehelfsverfahrens mit Devolutiveffekt (administrativ rekurs). Denn auch die Entscheidungen von anderen staatlichen, pluralistisch besetzten Kollegialorganen, wie Räten oder Ausschüssen, können nach den
ungeschriebenen allgemeinen Regeln nur im Wege des Verwaltungsverfahrens angefochten werden, wenn dies ausdrücklich gesetzlich bestimmt ist489; wohingegen
die Entscheidungen der staatlichen Verwaltungsbehörden dem administrativ rekurs
der übergeordneten Verwaltungseinheit unterliegen, ohne dass es einer ausdrücklichen Regelung bedarf490.
Zur Beurteilung der Abschaffung des verwaltungsinternen Rechtsbehelfsverfahrens ist eine Betrachtung der früheren Rechtslage interessant, um die sich der Streit
um die Zulässigkeit der Überprüfung von Entscheidungen der DCSD durch den
Minister für Wissenschaft, Technologie und Entwicklung rankte. Der rechtliche
Hintergrund soll auch in Anbetracht der erst kürzlich ergangenen Entscheidung des
Ministeriums im Fall Lomborg nicht unerwähnt bleiben. Die Zweideutigkeit der
alten Rechtslage resultierte daraus, dass § 4 m RiFG (a.F.)491 den Forschungsminister ermächtigte, per Rechtsverordnung eine Anfechtungsmöglichkeit im Hinblick
auf rechtliche Fragen im Zusammenhang mit Entscheidungen der Staatlichen Forschungsräte, des Forschungsforums oder der von diesen Institutionen eingesetzten
Komitees bei dem Forschungsminister einzurichten492, die VO-DCSD jedoch einer
488 Vgl. die Anmerkungen zum Gesetzesentwurf, abgedruckt in Danish Research Agency, Report
on the rules governing research ethics, S. 29.
489 Andersen, Forvaltningsret, S. 189; Christensen, Nævn og Råd, S. 64 ff., 379 ff.
490 Allgemein zum verwaltungsinternen Rechtsbehelfsverfahren mit (administrativ rekurs):
Andersen, Forvaltningsret, S. 187 ff.; Christensen, Forvaltningsret Prøvelse, S. 231 ff.; Loiborg in: Gammeltoft-Hansen/Andersen/Engberg/Larsen/Loiborg/Olsen, Forvaltningsret 2002,
S. 631 ff.
491 Siehe Bekendtgørelse nr. 676 af 19 august 1997 af lov om forskningsrådgiving m.v.: „§ 4 m.
Efter regler fastsat af forskningsministeren kan klager over retlige spørgsmål i forbindelse
med afgørelser truffet af de statslige forskningsråd, forskningsforum eller udvalg nedsat heraf
indbringes for ministeren.”
492 Diese dem Ministerium fakultativ überlassene Möglichkeit der Eröffnung einer Rechtsbehelfsmöglichkeit gegen Entscheidungen der genannten Institutionen wurde unter anderem
deshalb gesetzlich verankert, weil das allgemeine Verwaltungsrecht nach überwiegender Auffassung kein Rechtsbehelfe im Verwaltungsverfahren gegen Entscheidungen von Ausschüssen oder Räten bereitstellt, in der Praxis aber dennoch eine Überprüfung von Entscheidungen
jedenfalls der Forschungsräte durch das Ministerium stattfand; vgl. die Stellungnahme des
parlamentarischen Ombudsmans vom 5. April 2001 (Folketingets Ombudsmands udtalelse af
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References
Zusammenfassung
Wissenschaftliches Fehlverhalten ist kein neuartiges, aber ein in Deutschland lange unbeachtetes Phänomen. Die Autorin vergleicht verschiedene nationale Standards und Verfahrensmodelle des Umgangs mit wissenschaftlichem Fehlverhalten und erkennt Tendenzen einer allgegenwärtigen zunehmenden Verkomplizierung und zugleich Internationalisierung von Regulierungssystemen in diesem Bereich.