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F. Die Ausgestaltung des Untersuchungsverfahrens vor den DCSD
I. Ausgestaltung durch das dänische Verwaltungsverfahrensgesetz
(Forvaltningslov) sowie die speziellen Rechtsquellen des dänischen
Verfahrensmodells
Die Ausgestaltung des Untersuchungsverfahrens vor den DCSD richtet sich nicht
allein nach den Verfahrensnormen derjenigen Regelwerke, die als normative Grundlagen des dänischen Verfahrensmodells bereits vorgestellt worden sind. Das Verfahren folgt auch den Anforderungen des dänischen „Forvaltningslov“, welches durch
die Bezugnahme in § 4 Abs. 1 VO-DCSD mittelbar für anwendbar erklärt wird.331
Das „Forvaltningslov“ beinhaltet die wesentlichen formellen Anforderungen an
Verwaltungsverfahren vor dänischen Verwaltungseinheiten, an deren Ende eine
Entscheidung mit Regelungscharakter steht. Es beinhaltet unter anderem Rechte auf
Anhörung332, auf rechtliche Vertretung333 und auf Akteneinsicht334, Anforderungen
an die Begründung einer Verwaltungsentscheidung335 und die Rechtsmittelbelehrung336 sowie Schweigepflichten337. Es handelt sich also entgegen dem Anschein der
wörtlichen Übersetzung „Verwaltungsgesetz“ um das dänische Verwaltungsverfahrensgesetz (dän. VwVfG) und wird im Folgenden auch als solches bezeichnet.
Der Bezugnahme durch § 4 Abs. 1 VO-DCSD bedarf es, weil das Verfahren vor
den DCSD aus dem eigentlichen Anwendungsbereich des dän. VwVfG herausfällt.
Gemäß § 1 Abs. 1 dän. VwVfG gilt dieses zwar für alle Teile der öffentlichen Verwaltung, d.h. nicht nur für die allgemeinen staatlichen und kommunalen Verwaltungsbehörden, sondern auch für besondere Verwaltungseinheiten, Ausschüsse und
Räte, unter die auch die DCSD zu subsumieren sind. Das Gesetz findet jedoch nicht
auf alle, von der öffentlichen Verwaltung ausgeübten Handlungsformen Anwendung. § 2 Abs. 1 dän. VwVfG bestimmt, dass dieses nur auf Verfahren Anwendung
findet, in denen eine Entscheidung mit Regelungswirkung (afgørelse) getroffen
wird, dabei kann es sich sowohl um den Erlass einer konkreten Verwaltungsentscheidung als auch um den Erlass einer generellen Vorschrift drehen. Da die Ent-
331 Durch § 12 Abs. 1 VO-DCSD a.F. wurde das dänische Verwaltungsverfahrensgesetz ausdrücklich für anwendbar erklärt. Eine entsprechende Vorschrift fehlt in der Neufassung der
Verfahrensordnung. Damit bleibt unklar, ob es bei einer entsprechenden Anwendbarkeit auch
unter der Neufassung verbleiben soll. Aufgrund der Bezugnahme in § 4 Abs. 1 VO-DCSD
spricht einiges dafür. Auch die Beschreibung der wichtigsten Änderungen der Neufassung
durch Waaben, in: Danish Agency for Science Technology and Innovation (Hrsg.), Annual
Report 2005, The Danish Committees on Scientific Dishonesty, S. 16 ff. enthält keinen Hinweis darauf, dass die Anwendung des dänischen VwVfG nicht fortgesetzt werden soll.
332 §§ 19-21 dän. VwVfG (Forvaltningslov).
333 § 8 dän. VwVfG (Forvaltningslov).
334 §§ 9-18 dän. VwVfG (Forvaltningslov).
335 §§ 22-24 dän. VwVfG (Forvaltningslov).
336 §§ 25, 26 dän. VwVfG (Forvaltningslov).
337 §§ 27 ff. VwVfG (Forvaltningslov).
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scheidungen der DCSD aber keinen verbindlichen Regelungscharakter aufweisen338,
bedurfte es der Erklärung der Anwendbarkeit in den normativen Grundlagen der
DCSD.
Die Geltung der allgemeinen Verfahrensvorschriften des dän. VwVfG wird weitgehend durch die umfassenderen und spezieller formulierten Regeln der VO-DCSD
überlagert, so dass die weitere Darstellung des Verfahrens vor den DCSD im Wesentlichen auf die speziellen Vorschriften rekurriert. Ebenso wie die VO-DCSD
nach seiner Neufassung formuliert das dänische VwVfG seine Verfahrensrechte aber
i.d.R. nur für die „Beteiligten“ (parter) eines Verwaltungsverfahrens.339 Dies gilt
insbesondere für das Recht zur förmlichen Einleitung eines Verfahren, oder aber für
das Akteneinsichtsrecht oder das Recht, sich im Verfahren vertreten zu lassen. Die
speziellen Verfahrensregeln in der VO-DCSD und der Geschäftsordnung der DCSD
arbeiten nicht zwingend mit dem verwaltungsrechtlichen Beteiligtenbegriff und
dehnen die oben angesprochenen Verfahrensrechte daher in der Regel auf alle Anzeigenden aus.
II. Allgemeine Verfahrensgrundsätze
Im folgenden Abschnitt sollen einzelne Charakteristika des Untersuchungsverfahrens vor den DCSD hervorgehoben werden, die die Verfahrensausgestaltung so
maßgeblich mit beeinflussen, dass sie als allgemeine Verfahrensgrundsätze aufgefasst werden müssen.
1. Kontradiktionsprinzip (Kontradiktionsprincippet) unter freiem Zugang der
Beteiligten zu allen verfahrensrelevanten Informationen
Die DCSD führen ihre Untersuchungsverfahren unter Einhaltung des Kontradiktionsprinzips (kontradiktionsprincippet) durch. Laut § 4 Abs. 2 GO-DCSD wird das
streitige Verfahren unter mindestens zweifacher wechselseitiger Anhörung der Beteiligten340 durchgeführt.341 Dies beinhaltet, dass zunächst der Betroffene von den
338 Vgl. unten 3. Teil, F. V. 3. c), S. 258 ff.
339 Siehe dazu untern 3. Teil, F. III. 4. a) aa), S. 247 f.
340 Der Begriff „Beteiligte“ wird hier im untechnischen Sinne gebraucht, d.h. er bezieht sich
nicht auf den Beteiligtenstatus im Sinne des dänischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (Forvaltningslov). Gemeint sind schlicht diejenigen Personen, die einen Verdacht wissenschaftlicher Unredlichkeit vor die DCSD bringen, sowie diejenigen, die von dem Verdacht betroffen
sind.
341 § 4 Abs. 2 der Geschäftsordnung der DCSD (Forretningsorden for UVVU) lautet: „Paternes
oplysninger indgår i udvalgets undersøgelse og bahandling af sagen. Der foretages partshøring ved fremlæggelse af modpartens oplysninger og kmmentarer. Høringsproceduren består som udgangspunkt i to skriftlige høringer mellem den indklagede og klageren, dog fastsættes det nærmere og høringsfasen af udvalget efter en konkret vurdering.“
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References
Zusammenfassung
Wissenschaftliches Fehlverhalten ist kein neuartiges, aber ein in Deutschland lange unbeachtetes Phänomen. Die Autorin vergleicht verschiedene nationale Standards und Verfahrensmodelle des Umgangs mit wissenschaftlichem Fehlverhalten und erkennt Tendenzen einer allgegenwärtigen zunehmenden Verkomplizierung und zugleich Internationalisierung von Regulierungssystemen in diesem Bereich.