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III. Verfahrensrechte der Beteiligten
Die verfahrensführende Einrichtung muss alle vernünftigen und praktikablen Anstrengungen unternehmen, die sich als geeignet erweisen, um die Reputation des
Wissenschaftlers, gegen den sich der Verdacht richtet, während des Verfahrens zu
schützen sowie dann, wenn sich wissenschaftlichen Fehlverhaltens nicht bestätigt
hat, zu sanieren.508 Den Schutz der Arbeitsstelle und des Ansehens sonstiger beteiligter Personen gilt es in gleicher Weise – unabhängig von dem Ausgang des Verfahrens – zu gewährleisten. Die Einrichtungen müssen Benachteiligungen von Beschwerdeführern, Zeugen und Komiteemitgliedern entgegentreten.
1. Schutz von Whistleblowern
In den USA existieren neben dem verfassungsrechtlichen Schutz der freien Meinungsäußerung zahlreiche Schutzgesetze für Whistleblower in ganz und gar unterschiedlichen Rechtsbereichen. Entsprechende Regelungen befinden sich in den jeweiligen Fachgesetzen auf bundes- und einzelstaatlicher Ebene.509 Diese umfassen
jedoch jeweils nur diejenige Gruppe von Personen beziehungsweise Arbeitnehmern,
die unter den Geltungsbereich des jeweiligen Gesetzes fallen.510 In der Regel enthalten diese Whistleblowerschutzregeln Abhilferechtsmittel und Ansprüche, etwa auf
Entschädigung für verlorenes Gehalt oder auf Wiedereinstellung nach Verlust des
Arbeitsplatzes.511 Sie setzten voraus, dass die Vorwürfe in gutem Glauben an ihre
Richtigkeit erhoben wurden.512 Whistleblower, die bei der Bundesregierung beschäftigt sind, können Entschädigungen nach dem Civil Service Reform Act (CSRA) in
der Fassung, dieser durch den Whistleblower Protection Act von 1989513 erhalten
hat, verlangen. Dieser verbietet es, als Reaktion auf die Enthüllung von Gesetzesverstößen oder anderen Missständen, wie etwa die Verschwendung von Steuergeldern,
personelle Maßnahmen gegen die verantwortliche Person zu ergreifen, und instal-
508 Das Department of Health and Human Services (DHHS), Public Health Policies on Research
Misconduct, 70 Fed. Reg. 28370 (28389), verlangt gemäß § 93.304 (k), dass die Forschungseinrichtungen entsprechende Regelungen in ihre Verfahrensordnungen aufnehmen.
509 Einen Überblick zum State and Federal Whistleblower Law bieten: Barnett, Labour Law
Journal Vol. 43 (1992), S. 440 ff.; Boyle, Labour Law Journal Vol. 41 (1990), S. 821 ff.; Callahan/Dworkin, American Business Law Journal Vol. 38 (2000), S. 99 ff.
510 Poon, The Journal of Law, Medicine & Ethics Vol. 23 (1995), S. 88 (89).
511 Viele Regelwerke sehen auch die Erstattung von Gerichts- und Rechtsanwaltskosten sowie
weitere compensatory damages vor. Andere beinhalten sogar exemplary damages mit Strafzweck, Poon, The Journal of Law, Medicine & Ethics Vol. 23 (1995), S. 88 (89); siehe auch
Vaughn, Administrative Law Review, Vol. 51 (1999), S. 581 (611 ff.).
512 Gunsalus, Science and Enginering Ethics (1998), Vol. 4, S. 51 (53 f.); Poon, The Journal of
Law, Medicine & Ethics Vol. 23 (1995), S. 88 (90).
513 Pub. L. No. 101-12, 103 Stat. 16 (1989) (codified at 5 U.S.C. §§ 1201-1222 (1994 & Supp.
III 1997). Siehe im Detail Devine, Administrative Law Review Vol. 51 (1999), S. 531 ff.
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liert einen erleichterten Beweisstandard für Whistleblower.514 Er findet aber nur auf
staatliche Angestellte Anwendung und kann daher auch Whistleblower über wissenschaftliches Fehlverhalten nicht umfassend schützen.515 Einen Schutzmechanismus
für private Arbeitnehmer bietet die public policy exeption der US-amerikanischen
employment-at-will-doctrine.516 Die geschützte public policy kann ihren Ursprung
im Gesetzesrecht, in Verordnungen, administrativen Einzelentscheidungen, gerichtlichen Entscheidungen oder aber berufsbezogenen (Ethik-)kodizes haben.517 Im
Falle der Enthüllung von wissenschaftlichem Fehlverhalten kann der benachteiligte
Whistleblower sich auf wissenschaftliche Verhaltensstandards berufen und die Forschungseinrichtung aus Vertragsverletzung (breach of express or implied contract)
oder unerlaubter Handlung (tort) auf Schadensersatz in Anspruch nehmen.518
Für den speziellen Bereich der Wissenschaft, wo die Offenbarung beobachteten
Fehlverhaltens nicht selten gravierende Folgen für die betreffende Person nach sich
zieht, hat in den USA bereits Mitte der 90er Jahre eine umfangreiche Diskussion
über die Rolle und den ausreichenden Schutz von Whistleblowers stattgefunden.519
Eine durch das ORI in Auftrag gegebene empirische Umfragestudie bestätigte, dass
die Mehrzahl der Informanten in wissenschaftlichen Fehlverhaltensfällen negative
Konsequenzen erleiden.520 Eine konkrete regierungsweite Regelung des Whistleblowerschutzes in Fällen wissenschaftlichen Fehlverhaltens ist daraus nicht gefolgt.
514 Gergick v. General Services Administration, 43 M.S.P.R. 651, 659, 663 (1990); Poon, The
Journal of Law, Medicine & Ethics Vol. 23 (1995), S. 88 (92).
515 Whistleblowerschutzgesetze der Einzelstaaten erstrecken ihren Schutz zum Teil auch auf
privatrechtlich angestellte Arbeitnehmer, Poon, The Journal of Law, Medicine & Ethics
Vol. 23 (1995), S. 88 (90).
516 Grundsätzlich ermöglicht die employment-at-will-doctrine die Kündigung eines Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer Frist und ohne die Existenz oder Angabe von Kündigungsgründen. Die public policy exception nimmt davon Handlungen aus, welche gegen diejenigen öffentlichen Grundsätze verstoßen, durch die die Vertrags- und Verfügungsfreiheit einer Person
zum Besten der Allgemeinheit rechtlich eingeschränkt wird, vgl. Petermann v. Teamsters Local 396, 174 Cal. App. 2d 184, 344 P.2d 25 (1959).
517 Pierce v. Ortho Pharmaceutical Corp., 84 N.J. 58, 417 A.2d 505, 512 (1980); Palmateer v.
International Harvester Co. 85 Ill. 2d 124, 421 N.E.2d 876 (1981); Poon, The Journal of Law,
Medicine & Ethics Vol. 23 (1995), S. 88 (90).
518 Pierce v. Ortho Pharmaceutical Corp., 84 N.J. 58, 417 A.2d 512 (1980).
519 Price, Academic Medicine Vol. 73 (1998), S. 467 ff. vergleicht die Ergebnisse anonym erhobener Fehlverhaltensvorwürfe mit solchen, die in denen die Identität der Whistleblower
bekannt war; Gunsalus, Science and Engineering Ethics Vol. 4 (1998), S. 51 (55 ff.). liefert
mit ihren „Rules for Responsible Whistleblowing“ und „Step-by-Step Procedures for Responsible Whistleblowing“ eine Verfahrensanleitung für potentielle Whistleblower, die die
Gefahr der Selbstschädigung eindämmen wollen.
520 Von insgesamt 68 an der Umfrage teilnehmenden Whistleblowern wußten 47 mindestens eine
negative Konsequenz zu berichten. Dazu zählen neben den Verlust des Arbeitsplatzes und der
Verweigerung weiterer Karriereschritte, unter anderem der Verlust von Forschungsressourcen sowie Gegenvorwürfe, gerichtliche Verfahren, unter Druck setzen und Ausgrenzung
der Person des Whistleblowers; Research Triangel Institute, Consequences of Whistleblowing for the Whistleblower in Misconduct in Science Cases (1995); S. 14 ff. Zu dieser
Studie auch Lubalin/Matheson, Science and Engineering Ethics Vol. 5 (1999), S. 229 ff.
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Die Federal Policy behandelt diese Problematik in generalisierender Manier, indem
sie an ein faires Verfahren von agencies und Forschungseinrichtungen die Anforderung stellt, dass gutgläubig erhobene Fehlverhaltensvorwürfe (good faith allegations) einer sorgfältigen Prüfung unterzogen werden und Schutzmaßnahmen implementiert werden müssen, die den good faith Whistleblower vor Repressalien bewahren.521
Für den PHS erforderten die bislang auf Grundlage von Section 493 des Public
Health Service Act in der Fassung den dieser durch den NIH Revitalisation Act
erlangt hat, erlassenen regulations zum Umgang mit Vorwürfen wissenschaftlichen
Fehlverhaltens, dass die policies und procedures der Forschungseinrichtungen Vorschriften beinhalten, wonach die Einrichtungen besondere Anstrengungen unternehmen müssen, um die Arbeitsstellen und den Ruf derjenigen Personen zu schützen, die im guten Glauben (good faith) an das tatsächliche Geschehen einen Vorwurf wissenschaftlichen Fehlverhaltens erhoben haben.522 Bei akutem Bedarf nach
staatlichem Schutz der Whistleblowerinteressen sind die Institutionen zur Benachrichtigung des ORI aufgefordert.523 Damit wird ebenfalls nicht spezifisch angeordnet, welche Maßnahmen die Institutionen ergreifen müssen. Jedoch enthält das Ermächtigungsgesetz der PHS-Verordnung bereits Anforderungen, denen die Einrichtungen gerecht werden müssen, die lediglich in den bisherigen Verordnungen nicht
hinreichend zum Ausdruck kamen.524 Hierzu zählt die Einführung und Überwachung von Standards, die der Vorbeugung und der Reaktion auf Vergeltungsmaßnahmen gegen Whistleblower seitens der Forschungseinrichtung, deren Angestellter
oder gesetzlicher Vertreter dienen. Wobei als Whistleblower nicht nur diejenigen
Personen gelten, die einen Verdacht wissenschaftlichen Fehlverhaltens kommunizieren, sondern auch diejenigen Personen, die in gutem Glauben den Verdacht äußern,
dass die verantwortliche Institution einem Fehlverhaltensvorwurf nicht angemessen
nachgeht, oder die gutgläubig bei einer Fehlverhaltensuntersuchung mitwirken. Bei
Verletzung dieser Standards sollen dem benachteiligten Whistleblower Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen, die beispielsweise die Einstellung der Finanzierung eines
521 OSTP, Federal Policy on Research Misconduct, 65 Fed. Reg. 76260, 76263 (December 6,
2000), unter IV. Zwei Drittel aller institutsinternen policies und prodedures warnen vor bad
faith allegations, nur wenige aber haben teils vage Kriterien ausformuliert, woran sich beurteilen lässt, ob ein Vorwurf böswillig oder in gutem Glauben erhoben wurde. Diese Kriterien
zollen der Motivation mit der ein Whistleblower seine Vorwürfe erhebt, besondere Aufmerksamkeit, CHPS Consulting, Final Report, Analysis of Institutional Policies for Responding to
Allegation of Scientific Misconduct, S. 7-7.
522 Siehe Department of Health and Human Services (DHHS), Public Health Service Policies on
Research Misconduct, 70 Fed. Reg. 28370 (28393) (May 17, 2005), § 93.300(d), § 93.304 (k)
(1) sowie die Vorgängerregelungen unter 42 C.F.R. § 50.103 (d) (13), § 50.104 (b) (3).
523 Siehe Department of Health and Human Services (DHHS), Public Health Service Policies on
Research Misconduct, 70 Fed. Reg. 28370 (28393) (May 17, 2005), § 93.318 (e) sowie die
Vorgängerregelungen unter 42 C.F.R. § 50.105 (b) (3).
524 NIH Revitalization Act of 1993, Publ.L. 103-43, Title I, § 163 42 U.S.C. 289b (PHS Act
§ 493 (e)).
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Projekts oder gar die Verpflichtung zur Rückerstattung von Finanzierungsleistungen
nach sich ziehen.
Das ORI hat anstelle einer speziellen förmlichen whistleblower-regulation, die
diese Gesetzesvorgaben umsetzt, bisher lediglich ergänzende an die verfahrensverantwortlichen Forschungseinrichtungen gerichtete guidelines entwickelt.525 Die Einrichtungen sind nicht zur Einhaltung der guidelines verpflichtet. Ihnen steht es frei,
den Schutz von Position und Ansehen eines Whistleblowers durch Einführung anderer Maßnahmen sicherzustellen. Die guidelines beinhalten in erster Linie Soll- und
Kann-Bestimmungen für formalisierte institutsinterne Verfahren zum Umgang mit
Beschwerden benachteiligter Whistleblower. Diese Verfahren sollen mit einer Beschwerde an einen benannten Verantwortlichen der Forschungseinrichtung beginnen. Daraufhin wird das ORI informiert, damit es auch hier seiner Aufsichtsfunktion
nachkommen kann. Für das Verfahren stehen dem Verantwortlichen zwei Optionen
zur Verfügung.526 Es wird entweder eine institutional investigation durchgeführt, um
festzustellen, ob der Whistleblower tatsächlich Benachteiligungen hat hinnehmen
müssen. Ist dies der Fall, entscheidet der institutsinterne Verantwortliche über die
notwendigen Mittel, Ruf und Position des Whistleblowers wiederherzustellen. Des
Weiteren steht die Möglichkeit eines Schiedsverfahrens zur Verfügung, auf dessen
Durchführung sich die Einrichtung und der Whistleblower unter Benennung einer
unabhängigen Schiedsstelle schriftlich einigen können. Der Schiedsspruch soll endgültige und bindende Wirkung haben und soll ebenfalls die gebotenen Ausgleichsmaßnahmen der Institution gegenüber dem Whistleblower anordnen. Unabhängig
davon, welches der beiden Verfahren gewählt wird, soll als ergänzende Option zu
jedem beliebigen Zeitpunkt ein Vergleich abgeschlossen werden können.
In Vorbereitung ist überdies seit längerem der Erlass einer flankierenden Whistleblower-regulation, die auf eine detailliertere Umsetzung der gesetzlichen Ermächtigung des Public Health Service Act abzielt und die unverbindlichen guidelines des
ORI ersetzen wird.527 Die Verordnung wird den Forschungseinrichtungen die Sicherstellung von konkreten Mindestanforderungen für den Schutz von Whistleblowern, die in gutem Glauben Vorwürfe des Fehlverhaltens gegenüber der Institution
oder deren Mitarbeitern erhoben haben, abverlangen.
Gegenüber Zivilklagen wegen Beleidigung oder Verleumdung gereicht good faith
Whistleblowern ein haftungsausschließender Rechtfertigungsgrund zum Vorteil,
nämlich das Recht, eine an sich diffamierende Behauptung wissenschaftlichen Fehlverhaltens ohne spätere Inanspruchnahme aufstellen zu dürfen, solange der gute
525 ORI Guidelines for Institutions and Whistleblowers: Responding to Possible Retaliation
Against Whistleblowers in Extramural Research, November 20, 1995. Dies geschah in Umsetzung der Whistleblower Bills of Rights, vgl. U.S. Department of Health and Human Services, Public Health Service (Hrsg.), Report of the Commission on Research Integrity, Integrity and Misconduct in Research, S. 23.
526 Pascal, Science and Engineering Ethics, Vol. 5 (1999), S.183 (189).
527 DHHS, Notice of Proposed Rulemaking (NPRM): Public Health Service Standards for the
Protection of Research Misconduct Whistleblowers, 65 Fed. Reg. 70830 (28 November,
2000).
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Glaube an die Richtigkeit der Vorwürfe besteht (conditional privilege).528 Voraussetzung ist jedoch, dass die Aufdeckung eines Fehlverhaltensverdachts gegenüber
einer autorisierten Einrichtung oder Person erfolgt, die zum Handeln in Fehlverhaltensfällen ermächtigt ist.529 Dies können bei PHS geförderter Forschung entweder
die Verfahrensverantwortlichen der betroffenen Forschungseinrichtung oder das
ORI selbst sein. Eine Veröffentlichung des Verdachts gegenüber der Presse würde
dagegen kein conditional priviledge auslösen.530
Neben der bereits erwähnten Möglichkeit der anonymen Bekanntgabe eines Fehlverhaltensverdachts hat das ORI in der Vergangenheit auch dem Wunsch des Whistleblowers nach Geheimhaltung seiner Identität gegenüber anderen Verfahrensverantwortlichen und -beteiligten Folge geleistet. Der Informant wird in diesen Fällen
umfassend darüber aufgeklärt, dass der Ausgang eines Verfahrens entscheidend von
ihrer Bereitschaft abhängt, an der Aufklärung im Rahmen von inquiry und investigation mitzuwirken und in der adjudication Phase gegebenenfalls als Zeuge auszusagen.531 Nach Maßgabe des ORI soll die Rolle des Whistleblowers trotz seiner widersprüchlichen Bezeichnung als complainant532, was seine Parteistellung nahe legt, im
Rahmen eines Fehlverhaltensverfahrens auf die eines Zeugen beschränkt sein. Um
die Objektivität des Verfahrens nicht zu gefährden, soll er weder als Partei die Aufklärung des Sachverhalts mitbetreiben noch auf andere Weise den Verfahrensablauf
in ähnlicher Form wie die Untersuchungs- und Entscheidungsverantwortlichen mitsteuern können.533
2. Verfahrensrechte und Schutz des Betroffenen
Die Verfahrensrechte des vom Fehlverhaltensverdacht Betroffenen sind von Verfahrensstufe zu Verfahrensstufe und von Einrichtung zu Einrichtung unterschiedlich
ausgestaltet und beinhalten während der inquiry und der investigation vornehmlich
Zugangs-, Mitteilungs-, Informations-, Anhörungs- und Stellungnahmerechte, in der
528 Siehe Office of Research Integrity, The Whistleblower’s Conditional Privilege To Report
Allegations of Scientific Misconduct, Position Paper December 1993, erhältlich unter http://
ori.dhhs.gov/misconduct/Whistleblower_Privilege.shtml (15.02.2007); Poon, The Journal of
Law, Medicine & Ethics Vol. 23 (1995), S. 88 (92 f.). Das Institut des conditional privilege
dient dem sozial motivierten Schutz der freien Rede zum Schutze öffentlicher oder privater
Interessen.
529 Office of Research Integrity, The Whistleblower’s Conditional Privilege To Report Allegations of Scientific Misconduct, Position Paper December 1993, S. 2 f., erhältlich unter
http://ori.dhhs.gov/misconduct/Whistleblower_Privilege.shtml (15.02.2007).
530 Poon, The Journal of Law, Medicine & Ethics Vol. 23 (1995), S. 88 (93.).
531 Price, Academic Medicine Vol. 73 (1998), S. 467 (472).
532 Department of Health and Human Services (DHHS), Public Health Policies on Research Misconduct, 70 Fed. Reg. 28370 (28387) (May 17, 2005), § 93.203.
533 Office of Research Integrity, The Complainant’s Role in an Inquiry, Investigation or Hearing, ORI Newsletter Vol. 8 No. 1 (December 1999), S. 8 f.; vgl. auch http://ori.dhhs.gov/
misconduct/Whistleblower_Policy.shtml (15.02.2007).
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adjudication-Phase auch die Gelegenheit zum Beweisantritt.534 Die Mindestanforderungen, die das DHHS in seiner regulation an PHS-geförderte Einrichtungen stellt,
sind aus dem nachfolgenden Abschnitt über den Ablauf der Untersuchungsverfahren
heraus erkennbar. Zum Teil formulieren die Einrichtungen in ihren policies und
procedures weitere Rechte für den spezifischen einrichtungsinternen Verfahrensablauf.535 Sofern keine besonderen Umstände gegen die Fortsetzung der Forschungsarbeit durch den Betroffenen sprechen, steht es im Ermessen der zuständigen Forschungseinrichtung, diesem durch Zugang zu den Forschungsdaten auch die Möglichkeit zur Weiterarbeit einzuräumen. Jedenfalls aber ist dem Betroffen unter
Beaufsichtigung zur Vorbereitung seiner Verteidigung Zugang zu den maßgeblichen
Daten zu gewähren. 536
Das ORI lässt die Hinzuziehung eines Rechtsbeistandes zu, verlangt diesen aber
nicht und stellt selbst keine Rechtsbeistände für den Betroffenen, den Beschwerdeführer oder sonstige Verfahrensbeteiligte zur Verfügung.537 Jede Einrichtung entscheidet selbst darüber, ob und wem der Verfahrensbeteiligten sie einen Rechtsbeistand an die Seite stellt. Einige Einrichtungen sehen routinemäßig einen Rechtsbeistand für alle oder einen Teil der Verfahrensbeteiligten vor, während andere grundsätzlich keinen Rechtsbeistand vorhalten und den Betroffenen gegebenenfalls auf
die Möglichkeit der Hinzuziehung Externer verweisen. Das ORI empfiehlt grundsätzlich die Beiziehung externer Rechtsbeistände, um potentiellen Interessenkonflikten zwischen den institutionellen und den individuellen Bedürfnissen entgegenzuwirken und die Einhaltung der PHS regulation sicherzustellen.538
Abgesehen von der Notwendigkeit, sich im Verlauf eines Fehlverhaltensverfahrens hinreichend verteidigen zu können, wird in den USA besonderer Wert darauf
gelegt, dass Personen, die zu Unrecht des wissenschaftlichen Fehlverhaltens verdächtigt worden sind, im Anschluss die notwendigen Rehabilitationsmaßnahmen zu
Teil werden.539 Insoweit bleibt es den Einrichtungen überlassen, spezifische Schritte
zur Wiederherstellung des wissenschaftlichen Rufes in ihren policies und procedures zu benennen. Eine Konkretisierung hat unter den PHS-geförderten Einrichtungen
534 Vgl. für die PHS geförderten Einrichtungen, Office of Research Integrity, Questions and
Answers – 42 CFR Part 93, S. 9 f., erhältlich unter http://ori.dhhs.gov/policies/QAreg.pdf
(30.08.2005); CHPS Consulting, Final Report, Analysis of Institutional Policies for Responding to Allegation of Scientific Misconduct, S. 5-2.
535 CHPS Consulting, Final Report, Analysis of Institutional Policies for Responding to Allegation of Scientific Misconduct, S. 5-2 ff.
536 Office of Research Integrity, Questions and Answers – 42 CFR Part 93, S. 10, erhältlich unter
http://ori.dhhs.gov/policies/QAreg.pdf (15.02.2007).
537 Vgl. Handling Misconduct, unter (10), http://ori.dhhs.gov/misconduct/inquiry_issues.shtml
(15.02.2007).
538 Vgl. Handling Misconduct, unter (10), http://ori.dhhs.gov/misconduct/inquiry_issues.shtml
(15.02.2007).
539 Department of Health and Human Services (DHHS), Public Health Policies on Research
Misconduct, 70 Fed. Reg. 28370 (28389), § 93.304 (k); siehe auch die zu diesem Thema
durchgeführte Studie des Research Triangel Institute, Survey of Accused but Exonerated Individuals in Research Misconduct Cases, 1996.
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nur etwa ein Drittel vorgenommen. Mögliche Schritte zur Unterstützung des Betroffenen sind demnach die eingehende individuelle Unterrichtung derjenigen Personen,
die von dem Fehlverhaltensverdacht Kenntnis erlangt haben, eine öffentliche Bekanntmachung oder die Entfernung von Hinweisen auf den Fehlverhaltensvorwurf
aus den Personalakten des Betroffenen.540
IV. Ablauf des Untersuchungsverfahrens
Die Aufklärung eines Verdachtsfalles wissenschaftlichen Fehlverhaltens erfolgt im
Regelfall in einer institutsinternen inquiry und einer ebensolchen investigation. Die
nachfolgend geschilderten Abläufe sind im Zuständigkeitsbereich des PHS durch die
PHS regulation in dieser Form vorbestimmt.
1. Institutsinterne Inquiry
Die inquiry beginnt im Regelfall in der Forschungseinrichtung des Betroffenen und
dient der Verfahrenseinleitung und Beweissicherung.
a) Vorabprüfung (preliminary assessment)
Wird gegenüber dem Research Integrity Officer einer Forschungseinrichtung ein
Verdacht wissenschaftlichen Fehlverhaltens geäußert, führt diese zunächst eine Vorabprüfung, ein so genanntes preliminary assessment, durch. Darin wird anhand von
drei Kriterien geprüft, ob die eigentliche Voruntersuchung (inquiry) eröffnet wird.
Maßgeblich ist zunächst, ob der erhobene Fehlverhaltensvorwurf geeignet ist, die
Voraussetzungen der Definition wissenschaftlichen Fehlverhaltens zu erfüllen. Um
nach Maßgabe der PHS-regulation behandelt zu werden, muss der Verdacht zudem
in den Anwendungsbereich der Norm fallen, also in Zusammenhang mit der PHS
Forschungsförderung stehen. Schließlich muss er sich durch hinreichende Glaubwürdigkeit und Konkretheit auszeichnen, damit sich potentielle Beweismittel identifizieren lassen.
Wird der Verdacht gegenüber dem ORI vorgebracht oder von Einheiten der NIH
an das ORI überliefert verweist die Behörde die Vorwürfe nach dem preliminary
assessment an diejenige Einrichtung, bei der der Forscher angestellt ist, damit dort
eine Untersuchung der Vorwürfe durchgeführt werden kann.541 Das ORI kann einen
540 CHPS Consulting, Final Report, Analysis of Institutional Policies for Responding to Allegation of Scientific Misconduct, S. 5-5 ff.
541 Für das ORI, dass den Fall wahlweise auch an die verantwortliche Behörde des DHHS zur
Untersuchung weiterleiten kann, vgl. Department of Health and Human Services (DHHS),
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Wissenschaftliches Fehlverhalten ist kein neuartiges, aber ein in Deutschland lange unbeachtetes Phänomen. Die Autorin vergleicht verschiedene nationale Standards und Verfahrensmodelle des Umgangs mit wissenschaftlichem Fehlverhalten und erkennt Tendenzen einer allgegenwärtigen zunehmenden Verkomplizierung und zugleich Internationalisierung von Regulierungssystemen in diesem Bereich.